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Antrag 149/I/2018 “Mein Körper geht nur mich etwas an!”: Stop Fatshaming!

30.04.2018

Als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten beschäftigen wir uns mit verschiedenen Formen der Diskriminierung. In unserer Gesellschaft ist seit jeher zu beobachten, dass die Akzeptanz verschiedener Körperformen sowie deren Freiheit, selbst darüber verfügen und entscheiden zu können, umstritten ist. Alles was nicht der Norm entspricht, wird angeschaut und verurteilt. Die Gesellschaft verkörpert ein Körperideal, welches es einzuhalten gilt und propagiert, dass ein gesunder Körper ein schlanker Körper ist. Doch kann ein Mensch in dieser Abhängigkeit selbstbestimmt leben? Und ist diese Gesellschaftsform ein Abbild unserer vielfältigen Gesellschaft? Nein! Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten beginnt Selbstbestimmung bei jeder*jedem Einzelnen, die*der aus eigener Überzeugung heraus freie Entscheidungen trifft. Besonders Frauen* und queere* Menschen müssen sich immer wieder Räume für ihren eigenen Körper erstreiten.

 

Oft sind sie Stigmatisierungen und Ausgrenzung ausgesetzt. Dabei steht jedem Menschen das Recht auf ein Leben unabhängig gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zu.

 

Jedoch wissen wir, dass dieser Weg noch erkämpft und verteidigt werden muss. Aus diesem Grund wollen wir uns als SPD eingehend mit Gewichtsdiskriminierung auseinandersetzen, es in die SPD sowie in die Gesellschaft tragen und die Gesellschaft dahingehend verändern, dass Diskriminierung aufgrund des Gewichts bekämpft und die Diversität der Körperformen akzeptiert wird.

 

Analyse der derzeitigen Situation

Gegenwärtig befinden wir uns in unruhigen Zeiten, in dem der Wegfall bestehender Bezugspunkte, Identitätsprobleme auf den Körper übertragen. Daneben ist unsere schnelllebige und moderne Gesellschaft stark von visuellen Medien geprägt. Durch diese Prägung gewinnt der Körperkult zunehmend an Bedeutung und wird als Symbol der Klassenidentität wahrgenommen, wodurch Menschen und insbesondere Geschlechter ihrer Körperform nach in gesellschaftliche Schichten kategorisiert werden: Dünnen und schlanken Körpern werden Adjektive wie gesund, fit, fleißig und zielstrebig zugesprochen. Dicken und hochgewichtigen Körpern hingegen werden Eigenschaften wie unsportlich, krank, unmotiviert und faul verknüpft. Im Rahmen des zehnjährigen Jubiläums des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes (AGG) ergab eine repräsentative Umfrage, dass zwei Drittel der befragten Personen Diskriminierungserfahrungen aufgrund ihres Gewichts und ihres äußerlichen Erscheinungsbildes in den entscheidenden Lebensbereichen wie dem Arbeitsmarkt, Bildung, Mobilität, Freizeit, Privatleben, Gesundheit und Pflege machten. Vor allem im Bereich Gesundheit und Pflege kritisierten die befragten Personen die mangelhafte Ausstattung der Krankenhäuser im Gesundheitssystem und die herablassende Äußerungen durch das Krankenhauspersonal.

 

Bereits Kinder und Jugendliche werden insofern sozialisiert, dass sie andere dicke und hochgewichtige Kinder und Jugendliche ausgrenzen. Diskriminierung aufgrund eines hohen Körpergewichts passiert somit täglich, überall und betrifft immer mehr Menschen. Die negativen sozialen und gesundheitlichen Konsequenzen von Gewichtsdiskriminierung führen zu gesellschaftlicher und sozialer Ausgrenzung. Zudem führen Stress und Ausgrenzung zu Körperbildstörungen, Essstörungen und Depressionen. Besonders Frauen* und queere* Menschen sind von dieser Art der Diskriminierung betroffen, die neben intersektioneller Diskriminierung wie der Herkunft, des sozialen Standes, der Hautfarbe, des Geschlechts, der sexuellen Orientierung, der Religionszugehörigkeit, der körperlichen Verfassung oder des Alters, weit verbreitet ist.

