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Antrag 247/I/2019 Nicht mehr in die Tonne! Unverkaufte Lebensmittel abgeben

22.02.2019

Ein Drittel aller produzierten Lebensmittel landet nutzlos in der Tonne. Das entspricht insgesamt etwa 1,3 Milliarden Tonnen im Jahr. Bei dieser Menge an weggeworfenen Lebensmitteln werden ca. 30 % der weltweit existierenden Anbauflächen In Deutschland werden jährlich 18 Millionen Tonnen Lebensmittel vernichtet, das entspricht einem Drittel der Produktion. Das geschieht teilweise auch schon bevor die Lebensmittel überhaupt den Einzelhandel erreichen. Beispielsweise werden 30 % – 35 % der Kartoffeln an verschiedenen Stellen der Prozesskette aussortiert bevor sie in den Laden gelangen. Die Verschwendung stellt ein großes Problem dar. Weltweit müssen über 800 Millionen Menschen hungern. Außerdem wird bei der Herstellung und beim Transport der nicht genutzten Lebensmittel unnötig Energie und Wasser verbraucht, Flächen beansprucht sowie Dünge- und Pflanzenschutzmittel verwendet. Dabei werden Treibhausgasemissionen in Höhe von mehr als drei Gigatonnen verursacht. Dieses vorherrschend imperiale Konsummodell ist für uns nicht hinnehmbar. Wir fordern den weitreichenden Abbau der Lebensmittelverschwendung und fordern eine sozial gerechte Verteilung von Lebensmittel sowie weiteren ökologischen Ressourcen.

 

Die UN hat sich mit den Sustainable Development Goals zum Ziel gesetzt, bis 2030 die Verschwendung von Nahrungsmitteln zu reduzieren. Deutschland hat diese mitunterzeichnet. Die gesetzliche Pflicht unverkäufliche Lebensmittel zu spenden innen kann einen Teil dazu beitragen und hilft gleichzeitig finanzschwachen Menschen.

 

Die Mitglieder der SPD-Fraktion im Bundestag sowie die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung sollen sich für eine gesetzliche Regelung einsetzen, dass Lebensmittelhändler*innen (Groß und Einzelhandel) und Produzent*innen verpflichtet werden noch essbare Lebensmittel, die nicht mehr verkauft werden, gemeinnützigen Organisationen und Tafeln oder auch Schulen und Kitas vorrangig lokal zur Abholung anzubieten. Als Beispiel können hier die Verfahren in Frankreich und Tschechien dienen.

 

Sie dürfen erst entsorgt werden, wenn innerhalb einer Frist von 24 Stunden keine Abholung durch gemeinnützige Organisationen, Tafeln und Schulen und Kitas erfolgte bzw. ein Bedarf signalisiert wurde und müssen solange sachgerecht gelagert werden. Bei lange haltbaren Lebensmitteln wie Nudeln oder Reis gilt die Frist von einer Woche. Ergänzend soll ein Konzept entwickelt werden, dass den Zugang auch für Privatpersonen ermöglicht. Bis zur Abholung sind die Lebensmittel selbstverständlich hygienisch zu lagern ohne Unterbrechung der Kühlkette.

 

Kein Mensch darf, insbesondere in einem reichen Land wie diesem, auf Lebensmittel aus Müllcontainern angewiesen sein. Wenn Personen dennoch aufgrund gesellschaftlichen und staatlichen Versagens auf diese Form der Lebensmittelbeschaffung angewiesen sind, darf diese nicht noch gezielt kriminalisiert werden. Das eigentliche Fehlverhalten liegt schließlich keineswegs bei diesen Menschen. Deswegen muss das „Containern“ endlich entkriminalisiert, zumindest jedoch straffrei werden.

 

Darüber hinaus soll sich die SPD auf europäischer Ebene dafür einsetzen, dass diese Regelung europaweit eingeführt wird.

