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Antrag 308/II/2024 Grundlagen für eine ambitionierte und kohärente sozialdemokratische Finanzpolitik für Berlin legen

23.11.2024

Der Landesparteitag möge beschließen: 

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu Haushaltsnotlageerklärungen und Sondervermögen sowie der dramatische Bruch der Bundesregierung im Streit um den Haushalt 2025 haben die Bedeutung eines handlungsfähigen Staates und die Haushaltspolitik zu einem zentralen Themenfeld der Politik in Deutschland gemacht.  

 

Gerade in Zeiten einer notwendigen sozial-ökologischen Transformation und gravierender sozial-, sicherheits-, gesellschafts- wie auch wirtschaftspolitischer Herausforderungen, setzen wir uns als Sozialdemokratie eindeutig für einen aktiven und handlungsfähigen Staat ein, der im Sinne der Bürger*innen Investitionen in die Zukunft tätigt und soziale Sicherheit garantiert. Wir kämpfen für eine ambitionierte und kohärente Finanzpolitik, die die Last auf den Schultern der finanziell Schwächeren nicht noch weiter vergrößert, sondern diese reduziert.  

Die SPD positioniert sich damit auch klar gegen die politischen Kräfte in unserem Land, die trotz der beschriebenen Herausforderungen eine gerechtere Beteiligung großer Einkommen und Vermögen ablehnen. Jenen, die an der derzeit geltenden sehr strikten Schuldenbremse festhalten. Jenen, die damit die Handlungsfähigkeit von Staat und Gesellschaft vorsätzlich beschneiden. Diese politischen Kräfte verschließen die Augen vor der Realität vieler Menschen in Berlin und in ganz Deutschland, die auf eine funktionsfähige Infrastruktur sowie wirtschaftliche und soziale Sicherheit angewiesen sind. Wer die Schuldenbremse aufrecht erhält, spart nicht für die kommenden Generationen, sondern an ihnen. Und damit auch an der Zukunft Berlins.  

Nur eine Finanz- und Haushaltspolitik, die sich an den Berliner*innen und ihren Bedarfen orientiert, kann Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates sichern – und dort wiederherstellen, wo es in der Vergangenheit verloren gegangen ist. In dieser Ausgangslage muss es zu grundsätzlichen Festlegungen für eine Finanzpolitik auch auf Landesebene kommen, die Zukunftsinvestitionen angeht und dafür die nötigen Mittel zur Verfügung stellt, ohne zukünftige haushaltspolitische Spielräume zu stark durch Darlehenslasten zu verengen. 

Hierzu braucht es: 

  1. Eine Erhöhung der Einnahmen zur Stärkung der Verwaltung und Absicherung von Transfers und Leistungen im Land und den Bezirken 
  2. Die Realisierung neuer Instrumente zur Finanzierung von Investitionen im großen Umfang 
  3. Die Einsetzung eines Sondervermögens Klima auf Darlehensbasis 
  4. Die Erarbeitung eines finanzpolitischen Konzeptes für das Land Berlin 

         

        1. Einnahmen erhöhen! 

        Zur zielgerichteten Haushaltssanierung gehört die signifikante Erhöhung der Einnahmen, mit der der Druck auf die Ausgabenseite verringert werden kann. Daher fordern wir die sozialdemokratischen Mitglieder des Abgeordnetenhauses von Berlin und des Berliner Senats auf, sich einzusetzen für: 

        • die Einführung der Grundsteuer C für baureife Grundstücke, 
        • die Einführung einer Verpackungsteuer, die vor allem eine Lenkungswirkung zur Abfallvermeidung erzielen soll, 
        • die Anhebung der Vergnügungssteuer von 20 auf 30 Prozent, 
        • die Anhebung der Grunderwerbsteuer von 6 auf 7 Prozent des Kaufpreises, 
        • die Anhebung der Zweitwohnungsteuer von 15 auf 25 Prozent, 
        • eine Anhebung der Preise der Anwohnerparkvignetten von gut 10 Euro im Jahr auf mindestens 10 Euro im Monat, was verglichen mit dem Durchschnitt anderer Großstädte immer noch günstig ist, 
        • eine Ausweitung der Parkraumbewirtschaftungszonen, 
        • die Einnahmen und Ausgaben der Bußgeldstelle in einem gesonderten Wirtschaftsplan zu führen, in dem durch Optimierung der Prozesse ein signifikanter Überschuss erzielt wird. 

         

        Damit können Mehreinnahmen von über 250 Mio. Euro inklusive der bereits vorgesehenen Erhöhung der Übernachtungsteuer erzielt werden und damit noch deutlich mehr als im Konsolidierungskonzept des Koalitionsausschusses. Von den weiteren Mehreinnahmen könnten auch einige der bisher vorgesehenen Kürzungen abgewendet werden. 

