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Antrag WV79Ä/II/2017 Änderungsantrag zum Antrag WV79/II/2017

27.10.2018

(gestellt auf dem LPT I/2018)

 

Absatz Nr. 6 in der Fassung der Antragskommission wird komplett ersetzt durch: 

„Es ist eine bundeseinheitliche Regelung zur Reduzierung von NO²-Emissionen einzuführen, die sog. Blaue Plakette.

 

Analog zur Einführung von Umweltzonen ist die Blaue Plakette zeitgestuft nach Schadstoffklassen einzuführen. Dabei sind Ausnahmen bezüglich sozialer Tatbestände, z. B. für mobilitätseingeschränkter Menschen, wirtschaftlicher Härten u. a. für Handwerksbetriebe und bei fahrzeugtechnischer Besonderheiten, u. B. für Bau- und Spezialfahrzeuge, vorzusehen.“

 

Antrag 02.1/II/2018 Sicher leben in Berlin – wir wollen Urbane Sicherheit

26.10.2018

In unserer Stadt müssen die Menschen sicher leben können. Wir müssen sie vor Kriminalität genauso schützen wie vor der Angst, in einer Gesellschaft nicht mehr mithalten zu können, die als sozial ungerecht empfunden wird.

 

1. Dynamische Stadtgesellschaft: Wachstum, Vielfalt und soziale Polarisierung

Berlin wächst dynamisch und steuert schon in den kommenden Jahren auf vier Millionen Einwohner*innen zu. Weltoffenheit und Vielfalt zeichnen Berlin aus und machen die Stadt attraktiv. Menschen aus 150 Nationen leben hier bereits zusammen. Ihre soziale und persönliche Sicherheit zu gewährleisten, gehört zu den wichtigsten Herausforderungen einer verantwortungsvollen Stadtpolitik und ist damit eine zentrale Aufgabe der Berliner Sozialdemokratie.

 

Die Menschen in unserer Stadt befinden sich in verschiedenen Lebenssituationen und setzen sich unterschiedlichste Ziele. Sie müssen auf ein sicheres Umfeld vertrauen können. Viele Menschen, die zu uns kommen, suchen einen Platz, sich niederzulassen, sich eine Existenz aufzubauen und selbstbestimmt zu leben.

 

Berlin steht gegenwärtig wie keine zweite Stadt für diese Entwicklung. Voraussetzung für ein Gelingen ist dabei, dass die Menschen ihr Leben verlässlich planen können, weil sie in dieser Stadt soziale und persönliche Sicherheit finden – egal, ob sie für ihren Aufenthalt nur an einige Wochen oder aber an Jahrzehnten denken.

 

Mit dem Wachstum der Stadt gehen die Herausforderungen Hand in Hand. Quartiere entwickeln sich unterschiedlich. Was gestern eine einfache Wohngegend war, wird in atemberaubender Geschwindigkeit hip und begehrt – und teuer. Dadurch treten aber auch Ungleichheiten viel stärker zu Tage als bisher. Die Räume zum Ausweichen werden kleiner. Der Druck auf diese Quartiere steigt und mit dem Druck die Verteilungskämpfe und die soziale Desintegration, die irgendwann auch zu offenen sozialen Spannungen, zu Gewalt und Kriminalität und damit im Ergebnis zu einer sozialräumlichen Polarisierung führen. Wohnungsknappheit und steigende Mieten führen dazu, dass Menschen mit niedrigem Einkommen in Stadtteile mit sozialen Spannungen und teils schlechter Bausubstanz verdrängt werden.

 

Dieser Prozess muss durch Erhalt von gutem und günstigem Wohnraum, Ausbau von Rechten der Mieterinnen und Mieter und durch die Schaffung neuer und bezahlbarer Wohnungen durch sozialen (mindestens 30%), barrierefreien (10%), städtischen und genossenschaftlichen Wohnungsbau aufgehalten werden.

Unter einem solchen Prozess leiden vor allem diejenigen, die selbst am wenigsten für ihre Sicherheit aufbieten können. Sicherheit darf aber nicht vom Einkommen und Vermögen abhängen, sondern muss für alle gleichermaßen gewährleistet sein. Wo dennoch Gewalt und Kriminalität die Sicherheit in Frage stellen, muss der Rechtsstaat Stärke zeigen.

 

2. Urbane Sicherheit verbindet soziale und persönliche Sicherheit

Urbane Sicherheitspolitik verbindet Strategien für soziale und persönliche Sicherheit, denn alle zusammen sind die Voraussetzungen für die Steigerung der Lebensqualität einer inklusiven Gesellschaft. Soziale Sicherheit bedeutet die Absicherung von Lebensrisiken und den Ausgleich sozialer Ungleichheiten. Auf städtischer Ebene wird dies insbesondere durch eine aktive Arbeitsmarktpolitik, soziale Steuerung des Wohnungsmarktes, ein starkes öffentliches Bildungswesen, Zugang zu Daseinsversorgung, verlässlicher Infrastruktur, Gesundheit, Kultur etc. umgesetzt.

 

Persönliche Sicherheit stellt die Abwesenheit von hauptsächlich durch Gewalt und Kriminalität bedingten Verlust von Besitz, körperlichen Schäden, Stress und Angstzuständen in den Mittelpunkt stadtpolitischen Handels. Zentral sind hier Maßnahmen der Prävention, Gefahrenabwehr und Strafverfolgung.

 

Die Bürgerinnen und Bürger erwarten verlässliche staatliche Institutionen, die – hier besonders die Polizei – ihren umfangreichen Aufgaben nachkommen und so für persönliche Sicherheit sorgen: Sicht- und Ansprechbarkeit und sowie Fairness im Auftreten sind wichtige Bestandteile, die das hohe Vertrauen der Bevölkerung in die Berliner Polizei weiter ausbauen werden. Diese muss über die notwendigen Mittel verfügen, um ihre Aufgaben wirksam wahrnehmen zu können.

 

Unsere Politik der Urbanen Sicherheit will ein gesellschaftliches Klima schaffen, das die Verantwortung aller für den sozialen Frieden bewusst macht und fördert sowie an den Wurzeln von Kriminalität und Gewalt ansetzt. Dies bedeutet für uns Integrierte Sicherheitspolitik.

 

Akteure der Inneren Sicherheit müssen sich der sozialpolitischen Bezüge ihrer Politik bewusst sein: Im Gegensatz zu konservativen und populistischen Positionen wollen wir nicht Arme verdrängen, sondern Armut und soziale Polarisierung bekämpfen, werden wir nicht Geflüchtete diskriminieren, sondern die Integrationspolitik vorantreiben und wir werden nicht Jugendliche kriminalisieren, sondern durch aktive Bildungs-, Jugend- und Arbeitsmarktpolitik ihre Teilhabe sichern. Hilfe statt Ausgrenzung ist das zentrale Ziel.

 

Wir wollen soziale Polarisierung aufheben und Vielfalt gestalten. Unsere Idee ist, bei der Betrachtung von Gewalt und Kriminalität in der Stadt, bei der Bekämpfung dieser Phänomene und der Prävention soziale und persönliche Sicherheit in integrierte Strategien zusammenzuführen.

 

Ob Menschen in unserer Stadt sicher leben können, hängt auch davon ab, dass sie sich sicher fühlen. Tatsächliche Bedrohung durch Kriminalität und das persönliche Sicherheitsgefühl mögen dabei nicht immer deckungsgleich sein, aber auch Ängste sind real. Sie einfach zu negieren ist falsch, genauso wie populistisch Maßnahmen einzufordern, die an der Lösung bestehender Probleme vorbeigehen. Wir als SPD wissen, dass ein liberales und tolerantes Miteinander in der Stadt davon abhängt, dass der öffentliche Raum überall und zu jeder Zeit als sicher wahrgenommen wird und man sich dort angstfrei bewegen kann.

 

Aus dem Ziel, Straftaten durch soziale Maßnahmen zu verhindern, folgt, dass alle staatlichen Organisationen, die den Sozialstaat ausmachen, zusammenarbeiten müssen. Dies braucht ressortübergreifende Zusammenarbeit im Senat und in den Bezirken ebenso, wie die Beteiligung und den Austausch mit sozialen Akteuren und den Bürgerinnen und Bürgern in ihren Quartieren. Um dies zu gewährleisten, haben wir in Berlin eine Landeskommission „Berlin gegen Gewalt“ eingerichtet und wollen in allen Bezirken Arbeitsgremien der Prävention von Gewalt und Kriminalität etablieren.

