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Antrag 205/I/2020 Nachttaxi für Frauen in Berlin

1.10.2020

Die SPD Berlin setzt sich für die Einführung und Unterstützung von Nachttaxen für Frauen nach dem Münchner und Heidelberger Vorbild ein, bis über den Ausbau des Streckennetzes des ÖPNV ein gleichwertiges Angebot in den Außenbezirken geschaffen wurde

 

Uber und andere private Fahrdienstleister werden von der „Nachttaxiregelung“ ausgenommen.

Antrag 128/I/2020 Gewichtsvielfalt zum festen und selbstverständlichen Bestandteil von Diversity machen!

1.10.2020

Wir fordern die sozialdemokratischen Frauen, die sozialdemokratischen Mitglieder der Berliner Landesregierung und des Bundestages auf, die Thematisierung und Abbildung von Gewichtsvielfalt in ihrer Arbeit, Kommunikation und den politischen Institutionen zu einem festen und selbstverständlichen Bestandteil von Diversity zu machen. Das gilt insbesondere für Kontexte, in denen die SPD darauf hinwirken kann, Gewicht als Diversity-Dimension zu etablieren, wie beispielsweise in Reden und Programmbeiträgen zum Deutschen Diversity-Tag oder der jährlich stattfindenden Diversity-Konferenz der Charta der Vielfalt.

Antrag 127/I/2020 Verankerung einer Feministischen Außenpolitik in Inhalt und Struktur!

1.10.2020

Wir fordern die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung auf sich dafür einzusetzen, dass die deutsche Außenpolitik das Ziel der feministischen  Außenpolitik und der Gleichstellung der Geschlechter sowie der Schaffung von Chancengleichheit für Alle, unabhängig von Nationalität, sexueller Identität, Religion und Weltanschauung, ethnischer Herkunft, rassistischer Zuschreibung, Lebensalter, sozialem Status und Behinderung verfolgt.

 

Bezüglich der inhaltlichen Akzentsetzung der Vereinten Nationen-Resolution 1325 „Frauen, Frieden, Sicherheit“ im Auswärtigen Amt fordern wir:

  1. Sicherzustellen, dass der dritte Nationale Aktionsplan für die Umsetzung der Resolution 1325 ressortübergreifend bundesweit kohärent umgesetzt wird, indem klare Ziele, Monitoringverfahren und Evaluationskriterien festgelegt und ausreichend finanzielle Ressourcen bereitgestellt werden. Dies schließt die wiederholte, stetige Ansprache dieser Ziele im Dialog mit internationalen Regierungsvertretern mit ein.
  2. marginalisierten Stimmen im Sicherheitsdiskurs – in erster Linie den Stimmen von Frauen – mehr politisches Gewicht zu verleihen durch verstärkte finanzielle Förderung und Stärkung von Teilhabe an politische Konfliktlösung von Frauenrechtsverteidigerinnen und Aktivistinnen in Krisen- und Konfliktländern
  3. weitergehende wissenschaftliche Analyse der Auswirkung neuer globaler Sicherheitsrisiken, wie Klimawandel und Digitalisierung, auf Frauen und Minderheiten zu betreiben und die deutsche Außenpolitik auf die Bekämpfung dieser Risiken auszurichten

 

Weiter fordern wir die strukturelle Verankerung der Prinzipien der Resolution 1325 im Auswärtigen Amt durch:

  1. Konsequente Verankerung einer feministischen Außenpolitik in den Konzept- und Strategiepapieren des Auswärtigen Amts sowie der Integration von Gender als Kategorie in den Förderkonzepten und -instrumenten des Auswärtiges Amts
  2. verbindliche Genderanalysen aller Ländern
  3. Umsetzung einer geschlechtergerechten Personalpolitik und -entwicklung im Auswärtigen Amt, insbesondere der Umsetzung der Agenda „Frauen, Frieden und Sicherheit“ als einem Beförderungskriterium für Diplomat*innen

 

Antrag 122/I/2020 Missbrauch von GBL (K.O.-Tropfen) verhindern

1.10.2020

Wir fordern die sozialdemokratischen Abgeordneten des Bundestags und die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung auf, sich dafür einzusetzen, dass GBL in Deutschland unter das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) fällt und dadurch nicht mehr für jeden zugänglich ist. Alle Chemiekonzerne sollen GBL zudem zusätzlich mit einem Bitterstoff versetzen.

