Archive

Antrag 176/I/2018 Schluss mit Ersatzfreiheitsstrafen!

30.04.2018

Wir fordern: Die bundesweite Abschaffung von Ersatzfreiheitsstrafen durch die ersatzlose Streichung des §43 StGB.

Wir treten außerdem weiterhin dafür ein, dass das Fahren ohne Fahrschein („Schwarzfahren“) entkriminalisiert wird. Weitere Vergehen sollen zu Ordnungswidrigkeiten herabgestuft werden.

Wir fordern die SPD auf, sich für die Erarbeitung eines Konzeptes für einen fairen, gerechten und sozialen Umgang mit Menschen, die sich Geldstrafen nicht leisten können, einzusetzen.

Rund zehn Prozent aller Inhaftierten in Deutschland sitzen eine sogenannte Ersatzfreiheitsstrafe ab. Damit ist Deutschland Spitzenreiter im europäischen Vergleich – weit vor Frankreich, England und Wales, Spanien und den skandinavischen Ländern.

 

Die Ersatzfreiheitsstrafe wird dann verhängt, wenn Verurteilte ihre Geldstrafen nicht bezahlen können. Meistens handelt es sich um Delikte wie „Schwarzfahren“ oder kleinere Diebstähle. Obgleich solche Delikte von Personen aus allen Bevölkerungsteilen begangen werden, müssen vor allem ökonomisch und sozial benachteiligte Menschen aufgrund ihrer Zahlungsunfähigkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe ableisten, also nicht, weil sie die Geldstrafen nicht bezahlen wollen, sondern es schlichtweg nicht können. Die Geldstrafe wird wie folgt berechnet: Ein Tagessatz entspricht 1/30 des Nettoeinkommens. Häufig wird das zur Verfügung stehende Nettoeinkommen sowie der Bedarf an Einkommen zur Sicherung eines Mindestlebensstandards grob geschätzt. Nicht selten werden die Menschen zu bis zu 30 Tagessätzen verurteilt und müssen folglich bis zu einem ganzen Monatsgehalt als Strafe zahlen.

 

Wer eine Geldstrafe nicht zahlen kann, muss pro Tagessatz einen Tag im Gefängnis verbringen. Personen, die die geforderte Summe nicht aufbringen können, erleiden dadurch

  1. eine unverhältnismäßige Strafe für ein minderes Delikt, das keinen größeren Schaden verursacht und das deswegen auch nicht mit einer Freiheitsstrafe eingebüßt werden sollte.
  2. Sie werden damit für dieselben Delikte stärker bestraft als zahlungskräftigere Personen.

 

Die Tagessätze von Geldstrafen sind oftmals unangemessen hoch. Selbst bei Berücksichtigung des Nettohaushaltseinkommens, kommen nah am Existenzminimum lebende Menschen schnell in Bedrängnis. Sie werden verhältnismäßig stärker belastet als besserverdienende Menschen. Somit ist die Ersatzfreiheitsstrafe eine Armutsstrafe.

 

Die Freiheitsstrafe stellt für Betroffene mehrfache Bestrafung dar und setzt eine Abwärtsspirale in Gang: Selbst nach (wiederholten) kurzen Haftstrafen haben Betroffene es besonders schwer einen Arbeitsplatz oder eine Wohnung zu finden. Oft führt ein Haftbefehl auch zu einer Kündigung und gesellschaftlicher Stigmatisierung. Während der Haftstrafe können Gefangene arbeiten. Dennoch zahlen sie nicht in die Sozialsysteme ein, weshalb sie langfristig auch von einem deutlich höheren Altersarmutsrisiko betroffen sind. Statt zu resozialisieren, führt die Ersatzfreiheitsstrafe zu einem weiteren sozialen und ökonomischen Abstieg in der Gesellschaft. Die Freiheitsstrafe verschärft soziale Ungleichheiten!

