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Antrag 148/I/2020 Racial Profiling die Grundlage entziehen – rassistische Diskriminierung verhindern!

30.09.2020

Das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 3 GG verbietet Ungleichbehandlungen in Form von rassistischer Diskriminierung. Genauso verbieten dies die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und die Anti-Rassismus-Konvention. Dennoch wird das „Racial Profiling“ sowohl von der Bundes- als auch von der Berliner Polizei in gängiger Praxis verwendet. Dabei dienen unveränderliche Merkmale, die das äußere Erscheinungsbild eines Menschen prägen, als Auswahlkriterium für anlasslose Personenkontrollen oder andere polizeiliche Maßnahmen. Dies geschieht insbesondere auf der Grundlage von Gesetzen, die zu verdachtsunabhängigen Maßnahmen ermächtigen und wegen ihres weiten sachlichen Anwendungsbereiches regelmäßig zu rassistischen Diskriminierungen führen. Denn in einer rassistischen Gesellschaft, in deren Polizei- und Ordnungsbehörden struktureller Rassismus verankert ist, ist „anders“ aussehen per se verdächtig.

 

§ 22 Abs. 1 a BPolG ermächtigt die Bundespolizei beispielsweise zum Zweck der Migrationskontrolle, Personen in Bahnhöfen, Zügen und Flughäfen ohne konkreten Anlass und ohne konkreten Verdacht zu kontrollieren. Demnach darf die Bundespolizei jede Person anhalten, befragen und deren Ausweispiere verlangen, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen. Der Zweck der Migrationskontrolle führt dazu, dass hier Fällen äußere Merkmale wie die Hautfarbe als wesentlicher Grund für die Kontrolle in Bahnhöfen, Zügen und Flughäfen herangezogen werden.

 

Auch im Berliner Landespolizeigesetz finden sich Ermächtigungen zu potenziell diskriminierenden Maßnahmen: Zum Beispiel ermächtigt § 21 ASOG die Berliner Polizei, anlasslos und verdachtsunabhängig an sogenannten „kriminalitätsbelasteten Orten“ Identitätsfeststellungen und Durchsuchungen von Personen durchzuführen. Zwar ist die geplante Novelle des ASOG zu begrüßen und weist in die Richtung eines progressiven Polizeigesetzes, beispielsweise die Streichung des Aufenthaltstitels als Grund für verdachtsunabhängige Kontrollen. Diese Streichung allein unterbindet jedoch Racial Profiling nicht effektiv. Die als besonders „kriminalitätsbelastet“ oder „gefährlich“ eingestuften Orte sind oftmals solche, an denen sich migrantische oder migrantisch gelesene Menschen und BPOCs („Black and People of Color“), oft aus prekarisierten Millieus, vermehrt aufhalten.  Das Ausweisen dieser Orte und die mit ihnen verbundenen polizeilichen Ermächtigungen lassen BPOCs deshalb statistisch besonders oft ins Visier polizeilicher Kontrollen geraten.

 

Werden BPOCs statistisch häufiger kontrolliert, werden auch statistisch häufiger in dieser Gruppe Ermittlungserfolge erzielt, die dann wiederum als Rechtfertigung für Racial Profiling genutzt werden.  Für die betroffenen Personen reichen die Folgen dieser Kontrollen von öffentlicher Demütigung bis hin zu physischen und psychosozialen Verletzungen und Krisen. Racial Profiling nimmt aus Sicht der betroffenen Personen viel Zeit, Energie und Raum ein und produziert psychischen und körperlichen Stress für diese. Die Ermächtigung der Polizei zu solchen Maßnahmen, die Racial Profiling ermöglichen, zementieren deshalb den Rassismus in unserer Gesellschaft.