Antrag 123/I/2020 Für ein inklusives, diskriminierungsfreies und partizipatives Berlin

1.10.2020

Die Berliner Landesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag sowie den Richtlinien der Regierungspolitik dazu verpflichtet, das Landesgleichberechtigungsgesetzes (LGBG) weiterzuentwickeln sowie die Ergebnisse der Normprüfung zur UN-Behindertenrechtskonvention umzusetzen.

 

Sich für ein inklusives, diskriminierungsfreies und partizipatives Berlin stark zu machen, ist im Interesse einer jeden Person notwendig. Die meisten Menschen sind nur „noch nicht behindert“, prozentual sind nur sehr wenige Behinderungen angeboren. Die häufigste Ursache für Behinderungen sind allgemeine Krankheiten oder auch in einem nicht so hohem Maße Unfälle. Laut Bestandsstatistik ( https://www.parlament-berlin.de/ados/18/IntArbSoz/vorgang/ias18-0029-v-LfB-Einwohnerzahlen%20ausgew.%20St%C3%A4dte.pdf ) hatten 2016 von den 3.520.031 Berliner*innen 617.107 Berliner*innen einen nachgewiesenen Grad der Behinderung (GdB) ab GdB 20. Von ihnen sind 411.339 Berliner*innen schwerbehindert.

 

Entgegen der ursprünglichen Planung beginnt die parlamentarische Beratung des LGBG erst im 2. Halbjahr 2020. Der bekanntgewordene „Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen im Land Berlin“ vom 15.10.2019 ist grundsätzlich zu begrüßen, da er schon notwendige Veränderungen gemäß der menschenrechtsbasierten Grundausrichtung der UN-Behindertenkonvention (UN-BRK) aufgreift. Dennoch sind zur Umsetzung des uneingeschränkten und selbstverständlichen Rechts auf Teilhabe und zur Verhinderung und Beseitigung von Benachteiligungen und Barrieren durch alle Menschen mit Behinderungen auch in diesem Artikelgesetz zusätzliche gesetzgeberische Schritte notwendig.
Der SPD Berlin ist bewusst, dass es neben der Weiterentwicklung des LGBG zudem erforderlich ist, verschiedene Fachgesetze und Rechtsverordnungen des Landes Berlin noch an die Bestimmungen der UM-BRK anzupassen. Im Zentrum für eine inklusive, diskriminierungsfreie und partizipative Gesellschaft im Sinne der UN-BRK wird aber das LGBG mit seinen elementaren Rahmenbestimmungen stehen. Wir wollen die Überwindung des defizitorientierten, medizinischen Verständnisses von Behinderung zu Gunsten des an der Wechselwirkung mit Barrieren orientierten sozialen Behinderungsbegriffes in der UN-BRK sowie die Stärkung der Rechte von Menschen mit Behinderungen unter anderem anhand der Prinzipien Nichtdiskriminierung, Teilhabe und Partizipation, Bewusstseinsbildung, Zugänglichkeit, persönliche Mobilität und Zugang zu Informationen überall wirksam werden lassen.

 

Der SPD Berlin ist wichtig, dass auch im anstehenden Gesetzgebungsverfahren Menschen mit Behinderungen wirksam partizipieren können. Auch hier gilt „Nichts über uns, ohne uns“ – und zwar über den gesamten Prozess der Entscheidungsfindung bis zur Verabschiedung des Gesetzes.

 

Die Einbeziehung von Menschen mit Behinderungen in die Umsetzung ist ebenfalls selbstverständlich.
Die SPD Berlin erwartet die Umsetzung der nachfolgenden Forderungen sowohl vom Senat, insbesondere den sozialdemokratischen Senator*innen, als auch im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens vom Abgeordnetenhaus von Berlin, insbesondere den sozialdemokratischen Parlamentarier*innen:

 

I. Würdigung und Änderung des bisherigen Standes des „Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen im Land Berlin“ vom 15.10.2019

 

Zu § 1 Ziel des Gesetzes

Erklärter Zweck der UN-BRK ist gemäß Artikel 1 UN-BRK die Förderung, der Schutz und die Gewährleistung des vollen und gleichberechtigten Genusses aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen. Das Wort „Genuss“ statt Wahrnehmung entspricht dem Grundsatz der Inklusion am meisten, da der volle und gleichberechtigte „Genuss“ im Gegensatz zur Wahrnehmung keine Aktivität voraussetzt.