 

Studien besagen, dass Frauen* ihrem Körper eine weitaus höhere Bedeutung für das eigene Selbstbild zuschreiben als Männer*. Auslöser dieser verzerrten Wahrnehmung ist, dass Frauen* stärker von gesellschaftlichen Zwängen betroffen sind. Die sexistische Mode- und Schönheitsindustrie bekräftigt diese Zwänge, die das Bild der perfekten und makellosen Figur mit entsprechender Kleidergröße sowie den permanenten Druck des Diäthaltens als Lebensmittelpunkt der Frau* propagieren.

Gewichtsdiskriminierende Werbung auf den bezirkseigenen Werbeflächen verbieten

Mehreren Berliner Bezirken liegen Beschlüsse vor, die „diskriminierende, frauen*feindliche und sexistische Außenwerbung“ auf den bezirkseigenen Werbeflächen untersagen. Der Begriff „diskriminierend“ schließt in diesem Fall eine Diskriminierung anhand von Gewicht nicht ein. Da in unserer Gesellschaft und Medienlandschaft das Schönheitsideal im weiblichen* Geschlecht verankert ist, werden vor allem Frauen*, die diesem Schönheitsideal nicht entsprechen, benachteiligt und sind in hohem Maße von zugespitzter und sexistischer Werbung betroffen.

 

Aus diesem Grund fordern wir die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung auf, gewichtsdiskriminierende und sexistische Außenwerbung flächendeckend im Land Berlin zu untersagen.

 

Anonymisierte Bewerbungsverfahren für die Stellenbesetzung im öffentlichen Dienst bis 2020

Ein Foto im Lebenslauf ruft bekanntlich Vorurteile hervor. Vor allem bei dicken und hochgewichtigen Menschen senkt ein Foto die Chance, zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden, erheblich. Das zeigt eine Studie der Universität Tübingen, in der dicke Frauen* besonders bei Personalentscheidungen schlecht abschnitten: 98 Prozent der befragten Personalleiter*innen trauten dicken Frauen* keine prestigeträchtigen Berufe in Führungspositionen wie Ärztin* oder Architektin* zu. Anonymisierte Bewerbungsverfahren können dafür sorgen, dass dicke und hochgewichtige Menschen in der Vorauswahl für ein Bewerbungsgespräch nicht aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes aussortiert werden. Bereits von März 2014 bis März 2015 wurde im Rahmen des Berliner Pilotprojekts Vielfalt fördern das Verfahren der anonymisierten Bewerbung getestet.

Wir fordern die Senatskanzlei und die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales auf, das im Pilotprojekt getestete Verfahren der anonymisierten Bewerbung in der öffentlichen Verwaltung und den Landesbetrieben flächendeckend bis 2020 einzuführen.

Verbeamtung für Menschen mit hohem Körpergewicht erleichtern

Gemäß Artikel 33 Absatz 2 des Grundgesetzbuches (GG) muss eine Person nach Ermittlung ihrer*seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichberechtigten Zugang zur Verbeamtung haben. Die besagte Eignung einer Person für den öffentlichen Dienst wird u. a. in Form/ mit Hilfe einer amtsärztlichen Untersuchung ermittelt. Da das Körpergewicht im medizinischen Kontext oft voreilige und denunzierende Schlüsse auf den Gesundheitszustand und die Leistungsfähigkeit einer Person zieht, erhalten dicke und hochgewichtige Verbeamtungskandidat*innen nach dieser Untersuchung häufig einen negativen Bescheid. Seit einem richtungsweisenden Gerichtsurteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2013 hat dieser diskriminierende und negative Bescheid der amtsärztlichen Untersuchung keinen Bestand mehr. Leider findet diese Rechtsprechung weder im Berliner Kammergesetz noch in der Weiterbildungsordnung der Berliner Ärztekammer Geltung.

