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Antrag 182/II/2022 DB Schenker nicht verkaufen

10.10.2022

Die SPD Bundestagsfraktion soll sich dafür einsetzen, dass DB Schenker nicht verkauft wird, sondern die Unternehmensgewinne dafür genutzt werden, langfristig die Schieneninfrastruktur in Deutschland zu sanieren und modernisieren.

Antrag 164/II/2022 Polizei im Umgang mit Betroffenen von sexualisierter Gewalt schulen

10.10.2022

Schätzungen zufolge ist jede dritte Frau einmal im Leben von sexualisierter Gewalt betroffen. Gleichzeitig wird in Deutschland nur eins von 20 Sexualdelikten zur Anzeige gebracht. Die Gründe hierfür sind vielfältig, schließlich befinden sich die Betroffenen in einer Ausnahmesituation. In dieser Situation muss die Polizei als vertrauensvolle Partnerin bei der Aufklärung und Verfolgung sexualisierter Gewalt von den Betroffenen jener wahrgenommen werden. Eine Wahrnehmung, die es derzeit aufgrund der Strukturen nicht zu geben scheint:

 

Die Berliner Polizei hat für den Begriff „sexualisierte Gewalt“ weder eine Legal- noch sonstige allgemein anerkannte Definition. Auch werden Daten bzgl. der Geschädigten erst ab dem Jahr 2005 erhoben.  Diese Daten beziehen sich ausschließlich auf die Delikte nach § 177 und § 178 StGB, also den Tatbeständen des sexuellen Übergriffes, der sexuellen Nötigung und Vergewaltigung. Zwar wird teilweise auf Daten von polizeiexternen Anbietern zurückgegriffen, ohne dass eine statistische Erfassung solcher Taten unterhalb der Schwelle der genannten Delikte erfolgen würde. Der Berliner Polizei fehlt ein grundsätzliches und strukturelles Verständnis über sexualisierte Gewalttaten. Deswegen ist die Polizei oftmals unfähig Erfahrungsberichte rechtlich einzuordnen und gegenüber den Betroffenen eine Aussage zu treffen, ob es sich aus rechtlicher Sicht um sexualisierte Gewalt handelt oder nicht.

 

Auch in der polizeilichen Ausbildung wird der Umgang mit Opfern sexualisierter Gewalt nur “grundsätzlich” behandelt. Umfangreichere Lehrinhalte erstrecken sich ausschließlich auf den Themenbereich „häusliche Gewalt“. Eine umfassende Schulung im Umgang mit Opfern sexualisierter Gewalt findet nicht statt. Auch bestehen keine speziellen Fortbildungsangebote.

 

In vielen Fällen werden Betroffene nicht nur durch die Taten selbst, sondern auch durch die Reaktionen der Strafverfolgungsbehörden traumatisiert. Gründe für diese sogenannte sekundäre Viktimisierung sind ein mangelndes Einfühlungsvermögen, Bagatellisierungen, Äußerungen von Zweifel, Mitschuldvorwürfe und Parteiergreifung für den Täter. In vielen Fällen betreibt die Polizei sekundäre Viktimisierung und verhindert auf diesem Weg eine effektive Verfolgung von sexualisierter Gewalt. Wegen solcher Erfahrungen und fehlenden Vertrauens sehen viele Betroffene von einer Anzeige ab. Die fehlende Kenntnis der Polizei über sexualisierte Gewalt und die fehlende Qualifizierung der Polizei im Umgang mit den Betroffenen leistet diesen Tendenzen weiter Vorschub.

 

Berlin hat gemeinsam im „Berliner Netzwerk gegen sexuelle Gewalt“ einen Integrierten Maßnahmenplan (IMP) beschlossen. Allerdings fallen nur vier der 126 Maßnahmen in den Bereich der Strafverfolgung. Auch aus der Perspektive des Netzwerks handelt es sich also um “ein vergleichsweise kleines Interventionsgebiet” das “ausbaufähig” ist. Vor dem Hintergrund der Istanbul-Konvention „sei absehbar, dass das Handlungsfeld durch weitere Maßnahmen ergänzt“ werden muss. Vor diesem Hintergrund ist der Umstand, dass es nach wie vor nur vier Maßnahmen im Bereich der Strafverfolgung gibt, untragbar.