 

Zu § 2 Geltungsbereich

Dass Träger öffentlicher Belange lediglich darauf hinwirken sollen Gesetzesziele in angemessener Weise zu berücksichtigen, ist nicht ausreichend. Die UN-Behindertenrechtskonvention ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der von allen einzuhalten ist. Es muss eine Änderung dahingehend erfolgen, dass die Träger öffentlicher Belange verpflichtet werden, die Gesetzesziele umzusetzen. Es ist sicherzustellen, dass die Ziele des LGBG auch für private Rechtsträger gelten. Eine „Flucht ins Privatrecht“ darf es nicht geben – dafür hat der Gesetzgeber Sorge zu tragen.

 

Zu § 3 Menschen mit Behinderungen

Statt der Formulierung „geistige Behinderungen“ sollte der international übliche Sprachgebrauch „intellektuelle Beeinträchtigungen“ genutzt werden. Die Beschränkung des Merkmals „langfristig“ auf eine Sechs-Monats-Frist, ohne dass -zumindest – ein Regel-Ausnahme-Verhältnis verankert wird, widerspricht der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe. Eine bessere Definition von langfristig ist „Als langfristig gilt in der Regel ein Zeitraum, der nicht nur vorübergehend ist.“

 

Zu § 5 Barrierefreiheit

Jeder gestaltete Lebensbereich soll für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sein. Alles soll folglich barrierefrei sein. Klarzustellen ist entweder im Gesetzestext selbst oder zumindest in der Begründung, dass unter dem Begriff „Hilfsmittel“ auch menschliche und tierische Hilfen zu verstehen sind. So sind zum Beispiel die Mitführung von Assistenzhunden für einige Menschen mit Behinderungen die Voraussetzung für eine volle Teilhabe in allen Lebensbereichen.
Im Gegensatz zu Artikel 9 UN-BRK finden sich keine Ausführungen dazu, wann welche Bereiche barrierefrei zu gestalten sind. Nicht gesetzlich verankert sind damit Zielstellung und Verpflichtungen zur Umsetzung. Zu begrüßen wäre daher ein Absatz 2. der die Träger öffentlicher Belange verpflichtet, entsprechende Maßnahmen zu treffen.

 

Um das Grundrecht auf gleichberechtigte Wahlmöglichkeiten des Wohnortes und der Wohnform umfassend ausüben zu können (vgl. § 19 UN-BRK (Unabhängige Lebensführung und Einbeziehung in die Gemeinschaft) und § 28 UN-BRK (Angemessener Lebensstandard und sozialer Schutz)) gehen die im Gesetzentwurf formulierten Vorgaben z.B. in §§ 5,6,7,12 nicht weit genug.

 

Angesichts der Schätzungen von 41.000 bzw. 110.000 fehlenden barrierefreien bzw. barrierearmen Wohnungen muss § 50, Abs 1, Satz 4 der Bauordnung für Berlin (BauO Bln) geändert werden: Das Ziel muss es sein, dass jede Wohnung barrierefrei ist. Zumindest bedarf es aber einer weiteren Aussage dahingehend, dass ab dem 1.1.2022 in Gebäuden mit mehr als acht Wohnungen eine und bei mehr als zwanzig Wohnungen mindestens zwei Wohnungen uneingeschränkt mit dem Rollstuhl nutzbar sind. Das ein solches Vorhaben möglich ist, zeigt die Bremische Landesbauordnung.

 

Zusätzlich zum neuen § 50, Absatz 2 BauO Bln ist an geeigneter Stelle (z.B. Gesetz über den Sozialen Wohnungsbau in Berlin (Wohnraumgesetz Berlin – WoG Bln)) ein angemessener Anteil an Rollstuhlbenutzer*innen-Wohnungen (rb-wohnungen.de) im sozial geförderten Wohnungsbau einzuführen.