Antrag 133/I/2019 Passzwang für subsidiär Schutzberechtigte aufheben

22.02.2019

Geflüchtete, die subsidiären Schutz erhalten haben, sind verpflichtet, sich in der Botschaft ihres Herkunftslandes neue Ausweisdokumente ausstellen zu lassen, wenn diese ungültig geworden oder verloren gegangen sind. Berliner Behörden fordern von Geflüchteten regelmäßig das Vorzeigen von Pässen, zum Beispiel bei der Geburtsanzeige oder Beantragung von Leistungen zum Lebensunterhalt sowie rechtswidrigerweise bei der Beantragung eines Aufenthaltstitels. Zudem brauchen sie ihren Reisepass, um außerhalb von Deutschland zu reisen.

 

§ 5 der Aufenthaltsverordnung sieht vor, dass subsidiär Schutzberechtigten von deutschen Behörden ein sogenannter Reiseausweis für Ausländer ausgestellt werden kann, wenn es ihnen nicht zumutbar ist, bei den Behörden ihres Herkunftslandes einen neuen Pass zu beantragen. Bis Mai 2018 waren Berliner Behörden davon ausgegangen, dass dies bei syrischen Geflüchteten der Fall ist. Auf Wunsch von Innenminister Seehofer wurde mit dem Argument der bundesweiten Vereinheitlichung des Verfahrens diese Praxis allerdings abgeschafft. Syrische Flüchtlinge sind nun gezwungen, sich einen neuen Pass in der syrischen Botschaft ausstellen zu lassen. Schon jetzt leben viele subsidiär Schutzberechtigte in Berlin ohne Reiseausweis, weil die Behörden die Ausstellung von Reiseausweisen seit drei Jahren verzögerten.

 

Dieser Zwang zur Interaktion mit Behörden des Herkunftsstaates ist zutiefst unmenschlich. Viele Geflüchtete aus Ländern wie Syrien oder Eritrea, die subsidiären Schutz erhalten haben, sind Opfer von Folter, Repression und Kriegsverbrechen der dort herrschenden Diktaturen geworden. Wenn sie nun durch diese Regelung dazu gezwungen werden, bei der Botschaft des Regimes ihres Herkunftslandes einen neuen Pass zu beantragen, so werden ihre Daten oftmals (wie bspw. im Fall Syriens) an die Sicherheitsorgane des Regimes weitergegeben. Ihre noch dort verbliebenen Angehörigen geraten so in Gefahr, Opfer von teilweise tödlicher Repression zu werden.

 

Der Zwang führt zudem dazu, dass wir die Gewaltherrschaft in den Herkunftsländern der Geflüchteten mitfinanzieren. Die horrenden Gebühren, die Geflüchtete für neue Dokumente zahlen müssen, stellen nämlich nicht nur eine schwere finanzielle Belastung dar, sondern dienen auch der Finanzierung dieser Regime. Der Prozess zur Erlangung der Reisedokumente ist intransparent (oft werden keine Quittungen ausgestellt oder Schmiergeldzahlungen erwartet) und kostet beispielsweise bei einem syrischen Reisepass, der nur zwei bis drei Jahre gültig ist, zwischen 255-680 Euro. Das Regime in Eritrea nötigt zudem seine im Ausland lebenden Staatsangehörigen, 2% ihres Einkommens an ihre Botschaften zu überweisen.

 

Es ist zynisch und unzumutbar, dass wir subsidiär Schutzberechtigte dazu zu zwingen, die Botschaft des Staates aufzusuchen, aus dem sie geflohen sind, und so die Regime zu finanzieren, die erst der Grund ihrer Flucht waren und für ihre Angehörigen immer noch eine Gefahr darstellen. Der Zwang ist nicht nur moralisch verwerflich und macht Geflüchteten den Alltag schwer, sondern auch ein Hindernis für ein würdevolles und gutes Leben in Berlin. Die bundesweite Vereinheitlichung des Verfahrens kann kein ausreichender Grund sein, Schutzsuchende dieser Praxis auszusetzen.