 

3. Gute Arbeit, sichere Beschäftigung und solidarisches Grundeinkommen

Berlin hat sich in den vergangenen zehn Jahren beim Abbau der Arbeitslosigkeit in die richtige Richtung entwickelt. Wir leben aber in einer Beschäftigungswelt, in der sich in einem Teil des Arbeitsmarktes die Arbeitsverhältnisse immer häufiger verändern und oft nur unsichere Zukunftsaussichten bieten. Sei es, dass nicht mehr wirklich klar ist, wer Arbeit- oder auch nur Auftraggeber*in ist – und damit am Ende für geleistete Arbeit aufkommt. Sei es, dass die Risiken der Tätigkeit einseitig auf den Ausführenden lasten und die eigentlichen Nutznießer nur am Profit partizipieren. Die Arbeitswelt in einer Millionenstadt ist eine andere als in einem Flächenland. Die Anonymität der Metropole begünstigt hier leider allzu oft die Betrüger*innen. Flächendeckende sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse werden daher nur mit einem konsequenten Einsatz gegen Schwarzarbeit, gegen ein Unterlaufen des Mindestlohngesetzes und des Arbeitsschutzes sowie gegen Insolvenzbetrug durch eine eng zusammenarbeitende Verwaltung und hochspezialisierte Kräfte von Polizei, Zoll und Steuerfahndung zu erreichen sein.

 

Eine Grundbedingung sozialer Sicherheit ist es, gute Arbeit und sichere Beschäftigung für alle Berlinerinnen und Berliner zu erreichen. Zusammen mit den Sozialpartnern wollen wir uns dafür einsetzen, alle Arten von prekärer Beschäftigung einzudämmen, Ausbildungskapazitäten quantitativ und qualitativ auszubauen, den Geltungsbereich von Tarifverträgen zu erweitern, Benachteiligungen von Frauen im Erwerbsleben abzubauen, Arbeitsschutz und Gesundheitsförderung bei der Arbeit auszubauen. Die Digitalisierung der Arbeit wird dabei die zentrale Herausforderung städtischer Arbeitsmarktpolitik sein. Viele Unternehmen können ihre Wettbewerbsfähigkeit durch digitale Prozesse verbessern. Sie benötigen dabei Unterstützung durch Land und Wirtschaftsverbände. Für die Beschäftigten stehen den Chancen (z.B. auf hochwertige Tätigkeiten, Souveränität im Hinblick auf die Auswahl von Arbeitszeit und -ort) Gefahren von Arbeitsplatzverlusten und Prekarisierung von Arbeitsverhältnissen gegenüber. Hier muss berufliche Weiterbildung ansetzen und individuelle Perspektiven entwickeln und absichern helfen. Außerdem muss soziale Sicherheit durch Regelungen in Form von Mindesthonoraren für Solo-Selbständige (z.B. in der Dienstleistungs-, Kultur- und Kreativwirtschaft sowie die Gründer*innenszene) und einer Ausdehnung statt Reduzierung des arbeits- und sozialrechtlichen Mindestschutzes bei der Gestaltung von Arbeitsverhältnissen gewährleistet werden.

 

Unfreiwillige Teilzeit und befristete Arbeitsverträge schaffen das Gefühl von Unsicherheit und wirken sich negativ auf Lebensplanungen aus. Der öffentliche Dienst geht dieses Thema vorbildlich an: Berlin schafft alle sachgrundlosen Befristungen in der Verwaltung, an den Hochschulen sowie bei den Landesunternehmen einschließlich ihrer Beteiligungen ab. Die Praxis der Befristungen nach dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz soll kritisch auf den Prüfstand gestellt werden. Wir setzen konsequent den Mindestlohn durch – v. a. bei den öffentlichen Vergaben.

 

Wir setzen uns dafür ein, dass alle Berliner Unternehmen faire und gute Arbeit anbieten, diskriminierungsfrei und im Rahmen des deutschen Arbeitsrechts und Arbeitsschutzes. Sachgrundlos befristete Arbeitsverträge dürfen in keinem Unternehmen die Regel sein. Unternehmen, die diese Forderung nicht erfüllen, sollen keine Aufträge der öffentlichen Hand und keinen Zugang zu wirtschaftlichen Förderungen erhalten.

 

Für die sich durch Digitalisierung und Globalisierung verändernde Arbeitswelt muss die Sozialdemokratie konzeptionelle Antworten liefern. Die Zukunft muss digital und sozial sein. Dabei steht für uns die Arbeitswelt im Vordergrund unserer Überlegungen. Denn Arbeit ist nicht nur Existenzsicherung, sondern auch der Schlüssel zu gesellschaftlicher Teilhabe und Anerkennung.

 

Mit unserer Initiative für ein Solidarisches Grundeinkommen (SGE) wollen wir deshalb arbeitslosen Menschen eine Alternative zum Abrutschen in Hartz IV (ALG II) bieten. Nach Ablauf des Arbeitslosengeldes (ALG I) unterbreiten wir ein Angebot für kommunale Arbeit in der sozialen Daseinsvorsorge, das freiwillig, fair bezahlt, unbefristet und sozialversicherungspflichtig ist. Wir wollen auf diesem Weg kommunale Arbeitgeber und Langzeitarbeitslose zusammenbringen und durch begleitende Qualifizierung den Übergang in den ersten Arbeitsmarkt besser ermöglichen. Qualifikation und Integration in den ersten Arbeitsmarkt bleiben für uns vorrangig.

Das Solidarische Grundeinkommen ist dabei ein Weg heraus aus dem Hartz-IV-System, das in 15 Jahren keine gesellschaftliche Akzeptanz erfahren hat. In diesem System wird viel zu oft Langzeitarbeitslosigkeit verstetigt oder es führt, wenn überhaupt unter dem Druck des Sanktionssystems vornehmlich zu kurzfristigen Maßnahmen oder prekären Arbeitsverhältnissen.

Wir fordern den Bund auf, im Rahmen des Teilhabechancengesetzes und der weiteren Förderinstrumente den Weg frei zu machen zur Finanzierung von SGE-Modellprojekten in mehreren deutschen Kommunen und unterstützen die Ankündigung des Senats, in Berlin im Laufe des Jahres 2019 ein SGE-Pilotprojekt mit 1.000 Arbeitsplätzen aufzulegen, dessen Rahmenbedingungen mit den Sozialpartnern und wichtigsten Verbänden und Organisationen verhandelt werden.

Aber wir brauchen insgesamt eine neue soziale Agenda. Das Solidarische Grundeinkommen ist dabei ein wichtiger Baustein und bildet in Kombination mit weiteren Maßnahmen wie zum Beispiel der Bürgerversicherung, einen armutsfesten Mindestlohn auf Bundesebene in Höhe von mindestens 12,63 Euro und der Grundrente in Zeiten einer sich drastisch verändernden Arbeitswelt unsere Antwort für eine umfassende Gesundheitsversorgung und Sozialversicherung, gute Arbeit und einer Rente, von der man leben kann.

 

4. Urbane Polizei- und Sicherheitsarbeit

Ohne klare Regeln gibt es keine funktionierende Gesellschaft. Daher setzen wir uns für die konsequente Einhaltung gesellschaftlicher Regeln in der gesamten Stadt ein. Dies ist nicht nur eine Aufgabe der Polizei und der Justiz, sondern auch der Stadtgesellschaft insgesamt. Sicherheit entsteht auch durch soziales Vertrauen und gemeinsamen Austausch.

 

Wir werden die Alltagssicherheit in Berlin durch eine starke Berliner Polizei und bezirkliche Ordnungsämter weiter verbessern. Daher wollen wir, dass auch U- und S-Bahnhöfe mit Personal besetzt sind und wir setzen uns dafür ein, die Fuß- und Fahrradstreifen der Polizei verstärkt in der gesamten Stadt einzusetzen, um eine hohe Präsenz und Akzeptanz im öffentlichen Raum zu schaffen. Wir dulden keine rechtsfreien Räume in der Stadt. Wir sind es angegangen, im Einklang mit den betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Bedingungen für leistungsfähige, motivierte und gut ausgerüstete Polizeikräfte und Rettungsdienste bis zum Ende der Legislaturperiode zu schaffen. Die Einstellungszahlen im Vollzugsdienst der Polizei und Feuerwehr haben wir deutlich erhöht; in dieser Wahlperiode werden wir insgesamt 1.300 zusätzliche Stellen für Polizistinnen und Polizisten schaffen und in den nächsten Jahren weiter dem Bedarf anpassen. Wir bringen die technische Infrastruktur und die persönliche Ausrüstung bei der Polizei, Feuerwehr und den Rettungsdiensten auf den neuesten Stand und sorgen für eine gute Ausbildung sowie stetige Weiterqualifizierung des Personals. Wir haben diesbezüglich in der aktuellen Legislaturperiode bereits zahlreiche Maßnahmen für ein sicheres Berlin auf den Weg gebracht. Diese müssen konsequent weiter ausgebaut werden.

 

Um die organisierte Kriminalität konsequent zu bekämpfen, müssen Standards und bessere Möglichkeiten des Austausches von Wissen und Daten entwickelt werden. Dies betrifft insbesondere die Nachverfolgung und Austrocknung von Geld- und Finanzströmen in den Geschäftsfeldern der organisierten Kriminalität. Wir fordern ein zentrales deutschlandweites Immobilienregister, um Geldwäsche bekämpfen zu können.