 

Der Bau von rollstuhlgerechten Wohnungen ist in der Bauordnung zu regeln, da die „Barrierefreies Wohnen Verordnung (BWV Bln) den R-Standard ausdrücklich ausnimmt.
Es herrscht ein großer Bedarf an der Errichtung eines mit ausreichenden personellen Ressourcen ausgestattetem Kataster mit Lotsenfunktion, angesiedelt entweder auf Landesebene oder aber jeweils in den Bezirken. Es ist unsäglich, dass wohnungssuchende Menschen mit Behinderungen derzeit in Berlin keine differenzierte Auskunft über Merkmale von Wohnungen erhalten, die sie aber dringendst brauchen,

 

Zu § 6 Angemessene Vorkehrungen

Die explizite Einbeziehung angemessener Vorkehrungen und die Klarstellung, dass die Versagung angemessener Vorkehrungen als Diskriminierung zu werten sind, wird begrüßt. Allerdings sollte der Klarheit halber ergänzt werden, dass „Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen ihre Rechte wahrnehmen“ und ausüben können. Zwar ist mit dem anschließenden Satzteil „und die den Träger öffentlicher Belange nicht unverhältnismäßig oder unbillig belasten“ laut Gesetzesbegründung gemeint, dass „die Nichtvornahme eigentlich erforderlicher Maßnahmen nur ausnahmsweise zulässig und stets besonders begründungsbedürftig ist“, wird dennoch sowohl eine Satzesteilung als auch eine andere Formulierung gefordert. Wir dürfen nicht zulassen, dass Menschen mit Behinderungen zum einen Rechte zugestanden werden, die aber quasi gleichzeitig nach welchen Kriterien öffentlicher Träger auch immer wieder eingeschränkt oder gar ganz abgebaut werden.

 

Zu § 9 Zusammenarbeit, Beteiligung, Unterstützung

Partizipation ist lauf UN-BRK ein übergreifendes Ziel der UN-BRK. Daher ist die grundlegende Regelung der Einbeziehung von Menschen mit Behinderungen bei politischen Entscheidungsprozessen und die damit einhergehende gesetzliche Verankerung von Beteiligungsstrukturen positiv zu bewerten. Daher ist es in (2) und (3) nicht ausreichend, das Beteiligungsverfahren mit der Formulierung „kann entsprechend § 20 dieses Gesetzes gestaltet werden“ auf die Arbeitsgruppen für Menschen mit Behinderungen zu fokussieren. Der Landesbeirat für Menschen mit Behinderung ist ebenso in aktive Beteiligungsverfahren einzubeziehen.

 

Zu § 10 Frauen mit Behinderungen

Für großes Erschrecken sorgten 2011 die Ergebnisse der Studie „Lebenssituation und Belastungen von Frauen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen in Deutschland“. Diese zeigten, dass Frauen mit Behinderungen viel öfter in ihrem Leben Gewalt erfahren, als andere Frauen und Mädchen. Besonders alarmierend war, dass Frauen mit Behinderung und Beeinträchtigung zwei- bis dreimal häufiger sexuellem Missbrauch in Kindheit und Jugend ausgesetzt waren als der weibliche Bevölkerungsdurchschnitt. Um dem hohen Maß an Gewalt entgegenzuwirken, sind u.a. Frauenbeauftragte in den Einrichtungen der Behindertenhilfe etabliert worden.
Es ist positiv, dass ausdrücklich auf die Gefahr von Mehrfachdiskriminierung und die Pflicht, Maßnahmen speziell dagegen zu ergreifen, Bezug genommen wird. Unverständlich ist aber, dass die Mädchen mit Behinderungen nicht ausdrücklich im Gesetzesentwurf benannt werden. Dies widerspricht Artikel 6 der UN-BRK und der besonderen Situation von Mädchen als weibliche Menschen, die noch keine Frauen sind. Es ist durchgängig die Formulierung „Mädchen und Frauen mit Behinderungen“ zu nutzen.

 

Zu § 11 Kinder mit Behinderungen

Kinder mit Behinderungen sind eine besonders vulnerable Gruppe. Dies sind Jugendliche in vielen Bereichen aber auch. Daher sollte dieser Paragraph sich auf Kinder und Jugendliche mit Behinderungen beziehen.
Gemäß Artikel 7 Absatz 3 der UN-BRK ist nicht nur zu gewährleisten, dass Kinder ihre Meinung in allen sie berührenden Angelegenheiten frei äußern sollen, sondern auch, dass sihre Meinung angemessen und entsprechend ihres Alters und ihrer Reife berücksichtigt wird. Dieser Aspekt des rechtlichen Gehörs kommt noch nicht ausreichend zum Ausdruck. Daher sollte das Wort „berücksichtigen“ im letzten Satz in § 11 durch das Wort „gewährleisten“ ersetzt werden. Außerdem sollte der folgende Satz angeschlossen werden: „Ihre Meinung wird angemessen und entsprechend ihrem Alter und ihrer Reife berücksichtigt.“

 