 

Wir fordern die sozialdemokratischen Mitglieder des Berliner Senats auf:

  • sich im Rahmen einer Bundesratsinitiative dafür einzusetzen, den § 22 Abs. 1a BPolG ersatzlos zu streichen,
  • sich im Rahmen einer Bundesratsinitiative für eine unabhängige bundesweite Studie zu Racial Profiling einzusetzen und unabhängig davon eine eigene Studie durchführen zu lassen,
  • sich in der Rot-Rot-Grünen Koalition dafür einzusetzen, im Rahmen der geplanten ASOG-Novelle den § 21 ASOG so neu zu fassen, dass die Behörden nicht mehr zur Definition kriminalitätsbelasteter Orte ermächtigt werden und somit verdachtsunabhängige Identitätsfeststellungen an diesen Orten nicht mehr zulässig sind,
  • sich in der Rot-Rot-Grünen Koalition dafür einzusetzen, im Rahmen der geplanten ASOG-Novelle in § 21 ASOG das explizite Verbot des Racial Profilings bei der Identitätskontrolle durch folgenden Wortlaut in Absatz 4 aufzunehmen:
    „(4) Der Anlass für die Identitätsfeststellung nach Abs. 1 darf nicht alleine auf das äußere Erscheinungsbild einer Person zurückgeführt werden und ist auf Verlangen den Betroffenen zu bescheinigen.“

Antrag 172/I/2020 Alle zusammen gegen den Faschismus! Grenzen auf – Leben retten!

30.09.2020

In Griechenland auf der Insel Lesbos und dem dortigen Geflüchtetenlager Moria ist am Sonntagabend, 01. März 2020 die Situation eskaliert. Schutzsuchende Menschen, Journalist*innen sowie NGO- Mitarbeiter*innen wurden überall auf der Insel von Faschist*innen und Inselbewohner*innen angegriffen. Menschen wurden verprügelt, Verfolgungsjagden auf den Straßen fanden statt, der Lieferwagen einer Hilfsorganisation wurde angezündet. Das Zwischencamp des Flüchtlingswerks der Vereinten Nationen, der UNCHR, wurde ebenfalls von Faschist*innen angezündet und vollständig verwüstet. Es gab und gibt keinen sicheren Ort. Die Sicherung der Grenzen unter Einsatz von Gewalt, wie es die AfD 2015 forderte und damals noch von allen Seiten aufs Schärfste kritisiert wurde, ist mittlerweile Realität geworden und die EU schaut weg. Zunächst hat die griechische Regierung ein neues, strengeres und noch unmenschlicheres Asylgesetz verabschiedet, welches die Inhaftierung aller neuen Asylsuchenden bei ihrer Ankunft auf griechischen Gebiet vorsieht. Diese Gesetzesänderung verstößt gegen Art. 26 der europäischen Asylverfahrensrichtlinie und gegen Art. 31 der Genfer Flüchtlingskonvention, die eine Inhaftierung von Schutzsuchenden infolge der Antragstellung und eine Bestrafung von Flüchtlingen wegen einer unrechtmäßigen Einreise verbieten. Wir verurteilen diesen Rechtsbruch! Griechenland hat sein Asylrecht „ausgesetzt“. In dem Gesetzblatt wird diese Maßnahme mit „besonderen und unvorhergesehen Ereignissen“ gerechtfertigt, die die Sicherheit des Landes gefährden. Bereits rein zahlenmäßig ist dies eine Übertreibung, denn Schätzungen des UN-Flüchtlingshilfswerks zufolge befanden sich gerade einmal 13.000 Menschen im Grenzgebiet. Abgesehen davon ist eine „Aussetzung“ des Asylrechts rechtlich nicht zulässig. Sowohl Art. 33 der Genfer Flüchtlingskonvention als auch Art. 3 der Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) formulieren nach unumstrittener Lesart ein Zurückweisungsverbot, soweit eine politische Verfolgung oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohen. Dieses Verbot beinhalten ein Verfahrensrecht, um den Schutzbedarf prüfen zu können, verbunden mit dem Recht, bis zu einer Entscheidung im Land verbleiben zu können. Entsprechendes gilt nach Art. 4 und Art. 18 der EU- Grundrechtecharta. Es gibt keine rechtlichen Ausnahmen, die eine Aussetzung dieser Rechte auf Asyl rechtfertigen. Diesen Rechtsbruch verurteilen wir!

 

  • Wir fordern die Einhaltung des Asylrechts in Griechenland und der EU! Das Recht auf Asyl kann nicht „ausgesetzt“ werden.

 

Seit der einseitigen Grenzöffnung durch die Türkei sitzen tausende Menschen in einem Niemandsland zwischen der griechischen und türkischen Grenze fest. Boote mit Geflüchteten Menschen werden in Griechenland von Faschist*innen am Anlegen gehindert. Zudem werden Geflüchtete, Helfer*innen, Politiker*innen und Journalist*innen auf den griechischen Inseln von Faschist*innen attackiert. Dies hängt unmittelbar mit der Kriminalisierung ziviler Seenotrettung zusammen, sowie mit der Verbreitung von Verschwörungsideologien von z.B. einer „Islamisierung des Abendlandes“ und „Umvolkung“. Sie bereiten den geistigen Nährboden für derartige Angriffe!