 

Deshalb fordern wir die sozialdemokratischen Mitglieder des Abgeordnetenhauses und die Senatsverwaltung für Inneres und Sport dazu auf, die Verwaltung anzuweisen,

  • Subsidiär Schutzberechtigten einen „Reiseausweises für Ausländer“  auszustellen und das Erlangen eines Passes oder Passersatzes in den Herkunftsländern Syrien und Eritrea, sowie weiteren, zu prüfenden Herkunftsländern stets als unzumutbar einzustufen.
  • Außerdem fordern wir die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung und der Bundestagsfraktion auf, sich dafür einzusetzen, dass eine Änderung der Aufenthaltsverordnung und die Anweisung der bundesbehördlichen sowie eine Vereinheitlichung der landesbehördlichen Praxis dahingehend erfolgt, dass subsidär Schutzberechtigte einen „Reiseausweis für Ausländer*innen“ ausgestellt bekommen und nicht weiter gezwungen werden, bei Botschaften und Behörden ihrer Herkunftsländer einen Pass oder Passersatz zu beantragen.

 

Antrag 174/I/2019 Gegen Gewalt und Rassismus – Mahnmale für die Opfer rechter Gewalt

21.02.2019

Vor fünf Jahren begann der NSU Prozess vor dem Oberlandgericht München. Das Ergebnis ist frustrierend:

 

Mit Ausnahme der Hauptangeklagten Beate Zschäpe, wurden die Angeklagten von den meisten Vorwürfen freigesprochen. Die Strafen, die lächerlich niedrig ausfielen, sind ein Schlag ins Gesicht der Angehörigen. Die Annahme, Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt hätten alleine gehandelt und der NSU hätte nur aus diesen drei Personen bestanden und eine weitere Untersuchung und Aufklärung sei nicht nötig, ist durch mehrere im Prozess aufgeführte Beweise und offenen Fragen stark zu bezweifeln. So ist die Beteiligung von V-Leuten des Verfassungsschutzes nach wie vor unklar und der Verschluss wichtiger Akten für eine Dauer von 120 Jahren stellt eine schwere Behinderung der öffentlichen Aufklärung der NSU Morde dar. Mit dem Ende des Prozesses in München sind die abscheulichen Verbrechen des NSU und weitere Verwicklungen nicht aufgeklärt und es wurden mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet.

 

Dieser Gerichtsprozess kann nur der Anfang der Aufklärungsarbeit sein und nicht das Ende!

Gerade jetzt, in Zeiten, in der aufkommender Nationalismus und offener Fremdenhass mehr und mehr in der Mitte der Gesellschaft toleriert und sogar akzeptiert werden. In diesen Zeiten müssen wir, als Jungsozialist*innen geschlossen dafür eintreten, dass rechte Gewalt immer und überall konsequent und ausdauernd verfolgt und bestraft wird. Nicht nur „große“ Gewaltdelikte, wie der NSU-Terror, sondern auch „kleine“ alltägliche Gewalt von rechts muss endlich konsequenter verfolgt werden.

 

Denn laut einer aktuellen Anfrage im Bundestag wurden für das Jahr 2017 zum Stichtag des 31. Januars 2018 insgesamt 20520 politisch rechtsmotivierte Straftaten gemeldet, davon 1130 Gewaltdelikte. Davon konnten 8938 (801 Gewaltdelikte) aufgeklärt werden: 2017 wurden von 1504 antisemitisch motivierten Straftaten 1412 Delikte der politisch motivierten Rechten zugeordnet. Davon wurden 576 Straftaten geklärt, 836 Straftaten blieben unaufgeklärt. Diese schlechte Aufklärungsrate ist eine Farce! Zu oft wird rechte Gewalt verharmlost, zu oft als verwirrte Einzeltaten abgetan, doch sie gehört, wie es auch die Zahlen belegen, für zu viele Menschen in Deutschland immer noch zum Alltag.