        Zur weiteren Einnahmenerhöhung streben wir außerdem eine bundesweite Regelung zur Kostenerstattung der Polizeieinsätze bei Hochrisikospielen der Profifußballligen an.  

         

        2. Investitionen in die Zukunft jetzt ermöglichen – auch für die Bezirke! 

        Die Spielräume im Haushalt des Landes Berlin werden für einige Jahre sehr begrenzt bleiben. Investitionen in die Struktur unserer Stadt wollen und können jedoch nicht auf sich warten lassen. Deshalb fordern wir die sozialdemokratischen Mitglieder des Abgeordnetenhauses von Berlin und des Berliner Senats auf weitere Bau- und Sanierungsoffensiven in unserer Stadt zu ermöglichen, auch über die bestehende Investitionsplanung des Landes hinaus. Die Finanzierung soll dabei in Analogie zu der erfolgreichen Schulbauoffensive erfolgen, um die zusätzlichen Bedarfe, z.B. beim Hochschulbau, abzubilden. Die Kredite dürften dabei ausschließlich von landeseigenen Unternehmen in Anspruch genommen werden im Sinne einer öffentlich-öffentlichen Partnerschaft (ÖÖP). Eine öffentlich-private-Partnerschaft (ÖPP) in den Bereichen der Daseinsvorsorge lehnen wir hingegen weiterhin strikt ab. Der Rahmen der zusätzlichen Kredite muss dabei sorgfältig erwogen werden, um zukünftige Haushalte nicht unverhältnismäßig zu belasten. 

        Unsere zweistufige Verwaltung begegnet sich dabei auf Augenhöhe. Deshalb muss auch bei Krediten die Regel gelten: Was für das Land gilt, gilt gleichermaßen für die Bezirke. Wenn ein Bezirk eine Investition in die Infrastruktur über ein ÖÖP umsetzen will, soll ihm dieser Weg eröffnet werden. 

         

        3. Ein Sondervermögen Klima endlich umsetzen!  

        Wir begrüßen es grundsätzlich, dass es den Plan gab, ein Klima-Sondervermögen einzuführen, um diese dringend notwendigen Investitionen trotz des engen Korsetts der der derzeitigen Schuldenbremse möglich zu machen. Allerdings ist dieses von der Koalition versprochene Sondervermögen auf Basis von Zuschüssen bisher nicht rechtssicher möglich geworden, unter anderem da es voraussichtlich das Prinzip der „Jährigkeit“ verletzen könnte, welches gerade bei energetischer Sanierung kostensteigernd wirkt. Von Seiten der CDU kommt nun der Vorschlag, landeseigene Unternehmen gemeinsam mit privaten Investor*innen für die notwendigen Kosten aufkommen zu lassen. Für uns ist aber klar: Dringend notwendige Investitionen für Klimaanpassung und -resilienz dürfen nicht vom Wohlwollen privater Investor*innen abhängen!  

        Stattdessen müssen dringend Möglichkeiten geschaffen werden, die geplanten Investitionen trotz der bisherigen Absage an das zuschussbasierte Sondervermögen rechtssicher zu ermöglichen. Solange die Schuldenbremse in ihrer heutigen Form besteht, muss das Sondervermögen so ausgestaltet werden, dass es auf Basis von Darlehen statt Zuschüssen funktioniert. Ein solches Programm ist vereinbar mit der Schuldenbremse, weil es Rückzahlungen der Förderempfänger*innen geben wird. Wir fordern die sozialdemokratischen Mitglieder des Abgeordnetenhauses von Berlin und des Berliner Senats auf, sich für die unverzügliche Einrichtung eines solchen Sondervermögens einzusetzen. Damit Berlin noch vor 2045 klimaneutral werden kann! 

         

        4. Finanzpolitisches Konzept für Berlin erarbeiten! 

        Über die aktuellen Entscheidungen für den Haushalt hinaus, brauchen wir einen klaren Kompass für eine sozialdemokratische Finanzpolitik, die den Menschen Sicherheit im Wandel bietet und Weichenstellungen für Berlins Zukunft ermöglicht. 

        Zu diesem Zweck entwickeln wir im kommenden Jahr ein finanzpolitisches Konzept für das Wahlprogramm 2026. Dieses Konzept soll beschreiben, wie die Einnahmebasis des Landes Berlin verbessert und die Finanzierung von Zukunftsinvestitionen sichergestellt werden kann, um auch die mit der Vision Berlin 2035 verbundenen Programme und Projekte nachhaltig umsetzen zu können.  