Es kann festgehalten werden, dass die Berliner Polizei strukturell nicht in der Lage ist, sexualisierte Gewalt adäquat zu verfolgen.

 

Unser Ziel muss es sein, dass die Polizei von den Betroffenen als Partnerin bei der Aufklärung von sexualisierter Gewalt wahrgenommen wird. Betroffene müssen auf Strukturen treffen, die sie ermutigen sexualisierte Gewalt zur Anzeige zu bringen. Es braucht für die Beteiligten die Sicherheit, dass es zu einer ernsthaften, umfangreichen und opferorientierten Aufklärung und Verfolgung der Delikte kommt. Dazu muss die Polizei auch strukturelle Kenntnisse über diesen Deliktsbereich gewinnen und ihr Personal insbesondere im Umgang mit den Betroffenen geschult werden. Eine Traumatisierung von Opfern durch die Polizei im Rahmen der Strafverfolgung ist in unserem Rechtsstaat untragbar!

 

Deshalb fordern wir die sozialdemokratischen Mitglieder im Senat und Abgeordnetenhaus auf, im Rahmen des IMP den Maßnahmenkatalog auszuweiten und insbesondere die Polizei im Umgang mit Opfern von sexualisierter Gewalt zu schulen. Dazu fordern wir:

  • Die Entwicklung einer Definition des Begriffs der sexualisierten Gewalt die bereits unterhalb der strafrechtlichen Delikte nach § 177 und § 178 StGB ansetzt. Bei der Erarbeitung dieser Definition sollen zivilgesellschaftliche Initiativen (im breiten Spektrum des Themenbereiches), wissenschaftliche Expertisen und GDP mit eingebunden werden. Ziel ist es, durch diesen Prozess die strukturelle Sensibilisierung der Polizei zu erhöhen und eine effektive und rechtssichere Verfolgung zu ermöglichen.
  • Eine umfassende Erfassung und anonymisierte Veröffentlichung der angezeigten Fälle von sexualisierter Gewalt auf der Grundlage der entwickelten Definition. Daneben soll in Zusammenarbeit mit der Wissenschaft eine umfassende Dunkelfeldstudie durchgeführt, um tiefergehende Erkenntnisse über diesen Deliktsbereich zu gewinnen.
  • Die Erstellung eines Leitfadens für den Umgang mit Opfern sexualisierter Gewalt. Durch den falschen Umgang der Polizei mit Betroffenen kann es zu einer sekundären Viktimisierung kommen, die neben der eigentlichen Straftat, weiteren psychische Schäden hervorruft. Stattdessen soll Vertrauen bei den Betroffenen geschaffen und eine zügige und umfangreiche Beweissicherung vorgenommen werden.
  • Beim Fachdezernat LKA 13, das für die Bearbeitung von Sexualdelikten zuständig ist, soll eine zentrale und transparente Möglichkeit geschaffen werden, Sexualdelikte zur Anzeige zu bringen. Betroffene müssen die Sicherheit haben, dass ihre Anzeige von geschultem Personal aufgenommen und bearbeitet wird. Daneben soll den Anzeigenden ein Anspruch eingeräumt werden, die Anzeige vor gleichgeschlechtlichen Beamten aufgeben zu dürfen. Zudem soll sichergestellt sein, dass zur Betreuung der Betroffenen der psychosoziale-Notdienst hinzugezogen wird. Ziel beider Maßnahmen ist es die Bereitschaft zu erhöhen, sexualisierte Gewalt zur Anzeige zu bringen.
  • Das Thema sexualisierte Gewalt und insbesondere der Umgang und die Kommunikation mit Betroffenen soll verpflichtender Bestandteil der polizeilichen Ausbildung werden. Die Ausbildung soll insbesondere die richtige Anwendung des Leitfadens sicherstellen und auf eine Vermeidung von sekundärer Viktimisierung abzielen. Dabei soll das Thema einen Umfang aufweisen, wie die Module zur „häuslichen Gewalt“ und mit diesen verzahnt werden.
  • Die Einführung spezieller verpflichtender Fortbildungsangebote, um auch Polizist*innen für sexualisierte Gewalt und den Umgang mit Betroffenen zu sensibilisieren, die ihre Ausbildung bereits abgeschlossen haben. Insbesondere Polizist*innen die in ihrem Einsatzgebiet potenziell auf Betroffene treffen, sollen prioritär Fortbildungen angeboten werden. Ein Schwerpunkt soll darauf liegen, Polizist*innen zu schulen, die Perspektive der Betroffenen einzunehmen, ohne die Glaubhaftigkeit der Betroffenen zu bezweifeln.
  • Es sollen im Rahmen des Berliner Netzwerks gegen sexualisierte Gewalt zivilgesellschaftliche Institutionen gestärkt werden, die als Anlauf- und Beratungsstelle neben der Polizei dienen. Ziel ist es mit ergänzenden niedrigschwellige Angeboten Opfer auf den Weg zu einer Anzeige zu begleiten. Dafür soll geprüft werden inwieweit einzelne Beweissicherungsmaßnahmen von diesen Stellen rechtssicher vorgenommen werden können. Die Bekanntheit solcher Anlauf- und Beratungsstellen soll stadtweit gesteigert werden.
  • Der unabhängige Büger*innen und Polizeibeauftrage beim Berliner Abgeordnetenhaus soll auch für Beschwerden gegen sekundäre Viktimisierung durch die Polizei sensibilisiert werden.