Zu § 10 und § 11 Sicherstellung des Zugangs zu Gesundheitsleistungen für alle

Gemäß § 10 Ist Mehrfachdiskriminierung von Frauen mit Behinderungen vorzubeugen und entgegenzuwirken. Hierzu gehört auch: „3. Sicherung des Zugangs zu den Gesundheits- und Sozialdiensten, einschließlich gesundheitlicher Rehabilitation, die die unterschiedlichen Bedürfnisse von Frauen und Männern berücksichtigen,“

 

Gemäß § 11 sollen Kinder mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen Kindern alle Rechte wahrnehmen können. Hierzu gehört auch: „5. das Angebot von Gesundheitsleistungen durch das bei Kindern weitere Behinderungen möglichst gering gehalten oder vermieden werden sollen,“.
Angesichts des bekannten Gender Health Gap zu Lasten der Männer ist es unverständlich, dass nicht auch auf spezifische Strukturen und Maßnahmen der Vorsorge und Prävention verwiesen wird. Wesentlich ist auch hier u.a. der Abbau eines traditionellen Stereotyp von Männlichkeit.

 

Grundsätzlich ist laut Artikel 25 a) Menschen mit Behinderungen eine Gesundheitsversorgung „in derselben Bandbreite, von derselben Qualität und auf demselben Standard“ wie für Menschen ohne Behinderung zu stellen. Weiterlegt legt Artikel 25 b) fest, dass Gesundheitsleistungen anzubieten sind, „die von Menschen mit Behinderungen speziell wegen ihrer Behinderungen benötigt werden“.
Für Berlin ist der Ausbau von Gesundheitszentren dafür nicht ausreichend. Es ist dafür Sorge zu tragen, dass berlinweit eine ausreichende Anzahl Medizinischer Behandlungszentren für Erwachsene mit geistiger oder schweren Mehrfachbehinderungen (MZEB) entsteht.

 

Der Ausbau von wohnortnahen Gesundheitszentren ist für eine der UN-BRK entsprechende gute medizinische Versorgung nicht ausreichend. Zudem haben Ärzt*innen in der sogenannten Regelversorgung oft keine speziellen Kenntnisse zur Behandlung von Menschen mit intellektueller oder mehrfacher Behinderung. Außerdem sind viele Praxen gar nicht für Menschen mit Behinderungen zugänglich, oft aufgrund von baulichen aber auch oft aufgrund von kommunikativen Barrieren.

 

Während bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Kinder und Jugendliche mit intellektueller Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen in den bewährten Sozialpädiatrischen Zentren (SPZ) mit einer speziellen medizinischen Versorgung versorgt sind, gilt dieses für erwachsene Menschen mit Schwerst- und Mehrfachbehinderungen nicht mehr. Für sie können selbst kleinere medizinische Probleme bei einer unzureichenden Behandlung zu einer Gefahr werden.

 

MZEB ermöglichen eine multiprofessionelle und interdisziplinäre ambulante Arbeit. Hier findet ein intensiver Austausch im Team verschiedener ärztlicher Disziplinen (z.B. Neurologie, Innere Medizin, Psychiatrie, Orthopädie) und therapeutischer Disziplinen (z.B. Physio-, Ergo-, Logopädie) statt, der in koordiniertes Handeln mundet. MZEB helfen gesundheitsgefährdende Diskriminierungen abzubauen. Notwendig ist auch in Berlin ein zügiger und flächendeckender Auf- und Ausbau von MZEB als notwendige Ergänzung der medizinischen Regelversorgung, Dabei ist sicherzustellen, dass MZEBs einen gesetzlichen Behandlungsauftrag haben und nicht auf reine Lotsenfunktion zu reduzieren sind.

 

§ 12 Teilhabe in allen Lebensbereichen

Der § 12 (2) enthält eine unvollständige Auflistung von Bereichen, die im Sinne von § 5 nach Maßgabe der geltenden Rechtsvorschriften barrierefrei zu gestalten sind. Zu erwähnen sind auch die Park- und Grünanlagen sowie alle gedeckten und ungedeckten Sportanlagen. Zu ergänzen sind auch die digitalen Angebote (Auftritte und Angebote im Internet und Intranet, einschließlich der grafischen Programmoberflächen und elektronischen Verwaltungsabläufe sowie mobilen Anwendungen.