        Das Konzept muss: 

        • an den Bedarfen eines leistungsfähigen Staats und einer starken Zivilgesellschaft ausgerichtet sein, 
        • soziale Gerechtigkeit und Umverteilung mit Nachdruck befördern und 
        • transformative Investitionen in die sozial-ökologische Transformation im großen Stil ermöglichen. 

        Dabei dürfen wir auch nicht vor grundlegenden Strukturfragen zur Finanzverfassung von Bund und Ländern zurückschrecken und sollten bewusst auch innovative Ansätze zur Weiterentwicklung der Finanzpolitik berücksichtigen.

        Antrag 307/II/2024 Bezirke retten – keine Verwaltungsreform auf Kosten der Bezirke und damit der Vielfalt Berlins

        23.11.2024

        Die sozialdemokratischen Mitglieder des Senats, die SPD-Abgeordnetenhausfraktion sowie 

        der SPD Landesvorstand, sollen sich dafür einsetzen, dass das neue Landesorganisationsgesetz als wesentliche Grundlage der Verwaltungsreform nicht in seiner jetzigen Fassung beschlossen wird und nur dann durch die SPD Zustimmung findet, wenn: 

         

        • die faktische Auflösung der bezirklichen Eigenständigkeit aufgehoben wird (Streichung des § 20, Absatz 2, Nummer 3) 
        • die einzurichtende Einigungsstelle im Land Berlin die Kompetenz zur wirklichen Streitschlichtung erhält und deren Urteil nicht durch einen der Verfahrensbeteiligten (Senat) aufgehoben werden kann. (Streichung des §30 Absatz 4) Die Einigungsstelle soll vom Senat oder Bezirken bei vermeintlicher Übertretung von Befugnissen oder rechtswidrigem Verhalten zur Schlichtung angerufen werden können. 
        • es weder zur Einführung des sogenannten „politischen Bezirksamtes“ noch „Dezernentenmodells“ kommt, ohne dass in einem eigenen Landesparteitag dazu debattiert und abgestimmt wird.  

          Antrag 205/II/2024 Strategien zur Verbesserung der Drogen- und Obdachlosenpolitik in Berlin

          24.10.2024

          Um der gegenwärtigen Situation wirksam entgegenzutreten, fordern wir die Umsetzung folgender Maßnahmen:

           

          1. Aufklärung und Problembewusstsein:

          • Initiierung einer breit angelegten Aufmerksamkeitskampagne, um die Bürgerinnen und Bürger über die Anlaufstellen bei medizinischen Notfällen oder auch bei Drogenkonsum im öffentlichen Raum zu informieren
          • Ziel ist es, ein stärkeres Problembewusstsein zu schaffen und die Sichtweise der Gesellschaft zu verändern,

           

          2. Mobile und niedrigschwellige Sozialarbeit:

          • Verstärkung der mobilen Sozialarbeit, um vor Ort Hilfe und Beratung anzubieten. Dies beinhaltet die Verteilung sauberer Utensilien sowie niedrigschwellige Perspektiven zur Beratung für all jene in Not.

           

          3. Rückzugsorte schaffen:

          • Entwicklung und Einrichtung sowohl mobiler als auch permanenter Rückzugsorte für Drogenabhängige. Diese Stellen sollen als sichere Räume zum Konsum und für Aufenthalte dienen.

           

          4. Sensibilisierung der BSR (Berliner Stadtreinigung):

          • Die Berliner Stadtreinigung soll für die Problematik sensibilisiert werden, um bei der Risikominderung zu unterstützen und sicherzustellen, dass Spritzen und anderes gefährliches Material zeitnah entfernt werden, insbesondere auf Spiel-plätzen.

          5. Zugang zu Hilfsangeboten erhöhen:

          • Höherschwellige Angebote wie Sucht- und Entzugsprogramme sollen für die Betroffenen zugänglicher gestaltet werden. Dazu gehört der vereinfachte Zu-gang zu Ersatzmitteln wie Methadon.

           

          6. Koordiniertes Handeln in der Drogen- und Obdachlosenpolitik:

          • Die Themen Obdachlosigkeit und Drogenpolitik sollen im Rahmen einer ganzheitlichen Strategie für ganz Berlin zur inneren Sicherheit und Ordnung gedacht werden. Dies geht einher mit einer Erhöhung der Kapazitäten für Unterkünfte sowie der Schaffung von 24/7 Unterkünften, um den Menschen ein sicheres Umfeld zu bieten.

           

          7. Integration von Housing-First Modellen:

          • Weitere Implementierung des Housing-First Ansatzes, um Obdachlose schnell in Wohnraum zu integrieren und ihnen Zugang zu Hilfsmaßnahmen zu bieten.