 

Antrag 174/II/2022 Für Medien ohne Kapitalismus: Öffentlich-rechtlichen Rundfunk zukunftssicher und gerecht finanzieren

10.10.2022

Nach dem zweiten Weltkrieg, in dem Propaganda über die neu aufkommenden Massenmedien eine zentrale Rolle bei der Verbreitung des menschenfeindlichen und antisemitischen Weltbildes der Nationalsozialist*innen hatte, wurde das Rundfunksystem in Deutschland neu aufgebaut. Nach dem Vorbild der britischen BBC entstand auch in der Bundesrepublik ein duales Rundfunksystem. Das bedeutet, dass es neben kapitalistisch finanzierten Medienunternehmen auch Rundfunkmedien gibt, die nicht primär den Logiken des Kapitalismus unterworfen sind, sondern größtenteils durch die Öffentlichkeit finanziert werden.

 

Die Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird vertraglich zwischen den Bundesländern in einem Staatsvertrag geregelt. Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung auch in der Medienbranche wurde dieser 2020 als Medienstaatsvertrag neu abgeschlossen – früher hieß es nur Rundfunkstaatsvertrag. In diesem Medienstaatsvertrag wird die Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks definiert als “Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung zu wirken und dadurch die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen”. Damit wird an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk höhere gesellschaftliche und demokratische Ansprüche gestellt als an privatwirtschaftlich finanzierte Medienunternehmen.

 

Zu Beginn des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beschränkte sich das Angebot vor allem auf Radiosender sowie das Fernsehprogramm der ARD (Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland). Zur Umsetzung des rechtlichen Auftrags wurde das Angebot stetig ausgeweitet. Mittlerweile umfasst es diverse Fernsehprogramme, Radiosender, sowie Angebote wie funk, die ausschließlich im Internet ausgestrahlt werden.

 

Mit dieser Ausweitung und der gestiegenen Konkurrenz durch private Rundfunkanbieter*innen sowie den zunehmenden feindlichen Bewegungen gegen freie Medien und deren Berichterstattung – insbesondere gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk – entbrennen immer wieder Diskussionen über die Sinnhaftigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Diese machen sich ebenfalls oft an der Finanzierung fest, sowie an der angeblich mangelnden Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Obwohl der öffentlich-rechtliche Rundfunk einen klaren rechtlichen Auftrag durch die Bundesländer bekommt, ist er dennoch unabhängig von politischer Einflussnahme. Dies ergibt sich aus Artikel 5 des Grundgesetzes, der die Staatsferne des Rundfunks sowie die Pressefreiheit schützt. Zwar gibt es immer wieder – berechtigte – Kritik an der Zusammensetzung der Aufsichtsgremien, wie dem ZDF-Fernsehrat, in dem auch Politiker*innen vertreten sind. Dennoch ist die Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unabhängig von politischer – und auch weitestgehend auch kapitalistischer – Einflussnahme.

