Die sozialdemokratischen Mitglieder des Bundestages, der künftigen deutschen Bundesregierung sowie des Europäischen Parlaments werden beauftragt, dafür Sorge zu tragen, dass im Rahmen der Digitalisierung bzw. digitalen Transformation durch geeignete Behörden bzw. das Parlament ethische Regeln erarbeitet werden.
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Antrag 204/I/2018 Ethische Regeln für Digitalisierung / digitale Transformation erarbeiten
22.04.2018Antrag 205/I/2018 Algorithmen offenlegen
22.04.2018Die sozialdemokratischen Mitglieder des Bundestages, der künftigen deutschen Bundesregierung sowie des Europäischen Parlaments werden beauftragt, dafür Sorge zu tragen, dass datensammelnde Unternehmen und soziale Netzwerke ihre Algorithmen offenlegen müssen, einschließlich einer transparenten Informationspflicht gegenüber Jedermann zur Verwendung seiner Daten.
Antrag 91/II/2017 SPD solidarisch: Mieter*innen-Partei – Parteinahme für Mieter*innen in Berlin
8.11.2017(Ersetzungsantrag zu den Anträgen 33/II/2017, 34/II/2017, 35/II/2017, 36/II/2017, 37/II/2017)
Kooperationsverbot aufheben und Eigenbedarfskündigungen einschränken
Ohne eine Änderung des Grundgesetzes sind ab 2020 die Länder allein für die soziale Wohnraumversorgung zuständig. Angesichts der Entwicklung am Mietwohnungsmarkt, dem Auslaufen von Belegungsbindungen und dem Einsetzen der Schuldenbremse droht damit eine weitere Verschärfung der Lage am Mietwohnungsmarkt – vor allem in den großen Ballungsräumen und Universitätsstädten. Wir sind daher der Überzeugung, dass die Förderung des sozialen Wohnungsbaus auch zukünftig als Gemeinschaftsaufgabe „Wohnen für alle!“ von Bundesebene und Ländern, zweckgebunden und langfristig auch nach 2019 fortgeführt werden muss. Das Kooperationsverbot muss auch in diesem Handlungsfeld aufgehoben und der Schwerpunkt der Förderung auf die Förderung von bezahlbaren Mietwohnungen und nicht auf die steuerliche Förderung der Eigentumsbildung gelegt werden, wie sie die konservativ-liberalen Parteien fordern.
Die Zahl der preiswerten Mietwohnungen, vor allem der in der Vergangenheit geförderten Sozialwohnungen geht seit einigen Jahren dramatisch zurück. Nicht nur das Auslaufen der Bindungsfristen, sondern der schleichende Verlust von preiswerten Mietwohnungen durch Umwandlung in Eigentumswohnungen tragen schleichend dazu bei. In Berlin sind allein in den Jahren 2011 bis 2016 mehr als 62.000 Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt worden. Vor allem innerstädtische Wohnungen in den Ballungszentren wie Berlin sind betroffen. Wir treten daher dafür ein, dass diese Umwandlungspraxis aufhört, d. h., dass die gesetzlichen Anforderungen an eine Umwandlung in Wohnungseigentum deutlich verschärft werden müssen. Die Mietwohnung muss ein gesetzlich geschütztes Gut werden.
Berlin wird sich daher dafür einsetzen, dass das Baurecht, dahingehend geändert wird, dass die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in Milieuschutzgebieten komplett untersagt wird. Alle Ausnahmeregelungen im Baurecht sind abzuschaffen.
Darüber hinaus wird sich Berlin dafür einsetzen, dass Städte und Gemeinden in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten, Umwandlungsverbote erlassen können.
Berlin wird sich dafür einsetzen, dass die rechtliche Grundlage für verbindliche Mietobergrenzen nach Modernisierungen in Milieuschutzgebieten geschaffen wird. Diese sollen auch bei Neuvermietungen Geltung haben.
Berlin wird sich dafür einsetzen, dass die Regelungen bei der Eigenbedarfskündigung verschärft werden:
- So ist das Recht auf Eigenbedarfskündigung, auf den tatsächlichen Eigentümer zu beschränken.
- Die Ausübung der Eigennutzung muss kontrolliert werden.
- Der Missbrauch muss sanktioniert werden.
