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Antrag 141/II/2018 Freiwillige Feuerwehr stärken

12.10.2018

Spätestens seit der Kampagne „Berlin brennt“ stehen die personal- und finanzwirtschaftlichen Mängel der Berliner Feuerwehr im Fokus. Wie aus einer Schriftlichen Anfrage an die Senatsverwaltung für Inneres und Sport hervorgeht, beträgt der Investitionsstau allein beim Fuhrpark der Berliner Feuerwehr 160 Millionen Euro. Die fehlenden Finanzmittel sind vor allem eine Folge der Sparpolitik der letzten Jahre. Die in diesem Jahr angekündigten Investitionen des Berliner Innensenators Andreas Geisel sind zwar ein erster, bitter nötiger Schritt in die richtige Richtung, gehen aber für den zu bewältigenden Aufgabenkatalog der Feuerwehr nicht weit genug.

 

Die Ehrenamtlichen der Freiwilligen Feuerwehr treffen diese Probleme durch die Doppelbelastung von Berufs- und Freiwilligentätigkeit umso schwerer. Dennoch tragen die Ehrenamtlichen einen maßgeblichen Anteil an der zivilen Sicherheit Berlins mit insgesamt 454.143 Einsätzen im Jahr 2016.

 

Forderungen

Um die Arbeit der Feuerwehr und die Tätigkeit der Ehrenamtlichen zu erleichtern fordern wir die sozialdemokratischen Mitglieder des Senats, insbesondere die Senatoren für Inneres und für Finanzen, sowie die Mitglieder der Abgeordnetenhausfraktion auf:

1)      Eine Beschaffung von mindestens 50 Lösch- und Hilfeleistungsfahrzeugen, sowie die Prüfung zur Anmietung von Einsatzfahrzeugen zur Überbrückung bis zum Eintreffen der beschafften Fahrzeuge

2)      Eine Bezuschussung der Fördervereine der freiwilligen Feuerwehren Berlins mit mindestens 5€ pro Monat pro Freiwilliger*m aus öffentlicher Hand

3)      Die Erhöhung des SIWANA-IV-Investitionsrahmens für die bauliche Sanierung von Feuerwehrgebäuden mit Fokus auf Umkleide- und Sanitärbereiche

Antrag 142/II/2018 Freiwillige Feuerwehr stärken

11.10.2018

Das Engagement in der Freiwilligen Feuerwehr (FF) bietet für viele Menschen einen Ort zur Selbstverwirklichung und zur Gestaltung der Gesellschaft und spielt außerdem eine große Rolle für gesellschaftliche Solidarität. In der Jugendfeuerwehr als Untergruppe der Freiwilligen Feuerwehr werden Jugendlichen wichtige Werte für das Zusammenleben vermittelt. Dieses Engagement muss wertgeschätzt werden.

 

Laut Berliner Feuerwehrgesetz besteht die Berliner Feuerwehr aus Berufsfeuerwehr und der Freiwilligen Feuerwehr. Die Freiwillige Feuerwehr hat daher für die öffentliche Sicherheit in Berlin den gleichen Auftrag wie die Berufsfeuerwehr. Angehörige der Freiwilligen Feuerwehr müssen vor ihrem ersten Einsatz daher eine 230-stündige Qualifizierung absolvieren, die innerhalb von zwei Jahren nach dem Eintritt abgeschlossen sein muss. Dennoch tragen die Ehrenamtlichen einen maßgeblichen Anteil an der zivilen Sicherheit Berlins mit insgesamt 454.143 Einsätzen im Jahr 2016.

 

Nicht erst seit diesem Jahr stehen die personal- und finanzwirtschaftlichen Mängel der Berliner Feuerwehr im Fokus. Wie aus einer Schriftlichen Anfrage an die Senatsverwaltung für Inneres und Sport hervorgeht, beträgt der Investitionsstau allein beim Fuhrpark der Berliner Feuerwehr 160 Millionen Euro. Die fehlenden Finanzmittel sind vor allem eine Folge der Sparpolitik der letzten Jahre.

 

Missstände wie den Fahrzeugmangel der Berufsfeuerwehr bekommt die Freiwillige Feuerwehr direkt zu spüren, weil dann Fahrzeuge der Freiwilligen Feuerwehr der Berufsfeuerwehr zur Verfügung gestellt werden müssen. Die Einsatzbereitschaft einiger Wachen der Freiwilligen Feuerwehr ist deshalb bereits nicht gegeben oder gefährdet.

 

In der Gesellschaft genießt die Feuerwehr einen hohen Stellenwert. Dennoch nimmt das Engagement in den Jugendfeuerwehren und Freiwilligen Feuerwehren stetig ab. Des Weiteren werden häufiger tätliche Übergriffe auf Rettungskräfte registriert. Eine Werbe- und Imagekampagne für das freiwillige Engagement in der Feuerwehr mit dem Hintergrund der Sicherung des städtischen Lebens soll einerseits Respekt und Achtung für die Arbeit der Freiwilligen Feuerwehr in der Gesellschaft schaffen und im Idealfall die Eintrittszahlen in die Freiwilligen Feuerwehren erhöhen.