 

Jeder Fall von rechter Gewalt ist einer zu viel!

Wir, als Jungsozialist*innen dürfen diese Aufklärungsraten und die mehr als unzufrieden stellenden Ergebnisse des NSU Prozesses nicht hinnehmen und uns immer und überall für rigorose und intensive Verfolgung aller Straftaten von rechts einsetzen. Außerdem sind die Zusammenhänge des Nationalsozialistischen Untergrundes und des Verfassungsschutzes komplett offenzulegen und aufzuklären. Denn nur so kann die Gesellschaft wieder Vertrauen in Justiz und Rechtsstaat entwickeln. Denn genau das brauchen wir jetzt. Vertrauen in eine starke Demokratie, in der jeder Mensch frei, friedlich und ohne Angst leben kann.

 

Wichtig ist es, dass aufgezeigt wird, dass das Problem mit fremdenfeindlicher und menschenverachtender Gewalt kein Randphänomen in unserer Gesellschaft ist. Sondern ein großes Problem in der Mitte der Gesellschaft ist. Auch hier ist es unsere Aufgabe das Bewusstsein dafür, in die Gesellschaft zu tragen. Mit dem Ziel die rechte Gewalt aus unserer Gesellschaft zu verdrängen und irgendwann ganz verschwinden zu lassen.

 

Deshalb fordern wir eine Öffnung der Akten des NSU Terrors und lückenlose Aufklärung über sämtliche Vorgänge des NSU.

 

Um uns das Bewusstsein über die Gefahr der rechten Gewalt zu vergegenwärtigen, müssen der NSU-Terror und rechte Gewaltdelikte in der Schule aufgearbeitet und eingeordnet werden. Wir brauchen mehr Kampagnen, die Jugendliche direkt erreichen und für dieses Thema sensibilisieren. Jugendliche wie auchz Erwachsene müssen einen direkten physischen Bezugspunkt haben, der an rechte Gewalttaten erinnert, darum fordern wir ein Mahnmal für die Opfer rechter Gewalt in allen Kreis- und kreisfreien Städten der Bundesrepublik Deutschland und überall dort, wo Menschen Opfer rechter Gewalt wurden. Die Konzipierung, Gestaltung und Errichtung dieser Mahnmale  sollen zugleich Auftakt einer ernsthaften Auseinandersetzung mit rechter Gewalt sein. Für die Konzipierung und Errichtung der Mahnmale sollen sowohl Betroffenenverbände und migrantische Organisationen, als auch explizit Anwohner*innen und Schulenaus dem jeweiligen Landkreis miteinbezogen und zur aktiven Mitgestaltung miteinbezogen werden. Für die Konzipierung unter Beteiligung der Öffentlichkeit ist ein angemessener Zeitraum einzuplanen. Somit sollen lokale Debatten in Gang gesetzt und ein Bewusstsein für alle Folgen von Rassismus geschaffen werden.

 

Wir fordern die Errichtung eines Denkmals für die Opfer der NSU-Verbrechen vor dem Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat. Die Ausgestaltung des Denkmals soll daran erinnern, dass rechte Gewalt kein Problem der Vergangenheit ist, sondern auch in unserer heutigen Gesellschaft vehement bekämpft werden muss. Die Namen der Opfer sollen hierbei genannt werden. Erst das Personalisieren der Opfer zeigt das zerstörerische Ausmaß rassistisch motivierter Taten. Das Errichten dieses Denkmals gerade vor dem Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat ist ein Zeichen gegen Rassismus und zeigt eine klare Positionierung entgegen der rechten Ideologie der Täter*innen, welche eben diese Heimat ihren Opfern abzusprechen sucht. Gleichzeitig soll es als Mahnmal an die Verantwortung der Behörden und des Staates dienen, die Bürger*innen und alle in der Bundesrepublik lebende Menschen vor rechtem Terror zu schützen. Rechte Gewalt ist ein schwerwiegendes Problem der Inneren Sicherheit, die Notwendigkeit ihrer Bekämpfung muss somit auch zentral hervorgehoben werden.