 

  • Wir fordern, dass zivile Seenotretter*innen und NGOs ihrer Arbeit ungehindert nachkommen können und ihnen Schutz, statt Repressionen garantiert wird.
  • Zivile Seenotretter*innen müssen in Gänze entkriminalisiert werden und der so genannte „Grenzschutz“ an den europäischen Außengrenzen zu einem Schutz für Menschen umgebaut werden.

 

Fünf Jahre nach der sogenannten „Flüchtlingskrise“ und beinahe fünf Jahre nach dem Türkei Deal erleben vertriebene und verfolgte Menschen massivste Gewalt an den EU- Außengrenzen und in Griechenland. Dies ist der „sicherheitsorientierten“ Migrationspolitik Europas anzulasten. Die türkische Regierung hält ihre Grenzen zu Syrien geschlossen, sah jedoch keinen Schaden darin, Tausende von Geflüchteten zu den Toren Europas zu drängen. Asylsuchende aus Syrien, Afghanistan, Pakistan und mehreren afrikanischen Ländern haben im März die Grenzgebiete Edirne, Çanakkale und Izmir erreicht. Einige wurden mit Bussen von Gemeinden dorthin gebracht, andere mit privaten Taxis oder zu Fuß. In der Region Edirne wurden ihnen von türkischen Behörden gestattet, in die Grenzzone zu gelangen. Gleichzeitig beschränkten türkische Behörden den Zugang für Journalist*innen und Reporter*innen.

 

Wir fordern die sozialdemokratischen Mitglieder des Bundestages und des europäischen Parlamentes, die Bundesregierung sowie Außenminister Heiko Maas auf:

 

  • Ein Ende des EU- Türkei Deals, welche v.a. die Bundesrepublik erpressbar gemacht hat, einen humanen Umgang mit Flüchtenden verhindert und Erdogan – auch in der Verfolgung eigener Kritiker*innen in der Türkei – bislang nur gestärkt hat. Dass Menschen als Druckmittel verwendet werden, lehnen wir entschieden ab. Stattdessen müssen die Verteilung und Neuansiedlung internationaler Schutzsuchender in die EU schnellstmöglich umgesetzt werden. Die Europäische Union ist dafür selbst verantwortlich. Eine Abwälzung eigener Verantwortung an Drittstaaten lehnen wir ab.
  • Beendigung bzw. Aussetzung aller Rüstungsexporte an die Türkei, einschließlich der bereits genehmigten Transaktionen.
  • Einschränkungen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit der Türkei, ggf. auch im Zusammenwirken mit privatwirtschaftlichen Unternehmen sowie ein Stopp bzw. Einschränkung von Kredithilfen und anderen Formen wirtschaftlicher und finanzieller Unterstützung.
  • Einwirken auf die EU-Staaten, die eine Aufnahme von Geflüchteten ablehnen im Sinne einer Kürzung oder Aussetzung von Mitteln aus dem EU-Heranführungshilfen (IPA) unter Berücksichtigung des letzten Sonderberichts des Europäischen Rechnungshofs zu Defiziten in der Wirkung dieser Programme.
  • Eine unabhängige Überprüfung durch den UNHCR, dass diese Mittel tatsächlich den Geflüchteten zugutekommen und diese menschenwürdig und gemäß den Mindeststandards des Asylsystems in der EU behandelt und in ihren Rechten respektiert werden.

 

In Griechenland verschlechterte sich die Situation außerdem immer weiter. Die Regierung hat kürzlich ein neues, strengeres und noch unmenschlicheres Asylgesetz verabschiedet, welches die Inhaftierung aller neuen Asylsuchenden bei ihrer Ankunft auf griechischen Gebiet vorsieht. Wir verurteilen diese Gesetzesverschärfung!

 

Weiterhin darf europäischen Regionen an den EU- Außengrenzen nicht die Alleinige Verantwortung für die Aufnahme und Versorgung Flüchtender Menschen überlassen werden. ALLE europäischen Staaten sind hier in der Pflicht.