 

Forderungen

Um die Arbeit der Feuerwehr und die Tätigkeit der Ehrenamtlichen zu erleichtern fordern wir:

1)           Eine ausgiebige Fahrzeugausschreibung und -beschaffung von mindestens 50 Fahrzeugen für den Typ LHF, sowie die Prüfung zur Anmietung von Einsatzfahrzeugen zur Überbrückung bis zum Eintreffen der beschafften Fahrzeuge

2)           Eine Bezuschussung der Fördervereine der freiwilligen Feuerwehren Berlins mit mindestens 5€ pro Monat pro Freiwilliger*m aus öffentlicher Hand

3)           Die Erhöhung des SIWANA-IV-Investitionsrahmens für die bauliche Sanierung von Feuerwehrgebäuden mit Fokus auf Umkleide- und Sanitärbereiche

4)           Eine Imagekampagne für die Jugendfeuerwehr und Freiwilligen Feuerwehr durch die 28 Senatsverwaltung für Inneres und Sport

 

Die Berliner Feuerwehr hat laut Jahresbericht 2016 etwa 191 Löschfahrzeuge im Fuhrpark, davon ein Großteil sogenannte Lösch- und Hilfeleistungsfahrzeuge (LHF). Aufgrund seiner vielseitigen Ausstattung ist das LHF das Allroundfahrzeug der Feuerwehr und wird bei Notrufen zu unterschiedlichsten Einsätzen alarmiert. Da in Berlin stets der „First Responder“, also das nahegelegenste einsatzbereite Fahrzeug, zu einem Notruf fährt, ist das LHF und seine Besatzung auch bei Rettungsdiensten tätig und unterstützt den Notärzt*innen- oder Rettungswagen vor oder nach dem Eintreffen. Im Jahr 2016 wurde das LHF insgesamt 72.132 Mal alarmiert und ist somit nach dem Rettungswagen und dem Notärzt*inneneinsatzwagen das am dritthäufigsten ausrückende Fahrzeug der Feuerwehr.

 

Nach aktueller Aussage des Landesfeuerwehrverbandes haben 80% der 108 einsatzfähigen LHF die vorgesehene Nutzungsdauer von 14 Jahren deutlich überschritten. Zur weiteren Sicherstellung der zeitnahen Versorgung der Bevölkerung bei Notrufen ist jetzt eine Investition in die Zukunft erforderlich. Die Beschaffung von mindestens 50 LHF neuer Bauart bedeutet bei Fahrzeugpreisen von 700k-1Mio Euro eine Zusatzinvestition von maximal 50Mio Euro. Um die Zeit zu überbrücken, die die Ausschreibung der Fahrzeuge und Bereitstellung durch den*die Hersteller*in in Anspruch nimmt, muss die Möglichkeit einer Anmietung von Leihfahrzeugen ähnlicher Bauart in Betracht gezogen werden.

 

Die Freiwilligen Feuerwehren Berlins haben zur Aufrechterhaltung des täglichen Betriebs und zur Anschaffung kleinerer Werkzeuge gemeinnützige Fördervereine gebildet, in denen die Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehren Mitglied sind. Da tendenziell jede Wache über einen eigenen Förderverein verfügt, gibt es in Berlin 57 Fördervereine der Freiwilligen Feuerwehren. Über einen jährlichen Beitragssatz und private Spenden werden die Ausstattung der Wache und die Bereitstellung von Speisen und Getränken auf der Wache sichergestellt. Aufgrund der behördenähnlichen Struktur der Freiwilligen Feuerwehren dürfen diese kein eigenes Kapital verwalten und haben in den Fördervereinen die Möglichkeit, kurzfristige Anschaffungen zu finanzieren. Die Bezuschussung der gemeinnützigen Fördervereine aus Mitteln der öffentlichen Hand ist rechtlich möglich, da die Fördervereine allgemeine Interessen der Stadt und ihrer Einwohner*innenschaft wahrnehmen. Eine Bezuschussung der Fördervereine aus öffentlicher Hand entlastet die Freiwilligen Feuerwehren finanziell und gibt den Feuerwehrangehörigen einen weiteren Spielraum bei der Ausstattung ihrer Wachen und Fahrzeuge.

 

Die bisher an die Feuerwehrangehörigen gezahlte Aufwandsentschädigung von 3,5 €/h soll durch eine Zahlung von 5 €/Monat pro Feuerwehrangehöriger*m an den Förderverein ergänzt werden. Diese zusätzliche Förderung wird nicht den Feuerwehrangehörigen ausgezahlt, sondern dient dem Förderverein für die Ausgaben der Wache. Die Höhe der monatlichen Förderpauschale soll zukünftig mit allen relevanten Partner*innen im Dialog evaluiert und ggf. angepasst werden.

 

Die Wachen der Feuerwehr befinden sich oft in stark sanierungsbedürftigem Zustand. Hierbei unterscheiden sich Berufsfeuerwehr und Freiwillige Feuerwehr kaum. Häufig stehen Umkleide- und Sanitärbereiche in keinem Verhältnis zu den wahrzunehmenden Aufgaben der Feuerwehrangehörigen. Wer nach einem Einsatz in der Brandbekämpfung oder im Rettungsdienst auf die Wache zurückkehrt, benötigt Zeit für sich und Ruhe. Die zur Verfügung gestellten Umkleiden gewährleisten dies nicht. Die auf den Feuerwachen eingebauten Duschen vermitteln einen klaustrophobischen Eindruck und sind nicht dafür geeignet, einen zurückliegenden Einsatz verarbeiten zu können. Dazu kommt häufig, dass für alle Einsatzbeteiligten (mindestens 6 Feuerwehrangehörige auf einem Einsatzwagen) nur eine einzige Dusche zur Verfügung steht. Solche Zustände sind für die psychologischen Belastungen, denen Feuerwehrangehörige in Ihren täglichen Einsätzen ausgesetzt sind, nicht angemessen. Deshalb fordern wir, dass die Finanzmittel für die baulichen Maßnahmen deutlich erhöht werden und bei den Sanierungsmaßnahmen vorrangig für adäquate Sanitärbereiche eingesetzt werden. Im Jahr 2016 lagen die Investitionen für die Sanierung von Feuerwehrgebäuden bei lediglich 10Mio Euro.