 

Das Strafrecht soll Gerechtigkeit durchsetzen und keine Ungleichheiten reproduzieren, daher ist ein anderer Umgang mit Menschen, die sich Geldstrafen zu den geforderten Fristen und Höhen nicht leisten können, nötig. Formal können Betroffene innerhalb von zwei Wochen nach Rechtsprechung Einspruch gegen die Umwandlung der Geldstrafe in eine Ersatzfreiheitsstrafe erheben, einen Antrag auf Ratenzahlung stellen oder die Ableistung der Strafe durch gemeinnützige Arbeit beantragen. Viele Betroffene sind jedoch nicht über ihre Rechte informiert, lassen die kurze Frist verstreichen oder sehen sich überfordert, eine gemeinnützige Arbeit zu finden. Oft fehlt der Zugang zu Rechtsberatung, Rechtsbeistand und psychosozialer Unterstützung. Menschen mit höherer Bildung, mit mehr Vermögen und Einkommen werden erheblich seltener durch Ersatzfreiheitsstrafen bestraft und sind demnach auch nicht von den eben genannten sozialen Folgeschäden einer Ersatzfreiheitsstrafe betroffen.

 

Nicht nur für die einzelnen Betroffenen stellen die Ersatzfreiheitsstrafen unverhältnismäßige Strafen mit erheblichen Folgen dar. Eine inhaftierte Person verursacht pro Tag über 100 Euro an Kosten. Bei durchschnittlich fünf bis 30 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe für kleine Delikte wie Schwarzfahren kommen jährlich mindestens 200 Millionen Euro an Kosten nur die Inhaftierung zustande. Auch diese Kosten sind als unverhältnismäßig anzusehen. Die von der SPD Berlin bereits geforderte Herabstufung des Schwarzfahrens von einer Straftat zu einer Ordnungswidrigkeit reicht noch nicht aus, um dieses Problem ausreichend zu lösen. Denn auch wenn das bei einer Ordnungswidrigkeit verhängte Bußgeld nicht gezahlt werden kann, können Ersatzfreiheitsstrafen drohen. Die SPD muss sich weiterführende Konzepte zur Entkriminalisierung solcher geringfügigen Delikte einsetzen. Diese Konzepte sollen unbedingt die unterschiedlichen sozialen und ökonomischen Voraussetzungen verschiedener Menschen mitbedenken und somit ein sozial faires und verhältnismäßiges Verfahren bei kleinen Delikten ermitteln.

Antrag WV77/I/2018 Back to School! Progressive Lösungsstrategien gegen Schulschwänzen.

30.04.2018

Berlin führt die bundesweite Statistik der Schulschwänzer*innen an – und die Zahlen sind in den letzten Jahren gestiegen. Die aktuellen Lösungsvorschläge und Maßnahmen gegen dieses Phänomen führen jedoch weder zum Erfolg, noch entsprechen sie unseren Vorstellungen eines zwangfreien Schulsystems. Statt sich auf Ursachenbekämpfung zu konzentrieren, drohen Sanktionen für Schüler*innen und Eltern, unabhängig von den Gründen für das Fernbleiben von der Schule.

 

Die Ursachen für Schulschwänzen sind jedoch vielfältig. Es ist eine Ausdrucksform und Folge von verschiedenen Problemkonstellationen und inneren Systems der Schüler*innen. Die Gründe können Überforderung und Leistungsdruck, Unterforderung und Langeweile im Unterricht, Mobbing und Versagensängste sein.

 

In Berlin zeigt sich, dass trotz Sanktionen, die Zahlen der Schulversäumnisanzeigen vom Schuljahr 2015/16 (7.052) zum Schuljahr 2016/2017 (7.725) gestiegen sind. Das liegt zum einen an den verschärften Regeln, die vorsehen, dass Schulen dem Schulamt per Versäumnisanzeige melden müssen, wenn ein*e Schüler*in fünf Tage im Halbjahr unentschuldigt fehlt. Auf der anderen Seite sind die Zahlen durch das härtere Vorgehen und Bußgelder bis zu 2.500 Euro für die Eltern nicht zurückgegangen, sodass es sich nicht um ein erfolgreiches Instrument handelt.

