Antrag 66/I/2020 Resolution: Für Black Studies an Berliner Hochschulen

An den europäischen Kolonialverbrechen war Deutschland maßgeblich mitbeteiligt und entzieht sich bis heute der Verantwortung. Im Jahr 1885 endete die berüchtigte „Kongo- Konferenz“. Auf ihr trieben die Kolonialmächte die Ausbeutung und Aufteilung Afrikas voran. An die Verbrechen der millionenfachen Zwangsarbeit, Kriegsverbrechen im „Maji-Maji-Krieg“ oder dem Genozid an den Herero, Nama, Damara und San wird in der Bundesrepublik Deutschland kaum bis gar nicht erinnert. Allzu leicht lässt sich diese Geschichte von Ausbeutung und Massenmord verdrängen, wie an allen Orten deutscher Kolonisation zu finden. Rassismus ist Ausdruck eines Machtungleichgewichtes und durch die kollektive Verdrängung der Kolonialzeit werden rassistische Strukturen bis heute gefestigt.

 

Besonders in den USA etablieren Black Power – Bewegungen Studiengänge an Hochschulen, welche sich gezielt mit Rassismus, Schwarzer Kultur, und Empowernment wissenschaftlich beschäftigen. Es geht darum sichtbar zu machen, was es gibt und Grundlage für einen wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Diskurs gegen Rassismus einzuläuten. In Deutschland haben solche Bewegungen und Initiativen bisher kaum Gehör gefunden und sind deswegen noch nicht erfolgreich. Wer sich mit „Black Studies“ auseinandersetzen möchte, muss demnach meist in die USA. Schwerpunktmäßig findet dort jedoch nur eine Auseinandersetzung mit US- Amerikanischer Praxis des Rassismus statt. Gerade Deutschland mit seiner eigenen kolonialen Vergangenheit braucht einen Ort, an dem „Black Studies“ wissenschaftliche Disziplin ist. White Privilege, Rassismus und weitere Konzepte bedürfen einer tiefen Auseinandersetzung, im regionalen Kontext. Zivilgesellschaftliche Initiativen, beispielsweise Berlin Postkolonial, leisten einen immensen Beitrag dazu, koloniale Verbrechen in das Gesellschaftliche Bewusstsein zurückzuholen und Konsequenzen zu fordern. Denn: Unsere koloniale Vergangenheit hat bis heute immense Auswirkungen!

 

In Birmingham, im Vereinigten Königreich, wurde 2017 erfolgreich der erste Studiengang „Black Studies“ in Europa etabliert. Die dortige afrikanische Diaspora war in den Jahrzehnten zuvor nur außerhalb von Universitäten erforscht worden. Der eurozentrische Lehrplan hat Student*innenkampagnen wie Why is my Curriculum White? („Warum ist mein Lehrplan weiß?“) und Rhodes Must Fall („Weg mit Rhodes“) ausgelöst: Die Bewegung schwappte von Südafrika nach Oxford und zielte darauf, eine Statue des Kolonialisten Cecil Rhodes entfernen zu lassen. Der Studiengang Black Studies ist Teil eines allgemeinen Bestrebens, das Bildungswesen zu „entkolonialisieren“ und vernachlässigtes Wissen an die Hochschulen Europas zu bringen. Nicht nur das bisher produzierte Wissen ist weiß, auch die Dozent*innen sind es. In Großbritannien machen Schwarze Hochschullehrer*innen etwa ein Prozent der Vollbeschäftigten aus, sie stellen nicht einmal 100 der insgesamt 18.000 Professor*innen. Dass dieser Studiengang in Großbritannien angeboten werden kann, liegt vor allem daran, dass – anders als anderswo – Schwarzes Lehrpersonal eingestellt wurde.

 

Bei Black Studies geht es um eine „Wissenschaft der Befreiung“.

 

In den USA, wurde die Gründung eines solchen Studienganges Ende der 1960er Jahre auf amerikanischen Campussen erzwungen. Studierende, Lehrkörper und Bürger*inneninitiativen mussten demonstrieren und kämpfen, um den Wandel herbeizuführen. Erst nach einem fünfmonatigen Streik, der 1968 begonnen hatte, ließ das San Francisco State College das Fach Black Studies zu. Schwarze Student*innen der Cornell University, die für einen Black-Studies-Studiengang demonstriert hatten, sahen sich genötigt, sich zu bewaffnen, nachdem ihnen Gewalt angedroht worden war. In den USA hat das Fach Black Studies eine solide Grundlage, aber es wird immer noch verleumdet, ist unterfinanziert und ständig von Schließungen bedroht. Ohne die Unterstützung Schwarzer Gemeinden hätte es Black Studies überhaupt nicht gegeben, deshalb spielt bei diesem Fach auch die Aktivist*innenkomponente eine zentrale Rolle. Universitäten entstehen aus der Kluft zwischen der intellektuellen Elite und der Welt, die sie erforschen. Black Studies heben diese Trennung in dem Bereich auf, weil Schwarze Gemeinden und deren Bedürfnisse in den Mittelpunkt rücken. Wir wollen, dass im Rahmen des Programms Studierende mit Organisationen arbeiten, die das Leben Schwarzer Menschen verbessern wollen. Das Fach soll Forschungsmethoden lehren, welche gesellschaftliche Veränderungen und Befreiung zum Studienobjekt machen.

 

Wir unterstützen die Initiative von u.a. Berlin Postkolonial einen Studiengang Black Studies zu gründen und fordern eine entsprechende Ausstattung mit Ressourcen. Bei der Ausgestaltung soll die Beteiligung von Betroffeneninitiativen und schwarzen Forscher*innen sichergestellt werden. Wir verurteilen den Versuch einer Hamburger Forschungsgruppe einen Studiengang „Black Knowledges“ an der Universität Bremen einzuführen, welcher von rein weißen Forscher*innen gestaltet und besetzt war! Nach heftiger Kritik aus der Zivilgesellschaft an der Aneignung Schwarzen Wissens, während gleichzeitig Schwarze Forscher*innen marginalisiert wurden, löste sich die Gruppe 2015 auf. Seither scheiterten alle Versuche Schwarzer Initiativen, einen eigenen Lehrstuhl in Deutschland zu gründen. Das muss ein Ende haben!

 

Wir sprechen uns also für die Einrichtung, Ausstattung und langfristig sichergestellte Finanzierung für Black Studies an Berliner Universitäten aus.

Empfehlung der Antragskommission:
Annahme (Konsens)