 

Daher fordern wir die Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung und die Berliner Ärztekammer auf, die Weiterbildungsordnung um das Merkmal der Gewichtsdiskriminierung auszuweiten. Durch intern organisierte Fort- und Weiterbildungen sollen Amtsärzt*innen über die Diversität der Körperformen aufgeklärt und sensibilisiert werden.

 

Gleichzeitig fordern wir die Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung und die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung auf,im Bereich der gesundheitlichen Versorgung die Sensibilisierungsmaßnahme von Ärzt*innenschaft sowie das Gesundheitspersonal für Diskriminierung des Körpergewichts gesetzlich zu verpflichten und diese Vorgabe in die Berufsordnung zu übernehmen.Des Weiteren fordern wir, dass entsprechende medizinische Geräte in Krankenhäusern und Arztpraxen angeschafft werden, damit die notwendigen Untersuchungen von dicken und hochgewichtigen Menschen gewährleistet werden.

 

Erweiterung des Landesantidiskriminierungsgesetzes (LADG) um das Merkmal Gewicht

Darüber hinaus muss der Zuständigkeitsbereich der Landesantidiskriminierungsstelle (LADS) um Diskriminierungen dicker und hochgewichtiger Menschen erweitert werden.

Die Arbeit der Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung ist auf die in §1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sowie auf die in Art. 10 Abs. 2 und Art. 11 der Berliner Verfassung genannten Diskriminierungsmerkmale ausgerichtet und ist in den folgenden Berliner Landesgesetzen festgeschrieben:

  • Berliner Landesgleichberechtigungsgesetz (LGBG)
  • Berliner Landesgleichstellungsgesetz (LGG)
  • Berliner Partizipations- und Integrationsgesetz (PartIntG)
  • Berliner Seniorenmitwirkungsgesetz (BerlSenG)
  • Gesetz zur Gleichberechtigung von Menschen unterschiedlicher sexueller Identität (SexGlBerG).

 

Da bisher Gewichtsdiskriminierung weder in den oben genannten Berliner Landesgesetzen berücksichtigt wird noch unter keine der im Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) genannten Merkmale vollständig eingliedern lässt, fordern wir hiermit die Aufnahme und Ausweitung der Berliner Landesgesetze auf das Merkmal Gewicht.

 

Die Lücke im Diskriminierungsschutz des Landes Berlin muss endlich geschlossen werden, sodass Klagen aufgrund von Diskriminierung des Körpergewichts rechtswirksam sind.

Antrag 244/I/2018 Für einen sozial-ökologischen Wandel – Braunkohleausstieg schrittweise einleiten!

30.04.2018

Der durch menschliche Aktivitäten verursachte Klimawandel hat besorgniserregende Folgen für Deutschland und die Welt. Die CO2-Emissionen in Deutschland sind seit acht Jahren nicht mehr nennenswert gesunken – dies gilt trotz steigendem Anteil erneuerbarer Energien auch für die Stromerzeugung. Einen großen Anteil an den Emissionen hat die Verstromung von Braun- und Steinkohle. Diese ist aus verschiedenen Gründen, insbesondere wegen Versäumnissen bei der Energie- und Klimapolitik, in den letzten Jahren nahezu konstant geblieben. Deutschland steht kurz davor, seine nationalen Klimaschutzziele für 2020 und 2030 nicht einhalten können.