 

Die seit 2004 geltenden Regeln werden in den Berliner Bezirken zudem unterschiedlich konsequent durchgesetzt. Während Neukölln die meisten Bußgelder und polizeiliche Maßnahmen gegen Schüler*innen verbuchen kann, verzichten Friedrichshain-Kreuzberg und Treptow-Köpenick gänzlich auf Bußgelder. Steglitz-Zehlendorf setzt auf einen Modellversuch mit kleinen Klassen, in denen Schüler*innen in den Schulalltag zurückgeführt werden sollen, da diese die Schüler*innen stigmatisieren und nicht auf die individuellen Bedürfnisse, wie z.B. Unterforderung eingehen.

 

Für die Mehrheit der Schulschwänzer*innen geht es nicht um Wegbleiben-Wollen sondern um Nicht-da-sein-können. Für uns trägt auch das aktuelle Schulsystem zu den oben genannten Ursachen bei. Nur ein grundlegend anderes Schulsystem, wie wir Jusos es fordern, kann das Problem grundsätzlich lösen. Ein Schulsystem, das die Schüler*innen in ihrer Persönlichkeitsentwicklung in den Mittelpunkt stellt und frei von Leistungszwängen und Versagensängsten ist, behebt zahlreiche Ursachen für Schulschwänzen.

Auf dem Weg dorthin wollen wir die Schulschwänzer*innen entstigmatisieren und entkriminalisieren.

 

Deshalb fordern wir:

  • Bußgelder für Eltern von Schulschwänzer*innen gänzlich abschaffen
  • Kürzungen von Kindergeld oder anderen Sozialleistungen lehnen wir ab
  • Temporäre Kleinklassen, in denen Schulschwänzer*innen getrennt unterrichtet werden lehnen wir ab
  • flächendeckend Beratungsangebote als erste zuständige Stelle für Schulschwänzer*innen ausbauen
  • flächendeckend mehr Schulpsycholog*innen und Schulsozialarbeiter*innen einstellen, um zielgerichtet im Klassenverband unterstützend zu wirken. und neue Stellen schaffen
  • im Rahmen der Beratung oder Hilfeleistung darf das Verhalten von Schüler*innen weder stigmatisiert noch verurteilt werden
  • als erstes Ziel sollen die individuellen Beweggründe des Schulschänzens ermittelt werden und den individuellen Ursachen entsprechend gehandelt werden.
  • ein Meldesystem an den Schulen etablieren, um Schulschwänzer*innen frühzeitig zu erkennen
  • ein Vorgehen aller Bezirke orientiert am Beispiel-Handlungsplan der Senatsverwaltung für Bildung mit Handlungsspielraum für an den jeweiligen bezirklichen Sozialstrukturen angepasste Maßnahmen, ergänzt um regelmäßigen Best-Practice-Austausch zwischen den Schulämtern
  • in dem festzustellenden Fall, dass Schüler*innen regelmäßig nicht am Unterricht teilnehmen, da die Anreise an die Schule oder der Heimweg durch die Erziehungsberechtigten nicht ermöglicht wird (z.B. wenn der Schulweg zu Fuß unverhältnismäßig lang wäre), ist dem*der Schüler*in ein entsprechendes, nicht übertragbares Ticket für den ÖPNV zu finanzieren und auszuhändigen. Die entstehenden Kosten sind den Erziehungsberechtigten in Rechnung zu stellen, bis diese dem*der Schüler*in selbst ein Ticket zur Verfügung stellen oder die Anreise anderweitig organisieren.
  • Ausbau des pädagogischen Personals an/in Schulen/Bezirksämtern, das sich in angemessener Weise den individuellen Situationen der vom Unterricht ferngebliebenen widmet
  • Es sollen spezielle Fördermaßnahmen entwickelt werden, um den Schwänzer*innen die Möglichkeit zu geben, Inhalte nachzuholen, bei denen sie aufgrund der Fehlstunden ein Defizit ausgebildet haben

 

Antrag 149/I/2018 “Mein Körper geht nur mich etwas an!”: Stop Fatshaming!