Modernisierung / Energetische Sanierung muss klar geregelt werden
- -Zukünftig sollen nur die Maßnahmen auf die Miete umgelegt werden können, die Wirtschaftlichkeitsprinzipien entsprechen.
- Eine Überprüfung der Maßnahmen durch den Mieter muss möglich sein. Unzulässige Modernisierungsmaßnahmen müssen vom Mieter abgelehnt werden können.
- Die Höhe der Modernisierungsumlage soll künftig auf 6% beschränkt werden.
- Die Nettokaltmiete nach der Modernisierung wird – analog zur Mietpreisbremse – auf einen Betrag begrenzt, der die ortsübliche Vergleichsmiete um nicht mehr 10% übersteigt.
- Konkretisierung der Härtefallklausel durch Einführung eines Regelbeispiels: Härte liegt regelmäßig vor, wenn mehr als 40 Prozent des Nettohaushalts-einkommens für Miete einschließlich Heizkosten gezahlt werden muss.
In der nächsten Wahlperiode steht aufgrund der EU-Rechtsprechung eine Änderung der ENEV und des Erneuerbare-Energien-Wärmegesetzes an. Geplant ist die Zusammenfassung zu einem Gebäudeenergiegesetz (GEG).
Wir fordern, dass zukünftig energetische Sanierungen genau auf ihre Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit geprüft werden und kein Mieter eine energetische Sanierung fürchten muss. Unser Ziel ist es, die Praxis des grauen Baumarktes zu stoppen, der vorgeblich energetische Sanierungen für Entmietungen in attraktiven Großstadtquartieren nutzt. Wir werden uns dafür einsetzen, dass Städtebauförderprogramme und die KfW-Förderung sich zukünftig auf die energetische Sanierung von Quartieren konzentrieren und dass die Förderung auf eine warmmietneutrale Sanierung ausgerichtet wird.
Der qualifizierte Mietspiegel muss als Instrument gestärkt werden. Ein wesentlicher Punkt dabei ist die Verlängerung des Bezugszeitraumes auf mindestens 10 Jahre. Konkretisierung der Anforderungen an Mietspiegel, vor allem durch eine Mietspiegelverordnung der Bundesregierung, in der insbesondere für qualifizierte Mietspiegel Grundsätze aufgestellt werden.
Der Spekulation mit Grund und Boden muss durch Entwicklungsmaßnahmen, Baugebote und durch die Anpassung der Besteuerung entgegengewirkt werden. Durch eine kürzere Befristung der Baugenehmigungen soll der Grundstückshandel eingedämmt werden.
Im Rahmen der geplanten Novelle des Baugesetzbuches muss ein planungsrechtliches Instrument zur Steuerung der Bodenpreisentwicklung geschaffen werden, welches auch kleinteilig anwendbar ist.
Aufgaben in Berlin
- Berlin wird selbst Grundstücke aktiv erwerben und preislimitierte, am Verkehrswert orientierte Vorkaufsrechte aktiv nutzen bzw. Abwendungsvereinbarungen zum Schutz der Mieterinnen und Mieter schließen.
- Wir fordern, dass innerhalb des S-Bahnrings möglichst flächendeckend und darüber hinaus in allen Gebieten, welche die Voraussetzungen dafür erfüllen, soziale Erhaltungssatzungen nach § 172, Absatz 1, Satz 1, Nr. 2 BauGB (Milieuschutz) aufgestellt werden.
- Im Haushalt des Landes Berlin ist hinreichend Vorsorge zu treffen, dass den Bezirken ausreichende personelle und finanzielle Mittel zur Ausweisung und Kontrolle von Maßnahmen nach §172 BauGB zur Verfügung stehen.
- Das Land Berlin legt eine neue Modernisierungsförderung mit mindestens 70 Mio. Euro pro Jahr auf. Diese Fördermittel sind vorrangig für Maßnahmen in sozialen Erhaltungsgebieten einzusetzen. Sie sollen vor allem für warmmietneutrale Sanierungen eingesetzt werden, die entsprechend abgesichert werden müssen.
