Die digitale Infrastruktur ist eine der Schlüsselinfrastrukturen unserer Zeit. Für die Digitalisierung und Transformation von Produktionsprozessen, das Internet der Dinge, Smart Cities, Dienstleistungsangebote im ländlichen Raum oder digitalen Medienkonsum sind funktions- und leistungsfähige Breitbandnetze die zwingende Voraussetzung. Dass öffentliche Daseinsvorsorge auch in öffentliche Hand gehört ist eine Grundüberzeugung der Sozialdemokratie. Wo sich jedoch in den Bereichen Krankenversorgung, Wasserversorgung, Stromnetze, ÖPNV oder Wohnen große öffentliche Debatten und Vorschläge wiederfinden, ist es im Bereich der digitalen Infrastruktur überraschend still. Nehmen wir die Wichtigkeit der digitalen Infrastruktur jedoch ernst, müssen wir auch diese als öffentliche Daseinsvorsorge begreifen. Der aktuelle, privat kontrollierte Zustand, ist nämlich desaströs.
Art. 87f (1) GG verpflichtet den Bund zur „flächendeckend angemessenen und ausreichenden“ Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen. Nach Art. 87f (2) GG sind diese Telekommunikationsdienstleistungen jedoch ausschließlich durch „privatwirtschaftliche Tätigkeiten durch die aus dem Sondervermögen Deutsche Bundespost hervorgegangenen Unternehmen (Deutsche Telekom) und durch andere private Träger“ zu erbringen. Was ursprünglich die vermeintlichen Kräfte des freien Marktes aktivieren sollte, hat in der Realität jedoch verehrende Auswirkungen. Die Verlagerung der Telekommunikation in die private Domäne ist der Hauptgrund dafür, dass Deutschland trotz üppiger Bundesfördermittel von 4,5 Mrd. € im Breitbandausbau immer noch Entwicklungsland ist.
Es gibt zwei Fördermodi: sogenannte Wirtschaftlichkeitslückenförderung, und das sogenannte Betreiber*innenmodell. Beim Wirtschaftlichkeitslückenmodell bauen die Kommunen das Breitbandnetz nicht selbst aus. Stattdessen fließen die Fördermittel als Subventionen an private Telekommunikationsunternehmen. Rentiert es sich z.B. für ein Unternehmen nicht in den Breitbandausbau eines Dorfes mit 50 Einwohnern zu investieren, schließen die Fördermittel die Lücke, sodass es sich rentiert. Beim Betreiber*innenmodell baut die Kommune das Netz selbst, und verpachtet es anschließend für 20-30 Jahre an private Telekommunikationsunternehmen. Laut Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur fließen 75% der bewilligten Fördermittel in die Wirtschaftlichkeitslückenförderung. Anstatt öffentliche Infrastruktur zu schaffen, betreibt der Staat indirekte Unternehmenssubventionen.
Auch beim Betreiber*innenmodell eröffnet die grundgesetzlich geschützte Hoheitsposition privater Telekommunikationsunternehmen ihnen jedoch eine Vielzahl von Wegen den staatlichen Breitbandausbau zu verhindern oder zu sabotieren. Wenn eine Kommune ihr Breitbandnetz ausbauen möchte, stellt sie zunächst einen Antrag auf Förderung. Wird dieser bewilligt, können die privaten Telekommunikationsunternehmen innerhalb von 6 Wochen während der sogenannten „Markterkundungsphase“ ein Veto einlegen, falls sie, nach Eigenaussage, in den nächsten drei Jahren im ausgeschriebenen Gebiet selbst bauen möchten. Geschieht dies, darf die Kommune nicht bauen. Oft legen Private Veto ein, nur um nachträglich Gründe anzugeben, warum sie in den nächsten drei Jahren doch nicht bauen können. Außerdem wissen die Kommunen gar nicht verlässlich, in welchen Gebieten denn überhaupt bereits Breitband liegt. Das Breitbandnetz der privaten Telekommunikationsunternehmen zählt nämlich als Geschäftsgeheimnis. Oft melden sich die privaten Telekommunikationsunternehmen erst während des Ausschreibungsprozesses für den Bau und geben an, dass sie in Teilen der ausgeschriebenen Gebiete bereits Breitband verlegt haben. Geschieht dies, ist die Ausschreibung fehlerhaft und der Verwaltungsprozess muss von Null gestartet werden.