 

Außerdem fordern wir die Schaffung von Mahnmalen an den Orten, an denen der NSU-Terror stattfand, die zum Widerstand gegen Faschismus, Rassismus und Menschenverachtung aufrufen.

Antrag 148/I/2019 Notfallversorgung unserer Stadt endlich zukunftfähig gestalten

21.02.2019

Überfüllte Notaufnahmen, lange Wartezeiten, zu wenig Personal. So sieht aktuell die Notfallversorgung in Berlin aus. 38 Rettungsstellen in den Berliner Kliniken versorgen die akuten Notfälle der Berliner*innen. Im Berliner Krankenhausplan von 2016 heißt es, dass die Inanspruchnahme der Notfallversorgung kontinuierlich zunehme. So stiegen die Alarmierungszahlen von Rettungsmitteln der Berliner Feuerwehr von 2008 bis 2013 um 16 Prozent. Auch die Notaufnahmen verzeichnen steigende Patient*innenkontakte (Zunahme von 2008 bis 2012 um 19 Prozent).

 

Allerdings werden nicht nur die Notaufnahmen stärker besucht, auch Praxisärzt*innen haben mehr denn je zu tun: Im Jahr 2016 habe man 31 Millionen Behandlungsfälle abgerechnet, 2006 waren es noch 23 Millionen – eine Steigerung um 35 Prozent. Die Hauptstadt wächst immer weiter, die Versorgung kommt nicht hinterher. Die Notfallversorgung ist in Deutschland in drei Bereiche gegliedert, die jeweils eigenständig organisiert sind: der ärztliche Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), der Rettungsdienst und die Notaufnahmen der Krankenhäuser. Die bestehenden Strukturen orientieren sich nur unzureichend an den Bedürfnissen der Patient*innen. Die vermehrte Nutzung von medizinischer Versorgung in Kombination mit den demografischen Entwicklungen verlangen jedoch nach Reformen in Struktur und Organisation der Notfallversorgung, an vielen Stellen sind die Prozesse nicht optimal, wodurch alles noch länger dauert.

 

Falsche Patient*innen am falschen Ort?

 Viele Patient*innen, die in Notaufnahmen behandelt werden, müssen dort gar nicht behandelt werden. Oft reicht eine hausärztliche Konsultation bei Alltagsbeschwerden, sie binden aber oft Ressourcen am Krankenhaus, die für eingelieferte Akut-Kranke und Schwerverletzte benötigt werden.

 

Die Lösung kann aber nicht sein, dass eine sogenannte „Rettungsstellen-Gebühr“ erhoben wird. Sanktionen jeder Art sind nicht angebracht, wenn es um den Zugang zu medizinischer Notfallversorgung geht. Wir brauchen neue Ansätze. Oberstes Ziel muss es sein, die Patient*innenkompetenzen zu stärken und ihnen aufzuzeigen, welche Alternativen wir bereits zu dem Besuch der Notaufnahme haben. Der ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung beispielsweise soll die Notaufnahmen in der Stadt entlasten – wird allerdings wenig genutzt und ist nicht ausreichend bekannt. Er hilft Menschen bei Erkrankungen, mit denen diese normalerweise eine*n Ärzt*in in einer Praxis aufsuchen würden, deren Behandlung aber aus medizinischen Gründen nicht bis zum nächsten Werktag warten kann. Eine Studie der Charité aus dem Jahr 2016 zeigte auf, dass Patient*innen „mehrheitlich (59 %) Notfallstrukturen der KV nutzen [würden], wenn sie vorhanden und bekannt wären. Allerdings kannten 55 % der Befragten den KV-Notdienst nicht.“

 