 

Diese Staatsferne zeigt sich auch in der Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, die im Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag geregelt wird. Die Höhe des finanziellen Bedarfs des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird von der Kommission zur Überprüfung und Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) festgelegt. Die Kommission, deren Mitglieder unabhängige Sachverständige sind und von den Regierungschef*innen der Länder berufen werden, gibt den Regierungen der Bundesländer alle zwei Jahre Auskunft über die finanzielle Situation der Bundesländer. Dabei gibt sie abwechselnd einen Zwischenbericht oder eine Empfehlung zur Beitragshöhe ab. Die Beitragshöhe wird nach der Empfehlung der KEF durch die Landesparlamente verabschiedet. Allerdings wird auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk teilweise (unter zehn Prozent) durch Werbung und Sponsoring mitfinanziert. Somit werden ca. 90 Prozent der Einnahmen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk aus den Gebühren der Allgemeinheit generiert.

 

Wer diese Gebühr entrichten muss, hat sich in der Vergangenheit ebenfalls geändert. Zunächst musste die Gebühr nur entrichtet werden, wenn es ein Rundfunkgerät in einem Haushalt gab. Durch die Digitalisierung und der Tatsache, dass die meisten Menschen mindestens ein Endgerät zur Verfügung haben, um Rundfunk zu empfangen, wurde dies 2010 in eine Haushaltspauschale – unabhängig von der Anzahl der Rundfunkgeräte – umgestellt. Seit 2013 muss jeder Haushalt in Deutschland den gleichen Rundfunkbeitrag errichten. Ausnahmen gibt es dabei u.a. für Sozialhilfeempfänger*innen, sowie Bafög-Empfänger*innen, Empfänger*innen der Grundsicherung. Menschen, die Wohngeld beziehen oder Arbeitslosengeld I sind allerdings zur Entrichtung der Gebühr verpflichtet. Zwar gibt es die Möglichkeit einen Härtefallantrag zu stellen. Das Problem, dass alle – unabhängig vom Einkommen – die gleiche Gebühr entrichten müssen, bleibt dennoch. Für Menschen mit geringem Einkommen können die monatliche Abgabe von 18,36€ durchaus eine massive finanzielle Belastung darstellen, während es für andere überhaupt kein Problem darstellt.

 

Trotz dieser Ungerechtigkeit in der Finanzierung ist für uns klar, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk ein zentraler Pfeiler der Demokratie ist. Ohne freie Medien ist ein demokratischer Diskurs und demokratische Entscheidungen nicht möglich. Anders als private Rundfunkanbieter muss der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht um ausbleibende Finanzierung fürchten, wenn kritisch über Wirtschaftsthemen berichtet wird oder bestimmte Einschaltquoten verfehlt werden. Durch die öffentliche Finanzierung wird darüber hinaus eine Themen- und Programmvielfalt sichergestellt, die im privat-finanzierten Rundfunk aufgrund des Drucks der Einschaltquoten keinen Bestand hätten. Durch die sichergestellte Finanzierung wird außerdem Journalist*innen die Möglichkeit gegeben, langfristig und investigativ zu recherchieren. So können seriöse Informationen generiert werden, die insbesondere in den heutigen Zeiten, in denen Fake News zur Tagesordnung gehören, von besonderer Relevanz sind. Wir sprechen uns entschieden gegen neoliberale Ideen aus, die die Privatisierung oder Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks fordern. Diese Tendenzen sind allerdings durchaus ernst zu nehmen. So wird nach Willen der britischen Regierung die BBC ab 2027 nicht mehr über Gebühren finanziert, sondern durch Abonnements und Teilprivatisierung. Auch in Deutschland kam es 2020 zu einem Eklat, als sich der Ministerpräsident Sachsen-Anhalts, Reiner Haseloff (CDU) gegen die von der KEF beschlossene Erhöhung der Rundfunkgebühr stellte und dies nicht im Landtag zur Abstimmung brachte. Erst nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wurde der Beitrag vorläufig erhöht.