Antrag 154/II/2018 Mehr als nur ein Spiel - Lootboxes systematisch durch die Glücksspielaufsicht auf das Vorhandensein von Glücksspielelemente überprüfen lassen

11.10.2018

Im Laufe der letzten Jahre hat die Videospielbranche massiv an Bedeutung gewonnen. Die Umsätze dort sind inzwischen weit über denen von anderen Medien wie zum Beispiel dem Fernsehen. Im Zuge dieses massiven Zuwachses wird auf Seiten der Entwickler*innen auch fleißig daran gearbeitet, mit möglichst vielen Aspekten dieser Spiele den Profit der Unternehmen zu maximieren. Ein immer bedeutsamerer Teil geht dabei auf die sogenannten „Lootboxes“ zurück. „Lootboxes“ bezeichnen dabei im Spiel erhältliche Elemente, bei denen der Inhalt, der der Nutzer*in ausgespuckt wird, rein zufällig bestimmt wird. Die Nutzer*in hat somit keinerlei Einfluss auf die „Preise“, die sie im Zuge dieser Transaktion zugesprochen bekommt.  Damit bedienen sie sich des Prinzips des klassischen Glücksspiels, bei dem Gewinn oder Verlust ebenfalls nicht durch die Spieler*in kontrollierbar sind.

 

Zwar können diese „Lootboxes“ manchmal auch direkt mit der Währung innerhalb des Spieles gekauft werden und es entsteht dadurch keine Gefahr eines finanziellen Verlustes, oft bietet sich jedoch auch die Möglichkeit, diese in Form von Geld zu erwerben. In manchen Fällen ist es sogar möglich, diese gar später auf einem digitalen Marktplatz für Geld in Form von Guthaben zu verkaufen. Dabei sind es besonders Minderjährige oder Suchtanfällige, die diesem Prinzip zum Opfer fallen und so in manchen Fällen leicht einen vierstelligen Betrag im Monat für „Lootboxes“ ausgeben. In vielen dieser Fälle führt dies wie bei einer „klassischen“ Spielsucht auch zu einer Abwärtsspirale, an deren Ende oft massive Schulden und die daraus resultierenden sozialen Folgen stehen.

 

Zwar wurde diese Thematik in bereits von der Kommission für Jugendmedienschutz der Landesmedienanstalten aufgegriffen, ob „Lootboxes“ gegen das Verbot von Kaufappellen an Kinder und Jugendliche verstoße. Diese Untersuchung führt allerdings an der eigentlichen Problematik vorbei. Die Problematik besteht primär darin, dass es für diese Art der Transaktion keinerlei Rechtsprechung gibt und damit auch keine juristische Literatur dies behandelt. Dies macht die Ausnutzung durch Publisher sehr einfach, da sie keinerlei juristische Konsequenzen zu fürchten haben. Andere Länder wie die Niederlande oder Belgien sind dort bereits weiter und haben bestimmte Formen von Lootboxes als Glückspiel eingestuft. Deshalb fordern wir folgende Maßnahmen, um die Unklarheiten bezüglich der Legalität solcher Angebote klären zu können:

 

  • Sämtliche für Echtgeld erwerbbaren Spielelemente, deren Inhalt und Umfang vom Zufall abhängig sind sollen durch das Bundesjustizministerium dahingehend überprüft werden, ob diese in bestimmten Formen  den Mechaniken des klassischen Glückspiels gleichen. Es soll eine Methode gefunden werden, diese zu regulieren.
  • Spiele, die In-Game-Zahlungen enthalten, sollen dahingehend grundsätzlich einer Altersfreigabeprüfung unterzogen werden. Alle Spiele, die In-Game-Zahlungen enthalten, sollen eine Altersfreigabe FSK18 erhalten

 

Die Definition von Glückspiel soll dahingehend überprüft werden, inwiefern sie die durch die Digitalisierung entstandenen Praktiken wie beispielsweise die angesprochenen „Lootboxes“ noch zeitgemäß ist. Sollte im Zuge dieser Untersuchung festgestellt werden, dass dies nicht der Fall ist, muss eine schnellstmögliche Überarbeitung entwickelt werden, die die Anforderungen der heutigen Zeit erfüllen kann.

Antrag 148/II/2018 Regulieren statt Kriminalisieren: Eine neue Cannabispolitik ist nötig!

11.10.2018

Die auf Verboten und Kriminalisierung basierende aktuelle Cannabispolitik ist gescheitert. Einerseits wirkt sie nicht präventiv, andererseits geht sie an der Lebenswirklichkeit vorbei und stigmatisiert Verbraucherinnen und Verbraucher durch Kriminalisierung.

 

Mehrere Millionen Menschen in Deutschland konsumieren im Jahr mehr oder weniger häufig Cannabis.

 

Die Verfolgung von Konsumentinnen und Konsumenten bindet wichtige Ressourcen, die an anderer Stelle fehlen. Nutzen und Kosten stehen heute in keinem Verhältnis zueinander. Pro Jahr gibt es in Deutschland über 150.000 Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit Cannabis, die fast alle im konsumnahen Bereich geführt werden. Drei Viertel dieser Fälle werden letztlich eingestellt. Ein immenser Aufwand ohne Wirkung!  Auch der Bund Deutscher Kriminalbeamter sieht die bisherige Drogenpolitik als nicht zielführend an, ja als gescheitert. Eine repressive Cannabispolitik hält die Bevölkerung nicht vom Konsum ab, dafür aber unsere Polizei und Justiz von ihrer Arbeit. Ein Verbot führt nicht offensichtlich zwingend zu mehr Schutz, sondern kann genau den gegenteiligen Effekt haben und die gesundheitlichen Gefahren für die betroffenen Menschen sogar erhöhen.