 

Kriminelle Clans, Rockergruppen und reisende Banden haben – nicht nur in Berlin – zu lange zu wenig Widerstand seitens des Rechtsstaats und der Stadtgesellschaft erfahren. Mit Drogenhandel, Korruption, Schutzgelderpressung, Geldwäsche, Glücksspiel, Menschenhandel, Steuerhinterziehung, Raub- und Eigentumsdelikten haben sie vielen Menschen und der Allgemeinheit insgesamt geschadet und illegales Vermögen an sich gebracht, das sie in den regulären Wirtschaftskreislauf einschleusen wollen. Das dürfen wir nicht dulden. Daher werden wir die Polizei, die Staatsanwaltschaft und die Strafgerichte personell und materiell aufstocken, um den Verfolgungsdruck auf die Täterinnen und Täter deutlich zu erhöhen. Zudem werden wir weitere Maßnahmen prüfen, um entsprechende kriminelle Strukturen aufzubrechen. Die Wirtschafts-, Steuer- und Cyberkriminalität bedeuten ebenso große Gefahren für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, weil sie meist hohe wirtschaftliche Schäden verursachen. Daher werden wir auch gegen Wirtschafts- und Finanzkriminalität entschiedener vorgehen. Das schließt eine Verschärfung der Manager- und Unternehmenshaftung ein.

 

Die hoheitlichen Aufgaben müssen wieder verstärkt vom Staat selbst hoheitlich in eigener Verantwortung in die Hand genommen werden, die Privatisierung von Sicherheit – auch im Bereich der Sicherung der Liegenschaften – ist auf lediglich ergänzende Leistungen zurück zu führen und zu beschränken.

 

Um der gemeinsamen Verantwortung gerecht zu werden und das Vertrauen zu stärken, werden wir uns für einen unabhängigen Bürger- und Polizeibeauftragten beim Berliner Abgeordnetenhaus einsetzen. Der polizeiunabhängige Polizeibeauftragte soll auch unabhängige Demonstrationsbeobachter*innen einsetzen können, die an Demonstrationen teilnehmen und Rechtsverstöße von Demonstrant*innen, Polizeikräften oder nicht demonstrierenden Personen dokumentieren und darüber sowohl Behörden als auch die Öffentlichkeit informieren.“ Denn gemeinsam Verantwortung zu übernehmen bedeutet für uns auch, gemeinsam an Fehlern zu arbeiten und einen Umgang miteinander auf Augenhöhe zu schaffen. Dazu erhalten Betroffene die Möglichkeit, Beschwerden zu erheben und das Verhalten der Polizei angemessen und unabhängig überprüfen zu lassen.

 

Auch die klassischen Regelverstöße im Straßenverkehr, Autorennen und Gewaltdelikte müssen konsequent geahndet werden. Unterhalb der Ebene der Sicherheitsbehörden des Landes werden wir die Ordnungskräfte in den Bezirken stärken. Dazu gehört, dass bestimmte Beschränkungen auf den Prüfstand gestellt werden. Die Bemühungen um eine eigene Ausbildung der Außendienstkräfte der Ordnungsämter werden wir wieder aufnehmen und die Dienstzeiten an die Realitäten der Großstadt anpassen. Der Außendienst der Ordnungsämter darf nicht nur im Ausnahmefall, sondern muss auch im Regelfall in den Nachtstunden tätig sein. Um dies zu leisten muss die personelle Ausstattung im Außendienst der Ortungsämter deutlich erhöht werden.

 

Die Polizei ist ein wichtiger Akteur in unserer Präventionsstrategie. Mit den Präventionsbeauftragten der Polizeiabschnitte, die Arbeitsgebiete interkulturelle Aufgaben (AGIA) der Direktionen und mit der Zentralstelle beim Landeskriminalamt leistet die Polizei wichtige Beiträge zur Prävention durch ihre Arbeit für Schulen, Flüchtlingsunterkünfte, Moscheevereine und andere zivilgesellschaftliche Akteure. Dabei hat die Zentralstelle des Landeskriminalamtes (LKA) die Koordinierungs- und Steuerungsfunktionen. Die Tätigkeit der Polizei in diesem Feld ist vor dem Hintergrund der neuen Herausforderungen und wechselnden Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger stetig anzupassen.

 

Wir werden drei strategische Elemente der Hauptstadtpolizei verstärken:

  • Wir wollen, dass die Polizeiarbeit die Verfolgung von Straftaten und Gefahrenabwehr mit einer auf „Bündnisarbeit“ ausgerichteten Prävention verbindet. Perspektivisch wird mit der Förderung von räumlichen Präventionskonzepten – Gemeinwesen orientierte Polizeiarbeit – eine wichtige Säule einer Gesamtkonzeption zur Gewaltprävention weiterentwickelt. Dabei entstehen belastbare Arbeitsbeziehungen zwischen Polizei und anderen Akteuren im Quartier (Schulen, Soziale Arbeit etc.), die beispielsweise gewaltfreie Konfliktbearbeitung zwischen unterschiedlichen Szenen und Milieus ermöglichen.
  • Wir wollen eine Polizei, die in den Kiezen integriert ist, den Bürgerinnen und Bürgern auf Augenhöhe begegnet und als Ansprechpartnerin vor Ort zur Verfügung steht. Jeder Mensch, jede Bevölkerungsgruppe und jeder Kiez haben verschiedene Sicherheitsbedürfnisse. Es ist die Aufgabe der Polizei in einer sozialen Stadt diese Bedürfnisse frühzeitig zu erkennen, zuzuhören und gemeinsam mit den Menschen und „Bündnispartnern“ vor Ort geeignete Maßnahmen umzusetzen. Das gilt im Brennpunkt genauso wie in der Einfamilienhaus-Siedlung. Den Kontaktbereichsbeamtinnen und -beamten kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Im Sinne eines wissenschaftlich fundierten Community Policing Konzepts sollen zusätzlich zu Polizistinnen und Polizisten, die Straftaten verfolgen und aufklären, in allen Kontaktbereichen Polizistinnen und Polizisten eingesetzt werden, die sich ausschließlich der Prävention, der „Bündnisarbeit“ und dem Austausch mit Bürgerinnen und Bürgern widmen. Eine solche Präsenz schafft Sichtbarkeit, soziale Integration und nachhaltiges Vertrauen.
  • Wir wollen eine Polizei, die über die interkulturelle Kompetenz verfügt, die den Herausforderungen moderner Stadtgesellschaften Rechnung. Eine heterogene Stadtbevölkerung braucht gegenseitige und wechselseitige Akzeptanz, auf deren Grundlage die gemeinsamen Normen umgesetzt werden. Eine moderne Polizei ist gleichzeitig auch Teil der Gesellschaft, welche sie beschützt. Sie besteht deshalb aus Kolleginnen und Kollegen, die die Stadt in ihrer gesamten Breite widerspiegeln.

 

Voraussetzung für eine erfolgreiche Kriminalitätsbekämpfung ist auch die konsequente und zeitnahe Verfolgung und Verurteilung der Straftäterinnen und Straftäter und ein wirkungsvolles und auf Resozialisierung orientiertes Haftvollzugswesen. Neue Konzepte wie der „Staatsanwalt für den Ort“ werden auf die gesamte Stadt ausgedehnt.

 

5. Prävention im Quartier stärken – Sozialraumzentriertes Handeln

Wir wissen, dass sich die sozialräumlichen Megatrends Diversität und soziale Polarisierung in den Quartieren je nach räumlicher, sozialer und baulicher Lage durch unterschiedliche und spezifische Gewalt- und Kriminalitätsformen abbilden. So haben die Quartiere in den randstädtischen Großsiedlungen andere Herausforderungen als die innerstädtischen Ausgehviertel oder Quartiere, in denen eine zunehmende Gentrifizierung zu beobachten ist. Diese wiederum unterscheiden sich in der Sozial- und Sicherheitslage von Quartieren mit hoher Zuwanderung von jenen mit beispielsweise Einfamilienhaussiedlungen.

 

Die zunehmende Privatisierung von Sicherheit erhöht die Gefahr, dass Zugänge zu Sicherheitsleistungen in der Stadt ungleich verteilt werden. Deshalb ist eine Unterstützung vor allem in jenen Quartieren notwendig, die mit geringeren Ressourcen ausgestattet und durch soziale Konflikte besonders betroffen sind. Quartiere mit einer hohen Vernetzung von zivilgesellschaftlichen Strukturen, Vereinen, Initiativen etc. entwickeln stärkere Ressourcen um produktiv mit Konflikten und neuen Herausforderungen umzugehen – beispielsweise dem Zuzug von Geflüchteten. Deshalb ist die Entwicklung lebenswerter Nachbarschaften und Quartiere ein zentraler Bestandteil der Prävention von Gewalt und Kriminalität. Die SPD fördert vor allem die Quartiere, in denen sich soziale Konflikte häufen. Dabei lässt sich die SPD von ihrem Ziel des Wertausgleichs leiten. Das bedeutet hier, dass belastete Ortsteile stärker gefördert werden als solche, in denen das soziale Gefüge stabil ist.

 

Quartierbezogene Maßnahmen haben die Nachbarschaft und den Stadtteil zum Ausgangspunkt, um lokale Kräfte zu mobilisieren und sie in die Problembearbeitung durch eine Vielzahl unterschiedlicher Handlungsformen einzubinden: Bündelung vorhandener Ressourcen, Kontakte in bestimmte Milieus, Projektarbeit, Bildungsveranstaltungen und konkrete Fallarbeit.