 

Wir erkennen an, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch in Deutschland nicht frei von Fehlern ist. Anstatt ihn aber aufgrund seiner ungerechten Finanzierung abschaffen zu wollen, wollen wir die Finanzierung reformieren, um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gerechter und unabhängiger zu finanzieren. So wollen wir sicherstellen, dass der wichtige Beitrag, den der öffentlich-rechtliche Rundfunk für die Demokratie leistet, auch weiter geleistet werden kann.  

 

Die offensichtlichste Lösung wäre es, den Rundfunkbeitrag in eine Steuer umzuwandeln. Dies ist allerdings nicht möglich, da eine ‘normale’ Steuer, gegen die in Artikel 5 des Grundgesetzes festgeschriebene und enorm wichtige Staatsferne des Rundfunks verstoßen würde. Allerdings gibt es in Deutschland bisher eine ‘Steuer’, deren Höhe ebenfalls nicht von der Politik festgelegt wird – die Kirchensteuer. Die Höhe dieser wird seitens der jeweiligen Religionsgemeinschaft selbst festgelegt und von den Finanzämtern gegen eine Gebühr eingezogen. Diesen Weg wollen wir auch für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk einschlagen. Die Einflussnahme des Staates ist dabei weiterhin so gering wie möglich zu halten. Besonders vor dem Hintergrund, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk durch die Allgemeinheit finanziert wird und eine tragende Säule unserer Demokratie ist, ist Vorwürfen von Missbrauch der Rundfunkgelder entschieden nachzugehen. Dies betrifft insbesondere die aktuelle Situation um die ehemalige Intendantin des rbb, Patricia Schlesinger. Die mutmaßliche Ausgabe von Rundfunkgeldern für private Luxusessen und teure Dienstwägen ist nicht hinzunehmen. Hier bedarf es einer nachhaltigen Aufklärung der Vorwürfe sowie einer Analyse und einer Reflexion der Prozesse, die die Nutzung und Verteilung von finanziellen Mitteln im rbb genehmigen und kontrollieren sollen. Es muss klar sein, dass die größtmögliche Transparenz in der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks notwendig ist. Die Gelder, die durch die Rundfunkbeiträge generiert werden, müssen zwingend transparent, verantwortungsbewusst und bedarfsgerecht verteilt werden.

 

Konkret fordern wir daher die sozialdemokratischen Mitglieder der Landesparlamente auf, darauf hinzuwirken, dass

 

  • die KEF den Rundfunkbeitrag zukünftig als Prozentzahl in Relation zum Einkommen festlegt wird. Der Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag ist entsprechend zu ändern.
  • die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks so zu gestalten, dass zukünftig eine Finanzierung ohne Werbe- und Sponsoringeinnahmen möglich ist.
  • die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auch zukünftig sichergestellt wird.
  • ein transparenter, verantwortungsvoller und bedarfsgerechter Umgang mit den Beitragsgeldern gewährleistet wird.

Antrag 166/II/2022 Predictive Policing in Europa verbieten

10.10.2022

Systeme Künstlicher Intelligenz (KI) finden nicht nur auf Plattformen wie Facebook oder TikTok Anwendung, sondern werden auch vermehrt von staatlichen Institutionen eingesetzt. Dabei werden sich oftmals mehr Effizienz und schnellere Verwaltungsabläufe erhofft. Die vergangenen Jahre haben aber gezeigt, dass der Einsatz von KI-Systemen mit großen Risiken verbunden ist. Damit KI-Systeme Vorhersagen treffen können, müssen sie mithilfe von Daten trainiert werden. Diese Daten entstammen aber einer bereits verzerrten und ungerechten Realität, in der Diskriminierung und Rassismus alltäglich sind. KI-Systeme, die dann auf Basis verzerrter und diskriminierender Datensätze trainiert werden, reproduzieren diese Verhaltensweisen dann auch in ihrer Anwendung. Auch gibt es kaum nachträgliche Überprüfungen solcher Systeme, noch werden Systeme derzeit in Hinblick auf mögliche Diskriminierungspotenziale entwickelt.