           

          8. Bekämpfung von Armut und Schwarzarbeit:

          • Initiativen zur Bekämpfung von Schwarzarbeit und organisierter Kriminalität, die durch Berichterstattung und Bildungsprogramme unterstützt werden, aber auch regelmäßige und flächendeckende Kontrollen zur Bekämpfung von Schwarzarbeit sind notwendig. Darüber hinaus bedarf es einer funktionierenden Meldestelle für Verdachtsfälle von Schwarzarbeit.

           

          9. Öffentliche Räume gestalten:

          • Schaffung von kontrollierten Drogenkonsumräumen, z.B. am Stuttgarter Platz, um sicherere Konsumumgebungen zu bieten.

          Antrag 147/II/2024 Die Bundeswehr hat den Schuss nicht gehört: Für differenziertes Erinnern statt hohler Glorifizierung!

          24.10.2024

          Das öffentliche Gelöbnis am 20. Juli: Kein Raum für unkritisches Heldentum!

          Seit 1999 findet jährlich am 20. Juli in Berlin ein öffentliches Gelöbnis der Rekrut*innen der Bundeswehr statt. Die Wahl des Datums auf den Jahrestag des Attentats auf Hitler soll besonders an die Rolle der Militärs bei dem Attentat erinnern und diese den neuen Soldat*innen als Vorbild dienen. Eine differenzierte Einschätzung der einzelnen beteiligten Personen im Rahmen des Gelöbnisses ist nicht zu finden. So gibt es Belege, dass von Stauffenberg 1939 die antisemitische Rassenpolitik der Nationalsozialist*innen befürwortete. Laut Gedenkstätte Deutscher Widerstand gibt es keine Belege dafür, dass der Antisemitismus der Nazis das Motiv von ihm war. Auch von anderen, an dem Attentat beteiligten Militärs, gibt es Belege, dass es nicht der mörderische Antisemitismus war, der sie zum Umdenken bewegt hat. Von Helldorf, der 1930 in die NSDAP eintrat, war Teil von und leitete Gruppen, die jüdische und kommunistische Ärzte eigenmächtig absetzten, indem sie gewaltvoll das entsprechende Krankenhaus stürmten. Von Helldorfs rigoroses Vorgehen gegen die Berliner Jüdinnen*Juden wurde von Goebbels gelobt. Nebe, der vom NS-Regime als einer der Attentäter hingerichtet wurde, erprobte die Tötung von Menschenmassen mit Giftgas, war einer der Verantwortlichen der Euthanasie-Aktion und an mehreren Massenmorden gegen Juden*Jüdinnen, Rom*nja und Kommunist*innen beteiligt. Historiker*innen argumentieren, dass es der Kriegsverlauf und die sich abzeichnende Kriegsniederlage war, der viele der beteiligten Militärs motivierte, den Anschlag auf Hitler zu verüben.

          Bei dem öffentlichen Gelöbnis der Bundeswehr wird von den Attentätern als Vorbilder gesprochen, ohne zu differenzieren wer zu diesem Personenkreis gehörte, ohne auf die eigentlichen Motive einiger beteiligter Militärs einzugehen oder ihre antisemitische Weltanschauung zu thematisieren und kritisieren. Das Attentat war unumstritten sehr mutig und dem Widerstand gegen das NS-Regime muss gedacht werden. Aber Soldat*innen, die an Massenmorden beteiligt waren, jüdische Menschen terrorisiert haben oder dies guthießen sollten keine Vorbilder für Soldat*innen der Bundeswehr sein.

           

          Generalfeldmarschall-Erwin-Rommel-Kaserne: Keine Ehrung für NS-Propagandafigur!

          In Augustdorf, NRW gibt es bis heute eine Kaserne, die nach Generalfeldmarschall Erwin Rommel benannt wurde. Sie behielt den Namen auch nach dem neuen Traditionserlass der Bundeswehr aus 2018. Rommel, der Propagandafigur der Nationalsozialist*innen wurde, begrüßte die Machtergreifung der Nazis. Er führte eine Panzerdivision beim Frankreichfeldzug und war Befehlshaber während des Nordafrikafeldzuges der Achsenmächte. Letzterer hat ihm in Deutschland viel Ruhm gebracht, es entstand die Legende eines ritterlich geführten Krieges, des „Gentleman-War“.  Dies entspricht nicht der Wahrheit. Der Feldzug durch Nordafrika war geprägt von rassistischer und antisemitischer Gewalt. Unter dem Kommando von Walther Rauff kam es während des Tunesienfeldzugs zur systematischen Ermordung von Jüdinnen*Juden. Er war Verantwortlicher für die Entwicklung mobiler Gaswagen. Rommel war auch während des Feldzugs in Tunesien Befehlshaber. Die systematische Verfolgung, Entrechtung und Ermordung von nordafrikanischen Jüdinnen*Juden wurde nur durch den Feldzug ermöglicht. Rommels Verbindungen zum Attentat auf Hitler sind nicht eindeutig geklärt.