30.04.2018

Als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten beschäftigen wir uns mit verschiedenen Formen der Diskriminierung. In unserer Gesellschaft ist seit jeher zu beobachten, dass die Akzeptanz verschiedener Körperformen sowie deren Freiheit, selbst darüber verfügen und entscheiden zu können, umstritten ist. Alles was nicht der Norm entspricht, wird angeschaut und verurteilt. Die Gesellschaft verkörpert ein Körperideal, welches es einzuhalten gilt und propagiert, dass ein gesunder Körper ein schlanker Körper ist. Doch kann ein Mensch in dieser Abhängigkeit selbstbestimmt leben? Und ist diese Gesellschaftsform ein Abbild unserer vielfältigen Gesellschaft? Nein! Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten beginnt Selbstbestimmung bei jeder*jedem Einzelnen, die*der aus eigener Überzeugung heraus freie Entscheidungen trifft. Besonders Frauen* und queere* Menschen müssen sich immer wieder Räume für ihren eigenen Körper erstreiten.

 

Oft sind sie Stigmatisierungen und Ausgrenzung ausgesetzt. Dabei steht jedem Menschen das Recht auf ein Leben unabhängig gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zu.

 

Jedoch wissen wir, dass dieser Weg noch erkämpft und verteidigt werden muss. Aus diesem Grund wollen wir uns als SPD eingehend mit Gewichtsdiskriminierung auseinandersetzen, es in die SPD sowie in die Gesellschaft tragen und die Gesellschaft dahingehend verändern, dass Diskriminierung aufgrund des Gewichts bekämpft und die Diversität der Körperformen akzeptiert wird.

 

Analyse der derzeitigen Situation

Gegenwärtig befinden wir uns in unruhigen Zeiten, in dem der Wegfall bestehender Bezugspunkte, Identitätsprobleme auf den Körper übertragen. Daneben ist unsere schnelllebige und moderne Gesellschaft stark von visuellen Medien geprägt. Durch diese Prägung gewinnt der Körperkult zunehmend an Bedeutung und wird als Symbol der Klassenidentität wahrgenommen, wodurch Menschen und insbesondere Geschlechter ihrer Körperform nach in gesellschaftliche Schichten kategorisiert werden: Dünnen und schlanken Körpern werden Adjektive wie gesund, fit, fleißig und zielstrebig zugesprochen. Dicken und hochgewichtigen Körpern hingegen werden Eigenschaften wie unsportlich, krank, unmotiviert und faul verknüpft. Im Rahmen des zehnjährigen Jubiläums des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes (AGG) ergab eine repräsentative Umfrage, dass zwei Drittel der befragten Personen Diskriminierungserfahrungen aufgrund ihres Gewichts und ihres äußerlichen Erscheinungsbildes in den entscheidenden Lebensbereichen wie dem Arbeitsmarkt, Bildung, Mobilität, Freizeit, Privatleben, Gesundheit und Pflege machten. Vor allem im Bereich Gesundheit und Pflege kritisierten die befragten Personen die mangelhafte Ausstattung der Krankenhäuser im Gesundheitssystem und die herablassende Äußerungen durch das Krankenhauspersonal.

 

Bereits Kinder und Jugendliche werden insofern sozialisiert, dass sie andere dicke und hochgewichtige Kinder und Jugendliche ausgrenzen. Diskriminierung aufgrund eines hohen Körpergewichts passiert somit täglich, überall und betrifft immer mehr Menschen. Die negativen sozialen und gesundheitlichen Konsequenzen von Gewichtsdiskriminierung führen zu gesellschaftlicher und sozialer Ausgrenzung. Zudem führen Stress und Ausgrenzung zu Körperbildstörungen, Essstörungen und Depressionen. Besonders Frauen* und queere* Menschen sind von dieser Art der Diskriminierung betroffen, die neben intersektioneller Diskriminierung wie der Herkunft, des sozialen Standes, der Hautfarbe, des Geschlechts, der sexuellen Orientierung, der Religionszugehörigkeit, der körperlichen Verfassung oder des Alters, weit verbreitet ist.

 

Studien besagen, dass Frauen* ihrem Körper eine weitaus höhere Bedeutung für das eigene Selbstbild zuschreiben als Männer*. Auslöser dieser verzerrten Wahrnehmung ist, dass Frauen* stärker von gesellschaftlichen Zwängen betroffen sind. Die sexistische Mode- und Schönheitsindustrie bekräftigt diese Zwänge, die das Bild der perfekten und makellosen Figur mit entsprechender Kleidergröße sowie den permanenten Druck des Diäthaltens als Lebensmittelpunkt der Frau* propagieren.