- Die Abkehr von der Privatisierungslinie und der neue Kurs des Berliner Senats zur Stärkung der landeseigenen Wohnungsbauunternehmen muss konsequent fortgesetzt werden, um einen funktionierenden sozialen Mietmarkt zu gewährleisten. Dies bedeutet, dass das Land Berlin seinen Anteil an landeseigenen Wohnungen perspektivisch auf 500.000 Wohnungen weiter erhöhen muss. Um diese Strategie langfristig abzusichern, müssen Privatisierungen von kommunalem Eigentum verfassungsrechtlich ausgeschlossen werden.
- Innerhalb dieser Wahlperiode soll Berlin die Zahl der geförderten Sozialwohnungen auf 6000 pro Jahr steigern. Wir streben dabei an, dass nach dem Grundsatz verfahren wird „Einmal gefördert, immer gebunden.“.
- Wir bekräftigen die Zielsetzung des Koalitionsvertrages zur dauerhaften sozialen Belegungsbindung in den städtischen Wohnungsbauunternehmen.
- Die Mieten im sozialen Wohnungsbau sind durch ein neues System der Mietenkalkulation für WBS berechtigte Haushalte zu kappen. Belegungsbindungen sind konsequent für die Versorgung berechtigter Haushalte zu nutzen.
- „Das Mietenbündnis für soziale Wohnungspolitik und bezahlbare Mieten“ des Landes Berlin muss durch die Einbeziehung von kooperationswilligen genossenschaftlichen und privatwirtschaftlichen Wohnungsunternehmen auf eine breitere Basis gestellt werden. Ziel muss es sein, in einem solchen Bündnis, bezahlbare Mietwohnungen nach Hamburger Modell zur Verfügung zu stellen.
- Es ist zu prüfen, ob alle Rechtsvorschriften in einem Wohnraumschutzgesetz zusammengefasst werden können. Darin soll das Land Berlin insbesondere den Abriss von preisgünstigen Mietwohnungen verhindern und weitere Instrumente gegen die Vernachlässigung und Überbelegung von Wohnraum ein- bzw. zusammenführen. Mit der Senatsverwaltung abgesprochene Maßnahmen der Bezirke sind für ggf. eintretende Rechtsstreitigkeiten finanziell abzusichern.
- Das geschützte Marktsegment, Wohnungen für Menschen mit dringendem Wohnraumbedarf, ist auszuweiten. Private, kommunale und genossenschaftliche Wohnungsunternehmen sollen pro Jahr 3.000 Haushalte mit dringendem Wohnbedarf unterbringen. Insbesondere private Wohnungsunternehmen müssen sich bei der Unterbringung dieser Nachfragegruppen mehr engagieren.
- Die neuen Modularbauten für Flüchtlinge sollen in den nächsten Jahren für die Versorgung von weiteren Zielgruppen geöffnet werden, um so gemischte Quartiere zu entwickeln.
- Das Land Berlin intensiviert das Monitoring des Wohnungsmarktes. Dazu muss es eine halbjährige Auswertung der Bestandsentwicklung bei Mietwohnungen geben – getrennt nach unterschiedlichen Mietpreis-Einstufungen und Belegungsbindungen. Ziel ist eine kontinuierliche Bestandsaufnahme und eine belastbare Prognose über die Zahl des Bestandes und des Zubaus der Mietsozialwohnungen und bezahlbaren Wohnungen sowie die Zahl der aus der Förderung bzw. Bindung fallenden geförderten Mietwohnungen zu erhalten.
Hier sollten die Daten über die durch Luxus-Modernisierungen und Aufteilung in Eigentumswohnungen verlorenen Wohnungen ausgewiesen werden. Angaben über die Zahl der noch benötigten oder gebauten Wohnungen, ohne Angabe zu den Mietpreisen verzerren das Bild. Das Ergebnis der Auswertung sollte der Handlungsrahmen für die Bedarfsplanung der Stadtentwicklungspolitik des Landes Berlin werden. - Berlin sucht eine intensivere Kooperation mit dem Land Brandenburg, um zu einer gemeinsamen Stadtentwicklung und Wohnungsbaupolitik in der Region zu kommen.
- Berlin verpflichtet sich dazu, zukünftig und dauerhaft eine enge Kooperation mit den Wohnungsgenossenschaften zu suchen. Genossenschaften sind Akteure mit sozialer Verantwortung.