          Trotz dessen ist die Kaserne in Augustdorf nach Erwin Rommel benannt, außerdem sind in Gebäuden in der Kaserne Gemälde von Erwin Rommel in Wehrmachtsuniform zu finden.

           

          Geplante Änderung im Traditionserlass: Ehrenhafte Vorbilder statt Rehabilitierung von Ex-Nazis!

          Mitte August 2024 plante das Verteidigungsministerium eine Ergänzung im Traditionserlass vorzunehmen. Die 2018 erlassenen Richtlinien besagen ursprünglich, dass die Wehrmacht im Ganzen nicht traditionswürdig sei, einzelne Soldaten der Wehrmacht jedoch Teil des Traditionsgutes der Bundeswehr werden können, wenn sie beteiligt waren am militärischen Widerstand gegen das NS-Regime. Die geplante Ergänzung sah vor, dass auch die Wehrmachtssoldaten in das Traditionsgut aufgenommen werden können, die nach 1945 am Aufbau der Bundeswehr beteiligt waren. Eine Liste dieser vermeintlich traditionsstiftenden Personen umfasste unter anderem die Person Erich Topp, U-Boot-Kommandant, SS- und NSDAP-Mitglied. Teil der geplanten Ergänzungen war es demnach, in Zukunft auch ehemalige NSDAP-Mitglieder innerhalb der Bundeswehr würdigen zu können. Dass die geplanten Ergänzungen am 14.8.2024 zurückgenommen wurden, begrüßen wir.

          Als antimilitaristischer, antifaschistischer Jugendverband halten wir die Würdigung von Wehrmachtssoldaten grundsätzlich für problematisch. Auch die Würdigung von am militärischen Widerstand beteiligten Personen muss deutlich differenzierter stattfinden. Die Bundeswehr hat ein Rechtsextremismusproblem und das Verteidigungsministerium sollte dies nicht noch befeuern, sondern klare Vorbilder nennen. Personen, die NSDAP-Mitglieder waren, das NS-Regime unterstützten und / oder an Kriegsverbrechen beteiligt waren, können keine Vorbilder sein. Bei der Suche nach geeigneten Vorbildern für Bundeswehrsoldat*innen sollte der Blick vermehrt auf Deserteur*innen und sogenannte Kriegsverräter gerichtet werden.

          Daher fordern wir:

          • Die Umlegung des jährlichen öffentlichen Gelöbnisses weg vom 20. Juli und somit vom Jahrestag des Stauffenberg-Attentates hin zu einem angemessenen Datum. Grundsätzlich braucht es hinsichtlich des 20. Juli ein gesamtgesellschaftliches Umdenken, da das Gedenken an das Stauffenberg-Attentat von 1944 keine undifferenzierte Heroisierung von Antisemiten und Rassisten beinhalten darf!
          • Die Redner*innen der Bundeswehr sollen dies kritisch während der Reden und Außenkommunikation hervorheben
          • Die Umbenennung der Generalfeldmarschall-Erwin-Rommel-Kaserne und Entfernung der Gemälde, die Rommel in Wehrmachtsuniform zeigen.
          • Eine größere Sorgfalt bei der Auswahl von traditionsstiftenden und damit als Vorbild präsentierten Personen innerhalb der Bundeswehr: Anstatt darüber nachzudenken, wie das Ansehen ehemaliger NSDAP-Mitglieder und an Kriegsverbrechen beteiligter Wehrmachtssoldaten rehabilitiert werden kann, sollte bspw. das Gedenken an Deserteur*innen ausgeweitet werden.

           

          Überweisung an LaVo zur Überweisung an die Historische Kommission

          Antrag 115/II/2024 Für eine inklusive Gesellschaft: Abbau von Barrieren für Menschen mit (Hör-)Behinderung in Politik und Alltag!

          24.10.2024

          Die Jusos setzen sich schon seit langem für eine inklusive Gesellschaft ein, in der Menschen mit Behinderungen gleiche Chancen haben. Seit 2009 ist die UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland in Kraft. Die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen ist ein Menschenrecht, daher liegt es in unserer Verantwortung, weiterhin bestehende Barrieren in der politischen Teilhabe, Bildung und im Alltag abzubauen, um echte Gleichstellung zu erreichen. Dazu gehört die Umsetzung umfassender Maßnahmen zur Barrierefreiheit und Inklusion. Rund 80.000 Menschen in Deutschland sind gehörlos, viele weitere haben andere Hörbehinderungen. Sie werden, obwohl die UN-Behindertenrechtskonvention bereits seit 14 Jahren Gesetz ist, in vielen Bereichen weiterhin diskriminiert und ausgeschlossen. Das muss sich ändern!