 

Wir fordern die sozialdemokratischen Mitglieder des Bundestages und des europäischen Parlamentes, die Bundesregierung sowie Außenminister Heiko Maas auf:

 

  • sich für eine europäische und humane Asylgesetzgebung einzusetzen.
  • Griechische Behörden humanitär und finanziell, in der Aufnahme und Versorgung Flüchtender Menschen zu unterstüt
  • Sich für eine faire Verteilung von Geflüchteten in allen europäischen Regionen einzusetzen und diese, wenn nötig, auch nur mit einer „Koalition der Willigen“ zu verwirklichen. Dabei dürfen Familien nicht voneinander getrennt werden!
  • Eine schnellstmögliche und dringend notwendige Änderung der Dublin-III-VO, die einen Verteilungsschlüssel vorsieht, welcher mit effektiven Mitteln durchgesetzt werden kann. Nur durch die sinnvolle Neuregelung und Koordinierung der Aufnahme von Asylsuchenden in die EU können humanitäre Katastrophen, wie wir sie momentan an der griechischen Grenze sehen, und die Erpressbarkeit der EU von der Türkei verhindert werden.

 

Seit Beginn der Ausschreitungen haben lokale Gemeinden auf den griechischen Inseln Chios und Lesbos mit der Bereitschaftspolizei neue Haftanstalten eingerichtet. Der durch Rassismus, Hass und Hetze vergiftete öffentliche Diskurs wurde seither von griechischen Regierungsbeamt*innen gezielt genutzt, um weiteren Hass zu schüren. Dabei werden Mythen einer „Invasion“ von „Illegalen“ verbreitet. Rassismus und Faschismus, sowie ihre Normalisierung müssen auf allen Ebenen bekämpft werden. Sei es in der Türkei, in Griechenland oder sonst wo! Schutzsuchende Menschen werden als „Bedrohung“ zu Verhandlungsmasse abgewertet und entmenschlicht. Diese Sicherheitspolitik, die Tausende Menschen in den Tod treibt, muss ein Ende haben. Das europäische Grenzregime hat unsägliches Leid verursacht! Die staatliche Gewalt gegenüber Flüchtenden Menschen an der Grenze zur EU muss sofort gestoppt werden.

 

Wir fordern die sozialdemokratischen Mitglieder des Bundestages und des europäischen Parlamentes, die Bundesregierung sowie Außenminister Heiko Maas auf:

  • eine angemessene Ausstattung und Unterstützung des vor Ort tätigen UNHCR- Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen sowie des internationalen Roten Kreuzes sicherzustellen.
  • sich für die Aufnahme von Ermittlungen gegen diejenigen Menschen, welche Flüchtende, Journalist*innnen und NGOs angegriffen haben und weiterhin angreifen, einzusetzen.
  • Wir fordern ebenso die Aufarbeitung bisheriger staatlicher Repressionen gegen Flüchtende Menschen.
  • sich für eine lückenlose Aufklärung jedweder Anwendung von Gewalt, insbesondere der tödlichen, durch Grenzschutz-Beamt*innen einzusetzen. Es darf keinen Schießbefehl an Europas Grenzen geben!

 

Die Innenminister*innen Europas – darunter auch Horst Seehofer (CSU) – kündigten bereits eine hohe finanzielle Summe an, um die Griechischen Grenzschutzbehörden sowie Frontex bei der Abschottung Europas zu unterstützen. Es wurden bereits Gespräche in mehreren europäischen Staaten über eine mögliche Entsendung von Polizist*innen und sogar Soldat*innen nach Griechenland geführt. Wir lehnen jegliche Militarisierung des sogenannten „Grenzschutzes“ ab!