 

Mit unserem Sicherheitskonzept wollen wir auch und insbesondere zur Sicherheit von Frauen beitragen. Frauen brauchen Sicherheit in ihrem Wohnumfeld, im öffentlichen Raum – auch ÖPNV – und ganz dringend bei häuslicher Gewalt. Deshalb ist der Bau oder die Einrichtung von weiteren Frauenhäusern sowie der Ausbau der Fachstellen für sexualisierte Gewalt an Frauen unverzichtbar. Zurzeit ist es schwierig, Frauen Schutzräume zu bieten, weil die vorhandenen Plätze nicht dem Bedarf entsprechen. Der Schutz von Frauen ist ein leitendes Prinzip in unserem Sicherheitskonzept. Deshalb wollen wir dauerhaft zu einer Atmosphäre ohne sexualisierter Gewalt beitragen.

 

Die Zusammenarbeit von Akteuren des Sozialraums wie Polizei, Jugendhilfe, Zivilgesellschaft und Quartiersmanagement kann integrative Konzepte der Gewaltprävention wesentlich befördern.

 

Fünf Maßnahmen werden wir hierfür umsetzen:

  • Das „Berliner Monitoring Jugendgewaltdelinquenz“ wird zu einem allgemeinen Monitoring von Gewalt in den Berliner Quartieren weiterentwickelt, um eine quartiersspezifische Erfassung, Beschreibung und Analyse von Gewalt- und Kriminalitätsproblemen und ihrer Prävention zu gewährleisten.
  • Wir machen eine Vielzahl von Präventionskonzepten und das Erfahrungswissen allgemein zugänglich. Dazu wird auch eine Bestandsaufnahme gehören, die insbesondere die sozial-räumlichen gewaltpräventiven Strategien, Projekten, Maßnahmen der verschiedenen Senatsverwaltungen (z.B. Quartiersmanagement/Soziale Stadt) aufzeigt, um Synergien von sozial-räumlichen Konzepten der Gewalt- und Kriminalitätsprävention zu ermöglichen.
  • Präventionsräte oder vergleichbare Arbeitsgremien werden in allen Berliner Bezirken eingerichtet um Konzepte zur Umsetzung sozialräumlicher Gewalt- und Kriminalitätsprävention zu entwickeln und umzusetzen. Unterstützt werden sie durch die Landeskommission Berlin gegen Gewalt. Die Räte sollen vor Ort auf sozialräumlicher Ebene ansetzen und alle Beteiligten zusammenbringen, um Deeskalationsstrategien zu entwickeln. Ziel muss auch sein, dem Eindruck entgegenzuwirken, dass diejenigen in die Röhre schauen, die sich an die Regeln des rücksichtsvollen Miteinanders halten und dass der Staat den öffentlichen Raum sich selbst überließe. Dazu soll im Besonderen auch gehören, die regelmäßige Präsenz dadurch zu sichern, dass sich die öffentlichen Institutionen verbindlich auf ein gemeinsames Vorgehen verabreden. Dabei geht es gar nicht zwangsläufig um eine Präsenz von Sicherheitsbehörden im engeren Sinne. Auch beispielsweise die Mitarbeiter der Grünflächenämter oder der BSR werden als Vertreter*innen des Staates wahrgenommen.
  • Die Sauberkeit im Stadtbild trägt wesentlich zur Erhöhung des Sicherheitsgefühls der Bürgerinnen und Bürger bei. Zur Verbesserung der Sauberkeit im öffentlichen Raum wollen wir zum einen die Kontrollen der zuständigen Ordnungsämter in den Bezirken ausweiten und intensivieren, um illegale Müllentsorgung, Schmierereien, Verschmutzungen etc. zu verhindern. Dazu sollen die Ordnungsämter personell besser ausgestattet werden. Zum anderen wollen wir auch das Bewusstsein und das bürgerschaftliche Engagement der Anwohnerinnen und Anwohnern in den Berliner Kiezen vor Ort zur Erhaltung und Förderung eines sauberen und lebenswerten Wohnumfeldes stärken. In Parkanlagen und auf der Straße wollen wir mehr Abfalleimer aufstellen, zerstörte Müllbehälter müssen regelmäßig erneuert werden. Auch die Zahl der Hundekotbeutelspender soll in den Bezirken deutlich erhöht werden. Im gesamten Stadtgebiet sollen mehr öffentliche Toiletten angeboten werden. Dabei ist es uns wichtig, dass die gesamte Infrastruktur an öffentlichen Toiletten in der Stadt den Bürger*innen kostenfrei zur Verfügung gestellt wird. Um die illegale Sperrmüllentsorgung im Stadtgebiet zu bekämpfen, soll zweimal im Jahr eine kostenfreie Sperrmüllabholung durch die BSR für die Bürgerinnen und Bürger in allen Bezirken angeboten werden, vergleichbar mit der Abholung der Tannenbäume im Januar.
  • Die ausreichende Ausleuchtung von Straßen, Plätzen und Parkanlagen in der Dunkelheit ist ein weiterer Eckpunkt unseres Sicherheitskonzeptes für Berlin. Die öffentliche Beleuchtung trägt wesentlich zum Sicherheitsgefühl der Bevölkerung bei und beeinflusst die Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum. Wir wollen durch die Aufstellung neuer Laternen im gesamten Stadtgebiet, insbesondere an kriminalitätsbelasteten Orten und in Parkanlagen, die Entstehung von „Angsträumen“ gezielt verhindern bzw. diese zurückdrängen. Zudem muss ein schneller Austausch von defekten Leuchtmitteln innerhalb von 24 Stunden stadtweit gewährleistet werden.

 

6. Demokratische Kultur schafft Sicherheit

Unser Grundsatz, „mehr Demokratie wagen“ und Demokratie auch zu leben, bleibt unser Leitbild. Daran vermögen auch kein Hass und kein Fanatismus etwas zu ändern. Unsere zahlreichen Ansätze und Maßnahmen zur politischen Teilhabe von verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen bei Stadtentwicklungsprojekten durch Quartiers- und Mieterräte sind Teil einer lebendigen demokratischen Kultur. Vorschläge und Entscheidungen der Kiezbeiräte müssen in der öffentlichen Verwaltung stärker berücksichtigt werden. Wir brauchen diese Formen der Beteiligung; genauso wie die zivilgesellschaftlichen Initiativen für die Weiterentwicklung des städtischen Gemeinwesens, die Lösung der aktuellen Herausforderungen der Stadt und den Ausgleich der unterschiedlichen Interessen der verschiedenen Lebensstilgruppen der Stadt.

 

Zentral für eine demokratische Kultur ist der Abbau von Diskriminierung: Zur Stärke des Rechts gehören Schutz und Wahrung der Rechtsstaatlichkeit, der Grundrechte und der Verhältnismäßigkeit. Absolute Sicherheit gibt es nicht um den Preis der Freiheit. Wir lassen uns unsere Freiheit nicht nehmen und verteidigen sie mit rechtstaatlichen Mitteln. Daher werden wir bei allen geeigneten präventiven und repressiven Maßnahmen abwägen, ob sie im Einzelfall erforderlich und in Bezug auf den angestrebten Zweck angemessen sind. Das gilt besonders für das Persönlichkeitsrecht, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sowie für das Recht auf Privatheit. Wir wenden uns gegen jeden gruppenbezogenen Generalverdacht. Racial Profiling lehnen wir ab.

 

Unsere Demokratie braucht eine Kultur des gleichen Respekts für alle Menschen. Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit werden wir niemals dulden, denn sie setzt auf Verunsicherung der Betroffenen und auf Ausgrenzung durch Diskriminierung und Herabwürdigung. Wir lehnen jegliche Form von Gewalt ab. Der unübersehbar zunehmende Rechtsextremismus – wie ihn auch der NSU Terror gezeigt hat – muss unnachgiebig entgegengetreten und bekämpft werden. Wir verbessern den Schutz vor Diskriminierung durch ein eigenes Landesantidiskriminierungsgesetz und die Konkretisierung des Partizipations- und Integrationsgesetzes. Wir stärken die Zivilgesellschaft, in dem wir das Landesprogramm „Demokratie. Vielfalt. Respekt – gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus“ deutlich ausbauen. Wir stellen uns vor die Engagierten für unsere Demokratie und die unteilbaren Menschenrechte – gegen rechtspopulistische Einschüchterungsversuche und pauschale Diffamierungen von Demokrat*innen.

 

Mit dem Berliner Landesprogramms Radikalisierungsprävention reagieren wir auf die spezifischen Gefahren islamistischer bzw. salafistischer Radikalisierung junger Menschen. Wichtige Ziele sind neben der Aufklärung über propagandistische Vorgehensweisen und Rekrutierungsmethoden radikaler Gruppierungen, die geschlechterspezifische Aufklärung über die Folgen von Radikalisierung und der Ausreise in Krisengebiete und Umkehr von Radikalisierungsprozessen und Deradikalisierung in sicherheitsrelevanter Einzelfällen. Soweit dies rechtlich möglich ist, sollten ausländische Gefährder – nach einem rechtsstaatlichen Verfahren – in ihre Heimatländer abgeschoben werden. Erfolgreiche Ansätze und Projekte wollen wir verstetigen. Auch Im Justizvollzug müssen verstärkt Deradikalisierungsprogramme initiiert und verstärkt werden. Auch in diesem Feld spielt die soziale und persönliche Sicherheit der von Radikalisierung betroffenen meist jungen Menschen eine gewichtige Rolle. Denn wir wissen, dass orientierungslose und abgehängte junge Menschen besonders zugänglich für radikale Einstellungen sind. Unser Ziel ist es, die Grundlagen für die Rekrutierung und Radikalisierung abzubauen.