Gewichtsdiskriminierende Werbung auf den bezirkseigenen Werbeflächen verbieten

Mehreren Berliner Bezirken liegen Beschlüsse vor, die „diskriminierende, frauen*feindliche und sexistische Außenwerbung“ auf den bezirkseigenen Werbeflächen untersagen. Der Begriff „diskriminierend“ schließt in diesem Fall eine Diskriminierung anhand von Gewicht nicht ein. Da in unserer Gesellschaft und Medienlandschaft das Schönheitsideal im weiblichen* Geschlecht verankert ist, werden vor allem Frauen*, die diesem Schönheitsideal nicht entsprechen, benachteiligt und sind in hohem Maße von zugespitzter und sexistischer Werbung betroffen.

 

Aus diesem Grund fordern wir die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung auf, gewichtsdiskriminierende und sexistische Außenwerbung flächendeckend im Land Berlin zu untersagen.

 

Anonymisierte Bewerbungsverfahren für die Stellenbesetzung im öffentlichen Dienst bis 2020

Ein Foto im Lebenslauf ruft bekanntlich Vorurteile hervor. Vor allem bei dicken und hochgewichtigen Menschen senkt ein Foto die Chance, zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden, erheblich. Das zeigt eine Studie der Universität Tübingen, in der dicke Frauen* besonders bei Personalentscheidungen schlecht abschnitten: 98 Prozent der befragten Personalleiter*innen trauten dicken Frauen* keine prestigeträchtigen Berufe in Führungspositionen wie Ärztin* oder Architektin* zu. Anonymisierte Bewerbungsverfahren können dafür sorgen, dass dicke und hochgewichtige Menschen in der Vorauswahl für ein Bewerbungsgespräch nicht aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes aussortiert werden. Bereits von März 2014 bis März 2015 wurde im Rahmen des Berliner Pilotprojekts Vielfalt fördern das Verfahren der anonymisierten Bewerbung getestet.

Wir fordern die Senatskanzlei und die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales auf, das im Pilotprojekt getestete Verfahren der anonymisierten Bewerbung in der öffentlichen Verwaltung und den Landesbetrieben flächendeckend bis 2020 einzuführen.

Verbeamtung für Menschen mit hohem Körpergewicht erleichtern

Gemäß Artikel 33 Absatz 2 des Grundgesetzbuches (GG) muss eine Person nach Ermittlung ihrer*seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichberechtigten Zugang zur Verbeamtung haben. Die besagte Eignung einer Person für den öffentlichen Dienst wird u. a. in Form/ mit Hilfe einer amtsärztlichen Untersuchung ermittelt. Da das Körpergewicht im medizinischen Kontext oft voreilige und denunzierende Schlüsse auf den Gesundheitszustand und die Leistungsfähigkeit einer Person zieht, erhalten dicke und hochgewichtige Verbeamtungskandidat*innen nach dieser Untersuchung häufig einen negativen Bescheid. Seit einem richtungsweisenden Gerichtsurteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2013 hat dieser diskriminierende und negative Bescheid der amtsärztlichen Untersuchung keinen Bestand mehr. Leider findet diese Rechtsprechung weder im Berliner Kammergesetz noch in der Weiterbildungsordnung der Berliner Ärztekammer Geltung.

 

Daher fordern wir die Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung und die Berliner Ärztekammer auf, die Weiterbildungsordnung um das Merkmal der Gewichtsdiskriminierung auszuweiten. Durch intern organisierte Fort- und Weiterbildungen sollen Amtsärzt*innen über die Diversität der Körperformen aufgeklärt und sensibilisiert werden.

 

Gleichzeitig fordern wir die Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung und die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung auf,im Bereich der gesundheitlichen Versorgung die Sensibilisierungsmaßnahme von Ärzt*innenschaft sowie das Gesundheitspersonal für Diskriminierung des Körpergewichts gesetzlich zu verpflichten und diese Vorgabe in die Berufsordnung zu übernehmen.Des Weiteren fordern wir, dass entsprechende medizinische Geräte in Krankenhäusern und Arztpraxen angeschafft werden, damit die notwendigen Untersuchungen von dicken und hochgewichtigen Menschen gewährleistet werden.