 

Letztlich zeigen die Kriminalstatistiken auch, dass ein Cannabis-Verbot weder das Angebot verringert, noch die Nachfrage senkt. Konsumenten sind derzeit dem unkontrollierten Schwarzmarkt ausgeliefert. Von diesem profitieren dubiose Schwarzhändler*innen, die zudem den Stoff auf Kosten der Gesundheit ihrer Kund*innen mit Blei oder Kleber strecken. Die derzeitige Verdrängung von Cannabiskonsumentinnen und – konsumenten in die Illegalität befördert den Kontakt zu kriminellen DealerInnen und erhöht das Risiko mit harten Drogen in Berührung zu kommen. Auch deshalb brauchen wir für Marihuana seriöse Abgabeorte mit seriöser Beratung, wie beispielsweise in Apotheken oder anderweitigen lizensiert Abgabestellen. Eine so regulierte Legalisierung würde dem Schwarzmarkt die Grundlage entziehen und gleichzeitig mehr Verbraucher*innenschutz bieten.

 

Ein weiterer Punkt, der für die „regulierte Legalisierung“ spricht, sind die positiven Effekte für die Gesundheitspolitik und Präventionsarbeit. Solange Marihuana rauchen verboten ist, kommen wir viel schwerer an die Betroffenen heran. Dies gilt insbesondere für die stark gefährdete Gruppe der Jugendlichen, denn gerade in diesem Alter kann der Cannabiskonsum die Gehirnentwicklung negativ beeinflussen. Und das muss dringend in den Schulen stärker thematisiert werden.

 

Mit den durch die Einrichtung von Modellprojekten freigewordenen Mitteln sollen nicht nur Präventions- und Interventionsprojekte gefördert und ausgebaut werden. Für ebenso wichtig halten wir es, dass auch das bestehende Suchthilfesystem ausgebaut wird und die nun bessere Erreichbarkeit von Suchterkrankten so genutzt wird.

 

Natürlich soll es auch zukünftig ein uneingeschränktes Abgabeverbot für Cannabis an Kinder und Jugendliche geben. Das ist bei Alkohol und Tabak – völlig zurecht – ja nicht anders. Zudem muss der Jugendschutz gestärkt werden. Auch muss ein Mindestabstand von Cannabisgeschäften zu Schulen, Kitas und Jugendhilfeeinrichtungen sichergestellt werden. Aber die Stigmatisierung von Marihuana hat noch keinem suchtgefährdeten Jugendlichen weitergeholfen und wird dies auch in Zukunft nicht tun. Stattdessen verhindert das Verbot den Zugang von Jugendlichen zur Prävention, was Pädagog*innen immer wieder beklagen. Die Fachstellen für Suchtprävention kritisieren zurecht, dass die vorherrschende Rechtslage das Erreichen ihrer Zielgruppen erschwert. Es ist für uns daher ein Gebot des gesunden Menschenverstandes, in Suchtfragen nicht die Strafe, sondern die Fürsorgepflicht in den Mittelpunkt der Politik zu stellen.

 

In Berlin wollen wir die Einführung der kontrollierten Abgabe von kontrolliert angebautem Marihuana. Vielleicht vergleichbar den staatlichen Alkoholgeschäften in Norwegen. Um dies umzusetzen, arbeiten wir in Berlin mit der rot-rot-grünen Koalition an einem Modellprojekt für die kontrollierte Abgabe an Erwachsene im Rahmen eines wissenschaftlichen Modellprojekts. Bestehende Werbeverbote werden wir dabei erhalten.

 

Allerdings zeigen die bisherigen Erfahrungen aus anderen Kommunen und Bundesländern dass das geplante Modellprojekt ohne eine umfassende Reform des Bundesrechts nicht einfach umsetzbar sein wird: Alle bisherigen Anträge sind seitens der derzeit für die Genehmigung zuständige Bundesamt abgelehnt worden, natürlich werden wir in Berlin dennoch einen neuen Antrag erarbeiten und vorlegen. Zur Stärkung der Rechtsicherheit wollen wir erreichen, dass sich das Land Berlin im Bundesrat und auf allen politischen Ebenen sich aktiv erneut dafür einsetzt als Sofortmaßnahme der neuen Bundesregierung eine Änderung des Bundesrechts insofern durchzuführen, dass die Entscheidung über die Genehmigung regionaler wissenschaftlich begleitete Modellprojekte auf Landesebene übertragen wird.