 

7. Kinder, Jugendliche und ihre Familien – Sicher in die Zukunft

Kinder, Jugendliche und ihre Familien brauchen sichere Lebensbedingungen, die selbstbestimmte Lebensentscheidungen und gelingende Alltagsbewältigung ermöglichen. Kinder und Jugendliche sind auch Opfer von Jugendgewalt und von gewaltausübenden Eltern. Sie haben einen Anspruch auf Schutz und Hilfe. Eigene Gewalterfahrungen und Armut sind Risikofaktoren für späteres Gewaltverhalten.

 

Bildung bleibt weiterhin, und ganz besonders in einer zunehmend digitalisierten Welt, der Schlüssel zur sozialen Sicherheit. Die Abhängigkeit des Bildungserfolgs und von der sozialen Herkunft muss durchbrochen werden. Eine Voraussetzung ist geschaffen: die Gebührenfreiheit unserer staatlichen Bildungseinrichtungen von Kita bis zur Hochschule. Wir investieren bereits jetzt in Schulsanierungen, Ganztag, Inklusion und Digitalisierung der öffentlichen Schulen. Unsere Schulbauoffensive mit einer überdurchschnittlichen Inklusions- und Ganztagsquote ist bundesweit einzigartig. Digitalisierung, interkulturelle Öffnung, Inklusion und eine gute, praxisorientierte Berufs- und Studienorientierung sind fester Bestandteil der Schulkonzepte. Schulen mit besonderen Herausforderungen erhalten mehr Mittel.

 

In Berlin besteht ein messbarer Zusammenhang zwischen der sozialen Lage in den Kiezen und ihrer Belastung mit Jugendgewalt. Zusätzlich zu sozialen Benachteiligungen unterliegen armutsbetroffene Kinder und Jugendliche damit auch einem erhöhten Risiko, Gewalt und Kriminalität ausgesetzt zu sein. Die Vermeidung von Armut muss bei den Kindern beginnen. Deshalb bringt der Senat ein Programm zur Reduzierung der Kinderarmut auf den Weg, das gezielte Maßnahmen in allen Politikbereichen umfassen. Von der „Frühen Hilfe“ rund um die Geburt, den Stadtteilmüttern, einem flächendeckendem Kita-Angebot, verlässlichen Ganztagsschulen, Schulsozialarbeit, freier Jugendarbeit bis zu Jugendberufsagenturen und Familienbildung. Wir unterstützen dabei insbesondere Alleinerziehende und auf dem Arbeitsmarkt benachteiligte Eltern mit leistungsfähigen Anlaufstellen. Auf der Bundesebene setzen wir uns für eine allgemeine Kindergrundsicherung ein. Das Kindergeld darf nicht mehr auf Sozialleistungen angerechnet werden.

 

Besonders bewährt hat sich die interdisziplinäre Abstimmung der Arbeit am Thema Kinder- und Jugenddelinquenz in Berlin durch die Landeskommission Berlin gegen Gewalt, die ressortübergreifende Arbeitsgruppe Kinder- und Jugenddelinquenz (RüAG) und die Arbeitsstelle Jugendgewaltprävention. Eine Herausforderung bleiben Mehrfach- und Intensivtätern und -täterinnen. Wir wollen hier den Ansatz der täterorientierten Ermittlungsarbeit (TOE), der „Staatsanwaltschaft für den Ort“ und der beschleunigten Strafverfahren bei Jugendlichen und Heranwachsenden stärken und auf die gesamte Stadt ausdehnen. Ziel ist es, möglichst frühzeitig im Lebenslauf der mehrfach aufgefallenen jungen Tatverdächtigen eine konsequente und verdichtete polizeiliche und im weiteren Verlauf ggf. staatsanwaltschaftliche Reaktion zu ermöglichen.

 

Wir wollen das neue Berliner Programm gegen Gewalt an Schulen durch finanzielle Unterlegung stärken, um Gewaltprävention, Demokratiepädagogik und Beteiligung von Schülerinnen und Schülern und Eltern als integrale Bestandteile der Schulentwicklung zu stärken und die Implementierung entsprechender Vorgaben des Rahmenlehrplans gezielt zu unterstützen.

 

8. Landesweite Strategie gegen Kriminalität und Gewalt

Organisierte Kriminalität, terroristische Bedrohung und Intensivtäterinnen und -tätern sind die Herausforderungen, die eine schnelle und effektive Strafverfolgung und Gefahrenabwehr in der Stadt erfordern. Wir werden eine landesweit abgestimmte Strategie gegen Kriminalität, Bedrohung durch Gewalt und durch negative Entwicklungen in bestimmten Brennpunktgebieten der Stadt entwickeln. Die Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung in öffentlichen Verkehrsmitteln, im Straßenverkehr und in öffentlichen Grünanlagen hat für uns eine hohe Priorität. Eine stärkere ressortübergreifende Zusammenarbeit der Ordnungsbehörden werden wir unter der Berücksichtigung von Datenschutzstandards sowie persönliche Freiheitsrechten ermöglichen.

 

Wir unterstützen ein schnelleres und konsequenteres Ahnden von Straftaten. Wir stärken die Berliner Justiz und den Justizvollzug, indem wir sie besser mit Personal ausstatten und eine schnellere Bearbeitung von Strafverfahren ermöglichen. Wo möglich und zweckmäßig, werden wir besondere Abteilungen der Staatsanwaltschaft und spezialisierte Organisationseinheiten der Polizei aufstellen, um organisierter, politischer, religiöser und terroristischer Gewalt und Kriminalität wirksam entgegenzutreten. Die Möglichkeiten der besseren Beweissicherung werden wir ausschöpfen. Dazu gehört auch die Einführung der Videoüberwachung an ausgewählten kriminalitätsbelasteten Orten. Diese kann bei der Ermittlung von Täterinnen und Tätern hilfreich sein, jedoch darf sie nur anlassbezogen und temporär eingesetzt werden. Eine flächendeckende und anlasslose Videoüberwachung ist nicht zielführend und steht nicht mit einer grundrechtsfreundlichen Sicherheitspolitik im Einklang. Eine Einführung automatisierter Gesichtserkennungs- und Trackingsoftware, wie vom Bundesinnenministerium am Bahnhof Südkreuz getestet, lehnen wir ab. Die Wirkung von Videoüberwachung an den ausgewählten Orten wird evaluiert und daraus entsprechende Schlussfolgerungen gezogen.

 

Terrorismus, Katastrophen und Straftaten vorzubeugen sind vordringliche Aufgaben der Sicherheitspolitik. Wir verstärken die Vorsorge durch bessere Infrastruktur sowie Material- und Personalausstattung, schnelleren Datenaustausch und gezieltes Einsatztraining der Sicherheitskräfte. Wir sorgen für optimale Vernetzung und Handlungsfähigkeit aller Sicherheitsbehörden im Katastrophenfall. Dazu gehören für uns auch ein umfassender Opferschutz sowie die Wahrung von Persönlichkeitsrechten von Unbeteiligten. Wir werden nicht zulassen, dass die Gefahr durch Terrorismus die Freiheitsrechte kollektiv beschneidet.

 

Gemeinsam mit dem Bund und anderen Ländern schaffen wir die Voraussetzungen für konsequentes und gezieltes Vorgehen gegen Terrorismus, ohne ganze Personengruppen unter Generalverdacht zu stellen. Als Konsequenz aus den Erfahrungen der letzten Jahre werden wir in Berlin die verschiedenen operativen Einsatzkräfte und das für islamistischen Terrorismus zuständige Staatschutzdezernat gemeinsam an einem Standort unterbringen, um die Kommunikation und Abstimmung zwischen den einzelnen Akteuren in der Terrorismus-Abwehr zu verbessern.

 

9. „Urbane Sicherheit“ – Weil Sicherheit mehr ist als Abwesenheit von Gewalt!

Das Verständnis von Sicherheit muss um den Faktor sozialer Bedingungen erweitert werden. Die Schnittmenge der Handlungsfelder der Sozial-, Jugend-, Arbeitsmarkt-, Wohnungs-, Gesundheits-, Infrastruktur- und Bildungspolitik ergibt einen ganzheitlichen Ansatz stadtgesellschaftlicher Sicherheitskonzeption, die wir als Urbane Sicherheit bezeichnen und der wir uns verpflichten werden.