Ein weiterer Ansatz sind die sogenannten Portalpraxen. Außerhalb der Sprechstundenzeiten an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen versorgen Vertragsärzt*innen der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin Patient*innen, bei denen keine akute Behandlungsdringlichkeit besteht – angebunden an die Räumlichkeiten der Notaufnahmen. Eine Überweisung zur weiteren Diagnostik in das Krankenhaus, wenn nötig, ist wie in ambulanten Praxen möglich. Akute Notfälle werden selbstverständlich weiterhin durch das Klinikpersonal versorgt. Die erste Portalpraxis wurde 2016 am Unfallkrankenhaus Berlin (UKB) in Marzahn in Betrieb genommen. Aktuell existieren 11 Portalpraxen, darunter auch spezialisierte Portalpraxen für Kinder und Jugendmedizin. Weitere Praxen sind aufgrund des Erfolges geplant.

 

Chronisch überlastete Notaufnahmen

 Wie in so ziemlich jedem Bereich in der Gesundheitsversorgung herrscht natürlich auch in Notaufnahmen ein Personalmangel, der Patient*innen, Ärzt*innen und Pflegende gefährdet und an die Grenzen ihrer Belastungsgrenzen bringt. Um dieses Problem zu lösen, muss die Erhöhung der Versorgungsqualität sowie der Effizienz im Vordergrund stehen. Wie aus einem Positionspapier des GKV (Gesetzliche Krankenkassen Vereinigung) Spitzenverbands zu entnehmen, sollen durch die Konzentration der Notfallversorgung von schwerwiegenden Erkrankungen und Verletzungen in hochspezialisierten Krankenhäusern Ressourcen und Expertise gebündelt werden, sodass die Patientinnen und Patienten von erfahrenem Personal behandelt werden und die Überlebenschancen steigen. Die spezialisierten Krankenhäuser zeichnen sich dadurch aus, dass sie bestimmte Notfälle regelmäßig versorgen, erfahrenes Fachpersonal vorhalten und zeitnah eine geeignete Diagnostik und Therapie einleiten können. Die Einbindung der Rettungsdienste spielt dabei eine wichtige Rolle, eine engere Verzahnung ist dringend notwendig.

 

Gleichzeitig müssen die Notaufnahmen in Berlin an die Bedürfnisse der Berliner*innen angepasst werden. So ist eine bessere Ausstattung mit qualifiziertem Fachpersonal und eine räumliche und technische Modernisierung dringend notwendig. Patient*innen benötigen einfach zu findende Notaufnahmen, die barrierefrei bei jeder Wetterlage zugänglich sind. Das Personal der Notaufnahmen benötigt die Ausstattung mit modernsten Geräten und ausreichend Material, um die Menschen zu versorgen. Räumlichkeiten zur Erholung sind ebenfalls bei der Modernisierung zu bedenken. Zusätzlich dazu muss das Personal regelmäßig fortgebildet werden, um die Versorgung auf wissenschaftlich hohem Niveau zu gewährleisten.

 

Das Mitte 2018 vom gemeinsamen Bundesausschuss beschlossene Stufenkonzept zur Neuordnung der Notaufnahmen verstärkt die Bündelung der Fachexpertise in Kompetenzzentren. Durch dieses Konzept werden drei Stufen der Notfallversorgung geschaffen. Je größer oder schwerwiegender der Notfall, werden Notaufnahmen der entsprechenden Notfallstufen von den Rettungsdiensten angefahren. Ein ähnliches Konzept ist in der Versorgung von schwersten Brandverletzungen bereits etabliert und findet sich in den Fachabteilungen des Unfallkrankenhauses Berlin wieder. Die Bereitstellung von maximal versorgenden Notaufnahmen ist aus regionaler Sicht und auch medizinisch-pflegerischer Sicht nicht sinnvoll. Daher bietet das Stufenkonzept die Möglichkeit, dass die breite Versorgung der Bevölkerung sichergestellt werden kann und gleichzeitig keine Zeit verloren geht, wenn die Rettungsdienste die falsche Notaufnahme anfahren.