 

Globale Verantwortung wahrnehmen

Deutschland hat beim Kampf gegen die Klimakrise eine globale Verantwortung. Zu einem, weil es im weltweiten Vergleich einen hohen CO2-Ausstoß pro Kopf aufweist und damit zu den Hauptverursachern des Klimawandels zählt. Und zum anderen, weil die Bundesrepublik aufgrund ihrer Wirtschaftskraft und ihres technologischen Knowhows zu den wenigen Industriestaaten gehört, die vom Potential her in der Lage sind, die Energiewende hin zu einer vollständig regenerativen Erzeugung mit all ihren Elementen in der Erzeugungs- und Infrastruktur technisch, ökonomisch und sozial ohne unakzeptable Verwerfungen zu vollziehen – und dies in überschaubarer Zeit. Gelänge dieser Übergang noch deutlich vor 2050 und würden die technischen, ökonomischen und sozialen Innovationen auf dem Weg dahin weltweit sichtbar, so wäre dies ein wahrhaft historischer Beitrag Deutschlands dafür, andere Länder zu ermutigen bzw. überhaupt erst in die Lage zu versetzen, einen ähnlichen Weg zu gehen. Unter anderem deshalb, weil die Bundesrepublik Technologie-Lernkurven finanziert, die es auch anderen Staaten ermöglicht, regenerative Erzeugungsanlagen preiswert einzusetzen. Im Kampf gegen die Erderwärmung würde so die Einhaltung des globalen 2-Grad-Ziels bzw. möglichst des 1,5-Grad-Ziels des Pariser Abkommens deutlich realistischer.

 

Auf den internationalen Klimakonferenzen präsentiert sich Deutschland jedoch zunehmend als ideenloser und klimapolitisch gelähmter Teilnehmer. Denn mit einer konstant hohen Kohleverstromung und einem zuletzt wieder steigenden CO2-Ausstoß, drohen wir das nationale Klimaziel einer Minderung der Treibhausgasemissionen von minus 40 Prozent bis 2020 gegenüber 1990 krachend zu verfehlen. Damit verhält sich Deutschland unsolidarisch im Kampf für einen konsequenten Klimaschutz. Wenn jetzt nicht entschieden gegengesteuert wird, gefährdet dies auch den weiteren internationalen Verhandlungsprozess, in dem es jetzt darauf ankommt, das Klimaschutzabkommen von Paris wirksam auszugestalten. Klar ist dabei, Deutschland muss schrittweise aus der Kohleverstromung aussteigen, wenn die Umwelt geschützt und die Klimaziele erreicht werden sollen. Gerade Braunkohlekraftwerke mit ihren niedrigen Brennstoffkosten sind aktuell so stark ausgelastet wie seit Jahren nicht mehr. Ein konsequentes Umdenken in der Energiepolitik muss stattfinden und erfordert jetzt politische Entscheidungen.

 

Schrittweisen Kohleausstieg einleiten

Ein schrittweiser Kohleausstieg muss unverzüglich eingeleitet werden. Damit könnten nicht nur große Emissionsreduktionen zu relativ geringen Kosten erreicht werden, sondern es gäbe zudem erhebliche positive Wirkungen auf Umwelt und menschliche Gesundheit, vor allem, weil die Emissionen von Quecksilber, Schwefeldioxid, Stickstoffoxiden und Feinstäuben reduziert würden. Eine emissionsarme Stromerzeugung ist darüber hinaus Voraussetzung für die erfolgreiche Dekarbonisierung des Verkehrs und der Wärmeversorgung, die im Zuge einer Sektorkopplung zunehmend strombasiert sein werden.

 

Das Ende der Steinkohle ist absehbar, bis 2018 wird der Abbau in Deutschland beendet. Nicht so bei der Braunkohle, derzeit gibt es noch zehn aktive Tagebaue. Braunkohle ist der mit Abstand umweltschädlichste Energieträger. Kein anderer Brennstoff verursacht bei der Verbrennung mehr CO2, sein Abbau zerstört weiträumig Natur und Landschaften und vertreibt Menschen aus ihrer Heimat.