 

Zwei aktuelle Beispiele verdeutlichen diese Probleme. So wurde unter anderem in den Niederlanden ein KI-System von Behörden eingesetzt, um zu ermitteln, welche Empfänger*innen von Kindergeldzahlungen diese veruntreuten. Auf Basis dieser Einschätzungen wurden dann Rückzahlungsforderungen an die ermittelten Personen übermittelt, ohne dass diese Einschätzung noch einmal von einem Menschen überprüft wurde. Nach einigen Jahren stellte sich dabei aber heraus, dass viele Rückzahlungsforderungen ungerechtfertigt gestellt wurden, da das System nicht funktionierte. Auch traf das eingesetzte System vor allem diskriminierende Entscheidungen gegenüber Kindergeldempfänger*innen mit Migrationshintergrund und Empfänger*innen aus finanziell schwächeren Haushalten. Diese Gruppen wurden deutlich häufiger beschuldigt, Kindergeld veruntreut zu haben. Durch die falschen Rückzahlungsforderungen wurden diese Gruppen in starke finanzielle Not getrieben. Als weiteres Beispiel dient ein KI-System, welches durch die spanische Polizei seit 2007 eingesetzt wird. Dieses System erstellt eine Einschätzung darüber, wie gefährdet Frauen in ihrem eigenen privaten Umfeld sind, wenn sie eine Anzeige wegen häuslicher Gewalt bei der Polizei aufgeben. Die Idee dahinter war, dass die Polizei bei sehr schlimmen Fällen schneller eingreifen kann. Jedoch war auch dieses System zutiefst diskriminierend und hat die Gefährdungslage von Frauen systematisch als zu niedrig eingeschätzt, um direkt aktiv zu werden. Dadurch konnte vielen Frauen nicht adäquat geholfen werden. In beiden Fällen führte der Einsatz von fehlerhaften KI-Systemen durch öffentliche Behörden zu massiven negativen Auswirkungen auf Bürger*innen, insbesondere benachteiligter Gruppen.

 

Wie das Beispiel der spanischen Polizei zeigt, ist der Einsatz von KI-Systemen durch Polizei- und Justizbehörden besonders riskant. In diesem Bereich werden derzeit vor allem Systeme entwickelt, die Vorhersagen über mögliche Straftaten oder besonders kriminalitätsbehaftete Orte erstellen. Solche Systeme werden auch als “Predictive Policing” Systeme bezeichnet. Neben dem spanischen KI-System werden solche Systeme bereits im Vereinigten Königreich, den Niederlanden, den USA und auch in Deutschland eingesetzt. So setzt die Polizei NRW ein KI-System ein, um zu beurteilen, an welchen Orten in naher Zukunft Straftaten begangen werden könnten. Die Polizeipräsenz wird dann an diesen Orten erhöht. Auch die Bundespolizei setzt ein KI-System ein, um das individuelle Gewaltrisiko von Gefährder*innen einzuschätzen und dadurch mögliche terroristische Anschläge vorherzusagen. Auswertungen zeigten dabei bereits, dass diese Systeme nahezu wirkungslos sind und es keinen nachweisbaren Effekt auf die Sicherheit oder die Vereitelung von Straftaten gibt. Dennoch werden diese Systeme weiterverwendet.