 

Wir fordern Horst Seehofer, das Innenministerium, sowie die Bundesregierung auf:

  • Die Kommunen und Länder, die sich bereits für eine Aufnahme von Geflüchteten bereiterklärt haben, sollen dies auch umgehend umsetzen dürfen! Die bislang 138 sicheren Häfen in Deutschland müssen gehört werden und Menschen aufnehmen dür Insbesondere Kinder müssen – gemeinsam mit ihren Familien- umgehend aus den menschenunwürdigen Lagern auf den Ägäischen Inseln in Sicherheit und Würde untergebracht werden. Dies gilt ebenso für Schwangere, allein flüchtende Frauen* oder schwer Traumatisierte.
  • Die Lebensbedingungen in dem griechischen Geflüchtetenlager sind desaströs. Auch schon vor der Covid19-Pandemie war dies der Fall, die Lage hat sich durch die Pandemie allerdings noch weiter zugespitzt. Abstand zu anderen Menschen einzuhalten, wie es notwendig ist, um sich und andere vor dem Virus zu schützen, ist in dem Lager nicht möglich. Gesundheitsschutz und –versorgung ist Menschenrecht – das gilt ohne Kompromisse auch für geflüchtete Menschen. Wir fordern daher eine dringende Evakuierung der dort ausharrenden Menschen.
  • Weiterhin fordern wir eine angemessene finanzielle und personelle Unterstützung, sowie eine angemessene materielle Ausstattung der Camps vor Ort, um mit der Corona- Pandemie umzugehen. Der Schutz von Leben steht an erster Stelle!
  • Anstatt einer Aufrüstung der Grenzschutzbehörden durch Polizei und Militär, fordern wir humanitäre Unterstützung für flüchtende Menschen. Wir wollen die grundsätzlichen Probleme europäischer Migrationspolitik nicht aus den Augen verlieren und bekräftigen die bereits bestehenden Beschlüs Wir fordern ein Recht auf globale Migration sowie die Einführung humanitärer Visa für flüchtende Menschen!

 

Was wir fordern sind: Frieden und Grundrechte für ALLE Menschen, sowie das Recht auf Migration! Für eine Welt ohne Grenzen, Ausbeutung und Exil!

Antrag 125/I/2020 Femizid ist Mord und muss als solcher benannt werden!

30.09.2020

Der Begriff „Femizid“ bezeichnet Tötungen von Frauen* aufgrund ihres Geschlechts. Sie haben gemein, dass sie aus einem patriarchalen Hintergrund verübt werden. Häufig sind der Partner*, Expartner* oder anderweitig nahestehende Personen die Täter.“

Jeden dritten Tag wird in Deutschland eine Frau* von ihrem Partner* oder Ex-Partner* getötet. Oft beginnt es mit einer Zurückweisung des Mannes* durch die Frau*. In der Presse ist dann häufig von „Familiendramen“ oder „Eifersuchtstaten“ zu lesen. Das klingt als hätten die Frauen* einen Anteil an dem, was ihnen angetan wird. Doch eine Verharmlosung und Relativierung der Gewalt gegen Frauen* findet sich nicht nur in der Berichterstattung, sondern auch in der Rechtsprechung wieder.
So genannte Trennungstötungen werden in der Regel als Totschlag und nicht als Mord gewertet, da keine niedrigen Beweggründe erkennbar sein. Dies wird oft damit begründet, dass „die Trennung von dem Tatopfer ausgeht und der Angeklagte durch die Tat sich dessen beraubt, was er eigentlich nicht verlieren will“. Nicht nur wird hier ein Teil der Schuld vom Täter* auf das Opfer geschoben, patriarchale Besitzansprüche werden als persönliche Verletzlichkeit kaschiert und strafmildernd interpretiert. Die Trennung wird als besondere Kränkung für den Täter* empfunden, denn durch sie löst sich die Frau* aus dem vermeintlichen Besitzverhältnis heraus. Sie stellt den Besitzanspruch und somit den Status des Mannes* als „Eigentümer“ oder „Herrscher“ über den weiblichen* Körper in Frage. Trans Frauen*, deren alleinige Existenz die patriarchalen und gender binären Denkmuster der Täter* widersprechen, sind besonders durch diese Hassverbrechen gefährdet.

Durch den Akt des Tötens wird in den Augen des Täters* die Aneignung der Frau* und ihres Körpers als sein Eigentum wiederhergestellt. Der absolute Besitzanspruch über weibliche* Körper legitimiert für Täter* selbst die Tötung, den Femizid. Auf den Punkt gebracht: Der Mann* entscheidet, ob eine Frau* leben darf oder nicht. Wird eine Frau* von einem Mann* getötet, weil dieser sich alleine durch den Wunsch der Frau* nach einem selbstbestimmten Leben gekränkt fühlt, so ist dies nach unserem Verständnis ein niedriger Beweggrund. Die Idee, ein Mann könne eine Frau* besitzen, ist verachtenswert!