 

Braunkohle gilt noch immer als „billiger“ Rohstoff – eine Beschreibung, die falscher nicht sein könnte. Die Folgekosten für Umwelt und Klima werden durch die Strompreise kaum abgebildet. Es gibt in Deutschland keinen größeren Eingriff in Natur, Landschaft und Gewässerhaushalt als die Tagebaue. Auf bislang mehr als 175.000 Hektar Fläche haben sich Braunkohlebagger in den Untergrund gewühlt und dabei wertvolle Ackerflächen, Grünland, uralte Wälder, Gewässer und Siedlungen zerstört. Werden allein die schon genehmigten Tagebaue voll ausgeschöpft, würde rund drei Mal mehr Kohle verbraucht als mit unseren Klimazielen vereinbar wäre.

 

Um die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad, möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen, wie in Paris beschlossen und von Deutschland völkerrechtlich bindend ratifiziert, muss der vollständige Ausstieg aus der Kohleverstromung bis spätestens 2030 abgeschlossen sein. Rund 60 Prozent der Braunkohle, deren Abbaggerung bereits genehmigt ist, muss im Boden bleiben. Es dürfen keine neuen Tagebaue mehr eröffnet werden. Derzeit gibt es noch drei große Tagebauregionen: das Lausitzer Revier in den Bundesländern Brandenburg und Sachsen, das Mitteldeutsche Revier in den Bundesländern Sachsen und Sachsen-Anhalt sowie das Rheinische Revier in Nordrhein-Westfalen. Obwohl schon die Braunkohle in den genehmigten Tagebauen größtenteils im Boden bleiben müsste, sind weitere sechs neue Tagebaue in Planung. Durch aktuelle und geplante Tagebaue drohen rund 8.500 Menschen ihre Heimat zu verlieren. Hinzu kommt: Allein durch Verstromung Braunkohle aus neuen Tagebauen würden ca. 1,6 Gigatonnen CO2 emittiert werden – mehr als 15 Prozent aller Treibhausgasemissionen, die Deutschland im Rahmen des Pariser Abkommens rechnerisch insgesamt noch zustehen.

 

Ausstieg sozialverträglich und proaktiv gestalten

Wenn die Kohleverstromung zurückgeht, wird regional ein Strukturwandel beschleunigt, der auch mit Arbeitsplatzverlusten in den betroffenen Branchen einhergeht. Es ist nötig, diesen Wandel sozialverträglich zu gestalten und durch neue Arbeitsplätze in der Energiewirtschaft oder anderen Branchen zu kompensieren. Die Kohleregionen brauchen dafür jetzt Planungssicherheit und Investitionen für den nötigen Strukturwandel – an einem veralteten Energieträger festzuhalten, wird ihnen nicht weiterhelfen. Betriebsbedingte Kündigungen infolge des Kohleausstiegs in den Unternehmenssparten sind in jedem Fall zu verhindern. Dafür sind angesichts der Altersstruktur der Beschäftigten in der Braunkohlewirtschaft vorrangig Instrumente wie Altersteilzeit oder Vorruhestand zu nutzen. Mit dem Kohleausstieg verbundene Lücken bei Einkommen oder Altersbezügen für die Beschäftigten sind angemessen zu schließen. Ferner würde die Beschleunigung des Ausbaus erneuerbarer Energien und gezielte Regionalentwicklung Arbeitsplätze sichern und neue schaffen. Für die Braunkohleregionen soll hierzu hinaus ein Fonds bereitstehen, welcher jährlich mit mindestens 500 Mio. Euro ausgestattet werden soll. Dieser Betrag entspräche knapp der Hälfte der laufenden jährlichen Steinkohlesubventionen. Mit dem Auslaufen des Steinkohlebergbaus und dessen Subventionen in 2018 könnte ein Teil dieser Gelder gezielt für die Strukturentwicklung in den Braunkohlerevieren verwendet werden. Zentral ist, dass es gemeinsam mit den Arbeitnehmer*innen entwickelt und beschlossen wird. Ziel eines solchen Programms sollte es sein, die derzeitigen Braunkohlereviere nachhaltig weiterzuentwickeln und somit eine mögliche Deindustrialisierung zu verhindern. Eine aktive Strukturpolitik gezielt für diese Regionen sollte daher von Beginn an parallel zu energiewirtschaftlichen Ausstiegsszenarien mitgedacht werden. Bei der Identifizierung und Förderung von möglichen Förderschwerpunkten in den Kohlerevieren muss hierbei immer einbezogen werden, inwiefern diese mit den langfristigen Klimaschutzzielen Deutschlands vereinbar sind. So sollten gezielt nachhaltige Zukunftsmärkte, wie beispielsweise erneuerbare Energien oder Elektromobilität, gefördert werden. Mit dem Ausbau vor allem der Wind- und Solarenergie Arbeitsplätze können ersetzt werden – die Flächenpotenziale für den dafür erforderlichen Ausbau reichen in den betroffen Bundesländern aus. Zudem werden die Energiekonzerne nach einem Kohleausstieg einen großen Anteil der in den Tagebauen beschäftigten Arbeitnehmer*innen für die notwendigen Folgetätigkeiten noch jahrelang benötigen.