- Genossenschaften stellen gegenwärtig mit ca. 200.000 Wohnungen 12% der Wohnungen in Berlin bereit. Mit einem durchschnittlichen Mietpreis von 5,20 Euro pro m² im Bestand sind sie ein wichtiger Bestandteil für die Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum in unserer Stadt. Insbesondere für Mittelschichtsfamilien, denen sonst kaum noch Zugang zu bezahlbaren Wohnungen zur Verfügung steht, bieten sie sicheren Wohnraum auf Dauer. Um diese Funktion zu stärken, muss das Land Berlin Genossenschaften stärker fördern, damit diese die Zahl an erschwinglichen Genossenschaftswohnungen ausbauen können.
- Die SPD Berlin ruft ihre Mitglieder dazu auf, die Berliner Mieterselbstorganisationen zu unterstützen und Mitglied zu werden.
Antrag 48/II/2017 Sichere Fluchtrouten statt Festung Europa!
14.10.2017Die S&D-Fraktion möge beschließen:
In Artikel 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention ist das Recht auf Leben eines jeden Menschen verbrieft: „Das Recht jedes Menschen auf Leben wird gesetzlich geschützt.“ Wenn ein Recht auf Leben ernstgenommen wird, so muss dies auch beinhalten, dass Menschen vor lebensbedrohlichen Situationen in ein sicheres Land fliehen können, ohne für diese Flucht mit ihrem Leben zu bezahlen. Ein Recht auf Leben muss folglich ein Recht auf sichere Flucht vor Bedrohung beinhalten.
Leider müssen wir feststellen, dass sich die Europäische Union von diesem Anspruch zunehmend entfernt. Satt ein sicherer Zufluchtsort für Flüchtende zu sein, rüstet die Europäische Union ihre Außengrenzen immer stärker zu tödlichen Festungsmauern. Allein von Januar bis Juli 2017 sind mindestens 2500 Menschen bei ihrer versuchten Flucht nach Europa im Mittelmeer ertrunken. Rund 300.000 Menschen wagten die Lebensgefährliche Überfahrt laut UN-Angaben im Jahr 2016. Dabei stünde eine Vielzahl von Mitteln und Wegen zur Verfügung, um dies vermeiden. Jeder Mensch, der sich bei seiner Flucht nach Europa in Lebensgefahr begeben muss, straft den Anspruch der Europäischen Union, Wertegemeinschaft und Vorbild für Grund- und Menschenrechte zu sein, Lügen.
Die Europäische Union und die Bundesrepublik Deutschland versuchen die europäischen Außengrenzen weiter vom Mittelmeer weg in die Sahara zu verlegen, um die Migration auf den europäischen Kontinent weiter zu erschweren. Unter dem Vorwand der Terrorismus- und Schlepperbekämpfung werden Grenzanlagen ausgebaut und der Grenzschutz militarisiert. Dazu schrecken die EU-Staaten nicht vor einer Kooperation mit Diktaturen zurück. Schon heute ist der Weg durch die Wüste ähnlich gefährlich wie der darauffolgende Weg über das Meer. Sie ist schon heute ein vergessener Friedhof – allerdings werden die Leichen nicht angespült und NGOs können die nordafrikanischen Staaten kaum bewegen, weil weder Sicherheit noch rechtsstaatlicher Schutz vor Willkür garantiert ist.
Derweil machen sich die Europäischen Regierungschef*innen einen schlanken Fuß: Anstatt den innereuropäische Streit um die Aufnahme von Flüchtenden unter den Mitgliedländern zu lösen und den rassistischen Reflexen in den Mitgliedsländern mutig entgegenzutreten, verlagern sie ihre „Problemlösung“ nach Außen.
Wir müssen erleben, wie Zäune errichtet und mit Waffengewalt verteidigt werden, Deals mit Despoten gemacht und Flüchtende in Internierungscamps von marodierenden Verbrechern zurückgeschoben werden. Anstatt flüchtende Menschen zu schützen, werden die Europäischem Grenzen vor dem Übertritt durch Flüchtende „geschützt“. Auch die deutsche Bundesregierung nimmt dies nicht nur billigend in Kauf, sondern beteiligt sich aktiv an Deals mit Erdoğan und der libyschen Küstenwache. Dabei werden sehenden Auges massive Menschenrechtsverletzungen und zahllose Todesfälle in Kauf genommen.