Deutlich leichter tut sich die Rechtsprechung und Öffentlichkeit bei sogenannten „Ehrenmorden“, die von türkisch- oder arabischstämmigen Tätern* verübt werden. Vor 15 Jahren wurde Hatun Sürücü von ihrem Bruder auf offener Straße erschossen, weil sie sich für ein eigenständiges und freies Leben entschieden hatte. Das Mordmerkmal wurde bei diesem Femizid nicht in Frage gestellt, obwohl auch hier männliche Vorherrschaft über die Lebensweise einer Frau* Auslöser der Tat war. Es ist nicht hinnehmbar. dass Frauenrechte in der Gesellschaft sowie Rechtsprechung nur von Relevanz sind, wenn gleichzeitig rassistische Narrative bedient werden.
Eine Zurückweisung führt dann zu Gewalt oder sogar zu Mord, wenn der Täter* glaubt, ein Anrecht auf die Frau* zu haben, sie zu besitzen. Wenn ihr abgesprochen wird, dass sie selbst über ihr Leben entscheidet und darüber, mit wem sie wie Beziehungen führt. Kurzum: Es ist der Frauen*hass des Täters*, der zu Gewalt und Mord führt, niemals die Frauen* selbst!

Indem man Frauen*morde nicht als solche benennt, ignoriert man diese patriarchalen Muster. Diese Ignoranz ist weitere Gewalt. Femizide und Gewalt gegen Frauen* müssen auch so benannt werden. Es sind keine „Beziehungstaten“ oder Fälle von „häuslicher Gewalt“. Diese Begriffe gaukeln vor, dass es Männer* und Frauen* gleichermaßen treffen kann und dass Geschlecht keinerlei Rolle spielen würde.

 

Wir fordern,

  • dass Femizide in den polizeilichen Statistiken als eine Form von Hassverbrechen erfasst werden.
  • dass Tötungen von Frauen* aufgrund ihres Geschlechts und damit auch Trennungstötungen von Frauen* als Form von Femiziden gewertet werden
  • dass Femizide als Morde aufgrund eines niedrigen Beweggrunds eingestuft werden.
  • dass die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung darauf hinwirken, dass das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz eine gemeinsame Aufklärungskampagne über Hass auf und Gewalt an Frauen, mit dem Schwerpunkt gezielte Frauenmorde als gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, durchführen.
  • dass die Existenz patriarchaler und genderbinärer Denkmuster in der Gesellschaft und unter Straftätern in der juristischen Ausbildung angemessen thematisiert wird.
  • dass Fortbildungen zu Femiziden für Richter*innen und Staatsanwält*innen angeboten werden!

 

Antrag 139/I/2020 Weg mit der neuen Gebührenordnung der Bundespolizei – Bürger*innenrechte sind Freiheitsrechte!

30.09.2020

Das Bundesinnenministerium unter Horst Seehofer hat eine Gebührenordnung für die Bundespolizei eingeführt, die Oktober 2019 in Kraft getreten ist. Darin werden beispielsweise Platzverweise und Identitätsfeststellungen mit Gebühren belegt. Dies geschah nahezu unbemerkt von Öffentlichkeit und Medien.

 

Eine erstmalige Platzverweisung kostet nun 88,85 Euro, eine Identitätsfeststellung 53,75 Euro, Anordnung des Gewahrsams 74,15 €, erkennungsdienstliche Behandlung 59,50 Euro, Vollzug des Gewahrsams pro angefangener Viertelstunde 6,51 Euro. Für einen gewöhnlichen Polizeieinsatz können hohe dreistellige Summen anfallen.

 

