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Antrag 64/II/2015 Keine Anträge auf Abschiebehaft mehr in Berlin!

16.10.2015

Menschen einzusperren, weil sie alles aufgaben und Hilfe suchten, ist für uns nicht mit der Würde des Menschen vereinbar. Deshalb ist Abschiebehaft konsequent abzulehnen.

 

Es liegt in den meisten Fällen beim „Ausländeramt“, ob Abschiebehaft (§ 62 Aufenthaltsgesetz, „Vorbereitungs-“ und „Sicherungshaft“) beantragt wird. In anderen Fällen (bei „Zurückschiebungen“) kann die Bundespolizei sie einleiten. Unter sozialdemokratischer Regierung muss das „Ausländeramt“ darauf verzichten, Anträge auf Abschiebehaft zu stellen!

 

Abschiebehaft nicht mit der Menschenwürde vereinbar

Abschiebehaft nimmt denjenigen Menschen ihre Freiheit, die auf der Suche nach Freiheit alles hinter sich gelassen haben. Sie werden so psychischer und physischer Gewalt ausgesetzt, obwohl sie vielfach traumatisiert sind. In Abschiebehaft wird ihnen die Möglichkeit genommen, nach anderen Wegen für ihre Zukunft zu suchen. Diese Verletzung der Menschenwürde kann nicht mit dem behördlichen Wunsch, Menschen leichter außer Landes zu schaffen, gerechtfertigt werden.

 

Eine neue „Willkommensbehörde“ muss geschaffen werden

Dafür muss das „Ausländeramt“ zu einer „Willkommensbehörde“ umgebaut werden, die sich aktiv im Interesse der Geflüchteten handelt. Es erscheint dafür notwendig, dass die Behörde schnellstmöglich dem*der Regierenden Bürgermeister*in oder einer SPD-geführter Senatsverwaltung angegliedert wird. Die momentane Leitung und der Innensenator sind der Aufgabe nicht gewachsen.

 

Abschiebehaft abschaffen, nicht ausweiten!

Auf die inhumane Abschiebehaft zu verzichten, ist die sozialdemokratische Antwort auf die skandalös Einschränkung und Aushöhlung des Asylrechts durch die Große Koalition auf Bundesebene. Durch diese Gesetzesänderung ist jede*r Geflüchtete*r von Abschiebehaft bedroht. Beispielsweise ist kaum eine legale Einreise für Flüchtende nach Deutschland möglich, aber schon die „illegale“ Einreise, fehlende Dokumente, unvollständige Angaben gegenüber den Behörden oder Geldzahlungen an Fluchthelfer*innen reichen nun aus, um Abschiebehaft anzuordnen. Das hat nichts mit einem respektvollen Umgang mit Menschen zu tun.

 

Genauso sind jegliche anderen Sanktionsmaßnahmen wie Fußfesseln oder die Residenzpflicht, die den Bewegungsradius der Geflüchteten einschränken sollen, abzulehnen. Sie folgen der gleichen Logik wie die Abschiebehaft. Der Generalverdacht, der auch so gegenüber den Geflüchteten ausgedrückt würde, lässt sich nicht begründen.

 

Die Konsequenz daraus muss sein, dass der Abschiebeknast Grünau geschlossen wird. Die Bedingungen in diesen teuren Einrichtungen sind über die unwürdige Praxis der Abschiebehaft hinaus nicht hinnehmbar. Die Kriminalisierung von Flucht und der Suche nach Hilfe muss gestoppt werden. Berlin muss dazu vorangehen und so darauf drängen, dass andere Bundesländer nachziehen und andere Abschiebeeinrichtungen – wie der Abschiebeknast auf dem Flughafen BER – unverzüglich geschlossen werden.

Antrag 63/II/2015 Ideologiefrei helfen: Weiterhin Geldleistungen für geflüchtete Menschen in Berliner Erstaufnahmeeinrichtungen auszahlen

16.10.2015

Die sozialdemokratischen Mitglieder des Abgeordnetenhauses von Berlin und des Berliner Senats werden aufgefordert, in der Asylpolitik des Landes Berlin, und besonders vor dem Hintergrund der Umsetzung des Gesamtkonzepts der Bundesregierung zur Asylpolitik vom 7. September 2015 die Auszahlung von Bargeldleistungen in Erstaufnahmeeinrichtungen beizubehalten und nicht durch die Bereitstellung von Sachmitteln zu ersetzen.

Antrag 62/II/2015 Beschäftigung von Flüchtlingen durch Selbstbewirtschaftung der Wohnheime

16.10.2015

Die SPD Fraktion im Abgeordnetenhaus und der Bundesvorstand der SPD sollen sich dafür einsetzen, dass für Flüchtlingsunterkünfte demokratische Selbstorganisationsformen entwickelt, angeboten und eingeführt werden als Kommunikations- und Mitbestimmungsgremien der Flüchtlinge für  Betreiber und staatliche Stellen.

Diese Gremien sollen sich außerdem dafür einsetzen, dass für die Flüchtlinge Tätigkeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten geschaffen und angeboten werden, die das gesetzliche Arbeitsverbot nicht verletzen. Für diese freiwillige Tätigkeit soll ein Anerkennungsbetrag ausgelobt werden.

Antrag 61/II/2015 Jungen Geflüchteten helfen – statt Menschenbeschau!