 

Für das Gelingen des Strukturwandels ist es dementsprechend wichtig, wie dieser Ausbau angegangen wird. Denn: Je höher die regionale Wertschöpfung, desto mehr Arbeitsplätze in den Braunkohlerevieren. Der Fokus in der Energiepolitik muss daher verstärkt auf Energiegenoss*innenschaften gesetzt werden. Mithilfe dieser demokratisch organisierten, ökologischen und bürger*inneneigenen Energiegesellschaften kann die sichere und preisgünstige Versorgung klimafreundlicher Energie in der Zukunft sichergestellt werden. Auch sie und bereits bestehende, zahlreiche Initiativen von regionalen Unternehmen, welche sinnvolle Anschlusstätigkeiten anbieten, beispielsweise in den Bereichen der Erneuerbaren Energien, im Bereich von Ingenieurs- und Bohrdienstleistungen sowie im Garten- und Landschaftsbau.

 

Die unmittelbaren Kosten des Kohleausstiegs dürfen dabei nicht auf dem Rücken der Verbraucher*innen abgeladen werden. Schon jetzt ist aber klar: Wenn die Kohlekraftwerke wegfallen, steigt der Börsenpreis des Stroms nur leicht, im Mittel um 0,1 bis 0,3 Cent pro Kilowattstunde. Bei den Endverbraucher*innen kommt das kaum an, denn ein höherer Börsenstrompreis lässt die EEG-Umlage sinken – die Stromrechnung verändert sich durch den Kohleausstieg nur unwesentlich, das Gewinnkonto der Energieunternehmen, die mit dem schmutzigen Kohlestrom im Ausland Geld verdienen, allerdings schon. Dennoch müssen Maßnahmen im Falle von Strompreiserhöhungen, die auf den forcierten Kohleausstieg zurückzuführen sind, eingeleitet werden, um diese für private Stromkunden zu kompensieren.

 

Deutschland ist einer der größten Stromexporteure Europas. Versorgungsprobleme stehen in weiter Ferne und ein flexibles Backup für schwankende Erneuerbare Energien findet sich wohl eher in flexiblen Gaskraftwerken. Eine schrittweise Schließung der Kohlekraftwerke führt nicht zu Versorgungsengpässen oder einem steigenden Strompreis, sondern zu der Einhaltung unserer Klimaziele.