 

Die weitere Digitalisierung der Rettungsdienste ist dringend erforderlich. Berlin geht mit dem System IVENA einen ersten Schritt, aber das reicht noch nicht. Bereits im Krankenwagen kann mit der Diagnostik begonnen werden, jedoch müssen diese Daten auch ins Krankenhaus gelangen. Eine über die Zuständigkeitsgrenzen hinweg vernetzte Notfallinfrastruktur ist dringend geboten und rettet Leben.

 

Neuordnung des Finanzierungskonzepts

Dazu bedarf es auch neuer Ansätze zur Finanzierung der Notaufnahmen. Bisher zahlen die Krankenkassen ein Pauschalbetrag für die Diagnose – egal ob die*der Behandelte diese in einer Praxis erhält oder in der Notaufnahme. Im Gegenzug muss die Klinik jedoch ein ungleich höheres dieses Betrages ausgeben, um die Abläufe der Notaufnahme sicherzustellen. Nicht dringliche Behandlungen belasten daher die Kliniken finanziell. Ein neues Finanzierungsmodell zur Notfallversorgung ist daher parallel zum Ausbau der Portalpraxen dringend notwendig. Dies darf jedoch nicht dazu führen, dass niedergelassene Ärzt*innen weniger Geld für ihre Behandlungen erhalten. Im Gegenteil sollten Anreize geschaffen werden, Bereitschaftszeiten einzurichten und die Praxen für Patient*innen mit geringfügigen Beschwerden auch außerhalb der regulären Öffnungszeiten zur Verfügung zu stellen. Außerdem sollte es für niedergelassene Ärzt*innen attraktiver werden, sich zur*m Notfall- und Akutmediziner*in weiterbilden zu lassen.

 

Es ist nicht hinnehmbar, dass Einrichtungen zur Rettung von Leben, den Grundgedanken der Krankenhausfinanzierung folgen müssen. Jeder Mensch hat es verdient, dass es durch die beste Einrichtung und dem nötigen Personal gerettet wird. Daher wäre, im Sinne der dualistischen Finanzierung, dringend geboten, dass das Land Berlin seine Investitionen in die Ausstattung der Notaufnahmen und angeschlossenen diagnostischen Einrichtungen erhöht und auf die zukünftigen Aufgaben vorbereitet. Weiterhin muss das Personal kostenneutral durch die Krankenversicherungen finanziert werden. Pauschalbeträge können die Aufwendungen für einen individuellen Notfall nicht adäquat abbilden. Daher ist es geboten, dass sämtliche Maßnahmen, die medizinisch-pflegerisch indiziert sind, von der Krankenversicherung getragen werden.

 

Wir fordern daher:

  • Die Reformierung der Finanzierung von Notaufnahmen
  • Regelmäßig verpflichtende Weiterbildungen für das an der Notfallversorgung beteiligte  Personal
  • Ausbau von Portalpraxen mit kostendeckender Finanzierung durch die kassenärztliche Vereinigung und mit verlässlichen Öffnungszeiten, zu denen keine praxisärztliche Versorgung mehr gewährleistet ist
  • eine Imagekampagne für den Bereitschaftsdienst der KV (116 117) mit dem Ziel, die Patient*innenkompetenzen zu stärken und die Rettungsdienste zu entlasten
  • eine bessere Ausstattung der Notaufnahmen und Zentralisierung der Notfallversorgung
  • Die kassenärztliche Vereinigung muss Anreize schaffen, um die Sprechzeiten niedergelassener Hausärzt*innen im allgemeinen auszuweiten und ggf. Bereitschaftszeiten einzurichten und neue Praxen zu eröffnen
  • Die Erhöhung der Krankenhausinvestitionen durch das Land Berlin, um den Investitionsstau innerhalb von 10 Jahren zu beseitigen, und ein Sonderinvestitionsprogramm zur Modernisierung der Notaufnahmen
  • Die Modernisierung der Einsatzfahrzeuge der Berliner Feuerwehr und anderer Dienstleister

 

Antrag 89/I/2019 Einrichtung von Medienzentren – Das Internet ist für alle da!