 

Die SPD-Mandatsträger*innen auf Bundesebene sowie SPD-Bundesparteitagsdelegierten werden aufgefordert, auf Bundesebene zu beschließen, dass

  • national wie international die rechtlichen Grundlagen für eine staatlich kontrollierte Produktion und Abgabe von Cannabisprodukten an Erwachsene und deren legalen Besitz zu schaffen, die den Anforderungen des Gesundheits-, Verbraucher- und Jugendschutzes in Bezug auf Produktion und Vertrieb Rechnung trägt; Der Berliner Senat wird im Bundesrat gemeinsam mit anderen Ländern erneut einen Antrag einbringen, das Betäubungsmittelgesetz entsprechend ändert.
  • auf eine ausreichende finanzielle/personelle Ausstattung von Drogenpräventions- und Interventionsprojekten (insbesondere im Jugendbereich) hinzuwirken und entsprechende Maßnahme zu intensivieren; Dazu sollen u.a. die finanziellen Mittel verwendet werden, die durch eine wegfallende Verfolgung von Konsumentinnen und Konsumenten frei werden.
  • in einem Zwischenschritt durch eine sofortige Änderung der entsprechenden bundesrechtlichen Grundlagen unmittelbar den Bundesländern das Recht zu geben, auf Landesebene über Durchführung und Zulassung wissenschaftlicher Modellprojekte zur Abgabe von Cannabis an erwachsene Konsumentinnen und Konsumenten in z.B. besonders qualifizierten Fachgeschäften mit Beratung zu ermöglichen bzw. die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Genehmigung eines wissenschaftlichen Forschungsprojektes nach § 3 Absatz 2 Betäubungsmittelgesetz wesentlich zu vereinfachen, um wissenschaftliche Modellprojekte auf Landesebene in der Regel zu ermöglichen.
  • Innerhalb der Modellprojekte muss eine Besteuerung ähnlich der Alkohol- und Tabaksteuer angestrebt werden, bestehende Werbeverbote bleiben bestehen, wodurch der Jugendschutz und die Prävention gestärkt werden.
  • Sobald die Modellprojekte geplant und umgesetzt werden, sollen die Landesregierungen einen Erfahrungsausaustausch der jeweiligen regionalen, nationalen und auch internationalen Projekte bzw. Modellprojekte gewährleisten.
  • Um die Gleichbehandlung legaler Drogen wie dann Cannabis, Alkohol und Tabak zu gewährleisten soll außerdem ein realistischer Grenzwert für die Konzentration von THC im Blut festgelegt werden unter dem das Fahren eines Kraftfahrzeugs wie bei Alkohol straffrei möglich ist. ALs Beispiel kann die Schweiz dienen, wo der Grenzwert bei drei Nanogramm THC pro Milliliter Blut liegt. Hierzu muss die StVG entsprechend geändert werden.
  • Analog zur Alkoholproduktionsregulierung soll der private Anbau zum Eigenbedarf zugelassen werden.

 

Antrag WV152/I/2018 Community Policing: Paradigmenwechsel in der Berliner Polizeiarbeit

30.04.2018

Die Debatte um den Themenkomplex Innere Sicherheit war in den letzten Jahren für die politische Linke, gerade im Land Berlin, von Orientierungslosigkeit und reaktionären Impulsen gekennzeichnet. Angesichts dessen, dass rechte Parteien den öffentlichen Diskurs mit Forderungen nach immer repressiveren staatlichen Maßnahmen dominieren, sehnen sich nun einige sozialdemokratische Politiker*innen danach das Thema Innere Sicherheit – im Sinne von Sofortmaßnahmen, die eine grundsätzliche Debatte zu den strukturellen Implikationen und Gefahren von ausgeweiteter Staatsgewalt zunächst vertagen – von links zu besetzen.

 

Anstatt jedoch fundamentale Kritik an den von Rechts geforderten Maßnahmen zu äußern und sozial integrative Gegenmodelle zu formulieren, verkommt dieser Wunsch gängiger Weise zur simplen reaktionären Übernahme eben jener Praktiken. Mehr repressive Polizeipräsenz, zunehmende Aufrüstung, Ausweitung von Überwachungsinstrumenten, höhere Strafmaße, verkürzte Justizverfahren. Man will den Bürger*innen scheinbar beweisen, dass man genauso entschlossen gegen Kriminalität vorgehen kann, validiert dabei aber gleichzeitig die repressiven, teils-destruktiven, und meist nicht zielführenden Praktiken, welche vom rechten Spektrum angeführt werden. Dabei zeigen Blicke in jene Länder, die tough on crime als Staatsräson verinnerlicht haben, dass eine solche Eskalationsspirale der immer härteren Maßnahmen keines Wegs mehr Sicherheit schafft, sondern zu einem sozialen Klima der Angst und der ständigen empfundenen Bedrohung führt.

 

Wir verweigern uns einem Einstieg in diese Eskalationsspirale. Wir fordern ein Modell für die Berliner Polizei, welches auf sozialer Integration und Kriminalprävention basiert. Der Notruf, die Funkstreife, und die Videokamera am kriminalitätsbelasteten Platz sind lediglich reaktive Maßnahmen die erst Greifen, wenn die Straftat bereits passiert- und der Schaden bereits angerichtet ist. Die dem zugrundeliegenden Probleme werden mit diesen Werkzeugen jedoch weder identifiziert, noch behoben.  Wir fordern daher ein Konzept, welches an einem Punkt vor dem Notruf oder der Strafanzeige ansetzt. Wir fordern ein Konzept, welches Repression durch Kommunikation ersetzt. Wir fordern ein Konzept, welches die Bürger*innen in die Sicherheitsarchitektur integriert, und sie als zentrale Akteur*innen aktiviert. Wir fordern ein Konzept, dessen Fundament auf der Strategie des Community Policing basiert.

 

Was ist Community Policing?