 

Neben der Wirkungslosigkeit solcher Systeme kommt es auch zu einem schweren Eingriff in die individuellen Freiheitsrechte. Wie bereits gezeigt, sind KI-Systeme häufig fehleranfällig und diskriminieren Personen aufgrund ihres Aussehens, ihres Migrationsstatus oder ihrer sozioökonomischen Herkunft. Wenn dann falsche polizeiliche oder juristische Entscheidungen aufgrund von falschen KI-gestützten Entscheidungen getroffen werden, könnte dies für die Betroffenen sehr schwerwiegende Folgen haben. Darüber hinaus besteht ein Unterschied zwischen einer statistischen Vorhersage darüber, ob oder wo eine Straftat stattfinden könnte, und dem Ausüben einer Straftat. Es wird lediglich eine Vermutung aufgestellt. Insbesondere bei Systemen, welche das Risiko von Individuen beurteilen, können solche Systeme zu einem Einschnitt der Unschuldsvermutung führen.

 

Da der Einsatz von KI-Systemen mit Risiken verbunden ist, wird auf europäischer Ebene derzeit die weltweit erste Regulierung von KI-Systemen verhandelt. Bis Ende des Jahres soll der Verordnungsentwurf in die allgemeine Ausrichtung gehen und nächstes Jahr finalisiert werden. Im Rahmen der KI-Verordnung werden bestimmte KI-Systeme aufgrund ihres unannehmbaren Risikos verboten und andere aufgrund eines hohen Risikos stark reguliert. Bisher sind “Predictive Policing”-Systeme lediglich als Hochrisikosysteme definiert. Somit wäre der Einsatz solcher Systeme auch weiterhin in der EU erlaubt. Dies steht im starken Kontrast mit den aufgezeigten Risiken sowie Fehleranfälligkeit solcher Systeme.

 

Daher fordern wir:

 

“Predictive Policing”-Systeme sollen im Rahmen der Verhandlungen zur KI-Verordnung europarechtlich verboten werden. Der Einsatz solcher Systeme durch deutsche Behörden oder im Auftrag dieser muss unverzüglich eingestellt werden. Auch der Verkauf oder die Verfügbarmachung von Predictive Policing Software muss verboten werden.

Antrag 162/II/2022 Realitäten anerkennen und Zukunft gestalten: Endlich eine moderne Drogenpolitik für Berlin entwickeln

10.10.2022

Die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus und die SPD-Mitglieder im Berliner Senat werden aufgefordert ein konkretes Reformkonzept zur Neugestaltung der Berliner Drogenpolitik vorzulegen und in Zusammenarbeit mit Expert*innen ein entsprechendes Gesetzgebungsverfahren anzustoßen. Bei notwendigen Anpassungen des Bundesrechts werden entsprechende Bundesratsinitiativen angestoßen.  Dieses Konzept soll folgende Punkte enthalten:

 

  • Parallel zu der Regelung für den Besitz von Cannabis wird ein Katalog erstellt, der für alle gängigen Drogen zulässige Mengen definiert, deren Besitz zum Zweck des Eigenbedarfs nicht strafrechtlich verfolgt wird. Anhängige Verfahren werden nicht weiterverfolgt.
  • Beschlusslagen zum sog. Drug Checking, d.h. der Vor-Ort- und Ad-hoc-Prüfung von Drogen auf ihre Zusammensetzung werden endlich umgesetzt und ausreichend finanziert.
  • Gesundheits- und Suchtberatung sowie zielgruppenorientierte Informationskampagnen werden ausgebaut und ausreichend finanziert
  • Alle Rettungsfahrzeuge der Feuerwehr und Rettungsdienste werden mit Medikamenten für die Behandlung einer Überdosis ausgestattet und das medizinische Rettungspersonal in ihrer Verabreichung geschult, um bei Fällen von Überdosis schnell helfen zu können. Eine Abgabe durch Apotheken an Suchterkrankte mit entsprechender Anleitung zur Nutzung wird geprüft. Schulungen zum Umgang mit Überdosisfällen sollen in Drogenpräventionsarbeit eingebaut werden.
  • Der Fokus der Strafverfolgung liegt auf der Ermittlung gegen Großdealende und nicht auf Konsumierenden und Kleindealenden. Entsprechende Anordnungen und Erlasse werden daraufhin überprüft und angepasst und Schulungen für alle Mitarbeitenden der Strafverfolgungs- und Justizbehörden durchgeführt.
  • Die Bezirke werden in der Einrichtung von sog. Drogenkonsumräumen finanziell und personell unterstützt.