 

So positiv die Auflistung von Erfassungs- und Berichtspflichten sowie verbindlicher und überprüfbarer Maßnahmen- und Zeitpläne in § 12 (3) ist, so fehlt doch eine entscheidende Frist: Die verbindliche Festlegung zur vollständigen Umsetzung der Barrierefreiheit. Seit der Ratifizierung der UN-BRK im März 2009 ist den staatlichen und politischen Akteur*innen bekannt, dass Art 4 Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 9 UN-BRK darauf verweist, dass die schnellstmögliche Beseitigung gestehender Zugangsbarrieren, insbesondere bei vom Staat selbst genutzten Gebäuden, verlangt wird. Es ist nicht zu viel verlangt, wenn dieser Prozess zum 20sten Jubiläum beendet sein soll.

 

Daher folgender Vorschlag: Der bisherige Satz 4 wird zu Satz 5. Eingefügt wird folgender neuer Satz 4: „Die öffentlich zugänglichen Bestandsbauten der Senatsverwaltungen sind bis zum 1. Januar 2027, die der übrigen Träger öffentlicher Belange bis zum 1. Januar 2019 barrierefrei umzugestalten. Erst nach sorgsamer unter Einbeziehung von Expert*innen, u.a. Sachverständige für Barrierefreiheit, kann ggf. bescheinigt werden, dass dieses bautechnisch nicht möglich ist.

 

§ 13 Sicherung der Mobilität

Obwohl in §13 (1) die Rechte von Menschen mit Behinderungen hinsichtlich der Barrierefreiheit des öffentlichen Personennahverkehrs gestärkt werden, fehlt gemäß Artikel 4 UN-BRK eine Bestimmung, die die aktive Einbeziehung von Menschen mit Behinderungen in diesen Entscheidungsprozessen regelt. Einzufügen ist daher folgender Satz: „Die frühzeitige Einbeziehung der Belange von Menschen mit Behinderungen bei relevanten Entscheidungsprozessen ist insbesondere durch die zuständige Arbeitsgruppe (§ 20) zu gewährleisten.“ Zur Klarstellung sollte auch ein direkter Verweis auf § 2 vorgenommen werden, um so zu verdeutlichen, dass die Sicherstellung der Teilhabe für alle möglichen Behinderungen gilt.

 

In § 13 (2) ist als barrierefreie Mobilitätsalternative lediglich das Vorhalten eines Besonderen Fahrdienstes vorgesehen. Das ist absolut unzureichend. Neben der barrierefreien Verfügbarkeit des ÖPNV muss auch eine Öffnung zu weiteren alternativen Beförderungsangeboten, wie beispielsweise Begleitdienste und Inklusionstaxis, stattfinden. Auch für Menschen mit Behinderungen muss es möglich sein, barrierefreie Beförderungsangebote jederzeit spontan in Anspruch zu nehmen. Zur Gewährleistung ihrer Mobilität sind rund um die Uhr verfügbare und sozial geförderte (d.h. bezahlbare) und verkehrssichere Beförderungsangebote vorzuhalten. § 13 Absatz 2 ist entsprechend zu ändern.

 

§ 14 Kommunikationsformen

Die Neufassung dieses Paragrafen geht in die richtige Richtung, da mehr Behinderungsformen als auch erweiterte Anwendungskreise benannt werden.
Auflistungen haben den Nachteil, dass immer wesentliche Gruppen, Lebensbereiche, Sprachen oder Verfahren nicht erwähnt werden. Jede der erfolgten Auflistungen ist daher auf Vollständigkeit hin zu überprüfen.

 

So ist in § 14 (2) folgende Änderung vorzunehmen: „(2) Hörbehinderte Menschen (Gehörlose, Ertaubte und Schwerhörige) und kommunikationsbeeinträchtigte Menschen haben das Recht, …“. Nicht die Sprache ist das Maß. Kommunikationsbeeinträchtigungen betreffen ebenso psychisch/seelisch als auch schwerstmehrfach beeinträchtigte Menschen. In §14 (3) sollte von kommunikationsbeeinträchtigten Eltern gesprochen werden, um kein Elternteil in der vorgesehenen Rechtsverordnung zu übersehen. Änderungen haben auch in nachfolgenden Absätzen zu erfolgen.

 

§ 15 Gestaltung von Schriftstücken

Positiv zu würdigen ist die Absicht, dass seitens staatlicher Stellen die Zugänglichkeit von Informationen sowie barrierefreie Kommunikation gewährleistet werden soll. Es ist aber unverständlich, dass die Formulierung in § 15 Satz 2 „soweit dies zur Wahrnehmung eigener Rechte im Verwaltungsverfahren erforderlich ist“ – vgl. auch § 14 Absatz 2 Satz 1 – die Inanspruchnahme der in der UN-BRK enthaltenen Rechte wieder einschränkt. Am besten erfolgt an beiden Stellen gemäß § 19 Absatz 1 SGB X eine Streichung.