Community Policing ist ein Polizeistrategiekonzept, welches auf kontinuierlichen, stabilen, kommunikativen Beziehungen zwischen der Polizei und der kommunalen Gemeinschaft zum Zwecke der Problemidentifizierung und Kriminalprävention basiert. Ein personell gleichbleibendes Team von Beamt*innen wird dabei dediziert und permanent einem bestimmten überschaubaren geographischen Abschnitt der Stadt zugeordnet, in welchem es täglich für die Mitglieder der lokalen Gemeinschaft präsent, sichtbar und ansprechbar ist. Um physische Barrieren abzubauen verzichten die Beamt*innen dabei in der Regel auf Streifenwagen und bewegen sich zu Fuß oder mit dem Fahrrad fort. Ziel ist es dabei durch kontinuierliche gegenseitige Kommunikation und Interaktion eine Partnerschaft zwischen den Bürger*innen und den Beamt*innen aufzubauen, um Probleme vor Ort gemeinsam zu identifizieren und passende Lösungsansätze zu erarbeiten.

 

Die Community Policing Einheit ist dabei üblicherweise organisatorisch und handlungspraktisch von den anderen polizeilichen Diensteinheiten der Kriminalitätsbekämpfung- und Ermittlung getrennt. Erkennt die Community Policing Beamt*in Anhaltspunkte, die Kriminalermittlungen rechtfertigen, liegt es in ihrer Diskretion diese an die dafür zuständige Einheit zu informieren. Die Community Policing Beamt*in wendet, abgesehen von unmittelbaren Vorfällen, selbst keine Exekutivmaßnahmen an. Auch in der Anwendung von repressiven Maßnahmen ist sie auf akute Notfälle, sowie zum Zweck der Selbstverteidigung beschränkt. So verzichten Community Policing Einheiten in Großbritannien zum Beispiel komplett auf das mitführen von Schuss- und Hiebwaffen.

 

Zusätzlich spielen Elemente kommunaler Bürger*innenteilhabe in Community Policing Konzepten eine zentrale Rolle. Die spezifischen Maßnahmen sind stark abhängig von den Gegebenheiten vor Ort und der jeweiligen Strategie der Polizei. Sie können beispielsweise die Form von kommunalen Rundtischen oder mobilen Sprechstunden einnehmen. Wichtig ist einerseits, dass Bürger*innen einen verlässlichen Anlaufpunkt zur Kommunikation haben, und dass andererseits eine effektive Rechenschaftspflicht zwischen den Beamt*innen und den Bürger*innen hergestellt wird. Die Ziele der Polizeiarbeit werden dann von den Bürger*innen und den Beamt*innen gemeinsam erarbeitet und formuliert.

 

Die Aufgaben der Problemidentifikation und Problemlösung beziehen sich dabei explizit nicht auf die Identifikation und Verhaftung von Straftäter*innen. Vielmehr stehen Alltagsprobleme aus dem Kiez im Mittelpunkt, welche sich auf das ganzheitliche Klima auswirken, und nicht einmal unmittelbar strafrechtlich relevant sein müssen. Warum kommt es an dieser Kreuzung häufig zu Unfällen? Haben die Kinder einen sicheren Schulweg? Warum treffen sich an bestimmten Punkten regelmäßig Suchtkranke, und wie kann man diesen helfen? Warum kommt es zu Spannungen und Konflikten zwischen bestimmten Anwohnern? Gibt es im Kiez Angebote, die Jugendliche mit viel unstrukturierter Freizeit auffangen können? Die Rolle der Community Policing Beamt*innen ist die von sozialen Mediator*innen, die sich flexibel und kontextgerecht den oftmals unterschiedlichen Problemstellungen einer jeden lokalen Gemeinschaft anpassen. Ein solches Netzwerk lokaler Interessensvertreter*innen bietet Vorteile für alle beteiligten. Zum einen ergibt sich ein kohärentes Gesamtbild der sozialen Lage und den bestimmten Problemstellungen im Kiez, welches allen Akteur*innen ermöglicht besser auf diese zu reagieren. Zum anderen können Community Policing Beamt*innen in bestimmten Situationen auf dieses Netzwerk zuzugreifen. So können z. B. Suchtberatungsstellen oder Jugendhäuser in Problemlösungsprozesse integriert werden, oder umgekehrt auf Beamt*innen zugehen und diese auf bestimmte Problemlagen aufmerksam machen.

 

Die Policing Community Einheiten sollen sich dabei gleichermaßen aus lokal vernetzten und aus anderen Einsatzgebieten hinzugezogenen Beamt*innen zusammensetzen. Damit wird die bereits bestehende Ortskenntnis der Beamt*innen sinnvoll um eine kontrollierende Außenperspektive ergänzt. Dabei muss gewährleistet sein, dass die Polizeiarbeit innerhalb eines festgelegten Rahmens stattfindet, weshalb ein allgemein gültiger Ziel- und Kompetenzkatalog definiert werden muss, der die Grundlage jeder Polizeiarbeit bilden soll. Zudem soll sich die Polizeiarbeit ausdrücklich nicht nur an den Bedürfnissen der Bürger*innen orientieren, die sich an der Diskussion beteiligen, sondern die Bedürfnisse aller im Kiez lebender Personen berücksichtigen. Zu diesem Zweck sollen lokale Vereinigungen, karitative Verbände und Unternehmen aktiv in das Konzept eingebunden werden.