Die Gebühren werden ohne richterlichen Beschluss festgelegt. Es besteht die Gefahr, dass auch Demonstrant*innen, denen Platzverweise erteilt werden, von nun an de facto mit empfindlichen Strafen belegt werden. Eine Ausübung des Demonstrations- und Versammlungsrechts oder ziviler Ungehorsam könnten so unter Umständen existenzgefährdend werden. Die Gebühren werden auf Leistungen erhoben, welche von Steuerzahler*innen sowieso schon finanziert werden. Dass jetzt Gebühren für ureigene Tätigkeitsbereiche der Bundespolizei erhoben werden lässt vermuten, dass es weniger um die Aufbesserung der Staatskasse, als um Repressionen geht. Schon jetzt zahlt der Staat sehr viel mehr Geld für Zwangsunterbringungen in Gefängnissen derjenigen, die nicht zahlen können, als von den Inhaftierten hätte gezahlt werden müssen. Es sitzen beispielsweise viele Schwarzfahrer*innen ein, die nicht nur die verhängten Strafgelder, sondern auch die wegen Nichtzahlung zwangsweise eingeschalteten Anwält*innen und Gerichte nicht zahlen können. Der Vollzug der sogenannten Ersatzfreiheitsstrafen kostet Steuerzahler*innen jeden Tag tausende Euro: Wir bekräftigen unseren bereits bestehenden Beschluss, die Ersatzfreiheitsstrafen abzuschaffen!

 

Die Folgen der neuen Gebührenordnung für bürgerliche Rechte und Freiheiten sind gravierend. Auf Demonstrationen werden häufig leichtfertig Platzverweise erteilt, welche nun ohne richterliche Beschlüsse mit Gebühren belegt sind. Tatsächlich richterliche verhängte Strafen kommen dazu noch oben drauf. Insbesondere junge und weniger vermögende Menschen, für die hohe zusätzliche Ausgaben existenzgefährdend sein können, werden so von der Wahrnehmung ihrer bürgerlichen Rechte abgeschreckt. Menschen, die durch Racial Profiling häufiger von staatlichen Repressionen und Polizeikontrollen betroffen sind, müssen nun fürchten, dass sie besonders häufig zur Kasse gebeten werden. Das ist nicht hinnehmbar!

 

  • Wir fordern die neu eingeführte Gebührenordnung der Bundespolizei abzuschaffen und polizeiliche Arbeit wieder in Gänze über Steuermittel zu finanzieren.
  • Wir lehnen jegliche Bestrebungen ab, welche eine Änderung der Gebührenordnung der Polizei auf Landes- und Kommunalebene –analog zur aktuellen Gebührenordnung der Bundespolizei- an Betroffene umlegen wollen.
  • Wir fordern ebenso, dass bereits in Rechnung gestellte Gebühren der Bundespolizei den Betroffenen vollständig zurückerstattet werden.

Antrag 66/I/2020 Resolution: Für Black Studies an Berliner Hochschulen

30.09.2020

An den europäischen Kolonialverbrechen war Deutschland maßgeblich mitbeteiligt und entzieht sich bis heute der Verantwortung. Im Jahr 1885 endete die berüchtigte „Kongo- Konferenz“. Auf ihr trieben die Kolonialmächte die Ausbeutung und Aufteilung Afrikas voran. An die Verbrechen der millionenfachen Zwangsarbeit, Kriegsverbrechen im „Maji-Maji-Krieg“ oder dem Genozid an den Herero, Nama, Damara und San wird in der Bundesrepublik Deutschland kaum bis gar nicht erinnert. Allzu leicht lässt sich diese Geschichte von Ausbeutung und Massenmord verdrängen, wie an allen Orten deutscher Kolonisation zu finden. Rassismus ist Ausdruck eines Machtungleichgewichtes und durch die kollektive Verdrängung der Kolonialzeit werden rassistische Strukturen bis heute gefestigt.

 

Besonders in den USA etablieren Black Power – Bewegungen Studiengänge an Hochschulen, welche sich gezielt mit Rassismus, Schwarzer Kultur, und Empowernment wissenschaftlich beschäftigen. Es geht darum sichtbar zu machen, was es gibt und Grundlage für einen wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Diskurs gegen Rassismus einzuläuten. In Deutschland haben solche Bewegungen und Initiativen bisher kaum Gehör gefunden und sind deswegen noch nicht erfolgreich. Wer sich mit „Black Studies“ auseinandersetzen möchte, muss demnach meist in die USA. Schwerpunktmäßig findet dort jedoch nur eine Auseinandersetzung mit US- Amerikanischer Praxis des Rassismus statt. Gerade Deutschland mit seiner eigenen kolonialen Vergangenheit braucht einen Ort, an dem „Black Studies“ wissenschaftliche Disziplin ist. White Privilege, Rassismus und weitere Konzepte bedürfen einer tiefen Auseinandersetzung, im regionalen Kontext. Zivilgesellschaftliche Initiativen, beispielsweise Berlin Postkolonial, leisten einen immensen Beitrag dazu, koloniale Verbrechen in das Gesellschaftliche Bewusstsein zurückzuholen und Konsequenzen zu fordern. Denn: Unsere koloniale Vergangenheit hat bis heute immense Auswirkungen!