           

          Wir müssen bei uns selbst anfangen!

          Auch in unseren Strukturen gibt es noch immer hohe Hürden für gehörlose Menschen, obwohl Artikel 29 der UN-Behindertenrechtskonvention fordert, dass Menschen mit Behinderungen die gleiche Möglichkeit zur Teilnahme am politischen Leben haben müssen. Trotzdem haben Menschen mit Hörbehinderungen, wie Gehörlose, Taube und Schwerhörige, oft keinen Zugang zu den digitalen Inhalten unserer Partei, da diese häufig nicht barrierefrei sind, z.B. fehlen Untertitel. Ohne diese Untertitel können sie die Informationen nicht verstehen. Viele Gehörlose sind zusätzlich durch die deutsche Schriftsprache benachteiligt, da sie diese nicht ausreichend beherrschen. Das liegt daran, dass sie in der Schule oft nicht ausreichend gefördert wurden und der Unterricht meist in Lautsprachbegleitenden Gebärden (LBG) stattfindet. Dieses Problem wird als Sprachdeprivation bezeichnet.

          Um die Inhalte für Gehörlose zugänglich zu machen, sollten daher auch Video-Beiträge in Deutscher Gebärdensprache (DGS) angeboten werden. Auch taubblinde Menschen sind oft von unseren Social-Media-Beiträgen ausgeschlossen, da es keine schriftlichen Beschreibungen gibt. Außerdem sollten Videos mit Audiodeskriptionen versehen werden, damit Menschen mit Sehbehinderungen verstehen können, wer spricht und was im Video gezeigt wird.

          Wir fordern deshalb, dass alle Beiträge aller Parteigliederungen und aller Mandatsträger*innen gut lesbare Untertitel enthalten, um sie für Menschen mit Hörbehinderungen zugänglich zu machen.

          Wir fordern außerdem, dass es mehr Sensibilität in der Produktion von Videos gibt und regen an, dass die Jusos Berlin für ihre Accounts Videos in Deutscher Gebärdensprache und nach dem Standard der BITV 2.0 Verordnung anbietet, die eine uneingeschränkte und barrierefreie Gestaltung von moderner Informationstechnik ermöglichen soll, um mehr Leute anzusprechen und für uns gewinnen zu können.

           

          Auch im Bildungsbereich ist noch viel zu tun!

          Das SGB IX (Neuntes Sozialgesetzbuch) regelt die Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen, um deren Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft zu fördern. In diesem Rahmen erhalten Menschen mit Hörbehinderungen Unterstützung durch Gebärdensprach- und Schriftdolmetscher*innen. Diese Maßnahmen sollen ihnen eine wirksame Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ermöglichen.

          In der Praxis erfahren Menschen mit Hörbehinderungen jedoch oft Benachteiligungen durch die Umsetzung der Regelungen in den §§ 82 und 112 des SGB IX, die die Förderung der Verständigung und die Bildung betreffen. Die Normen sind allerdings sehr offen formuliert, was den Sachbearbeiter*innen in den konkreten Entscheidungen große Interpretationsspielräume gibt. Das kann von Vorteil sein, allerdings muss man feststellen, dass die Sachbearbeiter*innen in den Sozialämtern, aufgrund eines immer größeren Spardrucks, diese Regelungen häufig restriktiv interpretieren., was zu Diskriminierungen führt.

          Die Bewilligung von Dolmetschleistungen wird oft streng an den Stundenplan der Schule gebunden, was den Zugang zu diesen Leistungen einschränkt. Man erhält also nur für die im Stundenplan aufgeführten Unterrichtsstunden Dolmetscher*innen, wobei auch dort bestimmte Fächer, wie Sport, nicht automatisch, sondern nur mit zusätzlicher Begründung übernommen werden, während außerschulische Aktivitäten wie Exkursionen und Kursfahrten nicht abgedeckt sind. Dies bedeutet, dass für jede solche Veranstaltung ein neuer, umfangreicher bürokratischer Antrag gestellt werden muss, dessen Bewilligung unsicher ist, insbesondere bei Kursfahrten ins Ausland. Darüber hinaus übernehmen die Sozialämter zwar die Kosten für Schriftdolmetschungen, z.B. im Englischunterricht, nicht jedoch für die notwendige Technik wie Mikrofone und Empfänger. Dies führt oft zu technischen Problemen, die die Leistung der Dolmetscherinnen beeinträchtigen, und die Eltern müssen häufig die zusätzlichen Kosten tragen. Wenn die Anträge auf Unterstützung nicht bewilligt werden, bleibt den Betroffenen oft nur der Weg zum Gericht. Diese zusätzliche Belastung beeinträchtigt die Bildungsergebnisse der Betroffenen erheblich.