 

Erweiterung des Landesantidiskriminierungsgesetzes (LADG) um das Merkmal Gewicht

Darüber hinaus muss der Zuständigkeitsbereich der Landesantidiskriminierungsstelle (LADS) um Diskriminierungen dicker und hochgewichtiger Menschen erweitert werden.

Die Arbeit der Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung ist auf die in §1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sowie auf die in Art. 10 Abs. 2 und Art. 11 der Berliner Verfassung genannten Diskriminierungsmerkmale ausgerichtet und ist in den folgenden Berliner Landesgesetzen festgeschrieben:

  • Berliner Landesgleichberechtigungsgesetz (LGBG)
  • Berliner Landesgleichstellungsgesetz (LGG)
  • Berliner Partizipations- und Integrationsgesetz (PartIntG)
  • Berliner Seniorenmitwirkungsgesetz (BerlSenG)
  • Gesetz zur Gleichberechtigung von Menschen unterschiedlicher sexueller Identität (SexGlBerG).

 

Da bisher Gewichtsdiskriminierung weder in den oben genannten Berliner Landesgesetzen berücksichtigt wird noch unter keine der im Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) genannten Merkmale vollständig eingliedern lässt, fordern wir hiermit die Aufnahme und Ausweitung der Berliner Landesgesetze auf das Merkmal Gewicht.

 

Die Lücke im Diskriminierungsschutz des Landes Berlin muss endlich geschlossen werden, sodass Klagen aufgrund von Diskriminierung des Körpergewichts rechtswirksam sind.

Antrag 44/I/2018 Sozialverträgliche Entsorgungsmöglichkeiten für Sperrmüll schaffen

30.04.2018

Die sozialdemokratischen Mitglieder im Senat und im Abgeordnetenhaus werden aufgefordert, sich für die Wiedereinführung von kostenlosen Sperrmüllabholungen für Privathaushalte einzusetzen. Beispielhaft könnte dabei die in anderen Städten bewährte Praxis sein, in denen jeder Haushalt zwei Sperrmüllkarten erhält. Diese berechtigen dazu, zweimal jährlich zwei Kubikmeter oder einmal jährlich vier Kubikmeter Sperrmüll vom kommunalen Entsorger kostenlos abholen zu lassen.

 

Zudem mögen sich die sozialdemokratischen Mitglieder im Senat und im Abgeordnetenhaus dafür stark machen, dass die BSR Privathaushalten zusammen mit diesen Sperrmüllkarten eine Liste mit Kontaktdaten von karitativen Organisationen zukommen lässt, die noch brauchbare Gegenstände kostenfrei abholen. Aushänge mit diesen Kontaktdaten sollten den Hausverwaltungen und Immobilienbesitzer*innen kostenfrei zur Verfügung gestellt werden. Im Gegenzug sollten sie dazu verpflichtet sein, diese im Haus oder den Müllräumen auszuhängen.

Antrag 171/I/2018 Regelungslücke im IFG zur Flucht des Staates ins Privatrecht in Kernbereichen der Daseinsvorsorge schließen!

30.04.2018

Landeseigenen Unternehmen soll es nicht mehr länger gestattet werden, sich dem Anwendungsbereich des Berliner Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) zu entziehen, selbst wenn sie sich vollständig in der Hand des Landes Berlin befinden bzw. unternehmerische Entscheidungen allein vom Land Berlin getroffen werden. Die sozialdemokratischen Mitglieder von Senat und Abgeordnetenhaus werden aufgefordert, gesetzgeberisch entsprechend tätig zu werden.

 

Hierzu wird das IFG Berlin dahingehend ergänzt, dass der Anwendungsbereich des Gesetzes auf öffentliche Stellen auch Private – insbesondere juristische Personen des Privatrechts – umfasst, an denen die öffentliche Hand zu mehr als 50 % beteiligt ist.