 

Community Policing Beamt*innen sind im Kiez eingebettete Akteur*innen, die neben unmittelbar kriminologischen Aspekten vorrangig das soziale Gesamtgefüge im Blick haben sollen. Dabei sind sie jedoch weder ein erweitertes Ordnungsamt, noch übernehmen sie die Funktionen von Sozialarbeiter*innen. Während Beamt*innen des Ordnungsamts mit der klaren Maßgabe vorgehen Ordnungswidrigkeiten zu identifizieren und zu ahnden, also eine ausschließlich exekutive Funktion einnehmen, erfüllen Community Policing Beamt*innen die Aufgabe strukturelle Probleme, die sich mitunter in einer Anhäufung von Ordnungswidrigkeiten (z.B. öffentlicher Drogenkonsum) äußern können, zu identifizieren und zusammen mit der Gemeinschaft zu konstruktiven Lösungsansätzen zu kommen. Dabei erfüllen sie jedoch auch nicht die Funktion von Sozialarbeitern, die mit bestimmten Einzelpersonen über einen längeren Zeitraum Lösungen zu ihren konkreten Lebenssituationen erarbeiten und diese betreuen. Einzelpersonen mit Beratungsstellen oder karitativen Einrichtungen zu vernetzen, sofern diese das möchten, kann eine Maßnahme der Beamt*innen sein, unterliegt letztendlich aber ihrer Diskretion.

 

Community Policing wird in unterschiedlichen Formen in einer Vielzahl von Ländern angewandt, allen voran in Teilen der Vereinigten Staaten, in Großbritannien, und in den skandinavischen Ländern. Eines der bekannteren deutschen Community Policing Konzepte sind die sogenannten Bezirksbeamten in Düsseldorf. Die Resultate sind in allen Anwendungsbereichen die selben: Rückläufige Kriminalitäts- und Ordnungswidrigkeitsraten, insbesondere in der Gewaltkriminalität, und ein höheres Sicherheitsgefühl unter den Bürger*innen. Somit adressiert Community Policing sowohl Fragen objektiver Sicherheit, im Sinne von quantitativ erfassbaren Rückgängen an Vorfällen, als auch Fragen subjektiver Sicherheit, im Sinne eines sozialeren, vertrauensvolleren gesellschaftlichen Klimas.

 

Aus feministischer Perspektive ist Community Policing außerdem wesentlich geeigneter Fragen weiblicher Sicherheit zu adressieren, als traditionelle responsiv-repressive Polizeistrategien. So ist zum Beispiel der Notruf oder der Gang zur Polizei für viele Opfer von Missbrauch und häuslicher Gewalt oft mit Scham oder der erheblichen Angst vor Vergeltungsmaßnahmen des Mannes verbunden. Notrufstreifen sind in der unmittelbaren Situation ebenfalls oft die Hände gebunden. In einem Community Policing Konzept hingegen ist es für eine Beamt*in möglich, nachdem sie Hinweise von Anwohner*innen oder vom Opfer selbst erhalten hat, diskretere Wege einzuleiten dem Opfer zu helfen (z. B. die Vernetzung mit einer Beratungsstelle), das Opfer zu einer Anzeige zu ermutigen und diese ggf. mit ihr angemessen vorzubereiten. Deshalb ist es unerlässlich, dass in jedem Kiez auch mindestens eine weibliche Community Policing Beamtin präsent ist.

 

Community Policing

  • Verringert durch einen gesamtgesellschaftlichen Präventivansatz Kriminalität und Ordnungswidrigkeiten
  • Verringert durch effektive Prävention den Einsatz von reaktionären und repressiven Maßnahmen
  • Erhöht durch kontinuierliche Kommunikation und gemeinsame Zielsetzungen das Sicherheitsgefühl der Bürger*innen
  • Stellt den Kiez in den Mittelpunkt der Sicherheitsarchitektur und ist so in der Lage Strategien und Maßnahmen an den jeweiligen unterschiedlichen Problemstellungen auszurichten
  • Schafft Vertrauen zwischen den Beamt*innen und den Bürger*innen
  • Aktiviert Bürger*innen als zentrale Akteure in Qualitäts- und Sicherheitsfragen ihres Kiezes und Ermöglicht effektive Teilhabe

 

Hintergrund: Community Policing in Berlin – Die sogenannten Kontaktbereichsbeamt*innen

Dem Community Policing ähnliche Elemente wurden im damaligen Westberlin im Zuge einer Polizeireform bereits in den 1970er Jahren unter dem Begriff „Kontaktbereichsbeamte“ eingeführt. Die Aufgabe der Beamt*innen in ihren jeweiligen Kiezen (Konktaktbereiche) bestand darin dauerhaft verfügbare und verlässliche Ansprechpartner*innen darzustellen, die bei kleineren Problemen aushelfen, bei Konflikten als Mediator*innen auftreten können, und aufgrund ihrer dauerhaften Präsenz im- und Interaktion mit dem Kiez eine Schlüsselrolle in der Kriminalprävention einzunehmen.

 

Mit der Berliner Polizeireform von 1998 und der Einführung des sogenannten „Berliner Modells“, welches vorsah alle responsiven, investigativen, und administrativen Prozesse fortan in Person der Funkstreifen zu vereinen, wurde die Praxis der Kontaktbereichsbeamt*innen effektiv eingestellt. Die Aufgaben, welche die KoBBs zuvor dediziert und gesondert von den übrigen Polizeieinheiten ausübten, wurden zur Zuständigkeit aller Dienstkräfte erklärt. Eine effektive Trennung von Exekutivaufgaben und Präventionspraktiken war so nicht mehr gewährleistet. Die zuvor zentralen Aspekte der Bürger*innennähe sowie der personell etablierten und zeitlich permanenten Präsenz wurden außerdem durch massive Personalreduzierungen drastisch untergraben.

 

2007 wurde der Kontakrbereichtsdienst in limitierter Form wieder eingeführt. Zudem wurde auf Initiative des Berliner Polizeipräsidenten das „Berliner Modell“ 2014 wieder zurückgerollt, sodass administrative Aufgaben wieder von dedizierten Personal übernommen wurden. Infolgedessen blieb die Rolle der wenigen noch verbleibenden Kontaktbereichsbeamt*innen jedoch institutionell vage und öffentlich kaum erkennbar.