21.02.2019

Akku leer? Ist ja nicht schlimm, denn spätestens zuhause in unserer Wohnung können wir unser geliebtes Smartphone aufladen.

 

Das Internet verbindet uns heutzutage nicht nur mit unsere Freund*innen oder ermöglicht es uns schöne Filter über unsere neusten Urlaubsfotos zu legen. Auch viel wichtigere Dinge können (und müssen) heute online geregelt werden. Angefangen bei der Beantragung eines neuen Personalausweises, über Überweisungen oder der Jobsuche. Wohnungslose und Obdachlose sind von diesen essentiellen Möglichkeiten häufig ausgeschlossen. Sie müssen auf öffentliche Bibliotheken oder andere Einrichtungen zurückgreifen, Orte derer sie im schlimmsten Fall verwiesen werden, an denen sie nicht sein dürfen. Dadurch entsteht eine Unzuverlässigkeit der Verbindung, die Wohnungslose praktisch unmöglich macht, Termine genau einzuhalten oder sich Informationen, beispielsweise über das Wohnungslosenhilfsnetzwerk, zu beschaffen. Oftmals ist aber gerade diese Zuverlässigkeit eine Grundvoraussetzung, um einen verlässlichen und niedrigschwelligen neuen Job oder eine neue Wohnung zu finden.

 

Daher ist es endlich Zeit auch Wohnungslosen und Obdachlosen einen Zugang zum Internet zu ermöglichen. Wir fordern daher eine Einrichtung von Medienzentren wie z.B. in öffentlichen Bahnhöfen, in denen die Möglichkeit besteht kostenlos Computer mit Internetanschluss zu nutzen, kostenlose WLAN-Verbindungen zu nutzen, kostenlos zu telefonieren und Smartphones aufzuladen. Denn: Auch Menschen ohne Obdach besitzen heute in vielen Fällen Smartphones, denn diese sind – insbesondere für Wohnungslose und Obdachlose aus dem Ausland – häufig die einzige Möglichkeit mit ihrer Familie Kontakt aufzunehmen.

 

Wir wollen den Wohnungslosen und Obdachlosen nicht vorschreiben, wie sie das Internet in diesen Medienzentren nutzen. Hierzu muss der Senat ein Konzept ausarbeiten, das es zum Schutz der Betreiber ermöglicht datenschutzveträglich eine Nachverfolgung der Nutzer*innen zu gewährleisten.

 

Die Medienzentren sollen zudem mit mehrsprachigem Sozialarbeiter*innen ausgestattet sein, welche den Nutzer*innen gegeben falls helfen können, z.B. einen Bürgeramtstermin zu vereinbaren, ein Emailkonto einzurichten oder eine Bewerbung abzuschicken. Wir unterstützen Bibliotheken dabei, sich mit Bereichen auszustatten, wo es ohne den Besitz eines Bibliotheksausweises den Zugang zu Computern mit Internetanschluss, Telefon, Ladekabeln, Steckdosen zu erhalten.

 

Wir fordern:

  • Die Erweiterung von Medienzentren mit Zugriff auf mit Internetverbindung ausgestatteten Computern, freies WLAN, Telefone und Handyladestationen, ebenso wie kostenfreie Fotoautomaten zum Erstellen biometrischer Fotos
  • Eine Ausstattung der Medienzentren mit ausreichendem qualifiziertem Sozialarbeiter*innen
  • Angemessene Öffnungszeiten der Medienzentren

 

Die Bereitstellung von Möglichkeiten zum Aufladen elektronischer Endgeräte an der Außenseite der Medienzentren, sodass eine grundsätzliche, leicht zugängliche Stromversorgung stets gewährleistet ist, und das auch außerhalb der Öffnungszeiten.