 

Die Berliner SPD steht für die Urbane Sicherheit, die persönliche Sicherheit vor Gewalt und Kriminalität und Soziale Sicherheit verbindet. Wir wollen Urbane Sicherheit für aller Berlinerinnen und Berliner in ihrer Verschiedenheit und unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Einkommen, Alter, Gesundheit, kulturellem Hintergrund, religiöser oder sexueller Orientierung gewährleisten, um allen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Die SPD wendet sich konsequent gegen alle Versuche, für die Herausforderungen und Belastungen aus sozialem Wandel, Globalisierung und Veränderung der Arbeitswelt einseitig bestimmte soziale Gruppen verantwortlich zu machen. In einer dynamischen Stadtgesellschaft mit Wachstum, Vielfalt und sozialer Polarisierung ist Urbane Sicherheit eine unserer zentralen Herausforderungen, der wir uns stellen werden. Nur eine Stadt, die soziale und persönliche Sicherheit miteinander in Einklang bringt, die die dazu notwendigen öffentlichen Güter allen Bürgerinnen und Bürgern verlässlich zur Verfügung stellt und damit verstärkenden Spaltungs- und Verunsicherungstendenzen entgegenwirkt, ist eine solidarische Stadtgesellschaft.

Antrag 225/II/2018 Konsensliste

25.10.2018
Die im Antragsbuch sowie auf dieser Seite mit (K) gekennzeichneten Empfehlungen der Antragskommission wurden im Konsens ausgesprochen.
Der Landesparteitag stimmt diese mit (K) gekennzeichneten Anträge en bloc ab.

Antrag 60.1/II/2018 Gemeinwohl vor Profitstreben – Für einen anderen Umgang mit Grund und Boden und eine gerechte Wohnungs- und Mietenpolitik

24.10.2018

Mieten und Grundstückspreise in den deutschen Ballungszentren steigen so rasant, dass Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen zunehmend aus den Städten verdrängt werden. Dieser Verdrängungsdruck führt zu einer Atmosphäre der sozialen Unsicherheit, in der viele Menschen Angst haben, ihr Zuhause und damit ihre Heimat zu verlieren. Er hat außerdem zur Folge, dass die wirtschaftlichen Unterschiede zwischen Arm und Reich immer stärker auch räumlich zementiert werden und der Spaltung der Gesellschaft so Vorschub geleistet wird.

 

Der Grund für diese Entwicklung liegt zum Teil darin, dass immer mehr Menschen in die Städte ziehen und die Nachfrage an nutzbarem Boden dadurch steigt. Gleichzeitig haben sich Grund und Boden aber auch zu einem weltweit nachgefragten Anlageobjekt entwickelt. Grundstücke werden gehandelt wie Gold oder Aktien. Das führt zu spekulativen Übertreibungen der Baulandpreise und dazu, dass sowohl Neubauvorhaben als auch der Altbestand allzu oft nicht zur Versorgung breiter Schichten der Bevölkerung mit Wohnraum genutzt wird, sondern auf Luxus- oder Gewerbeprojekte ausgerichtet ist, die die exorbitanten Renditeerwartungen von Finanzinvestor*innen befriedigen können.

 

Nach dem gleichen Prinzip konzentrieren sich außerhalb der Städte Agrarflächen als Anlagegüter in der Hand von Konzernen und Kapitalfonds, die damit spekulieren und die Preise für Wald, Ackerland und Weideflächen ins Unermessliche steigern. Durch diese Landnahme haben insbesondere Land- und Forstwirt*innen es zunehmend schwer, die auf eine nachhaltige, umweltschonende Bewirtschaftung der Böden abzielen. Das Ziel einer ökologischen Wende in der Landwirtschaft gerät so in ernstliche Gefahr.

 

Wir wollen diese Entwicklung nicht weiter hinnehmen und fordern eine grundlegende Wende hin zu einer verantwortungsvollen, solidarischen Boden-, Wohnungs- und Mietenpolitik, die darauf gerichtet ist, dass Grund und Boden in Stadt und Land zum Wohle aller Menschen genutzt werden!

 

Im Zentrum einer solchen Politik muss dabei der Gedanke stehen, dass Boden keine beliebige Ware ist, sondern eine Grundvoraussetzung menschlicher Existenz darstellt. Boden ist unvermehrbar und unverzichtbar. Er darf daher nicht dem unübersehbaren Spiel der Marktkräfte und dem Belieben des Einzelnen überlassen werden, sondern muss mehr noch als alle anderen Vermögensgüter in den Dienst der Interessen der Allgemeinheit gestellt werden. Die Wertschätzung des knappen und unentbehrlichen Gutes Boden darf sich nicht länger in spekulativen Gewinnerwartungen ausdrücken, sondern sollte vielmehr im Sinne einer nachhaltigen und gemeinwohlorientierten Bewirtschaftung erfolgen, die den Boden als wesentliche Grundlage der Daseinsvorsorge sowohl für die heutige Bevölkerung als auch für die kommenden Generationen reflektiert. Insofern ist die Forderung nach einer Wende in der Bodenpolitik auch die Aufforderung, einen Bewusstseinswandel zu vollziehen. Aus dieser Grundüberzeugung folgen für uns fünf politische Leitgedanken, an denen eine sozial gerechte und nachhaltige Boden-, Wohnungs- und Mietenpolitik zukünftig auszurichten ist:

 

Erstens: Rückkehr zu einer Politik der Bodenbevorratung durch die öffentliche Hand – Kaufen wir uns das Land zurück!

 

In der Vergangenheit wurde Boden, der sich in öffentlicher Hand befand, allzu oft meistbietend und bedingungslos an Private verkauft. Diese Flächen fehlen dem Staat heute beim Bau von öffentlichen Einrichtungen, bei der gemeinwohlorientierten Entwicklung von Gewerbe- und Wohngebieten und auch bei der Versorgung des städtischen Raumes mit wortortnahen Grünflächen zur Steigerung der Wohnqualität.

 

Hier muss ein Umdenken stattfinden:

 

Zunächst müssen Bund, Länder und Kommunen wieder umfassend Boden erwerben, der in den Dienst einer langfristig ausgerichteten Bodenentwicklungspolitik gestellt wird. Der Bund muss dafür alle für Wohnungsbau und kommunale Zwecke nutzbaren Flächen des Bundesvermögens den Kommunen zu fairen Preisen zum Kauf anbieten. Nur wenn Kommunen auf ihr Vorkaufsrecht verzichten, können Grundstücke des Bundes im Erbbaurecht mit Konzeptverfahren Genossenschaften oder privaten Trägern angeboten werden. Das Instrumentarium staatlicher Vorkaufsrechte ist darüber hinaus weiterzuentwickeln. Die Möglichkeit zur Preislimitierung bei der Ausübung des Vorkaufsrechts muss dahingehend verschärft werden, dass der Vorkaufspreis in jedem Fall auf Basis des gegenwärtigen Ertragswertes des Kaufobjektes berechnet und nach oben hin begrenzt wird. Ferner muss das Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten auf Wohnungs- und Teileigentum ausgedehnt werden. Es ist ferner gesetzlich klarzustellen, dass das gemeindliche Vorkaufsrecht im Milieuschutzgebiet auch in Fällen von sog. „Share Deals“ gilt, wenn die juristische Person, deren Anteile veräußert werden, außer Grundstücken (bzw. Wohneigentum) kein nennenswertes Vermögen hat und abgesehen von der Verwaltung von Grundstücken auch keine erhebliche Geschäftstätigkeit entfaltet. Das Vorkaufsrecht muss greifen, wenn jemand mehr als 50 % der Anteile an einer solchen juristischen Person erwirbt. Die Zwei-Monatsfrist, binnen derer die öffentliche Hand Vorkaufsfälle prüfen und über die Ausübung des Vorkaufsrechts entscheiden muss (§ 29 Abs. 2 S. 1 BauGB), wird auf sechs Monate verlängert.

 

Unabhängig davon sind die schon jetzt bestehenden rechtlichen Möglichkeiten zur Ausübung von Vorkaufsrechten voll auszuschöpfen. Das bedeutet insbesondere, dass die Länder und Kommunen ihre Wohnungsbaugesellschaften der öffentlichen Hand konsequent anweisen, bestehende Vorkaufsrechte zu nutzen und dies entweder durch Quersubventionierung auf Ebene der Wohnungsbaugesellschaften oder durch Zuschüsse seitens von Land oder Kommune zu finanzieren.

 

Ergänzend müssen Länder und Kommunen aktiv auf genossenschaftliche oder andere nicht-profitorientieren Bauträger zugehen, um mit ihnen Finanzierungsmodelle ausarbeiten, die es erlauben, dass die öffentliche Hand ihr zustehende Vorkaufsrechte auch zugunsten von privaten Genossenschaftsprojekten oder Non-Profit-Bauvorhaben ausübt. Außerdem darf Boden, der sich einmal in öffentlicher Hand befindet, Privaten nur noch auf Zeit und zweckgebunden zur Verfügung gestellt werden. Dies kann beispielsweise durch Instrumente wie das Erbbaurecht oder dinglich abgesicherte Rückkaufsrechte zum Einstandspreis bewerkstelligt werden. Der endgültige Verkauf von öffentlichem Grund und Boden an Private muss auf allen politischen Ebenen der Vergangenheit angehören. Zu diesem Zweck fordern wir auch eine Reform der Immobilienverwaltungsorganisationen von Bund, Ländern und Kommunen weg von Profitorientierung und Marktlogik hin zu einer gemeinwohlorientierten Liegenschaftsverwaltung, deren Zielsetzungen politisch festgelegt werden.