 

Eine kleine Anfrage des Grünen Abgeordneten Benedikt Lux an die Senatsverwaltung im Januar 2016 ergab: das Berliner Stadtgebiet ist derzeit in 1.208 Kontaktbereiche aufgeteilt. Jedem Kontaktbereich sei „grundsätzlich […] eine Dienstkraft der Polizei Berlin namentlich zugeordnet“. In ihren Handlungen sind die KoBBs jedoch nicht auf die klassische Community Policing Arbeit beschränkt, sondern „stehen grundsätzlich für alle Aufgaben im Einsatzdienst der Dienstgruppen zur Verfügung“, wozu „Wachdienst, Funkwageneinsatzdienst, Brennpunktstreifen, Verkehrsüberwachung, Kriminalitätsbekämpfung und der Veranstaltungsschutz gehören“. Zwar wird eine Entlastung zugunsten der klassischen KoBB Aufgaben angestrebt, diese wird jedoch vom chronischen Personalmangel und einer fehlenden verbindlichen Community Policing Organisationsstruktur maßgeblich untergraben. Die aktuellen KoBBs sind daher nicht mit den „alten KoBBs“ gleichzusetzen; eine Einschätzung, die der Berliner Polizeipräsident im Januar 2015 öffentlich einem Interview mit der Berliner Zeitung teilte.

 

Im  Abschnitt „Polizeipräsenz vor Ort sichern“ des Rot-Rot-Grünen Koalitionsvertrags der Berliner Landesregierung finden sich die Forderungen nach „mehr Kontaktbereichsbeamte[n] im Kiez“ und einem „spürbaren“ Ausbau von Fuß- und Fahrradstreifen. Die generelle Stoßrichtung ist die richtige, jedoch finden sich im Vertrag keine Spezifizierungen zur Qualität und Organisationsstruktur dieser Präsenz. Außerdem fehlt eine klare Zielsetzung zur Anzahl der zusätzlichen Kontaktbereichsbeamt*innen, sowie Aussagen über ihre Einsatzart und ihre Handlungsfelder. Eine bloße Erhöhung der Anzahl von Kontaktbereichsbeamt*innen, ohne sie explizit und exklusiv an ein strukturell definiertes Regelwerk von Community Policing Praktiken zu binden, ist unzureichend und verfehlt den erwünschten Effekt.

 

Paradigmenwechsel: Community Policing als Fundament der Berliner Polizeiarbeit etablieren!

Wir fordern ein Sicherheitsnetzwerk der sozialen Integration und der innergesellschaftlichen Solidarität. Community Policing als Fundament für die Berliner Polizeiarbeit stellt den Kiez der Bürger*innen in den Mittelpunkt, setzt den polizeilichen Fokus auf Präventivarbeit, definiert die Rolle von Polizeibeamt*innen in der Stadtgesellschaft neu, und bietet einen Ausweg aus der Eskalationsspirale der reaktiven und repressiven Maßnahmen, welche die aktuelle Debatte dominiert. Die Berliner Praxis der Kontaktbereichsbeamt*innen ist ein brauchbarer Ausgangspunkt für einen solchen Paradigmenwechsel, greift aber angesichts der unklaren Zuständigkeiten und Zielsetzungen, der unzureichenden öffentlichen Kommunikation, und der Abwesenheit eines verbindlichen Community Policing Konzepts deutlich zu kurz.

 

Deshalb fordern wir:

  • Die Erarbeitung eines wissenschaftlich fundierten, umfassenden Community Policing Konzepts für Berlin durch eine Expert*innenkommission unter expliziter Einbeziehung der Polizei und dessen schnellstmögliche Umsetzung.
  • Die Restrukturierung des Kontaktbereichsbeamten*innen-Programms in eine handlungsfähige Community Policing Einheit, welche mit den nötigen Ressourcen ausgestattet wird. Die Community Policing Einheit ist von Exekutivaufgaben der konventionellen Kriminalitätsbekämpfung- und Ermittlung zu befreien.
  • Die Schaffung eines verbindlichen Regelwerks, welches die Zuständigkeiten und die Arbeitsweise von Community Policing Beamt*innen definiert.
  • Die explizite und exklusive Bindung von Community Policing Beamt*innen an dieses Regelwerk. Die Beamt*innen dürfen keine Bedarfseinheiten für andere Diensteinheiten mehr sein.
  • Community Policing Beamt*innen sollen keine Schuss- oder Hiebwaffen mit sich führen.
  • Jedem Kontaktbereich soll mindestens eine weibliche Beamt*in und mindestens ein männlicher Beamter zugeteilt sein.
  • Wo angebracht sollen die jeweiligen Beamt*innen Sprachkenntnisse entsprechend den lokalen Migrant*innen-Communities besitzen.
  • Die Community Policing Einheit soll den jeweiligen Kontaktbereichen entsprechend konkrete Maßnahmen zur Bürger*innenteilhabe erarbeiten.
  • Die Polizei Berlin soll in der Ausbildung einen klaren Fokus auf Community Policing setzen.
  • Die Polizei Berlin soll deutlich mehr Beamt*innen Ausbilden, damit ein solches Community Policing Konzept effektiv und in adäquater Personenstärke angewandt werden kann,
  • Die Rolle, Funktion und Ziele der Beamt*innen sollen öffentlichkeitswirksam sichtbar gemacht und kommuniziert werden.