16.10.2015

Wir fordern die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft, die zuständigen Stadträt*innen in den Bezirken und die Mitglieder des Abgeordnetenhauses auf, dafür zu sorgen, dass keine demütigenden, die Menschenwürde verletzenden Altersfeststellungen bei jungen (unbegleiteten) Geflüchteten mehr stattfinden. Es sind insbesondere die Ganzkörperbeschauung – einschließlich des Genitalbereiches – und medizinisch nicht notwendigen Röntgenaufnahmen sofort einzustellen. Stattdessen muss die Altersangabe der*des Geflüchteten maßbeglich sein.

 

Eine demütigende Praxis in Berlin und Hamburg

In Berlin – wie auch in Hamburg – finden Untersuchungen statt, die den Genitalbereich der Geflüchteten einschließt. Außerdem werden in beiden Städten Röntgenaufnahmen – z.B. der Handwurzelknochen und dem Schlüsselbein-Brustbein-Gelenk – angefertigt. Die Charité nimmt diese Prozeduren im Auftrag der Jugendämter vor. Die Jugendämter nehmen offensichtlich die hohen Kosten für die Untersuchungen in Kauf, um den Geflüchteten die Leistungen der Jugendhilfe verweigern zu können. Ihren eigenen Angaben wurde in diesen Fällen nicht geglaubt. In den letzten Jahren berichteten Medien wiederholt davon, wie so Ämter versuchten, für junge Geflüchteten von der Jugendhilfe fernzuhalten.

 

Medizinisch hochfragwürdige Untersuchungen

Diese Altersfeststellungen sind medizinisch mindestens fragwürdig, wenn nicht ganz und gar unhaltbar. Die Kritik von anerkannten Mediziner*innen wurde bisher in Berlin leider bisher gänzlich ignoriert. Schon wenn nur ein Zweifel an den Untersuchungen bestünde, dürften sie nicht über Schicksale entscheiden.

 

Eine scheinbare „Freiwilligkeit“

Die hin und wieder suggerierte „Freiwilligkeit“ ist ein Trugschluss. Sich den Untersuchungen zu verweigern, bedeutet schlicht nicht die Unterstützung als anerkannter Minderjähriger zu erhalten. Entsprechende Papiere, mit denen sie ihr Alter beweisen könnten, führen die Jugendlichen nach einer beschwerlichen, lebensgefährlichen Flucht häufig nicht mit sich – wenn sie diese Nachweise im Herkunftsland überhaupt bekommen konnten.

 

Fehlende Rücksicht gegenüber Jugendlichen

Viele von ihnen sind traumatisiert. Sie haben nicht selten Gewalt erfahren – darunter möglicherweise auch sexualisierte Gewalt. Es kann deshalb nicht verantwortet werden, sie derartigen Situationen auszusetzen. Zudem sind die betroffenen jungen Geflüchteten noch in einer Sexualentwicklung, sodass sie die Untersuchungen als besonders demütigend wahrnehmen könnten.

 

Ungerechtfertigte Röntgenaufnahmen

Unter Mediziner*innen ist es anerkannte Lehrmeinung, dass medizinisch unbegründete Röntgenstrahlungen zu vermeiden sind. Eine Altersfeststellung stellt nach unserer Auffassung keinen hinreichenden Grund da, Jugendliche dieser Gesundheitsgefährdung gezielt auszusetzen.

 

Zügige Hilfe ist möglich

Vielmehr müssen die Jugendhilfe-Angebote für Geflüchtete genutzt und ausgeweitet werden. Weil ohnehin individuelle Entwicklungsstände der Ansatz für alle diese Maßnahmen sein sollten, besteht gar keine Notwendigkeit das exakte Alter auf den Monat oder Jahr genau – was wie gesagt gar nicht möglich wäre – zu bestimmen.

 

Andere Bundesländer sehen keine Notwendigkeit solcher Altersfeststellungen

Alle anderen Bundesländer – außer Hamburg – verzichten gänzlich auf nicht medizinisch gesicherten Altersfeststellungen und stellen in der Regel jungen Geflüchtete nicht unter Generalverdacht, falsche Altersangaben zu machen. Die Vorgaben sind in den meisten Bundesländern, den Aussagen der Geflüchteten zu glauben. In massiven Zweifelsfällen werden Gespräche mit Sozialpädagog*innen oder anderen Expert*innen herangezogen. Fehlerhafte Beurteilungen können dabei zwar auftreten, aber die Demütigung fällt weg. Schlussendlich hilft nur, dass die Behörden die Geflüchteten nicht als Problem ansehen, sondern die Chancen einer sofortigen, individuellen Unterstützung sehen.

Antrag 60/II/2015 Ehrenamt darf staatlich notwendige Strukturen nicht ersetzen müssen

16.10.2015

Der Staat muss seine Pflicht der Grundversorgung auch gegenüber geflüchteten Menschen wahrnehmen. Die Arbeit ehrenamtlicher Helferinnen und Helfer in akuten Notlagen (z.B. Erstaufnahmeeinrichtungen) darf professionelle Versorgung nicht ersetzen müssen. Darüber hinaus muss sichergestellt werden, dass öffentliche und administrative Leistungen auch in Krisensituationen arbeits- und leistungsfähig bleiben. Ehrenamtliches Engagement sollte nicht die Lücken der staatlichen Leistungen schließen, sondern diese unterstützen.

 

Wir fordern das Land Berlin auf, alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen, auch um viele seiner eigenen bisher bis weit über ihre eigentlichen Belastungsgrenzen arbeitenden Stellen zu unterstützen.