 

Wir wollen den bundesweiten Kohleausstieg sozial gerecht und nachhaltig angehen. Wir fordern daher:

  • einen verbindlichen Kohleausstieg bis 2030. Dieser umfasst einen schnellen Beginn des Ausstiegs mit der kurzfristigen Stilllegung besonders emissionsintensiver Kraftwerke bis 2020, zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit und Abfederung der sozialen Herausforderungen ein vorübergehender Weiterbetrieb der moderneren Kohlekraftwerke bis 2030 mit begrenzter Auslastung, sowie ein sukzessives Abschalten der letzten Kohlekraft werke im Verlauf der 2030er Jahre unter Einhaltung des vorher festgelegten CO2-Emmissionsbudgets,
  • ein Festschreiben des verbleibenden CO2-Emissionsbudgets in einem Kohleausstiegsgesetz,
  • eine arbeitsmarkt-, wirtschafts- und sozialpolitisch Begleitung des Ausstiegs aus der Braunkohleverstromung wobei insbesondere Interessenvertreter*innen der Beschäftigten vor Ort und der Region wirksam einzubinden sind. Finanziell ist dieser Prozess durch einen Strukturwandelfonds des Bundes in Höhe von jährlich mindestens  500 Millionen Euro abzusichern. Er wird für die infolge des Kohleausstiegs vom Strukturwandel betroffenen Beschäftigten und Regionen bereitgestellt,
  • die Verhinderung betriebsbedingte Kündigungen infolge des Kohleausstiegs in den Unternehmenssparten. Dafür sind angesichts der Altersstruktur der Beschäftigten in der Braunkohlewirtschaft vorrangig Instrumente wie Altersteilzeit oder Vorruhestand zu nutzen. Mit dem Kohleausstieg verbundene Lücken bei Einkommen oder Altersbezügen für die Beschäftigten sind angemessen zu schließen,
  • keine Stilllegungsprämien für Kraftwerksblöcke,
  • die Finanzierung der Folgelasten der Braunkohleförderung soll durch die Bildung eines ausreichend ausgestatteten staatlichen Nachsorgefonds gesichert werden, in den die bisherigen Nachsorge-Rückstellungen der Tagebaubetreiber sowie eine Förderabgabe auf die Braunkohleförderung eingehen,
  • Einleitung von Maßnahmen im Falle von Strompreiserhöhungen, die auf den forcierten Kohleausstieg zurückzuführen sind, um diese für private Stromkunden zu kompensieren,
  • den Einsatz auf europäischer Ebene dahingehend, dass über eine Änderung der EU- Emissionshandelsrichtlinie jene Menge an CO2-Emissionsrechten (EUA) endgültig stillgelegt wird, welche infolge des deutschen Kohleausstiegs frei wird,
  • den Ausbau der Förderung von Energiegenoss*innenschaften.

 

Antrag 133/I/2018 Keine Geburtskliniken schließen!

30.04.2018

Die SPD setzt sich auf allen Ebenen dafür ein, dass nicht noch mehr kleinere Geburtskliniken aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen werden. Der Status quo muss im Interesse einer wohnortnahen und qualitativ hochwertigen Geburtshilfe dringend aufrechterhalten werden. Mindestmengen für Geburten, die aus ökonomischen Gründen für Geburtskliniken erhoben werden, lehnen wir ab.

Antrag 123/I/2018 § 219a StGB jetzt abschaffen – für Informationsfreiheit und sexuelle Selbstbestimmung

30.04.2018

Wir fordern die SPD-Bundestagsfraktion und die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung dazu auf, den von der SPD-Bundestagsfraktion am 11.12.2017 eingebrachten Gesetzentwurf auf Abschaffung des § 219a StGB in dieser Form weiter zu verfolgen und für sexuelle Selbstbestimmungsrechte einzustehen! Wir sprechen uns gegen eine Kompromisslösung aus, die nicht die vollständige Streichung des §219a StGB vorsieht.

Antrag 161/I/2018 Europatag zum Feiertag werden lassen!

30.04.2018

Die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus und die Mitglieder der SPD im Senat von Berlin werden gebeten, sich bei den Überlegungen für einen weiteren Feiertag für den Europatag am 9. Mai als gesetzlichen Feiertag in Berlin einzusetzen.