 

Zweitens: Orientierung privater Bodennutzung am Gemeinwohl – Kontrolle zurückgewinnen und Mieter*innen schützen!

 

Eine gemeinwohlorientierte Bodenpolitik muss nicht nur die Frage aufgreifen, wer wann zu welchen Bedingungen über Boden verfügen kann, sondern auch die Art und Weise der Nutzung des Bodens in den Blick nehmen.

 

Besondere Bedeutung hat dabei Boden, der zu Wohnzwecken und damit zur Befriedigung eines elementaren menschlichen Bedürfnisses genutzt wird. Daher muss Deutschland ein Mietpreisregulierungsrecht erhalten, das dem Belang der sozialen Sicherheit deutliche Priorität gegenüber den Renditeerwartungen der Eigentümer*in einräumt. Orientierungsmarke ist dabei das Prinzip der Kostenmiete.

In diesem Sinne schlagen wir zunächst einen Mietenstopp vor. Das bedeutet, dass Bestandsmieten und Mieten bei Neuvermietungen in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten für 5 Jahre nur in Höhe der Inflation steigen dürfen. Modernisierungen dürfen in Zukunft nur noch mit höchstens sechs Prozent (derzeit elf Prozent) mit einer Kappungsgrenze von maximal zwei Euro je Quadratmeter für acht Jahre auf die Miete umgelegt werden. Generell müssen die Modernisierungsumlagen enden, wenn sich die Investitionen refinanziert haben. Außerdem bleibt es bei der bereits beschlossenen Forderung (91/II/2017), wonach die Nettokaltmiete nach der Modernisierung – analog zur Mietpreisbremse – auf einen Betrag begrenzt wird, der die ortsübliche Vergleichsmiete um nicht mehr als 10 Prozent übersteigt. Ferner fordern wir, dass Vermieter*innen bei energetischen Modernisierungen den energetischen Nutzen nachweisen müssen, bevor die Umlage greift. So wird der tatsächliche Zweck der Finanzierung sinnvoller energetischer Sanierung erfüllt, anstatt einen Anreiz für überflüssige Renovierungen zum Zweck einer permanenten Mieterhöhung zu liefern.

Weiterhin fordern wir, dass das Gesetz über die Mietpreisbremse entfristet wird und so über 2020 hinaus ein fester Bestandteil des deutschen Rechts bleibt. Für Verstöße gegen die Mietpreisbremse muss es klar definierte gesetzliche Konsequenzen geben. Insbesondere müssen Mieter*innen einen Anspruch auf Rückzahlung von zuviel entrichteter Miete erhalten. Darüber hinaus ist dafür Sorge zu tragen, dass die Mietpreisbremse bei Neuvermietungen richtig greift. Deshalb fordern wir eine bundesweite Pflicht zur obligatorischen Offenlegung der Vormiete, damit überhöhte Mieten gar nicht erst erhoben werden können. Auch alle anderen weitreichenden Ausnahmen der Mietpreisbremse müssen gestrichen werden.

 

Über das Instrument der Mietpreisbremse hinaus ist die Einführung von verfassungsgemäßen Mietobergrenzen mit dem Ziel der langfristigen Wohnraumversorgung insbesondere für Mieter*innen mit niedrigen und mittleren Haushaltseinkommen zu prüfen und in Ballungszentren anzustreben.

 

Zur weiteren Entlastung der Mieter*innen muss außerdem die gängige Praxis, dass die eigentlich durch die Hauseigentümer*innen zu entrichtende Grundsteuer über die Betriebskosten auf die Mieter*innen umgelegt wird, durch eine Streichung von Ziffer 2 in § 2 der Betriebskostenverordnung beendet werden.

Ein wichtiges Instrument zur Kontroller privater Bodennutzung stellt nach gegenwärtiger Rechtslage der baurechtliche Milieuschutz dar, der jedoch eine Reihe von Schlupflöchern aufweist, die dringend zu stopfen sind. Insbesondere muss die häufig genutzte Ausnahmevorschrift des § 172 Abs. 3 S. 3 Nr. 6 BauGB, die es Eigentümer*innen erlaubt, auch im Milieuschutzgebiet Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umzuwandeln, wenn das Wohnungseigentum danach für sieben Jahre nur den Mieter*innen zum Kauf angeboten wird, ersatzlos gestrichen werden. Wir fordern außerdem, dass für Abwendungsvereinbarungen, die Eigentümer*innen mit den Kommunen abschließen können, um den staatlichen Vorkauf zu verhindern, strenge Kriterien festgelegt werden. Dazu gehört der verpflichtende soziale Wohnungsbau sowie eine Entfristung der festgeschriebenen Anforderungen.

 

Damit die Mieter*innen ihre Rechte effektiv wahrnehmen können, fordern wir eine gesetzliche Regelung, die Wohnungsunternehmen mit als 100 Wohneinheiten verpflichtet, paritätisch besetzte Mieter*innenräte zur Beteiligung der Mieter*innenschaft an Unternehmensentscheidungen durchzusetzen. Vorbild für eine solche Regelungen könnte das Berliner Wohnraumversorgungsgesetz sein, dessen Bestimmungen zur Mitbestimmung von Mieter*innen auf private Unternehmen im gesamten Bundesgebiet ausgedehnt werden. Umgehungen der Regelungen durch künstliche Aufspaltungen von Unternehmensstrukturen müssen von vornherein ausgeschlossen werden. Zur Unterstützung der Bürger*innen bei der Wahrnehmung ihrer Rechet und zur Förderung von Mietinitiativen fordern außerdem, regelmäßig und flächendeckend Mieter*innenberatung in allen SPD Kiez- und Wahlkreisbüros anzubieten.

 

Neben dem Wohnen ist die Sicherstellung einer Ernährungsgrundlage und Versorgung mit natürlichen Ressourcen wie Holz eine andere, gleichermaßen existenzielle Art und Weise der Bodennutzung. Vor diesem Hintergrund ist durch Änderungen des Baurechts darauf hinzuwirken, dass die Bewirtschaftung von Agrar- und Forstflächen auf dem Land auf die Bedürfnisse einer nachhaltigen Land- und Forstwirtschaft ausgerichtet wird.

Zweckentfremdung von Boden – sei es in Form des spekulativen Brachliegens von Baugrundstücken, der nicht-landwirtschaftlichen Nutzung von Agrarflächen, des Leerstands oder der Verwahrlosung von Wohngebäuden oder des illegalen Hotelbetriebs – ist unter Ausnutzung und Erweiterung des gesamten rechtlichen Instrumentariums von Bußgeldern bis hin zur staatlichen Zwangsverwaltung einer Immobilie durch eine*n Treuhänder*in entschieden zu bekämpfen.

 

Drittens: Mehr bezahlbaren, qualitätsvollen Wohnraum durch Neubau und Nachverdichtung schaffen

Allein durch einen Schutz des Wohnungsbestands und ohne den Neubau von Wohnungen wird sich das Problem der Wohnraumversorgung in den wachsenden Ballungsräumen nicht lösen lassen. Damit soll jedoch nicht einem blinden „Bauen, bauen, bauen“ das Wort geredet, sondern eine nachhaltige Baupolitik eingefordert werden, in deren Zentrum der soziale Ausgleich und die Wohnqualität stehen.

 

In den Ballungsräumen muss die Bauplanung konsequent an dem Ziel ausgerichtet werden, Wohnraum für niedrige und mittlere Einkommen und insbesondere auch für Studierende und Azubis zu schaffen und dauerhaft zu erhalten. Dabei ist genossenschaftlichen oder anderen nicht-profitorientieren Bauvorhaben nach Möglichkeit stets Vorrang vor kommerziellen Projekten einzuräumen. Um genossenschaftliche und andere nicht-profitorientierte Bauvorhaben zu fördern, verlangen wir die Einführung einer Neuen Wohnungsgemeinnützigkeit, die mit Steuererleichterungen, staatliche Zuschüssen, Krediten und Bürgschaften sowie einer Bevorzugung bei der Grundstücksvergabe verbunden ist. Der Status der Wohnungsgemeinnützigkeit soll dabei allen Organisationen offenstehen, die sich verpflichten, alle ihre Wohnungen auf Dauer zu beschränkten Preisen zu vermieten, die auszuschüttende Rendite auf vier Prozent zu begrenzen, ihr Vermögen nur für den Wohnungsbau einzusetzen und ihren Mitgliedern weitreichende Mitbestimmungsmöglichkeiten einzuräumen.

 

Darüber hinaus sind die staatlichen Wohnungsbaugesellschaften mit den personellen und finanziellen Ressourcen auszustatten, die sie in die Lage versetzen, vermehrt selbst zu bauen. Zu prüfen ist auch, ob die Wohnungsbaugesellschaften ihren Bestand durch ein zentrales Bewerbungsportal unter Gewährung von Chancengleichheit verteilen können.