          Obwohl ihnen das Recht zusteht, gleichberechtigt am Bildungssystem teilzunehmen, ist der Besuch einer Regelschule für sie mit einem erheblichen Aufwand verbunden, statt, dass sie sich einfach auf die Schule konzentrieren können. Um den Betroffenen zu ermöglichen, sich voll auf ihre Bildung zu konzentrieren, sollten die Sozialämter die Kosten für diese Dolmetschleistungen und die benötigte Technik vollständig übernehmen.

          Wir fordern deshalb, dass Exkursionen, Kursfahrten und auch außerschulische Veranstaltungen in das Sozialgesetzbuch aufgenommen werden, damit es einen sicheren Rechtsanspruch auf Gebärdendolmetscher*innen gibt. Dies gilt insbesondere auch für Kursfahrten in europäische Länder, bei denen die Bereitstellung von Gebärdensprachdolmetscher*innen selbstverständlich sein muss. Darüber hinaus muss die Übernahme der Technikkosten für Schriftdolmetschungen explizit im SGB IX festgeschrieben wird. Nur dann erfüllt das Sozialgesetzbuch die Anforderungen aus der UN-Behindertenrechtskonvention. Schließlich fordern wir die Einrichtung einer zentralen Beschwerde- und Aufsichtsstelle, die die Einhaltung und korrekte Umsetzung der Regelungen des SGB IX überwacht und sicherstellt.

           

          Deutsche Gebärdensprache als Unterrichtsfach!

          Nach dem Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) soll die Deutsche Gebärdensprache (DGS) ab der Sekundarstufe I als Wahl- und Wahlpflichtfach eingeführt werden. Die DGS ist eine eigenständige Sprache, die gesetzlich verankert ist. Leider ist dies bisher so gut wie nicht umgesetzt worden. Das Lernen der Sprache für hörende Menschen hilft bei der Inklusion und kann Kommunikationsprobleme beheben. Außerdem kann das frühzeitige Angebot eines solchen Unterrichtsfaches dazu führen, mehr Menschen, z.B. für die Studiengänge Deaf Studies oder Gebärdensprachdolmetscher*innen zu begeistern, was wiederum die großen Personalprobleme in diesen Feldern bekämpfen kann. Zudem könnten hörende Schüler*innen, die die DGS frühzeitig lernen, später in der Arbeitswelt barrierefrei mit Gehörlosen kommunizieren.

          Wir fordern deshalb, dass der Beschluss der Kultusministerkonferenz endlich ernst genommen und umgesetzt wird. Außerdem fordern wir, dass geprüft wird, ob die Einführung eines Wahlpflichtfaches DGS schon in der Grundschule umsetzbar ist, um schon frühzeitig das Erlernen der DGS zu ermöglichen.

           

          Here’s my number, call me maybe!

          Der Tess-Relay-Dienst ist ein nichtstaatlicher Relay-Service für Gehörlose und Schwerhörige in Deutschland, der es ihnen ermöglicht, hörende Personen anzurufen. Dabei dolmetschen Gebärdensprach- oder Schriftdolmetscher*innen den Anruf in Laut- und Gebärden- oder Schriftsprache. Der Dienst wirkt jedoch veraltet, wie aus der Zeit der „ersten Telefone“ und traditionellen Telefonzentralen.

          Er bietet nicht mal die Möglichkeit, selbst Telefonnummern einzugeben, eine eigene Telefonnummer zu besitzen, sodass man direkt von hörenden Personen angerufen werden kann oder Telefonnummern einzuspeichern und so eine Kontaktliste anzulegen. Auch ein Anrufbeantwortersystem ist nicht vorhanden. Möchte man über dieses System eine Nachricht hinterlassen, muss man eine E-Mail senden, sodass die gehörlose Person später zurückrufen kann.

          Gehörlose und Schwerhörige erleben jährlich technologische Fortschritte, doch der Tess-Relay-Dienst hinkt diesen Entwicklungen weit hinterher, was zur Folge hat, dass Gehörlose und Schwerhörige nicht die gleiche Selbstständigkeit erlangen können.

          Dies ist ein unzumutbarer Zustand, gerade wenn man sieht, dass es in den USA, Kanada, Großbritannien oder Australien bereits deutlich fortschrittlichere Lösungen gibt.

          Deshalb fordern wir, dass Deutschland seiner Verantwortung gemäß der UN-Behindertenrechtskonvention gerecht wird und entweder selbst einen modernen Telefondienst entwickelt oder entsprechende Initiativen aktiv unterstützt!

           

          Stell dir vor, es brennt und keiner versteht dich!