 

§ 16 Leichte Sprache

Wie in § 14 sollte auch hier von „intellektueller Beeinträchtigung“ gesprochen werden. Wie schon zuvor erwähnt, bergen Auflistungen die Gefahr, dass sie nur auf bestimmte Beeinträchtigungsformen beschränkt sind. Es ist stattdessen besser, allgemein von „Menschen mit Behinderungen“ zu sprechen. Nicht akzeptiert werden können die unverbindlichen „Soll-Bestimmungen“ in den Absätzen von § 16. Dieses entspricht keiner wirksamen Regelung wie in Artikel 21 b) UN-BRK gefordert.

§ 18 Senatsverwaltungen

Positiv hervorzuheben ist die in das Gesetz aufgenommene Verpflichtung, das Beteiligungsverfahren barrierefrei zu gestalten. Erfreulich ist auch der in § 18 Absatz 4 und 5 beschriebene Empowerment-Ansatz. Der Klarheit halber sollte allerdings dem Absatz § 18 (1) noch folgender Satzteil angehängt werden: „auch innerhalb ihrer eigenen Verwaltungen und leitenden Referate“.

Nicht nachvollziehbar ist, dass der Landesbeirat für Menschen mit Behinderungen an keiner Stelle der zahlreichen Absätze Erwähnung findet. Auch dieser ist aktiv in die Beteiligungsverfahren einzubeziehen und sollte zumindest in den Absätzen (2) und (3) Erwähnung finden.

 

§ 19 Koordinierungs- und Kompetenzstellen

Gemäß § 19 (1) bestimmen zur Erreichung der Ziele nach diesem Gesetz alle Senatsverwaltungen für ihren Zuständigkeitsbereich Koordinierungs- und Kompetenzstellen. Das ist sehr zu begrüßen.
Die im neuen Landesgleichberechtigungsgesetz – LGBG deutlich werdende Institutionalisierung der Beteiligungsrechte von Menschen mit Behinderungen am gesetzgeberischen Handeln auf Landesebene (§ 20 Arbeitsgruppen Menschen mit Behinderungen der Senatsverwaltungen, § 23 Berufung und Rechtsstellung der oder des Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen, § 24 Aufgaben der oder des Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen, § 26 Zusammensetzung des Landesbeirates für Menschen mit Behinderungen, § 27 Aufgaben des Landesbeirates für Menschen mit Behinderungen, § 28 Geschäftsstelle des Landesbeirats für Menschen mit Behinderungen) mit den dazugehörigen Berichtspflichten (§ 21 Berichtspflichten, § 25 Berichtspflicht der oder des Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen) ist außerordentlich zu begrüßen.

 

Sehr zu begrüßen ist die in § 29 (4) deutlich werdende Aufwertung der Bezirksbeauftragten für Menschen mit Behinderungen. Damit für die Bezirksebene (§ 22 Bezirksverwaltungen, § 29 Berufung und Rechtsstellung der Bezirksbeauftragten für Menschen mit Behinderungen, § 30 Aufgaben der Bezirksbeauftragten für Menschen mit Behinderungen, § 31 Berufung und Aufgaben der Bezirksbeiräte für Menschen mit Behinderungen) der Landesebene vergleichbar wirksame Regelungen existieren, ist allerdings noch folgende Ergänzung notwendig:

 

In § 22 (2) sind vergleichbar zu § 18 Absatz 2 Satz 3 ein Satz 3 zur barrierefreien Ausgestaltung des Beteiligungsverfahrens eingefügt werden.
Angestrebt werden sollte darüber hinaus, dass der Flickenteppich der bezirklichen Aufgabenbeschreibungen sowie der Auswahlkriterien bezirksübergreifend vereinheitlicht werden.