 

Ein wichtiges Instrument zur Sicherstellung bezahlbarer Mieten bei privaten Bauvorhaben stellt ferner die Verpflichtung zum sozialen Wohnungsbau dar. Wir fordern, eine solche Verpflichtung zukünftig nicht nur bei der Ausweisung neuen Baulands, sondern auch als Auflage im Fall von Befreiungen von bereits erfolgten planerischen Festsetzungen anzuordnen. Ferner ist zukünftig eine Sozialbauquote von 50 % anzustreben, wobei Ausnahmen für genossenschaftliche und andere nicht-profitorientierten-Träger zulässig sein müssen. Zugleich ist die Bindung von Sozialwohnungen zeitlich zu entfristen. Was einmal sozialer Wohnraum ist, muss es auch bleiben!

 

Um den Bedarf an Wohnraum auch in Innenstadtlagen zu realisieren ist neben dem Neubau von Wohngebäuden eine Nachverdichtung der bestehenden Bebauung insbesondere über den Ausbau von Dachgeschossen, den Überbau von bisher lediglich eingeschossig bebauten Gewerbeflächen und die Aufstockung bestehender Wohngebäude bis zur zulässigen Traufhöhe zu realisieren. In städtebaulich ausgewiesen festgelegten Gebieten ist die Traufhöhe auch zu erhöhen und der Bau von Wohnhochhäusern voranzutreiben.

 

Gleichwohl darf auch Rahmen einer vollständigen Ausnutzung der bestehenden Potenziale zur Nachverdichtung die Wohnqualität nicht unzumutbar beeinträchtigt werden. Sowohl im Bauplanungs- als auch im Baugenehmigungsverfahren ist darauf zu achten, dass durch Neubau keine beengte Hinterhofsituation entsteht, die mit unzumutbaren Einbußen von Lichteinfall sowie von Bepflanzungs-, Spiel- und Bewegungsmöglichkeiten einhergeht. Um den Trägern von Bauvorhaben konkrete Vorgaben und Auflagen zur Entsiegelung oder Bepflanzung zu machen, ist verstärkt auf das naturschutzrechtliche Instrument des Landschaftsprogramms bzw. -planes sowie des sog. Biotopflächenfaktors (BFF) zurückzugreifen. Dies ermöglicht es den Bauaufsichtsbehörden, im Rahmen des Genehmigungsverfahrens entsprechende Auflagen (wie z.B. Entsiegelung, Bepflanzung, Fassaden- und Dachbegrünung) gegenüber dem Vorhabenträger festzusetzen. Im Rahmen der Bauaufsicht ist regelmäßig zu kontrollieren, ob die bau- oder landschaftsplanerischen Vorgaben zur Begrünung privater Flächen auch tatsächlich eingehalten, d.h. Grünanlagen in der vorgeschrieben Qualität geschaffen und auch dauerhaft gepflegt werden.

 

Viertens: Kein Profit mit Spekulation – Abschöpfung von leistungslosen Bodenwertsteigerungen zu Gunsten der Allgemeinheit!

 

Keine Eigentümer*in hat den Wert ihres Bodens vollständig allein geschaffen. Leistungslose Gewinne, die durch das Vorhalten von baureifem Land erzielt werden, sind besonders bedenklich. Eigentümer*innen profitieren von der besseren Erschließung durch Verkehrswege oder sonstiger Infrastruktur durch die öffentliche Hand, ohne jedoch Wertsteigerungen durch eigenes Zutun zu befördern. Wir brauchen deswegen eine Steuer, die leistungslosen Gewinn abschöpft und Eigentümer baureifen Landes dazu anhält, ihr Baurecht auch schnell zu nutzen und das Land nicht jahrelang unbebaut zu lassen. Deswegen brauchen wir eine Grundsteuer C, die unbebautes, aber baureifes Land gesondert besteuert. Außerdem fordern wir ergänzend zur Grundsteuer eine Luxussteuer, die nicht mehr auf die Mieter*innen umgelegt werden darf und nur im  Hochpreissegment greift. Zudem muss eine Wiederveräußerungssperre beim Immobilienkauf eingeführt werden, welche es für einen längeren Zeitraum untersagt, dass ein Objekt weiterverkauft werden kann. So kann keine schnelle Spekulationsrendite erwirtschaftet werden. Außerdem fordern wir den Konsequenten Vorgang gegen spekulativen Leerstand. Wir fordern die Bezirke dazu auf, sich an Hamburg Mitte ein Beispiel zu nehmen, und spekulativen Leerstand bei fehlenden Reaktionen der Besitzer*innen zu zwangsverwalten, sanieren und in 100% permanent gebundenen sozialen Wohnraum umzuwandeln.  Es gibt kein Recht darauf, durch den Handel mit Boden Profite zu erzielen!

 

Fünftens: Transparenz über Eigentumsverhältnisse – Wem gehört der Boden?

 

Der Bodenmarkt ist intransparent. Wir müssen aber wissen, wie die Eigentumsverhältnisse aussehen, um diese ändern können. Wir brauchen Transparenz in einem Markt, von dem unklar ist, wie er strukturiert ist. Im europaweiten Vergleich gehören die Grundbuchämter in Deutschland zu den verschlossensten.

 

Wir wollen, dass jede*r die Eigentumsverhältnisse bei den Grundbuchämtern erfragen kann und nicht nur die, die ein sogenanntes berechtigtes Interesse haben. Dabei sollen nur die Eigentumsverhältnisse, aber nicht Vermögens- oder Schuldverhältnisse eingesehen werden können; das soll weiterhin nur bei einem berechtigten Interesse zulässig sein. Wir wollen auch, dass der Eintrag einer Briefkastenfirma durch Informationen über die wahren Eigentümer*innen, den sogenannten wirtschaftlich Berechtigten, begleitet wird und von allen Bürger*innen abgefragt werden kann.

Antrag 81.1/II/2018 Initiative für bezahlbare Gewerbemieten und den Schutz von Trägern sozialer Infrastruktur

24.10.2018

Mieten und Grundstückspreise in den deutschen Ballungszentren steigen so rasant, dass vielerorts auch Gewerbetreibende, Freiberufler*innen und soziale Einrichtungen keine Perspektive für ihre Arbeit mehr haben. Um hiergegen Abhilfe zu schaffen, werden die Fraktion der SPD im Abgeordnetenhaus Berlin und die sozialdemokratischen Mitglieder des Senats aufgefordert, Initiativen bzw. gesetzliche Maßnahmen dahingehend zu ergreifen, dass

  1. das Land Berlin sich weiterhin für den in einer Bundesratsinitiative geforderten gesetzlichen Anspruch auf Verlängerung des Mietverhältnisses einsetzt. Der Mieter soll dabei erreichen können, dass das Mietverhältnis auf eine Dauer von zehn Jahren ab der Überlassung ausgeweitet wird. Sachgerechte Ausnahmen sollen dabei zugelassen werden und dem Vermieter die Befugnis eingeräumt werden, der Verlängerung zu widersprechen, wenn er daran ein schutzwürdiges Interesse hat.
  2. zusammen mit den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften und ggfs. mit privaten Eigentümer*innen ein breites Bündnis für bezahlbare Gewerbemieten ins Leben gerufen wird, das schwerpunktmäßig Einrichtungen soziale Träger, inhabergeführten Einzelhandel, kleinteiliges Gewerbe sowie eine kieznahe soziale und kulturelle Infrastruktur fördert.
  3. bei Neubauvorhaben, insbesondere der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, ein noch festzulegender Anteil der Erdgeschossetagen für soziale Träger, eine kieznahe soziale Infrastruktur sowie für kulturelle Zwecke vorgehalten wird. Dazu sollen Vereinbarungen in der Form städtebaulicher Verträge und geeigneter Bebauungsplanverfahren getroffen werden. Zu prüfen ist, ob die Gewerbevermietung als weitere Aufgabe in die Kooperationsvereinbarung zwischen Senat und den landeseigenen Wohnungsunternehmen aufgenommen werden kann.
  4. das Land Berlin sich auf Bundesebene dafür einsetzt, dass Gewerbemietrecht dahingehend anzupassen, dass Mieterhöhungen dort in vergleichbarer Weise wie im Wohnraummietrecht begrenzt werden. Insbesondere sind eine Kappungsgrenze sowie ein aussagekräftiger Gewerbemietspiegel notwendig, so dass die jeweilige Gewerbemiete nicht über die jeweils ortsübliche Gewerbemiethöhe steigen kann bzw. auf eine Steigerung in Höhe von 15 % im Vergleich zur Miete in den letzten drei Jahren begrenzt ist.
  5. das Land Berlin sich auf Bundesebene dafür einsetzt, den baurechtlichen Milieuschutz auch auf Einrichtungen sozialer Träger, inhabergeführten Einzelhandel, kleinteiliges Gewerbe sowie eine kieznahe soziale und kulturelle Infrastruktur auszudehnen.

 

Wir begrüßen, dass der Bundesrat bereits dem Antrag des SPD-geführten Senats zum Gewerbemietrecht zugestimmt hat. Wir fordern die SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag auf, diesen Bundesratsbeschluss zu unterstützen.