Selbst wenn die privaten Telekommunikationsunternehmen kein Veto einlegen, und im ausgeschriebenen Gebiet kein Breitband von ihnen liegt, binden sie vielerorts Baufirmen per Exklusivverträgen an sich. Selbst wenn Baukapazitäten existieren, was in der aktuellen Hochkonjunkturphase der Baubranche ohnehin eine Seltenheit ist, können diese deshalb oft von den Kommunen nicht abgerufen werden.
Besonders problematisch ist das Geschäftsgebaren der Deutschen Telekom, die den Kommunen Steine in den Weg legt. Durch die Privatisierung der Deutschen Bundespost wurde die Telekom alleinige Inhaberin der Teilnehmeranschlussleitungen (TAL). Dieses, umgangssprachlich auch als „Letzte Meile“ bezeichnetes, Netzsegment verbindet die Vermittlungsstellen, welche grundsätzlich allen Internet Service Providern (ISPs) offenstehen, mit den Hausanschlüssen der Kund*innen. In Deutschland existieren viele sehr leistungsfähige, überregionale IP-Netze (Backbones). Betreiber*innen sind sowohl privatwirtschaftliche Unternehmen, aber auch öffentlich-rechtlich oder genossenschaftliche Träger*innen (wie z. B. das Deutsche Forschungsnetz). Praktisch profitieren Privathaushalte von dieser Infrastruktur nicht, da die TAL stets von der Telekom gemietet werden muss. Zudem ist die Zugangstechnik oft veraltet, es kommen i. d. R. die eigentlich nur für Telefonie konzipierten doppeladrigen Kupferleitungen zum Einsatz. Da die Deutsche Telekom auf neu gebaute TAL, die auf moderne Glasfasertechnik setzen (FTTC, FTTH) kein Monopol hätte, wird der Ausbau durch sie aktiv ausgebremst.
Wir fordern die Streichung von Art. 87f (2) GG. Damit wäre Telekommunikation im Sinne von Art. 87f (1) GG wieder als Hoheitsaufgabe des Bundes definiert.
Wir fordern die Re-Vergesellschaftung der „letzten Meile“. Der Ausbau und die Bereitstellung der TALs soll wieder Aufgabe des Staates werden. Dazu sind die entsprechenden Verwaltungseinheiten und Netzsegmente der Deutschen Telekom, sowie der TAL-Infrastruktur aller anderen ISPs zu vergesellschaften. Die Endpunkte sind niedrigschwellig an ISPs bereit zu stellen. Zur finanziellen Einbindung auch in den Ausbau schlagen wir langfristig eine genossenschaftliche Organisationsform vor. Als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge genießen alle Bürger*innen ein Grundrecht auf Bereitstellung einer breitbandigen TAL für ihren Haushalt. Der Ausbau hat grundsätzlich auf Basis von Glasfasertechnik zu erfolgen.
Wir fordern die Vergesellschaftung der Breitbandinfrastruktur weiterer privater Telekommunikationsunternehmen in jenen Gebieten, in denen sie die einzigen Anbieter*innen und Besitzer*innen von Breitbandleitungen sind. Die erworbenen Netze sind in das Netz der re-vergesellschaftlichten Telekom zu integrieren. So werden existierende regionale Monopolpositionen von privaten Telekommunikationsunternehmen aufgebrochen, und die ineffiziente parallele Verlegung mehrerer Netze vermieden.
Wir fordern, dass die Bundesmittel zur Breitbandförderung nur noch im sogenannten Betreiber*innenmodell ausgeschüttet werden. Öffentliche Steuermittel sollen zur Schaffung öffentlicher Infrastruktur ausgegeben werden, nicht als indirekte Unternehmenssubventionen.