Diese Reforminitiative verfolgt folgende Ziele und folgt folgenden Grundannahmen:

 

  • Grundsätzlich gilt: Durch die Entkriminalisierung des Besitzes kleinerer Mengen von kontrollierten Substanzen zum Eigenbedarf wird Präventionsarbeit und medizinische Notfallversorgung deutlich erleichtert. Menschen müssen nicht aus Angst vor Strafverfolgung auf den Notruf oder Hilfsangebote verzichten. So warnt die Aidshilfe beispielsweise derzeit noch den Begriff „Drogen“ bei einem entsprechenden Notfall zu nutzen, wodurch medizinische und therapeutische Maßnahmen unverhältnismäßig erschwert werden.
  • Drogenkonsum ist eine Realität in Berlin, die wir anerkennen müssen. Dies gilt sowohl für aktuell „legale“ und „illegale“ Drogen. Das bedeutet vor allem, dass wegschauen, verleugnen und gewaltvolles Vorgehen bisher keinen nennenswerten Erfolg vorweisen. Die Reform soll dazu beitragen, dass Drogenkonsum sicherer, Ausstieg einfacher und Prävention nachhaltiger wird. Hierbei ist klar, dass es zwischen gelegentlichem Freizeitkonsum und Suchtkrankheiten signifikante Unterschiede gibt, die unterschiedlich betrachtet werden müssen, bspw. wo und ich welcher Form der Konsum stattfindet. Wir betrachten dies als gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die auf Basis von Ehrlichkeit und Fakten angegangen werden muss.
  • In Bezug auf das Erkennen und richtiges Handeln bei einer Überdosis herrscht oft große Unwissenheit und mangelnde Sensibilität: Schnelle, effektive Hilfe kann im Ernstfall Leben retten und das hat für uns oberste Priorität. Hieran soll sich zukünftig der öffentliche und politische Diskurs orientieren.
  • Suchtkrankheiten stehen selten allein. Sie finden sich oft im Zusammenhang mit sozialen Härten. Nur, wenn professionelle Behandlung stattfindet, kann anderen Faktoren nachhaltig begegnet werden. Gleichzeitig können Suchtkrankheiten nicht nachhaltig behandelt werden, wenn soziale Härten bestehen.
  • Die Bezirke leisten z.B. durch ihre Präventionsarbeit gute Arbeit, da sie die Menschen dort erreichen, wo sie sind. Zusätzlich zu stärkerer Zusammenarbeit müssen hier finanziell und personell Planungssicherheit herrschen und ausreichende Mittel sichergestellt sein.
  • Drogenkriminalität bekämpfen bedeutet die Netzwerke in den Fokus zu nehmen, die im Hintergrund agieren und große Mengen umsetzen. Die Ressourcen der strafverfolgenden Behörden sollten hierhin umgeleitet werden. Die Verfolgung von Konsumierenden und Kleindealenden hat maximal kosmetische Wirkung. Der Straßenverkauf von Drogen beeinflusst sicherlich bei vielen Menschen das Gefühl von Sicherheit im öffentlichen Raum. Auch das erkennen wir an. In den Debatten hierzu wird aber oft vergessen, dass diese Form des Handels eine Konsequenz von Kriminalisierung ist und nicht ein Anlass hierzu, auch wenn dies als Argument oft genutzt wird, z.B. bei der fragwürdigen Einrichtung der sog. „Kottiwache“. Der illegale Drogenhandel und an ihn angeschlossene kriminelle Netzwerke florieren nach wie vor. Außerdem ist die aktuelle Strafverfolgung von Drogendelikten geprägt von massivem Rassismus und Armutsfeindlichkeit vonseiten der Sicherheitsbehörden. Ein Paradigmenwechsel hierbei muss zwangsläufig Teil jeder Reform sein.