 

In Birmingham, im Vereinigten Königreich, wurde 2017 erfolgreich der erste Studiengang „Black Studies“ in Europa etabliert. Die dortige afrikanische Diaspora war in den Jahrzehnten zuvor nur außerhalb von Universitäten erforscht worden. Der eurozentrische Lehrplan hat Student*innenkampagnen wie Why is my Curriculum White? („Warum ist mein Lehrplan weiß?“) und Rhodes Must Fall („Weg mit Rhodes“) ausgelöst: Die Bewegung schwappte von Südafrika nach Oxford und zielte darauf, eine Statue des Kolonialisten Cecil Rhodes entfernen zu lassen. Der Studiengang Black Studies ist Teil eines allgemeinen Bestrebens, das Bildungswesen zu „entkolonialisieren“ und vernachlässigtes Wissen an die Hochschulen Europas zu bringen. Nicht nur das bisher produzierte Wissen ist weiß, auch die Dozent*innen sind es. In Großbritannien machen Schwarze Hochschullehrer*innen etwa ein Prozent der Vollbeschäftigten aus, sie stellen nicht einmal 100 der insgesamt 18.000 Professor*innen. Dass dieser Studiengang in Großbritannien angeboten werden kann, liegt vor allem daran, dass – anders als anderswo – Schwarzes Lehrpersonal eingestellt wurde.

 

Bei Black Studies geht es um eine „Wissenschaft der Befreiung“.

 

In den USA, wurde die Gründung eines solchen Studienganges Ende der 1960er Jahre auf amerikanischen Campussen erzwungen. Studierende, Lehrkörper und Bürger*inneninitiativen mussten demonstrieren und kämpfen, um den Wandel herbeizuführen. Erst nach einem fünfmonatigen Streik, der 1968 begonnen hatte, ließ das San Francisco State College das Fach Black Studies zu. Schwarze Student*innen der Cornell University, die für einen Black-Studies-Studiengang demonstriert hatten, sahen sich genötigt, sich zu bewaffnen, nachdem ihnen Gewalt angedroht worden war. In den USA hat das Fach Black Studies eine solide Grundlage, aber es wird immer noch verleumdet, ist unterfinanziert und ständig von Schließungen bedroht. Ohne die Unterstützung Schwarzer Gemeinden hätte es Black Studies überhaupt nicht gegeben, deshalb spielt bei diesem Fach auch die Aktivist*innenkomponente eine zentrale Rolle. Universitäten entstehen aus der Kluft zwischen der intellektuellen Elite und der Welt, die sie erforschen. Black Studies heben diese Trennung in dem Bereich auf, weil Schwarze Gemeinden und deren Bedürfnisse in den Mittelpunkt rücken. Wir wollen, dass im Rahmen des Programms Studierende mit Organisationen arbeiten, die das Leben Schwarzer Menschen verbessern wollen. Das Fach soll Forschungsmethoden lehren, welche gesellschaftliche Veränderungen und Befreiung zum Studienobjekt machen.

 

Wir unterstützen die Initiative von u.a. Berlin Postkolonial einen Studiengang Black Studies zu gründen und fordern eine entsprechende Ausstattung mit Ressourcen. Bei der Ausgestaltung soll die Beteiligung von Betroffeneninitiativen und schwarzen Forscher*innen sichergestellt werden. Wir verurteilen den Versuch einer Hamburger Forschungsgruppe einen Studiengang „Black Knowledges“ an der Universität Bremen einzuführen, welcher von rein weißen Forscher*innen gestaltet und besetzt war! Nach heftiger Kritik aus der Zivilgesellschaft an der Aneignung Schwarzen Wissens, während gleichzeitig Schwarze Forscher*innen marginalisiert wurden, löste sich die Gruppe 2015 auf. Seither scheiterten alle Versuche Schwarzer Initiativen, einen eigenen Lehrstuhl in Deutschland zu gründen. Das muss ein Ende haben!

 

Wir sprechen uns also für die Einrichtung, Ausstattung und langfristig sichergestellte Finanzierung für Black Studies an Berliner Universitäten aus.