          Auch in den Rettungsdiensten wird unzureichend an gehörlose oder schwerhörige Menschen gedacht. Sie können in der Regel nicht barrierefrei mit der Polizei oder Rettungsdiensten kommunizieren, da bei diesen in der Regel nicht mal Grundkenntnisse in Deutscher Gebärdensprache vorliegen. In der Folge ist die Gefahr von Missverständnissen, etwa bei einem medizinischen Notfall, sehr hoch. Wir fordern deswegen, dass in den Rettungsdiensten die Sensibilität für die DGS gesteigert wird und verpflichtende Schulungen zur Kommunikation stattfinden!

           

          Auch die Tagesschau macht mit: Leichte Sprache!

          14 Millionen Menschen sind auf Leichte Sprache angewiesen. Sie verwendet einfache Wörter, Erklärungen für Fachbegriffe, vermeidet Abkürzungen, arbeitet mit kurzen Sätzen und arbeitet mit möglichst vielen Bildern. Sie hilft Menschen mit Lese- und Lernschwierigkeiten, kognitiven Behinderungen sowie Menschen mit geringen Deutschkenntnissen, Informationen zu verstehen. Dadurch fördert sie Inklusion und Teilhabe, indem sie es ermöglicht, selbstständig zu agieren, etwa bei der Nutzung von Informationen, Wahlprogrammen oder auf Webseiten. Verschiedene Ministerien und Behörden, wie das Bundesministerium für Gesundheit oder das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, nutzen diese Form der Kommunikation.

          Bis heute ist jedoch, anders als bei der Deutschen Gebärdensprache, nicht eindeutig gesetzlich festgelegt, ob Leichte Sprache als eigenständige Sprache oder als Kommunikationsform gilt. Es bleibt unklar, nach welchen Kriterien diese Unterscheidung getroffen werden sollte. Das ist deswegen wichtig, weil Menschen mit Sprachbehinderungen nur dann das Recht haben, diese Sprache, etwa in der Schule oder auf der Arbeit, zu verwenden, wenn diese gesetzlich anerkannt ist. Angesichts der hohen Zahl von Menschen, die auf die Leichte Sprache angewiesen sind und ihrer Wirkung, fordern wir, dass sie, genauso wie die Deutsche Gebärdensprache, als eigenständige Sprache anerkannt wird.

          Zusammenfassend fordern wir,

          • dass alle Social-Media Beiträge aller Parteigliederungen und aller Amts- und Mandatsträger*innen gut lesbare Untertitel enthalten, um sie für Menschen mit Hörbehinderungen zugänglich zu machen und mit einer Bildbeschreibung bzw. einem Alternativtext versehen werden, um Barrieren für sehbehinderte und blinde Menschen zu reduzieren.
          • dass es mehr Sensibilität für Inhalte für Gehörlose gibt und regen an, auf dem Social Media Accounts der Jusos Berlin auch Videos in Deutscher Gebärdensprache zur Verfügung zu stellen
          • dass Anträge und interne Dokumente der Jusos und der SPD in einfacherer Sprache als bisher geschrieben werden.
          • dass Exkursionen, Kursfahrten und auch außerschulische Veranstaltungen in das SGB IX aufgenommen werden, damit es einen sicheren Rechtsanspruch auf Gebärdendolmetscher*innen gibt,
          • dass die Übernahme der Technikkosten für Schriftdolmetschungen explizit im SGB IX festgeschrieben wird,
          • die Einrichtung einer zentralen Beschwerde- und Aufsichtsstelle, die die Einhaltung und korrekte Umsetzung der Regelungen des SGB IX überwacht und sicherstellt,
          • dass der Beschluss der Kultusministerkonferenz zur Einführung eines Wahlpflichtfaches Deutsche Gebärdensprache in der Sekundarstufe I endlich flächendeckend umgesetzt wird,
          • dass geprüft wird, ob die Einführung eines Unterrichtsfaches DGS schon in der Grundschule umsetzbar ist,
          • dass Deutschland seiner Verantwortung gemäß der UN-Behindertenrechtskonvention gerecht wird und entweder selbst einen modernen Telefondienst entwickelt oder entsprechende Initiativen aktiv unterstützt
          • dass in den Rettungsdiensten die Sensibilität für die DGS gesteigert wird und verpflichtende Schulungen zur Kommunikation stattfinden,
          • dass die Leichte Sprache, genauso wie die Deutsche Gebärdensprache, als eigenständige Sprache anerkannt wird

          Zum Abschluss möchten wir betonen, dass die Umsetzung all unserer Forderungen im Einklang mit dem Grundsatz der UN-Behindertenrechtskonvention stehen sollte: „Nicht über Menschen mit Behinderung reden, sondern mit ihnen!“ Aus diesem Grund ist auch dieser Antrag in enger Zusammenarbeit mit einer gehörlosen Person entstanden.