 

Zu § 32 Landesfachstelle für Barrierefreiheit

Die Errichtung dieser zentralen Anlaufstelle zu Fragen der Barrierefreiheit wird begrüßt. Ihre Notwendigkeit ergibt sich aus § 13 BGG. Die Fachstelle wird auch im Hinblick auf die noch zu erfolgende Umsetzung der europäischen Richtlinie 2019/882 über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen eine große Rolle spielen. Erstmals werden hiermit auch Bereiche der Privatwirtschaft zu Barrierefreiheit verpflichtet. Die EU-Richtlinie zählt u.a. Produkte (Hardware und Betriebssysteme, E-Book-Lesegeräte oder Selbstbedienungsterminals usw.) und webbasierte Dienstleistungen (elektronischer Handel, Online-Bankwesen, audiovisuelle Mediendienste, E-Books usw.) auf, die zukünftig barrierefrei in Verkehr gebracht werden müssen.
Unklar bleibt aber die konkrete Ausstattung dieser Landesfachstelle u.a. hinsichtlich der notwendigen Qualifikationen, der zur Verfügung stehenden Ressourcen, etc. Hier hat eine Nachbesserung zu erfolgen.

 

Dringendst ist eine Lösung zu finden, um Sachverständige für Barrierefreiheit auszubilden und sie verpflichtend bei jeder Bauplanung, jedem Bauprojekt zuzuordnen.

 

Zu § 33 Außerordentliches Klagerecht

Begrüßt wird die Ausweitung des Verbandsklagerechtes auf verschiedene Klagearten.

 

II. Implementierung weiterer sinnvoller Schritte im LGBG
Die verstärkt an der UN-BRK orientierte Neufassung des LGBG hat erheblichen Einfluss auf das Leben und die gesellschaftliche Teilhabe von Berliner*innen mit Behinderungen. Mit der Neufassung des LGBG besteht JETZT die Chance zur Einführung weiterer institutioneller Neuerungen. Diese Chance zur Implementierung weiterer sinnvoller Schritte zur Umsetzung der UN-BRK ist unbedingt zu nutzen.

Wir schlagen daher die Ergänzung des Gesetzesentwurfs um folgende Aspekte vor:

  • Es ist eine unabhängige Schlichtungsstelle als niedrigschwelliges Verfahren zur außergerichtlichen Beilegung von Streitigkeiten wegen Verstößen gegen das LGBG geschaffen werden. Eine solche Regelung würde § 16 Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (Behindertengleichstellungsgesetz – BGG) folgen und zur Schließung von Anwendungslücken im Interesse von Menschen mit Behinderungen führen.
  • Es ist ein Partizipationsfonds einzurichten. Damit werden Organisationen von Menschen mit Behinderungen bei der Wahrnehmung ihrer Mitgestaltungsmöglichkeiten in landesspezifischen oder bezirklichen Angelegenheiten unterstützt.
  • Vertraglich beauftragt wird eine unabhängige Monitoringstelle zur Wahrnehmung der Aufgaben gemäß Artikel 33 Absatz 2 Satz 1 der UN-BRK (Monitoring). Damit wird das Monitoring dauerhaft sichergestellt.

 

III. Anpassung zwei weiterer Rahmenbestimmungen in Berlin

Die Weiterentwicklung des LGBG steht mit seinen elementaren Rahmenbedingungen im Mittelpunkt für eine inklusive, diskriminierungsfreie und partizipative Gesellschaft im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention. Die Neufassung erfolgt im Rahmen eines sogenannten Artikelgesetzes. An die Vorgaben der UN-BRK werden auch weitere Fachgesetze bzw. Rechtsverordnungen angepasst: zum einen die Berliner Schulkommunikationsverordnung und zum anderen das Denkmalschutzgesetz.

 

Änderung der Schulkommunikationsverordnung

Zu verankern ist das Recht auf Berufsschulunterricht an Berliner Oberstufenzentren und Berliner Berufsschulen mit sonderpädagogischen Aufgaben für Menschen mit Behinderung, die an einer individuellen betrieblichen Qualifizierungsmaßnahme gemäß § 55 Abs. 2 SGB IX oder Berufsbildungsmaßnahmen einer Werkstatt für behinderte Menschen gemäß § 57 SGB IX teilnehmen. Bisher ist dieser Berufsschulunterricht für Menschen mit Behinderungen nicht vorgesehen.

 

Änderung des Denkmalschutzgesetzes

Die Ersetzung der Worte „mobilitätsbehinderte Personen“ durch „Menschen mit Behinderungen“ reicht nicht aus, um dem Sinn und Zweck des LGBG zu erfüllen. Bisher berufen sich viele auf den Denkmalschutz, um für Menschen mit Behinderungen keine Barrieren abbauen zu müssen. Das muss sich ändern.