Über Parteien hinweg kommt sowohl aus Deutschland als auch aus anderen Ländern der EU immer wieder die Forderung zur Bekämpfung von sogenannten Fluchtursachen. Gemeint sind hier eine ganze Bandbreite von Maßnahmen, die sich wahlweise auf die ‚Bekämpfung’ von Armut und kriegerischen Konflikten oder Direktmaßnahmen in sogenannten Drittstaaten zur Verhinderung von Fluchtmöglichkeiten richten. Diese Form von aktionistischem Handeln lehnen wir ab. Als internationalistischer Jugendverband erkennen wir an, dass Menschen solange von ihren Heimatländern flüchten werden, wie globale Ungleichheiten, sowohl in ökonomischer Hinsicht als auch in Belangen der körperlichen Unversehrtheit sowie der gesellschaftlichen und politischen Teilhabe, in dem Ausmaß existieren, wie es heute der Fall ist. Mit ein wenig Entwicklungszusammenarbeit und Hochrüstung der Grenzen in Drittstaaten ist es deshalb nicht getan. Deutschland und die Europäische Union insgesamt tragen zu einem erheblichen Teil zur Verstetigung von globalen Ungleichheiten durch asymmetrische Handelspolitik, Waffenexporte und teils imperialistische Außenpolitik bei. Die Flucht bietet deshalb für viele Menschen eine wesentlich konkretere Perspektive, ihre Lebensumstände zu verbessern – und in letzter Konsequenz ihr Leben zu retten – als vage Zusagen der Entwicklungszusammenarbeit, die mithin einzig auf das Erschließen von neuen Märkten ausgerichtet sind. Bestünde tatsächlich ein ernst gemeintes Interesse an der Bekämpfung von Fluchtursachen durch die Europäische Union – und nicht an der Bekämpfung von Flucht –, müssten Maßnahmen in viel stärkerem Ausmaß auf die Bekämpfung von globalen Ungleichheiten ausgerichtet sein.
Die Europäische Union hat im Mittelmeer eine Militärmission („Sofia“) zur „Bekämpfung von Schlepperkriminialität“ ins Leben gerufen. Anstatt eine Seenotrettungsmission zur Rettung von Menschen auf dem Mittelmeer zu finanzieren, kreuzen nun Kriegsschiffe vor der libyschen Küste, um den Schleppern ihr Geschäft zu erschweren. Die frühere Mission ‚Mare Nostrum‘ war eine Seenotrettungsmission, die zumindest ein Mindestmaß an Hilfe gewährte – auch wenn sie ebenfalls bereits Ansätze der aktuellen Fehlentwicklung enthielt. Dabei läge der Schlüssel, um das Geschäftsmodell der Schlepper zu unterbinden, in der Hand der Europäischen Union selbst: Die Schlepper können nur so lange Geld mit der tödlichen Mittelmeerüberfahrt verdienen, wie es keine legalen Wege zur Flucht nach Europa gibt. Offenbar besteht bei den Regierungschef*innen derzeit eine höhere Bereitschaft, Geld für unsinnige Militäraktionen aufzuwenden, als dieses Geld in die Rettung von Menschenleben, humanitäre Visa und Integrationsmaßnahmen zu investieren.
Für uns ist klar, dass internationale Solidarität und die Durchsetzung des Rechtes auf Leben nicht an den Europäischen Außengrenzen aufhören dürfen. Egal aus welchem Grund oder von welchem Ort ein Mensch flieht, niemand darf dafür mit seinem Leben bezahlen. Der gefährlichen Spirale zwischen Hochrüstung der Grenzen und immer gefährlicheren Fluchtrouten muss endlich ein Ende gemacht werden. Unser Ziel ist, dass alle Menschen dort leben können, wo sie wollen. Als Sofortmaßnahmen für sichere Fluchtrouten fordern wir jedoch von der deutschen Bundesregierung und der Europäischen Union:
1. Sichere Fluchtwege Schaffen: Vergabe humanitärer Visa
Kein Mensch müsste sich auf ein Schlauchboot zur Mittelmeerüberfahrt begeben, wenn die sichere Flucht legalisiert wäre. Beispielsweise ist eine Einreise per Flugzeug sicher und deutlich billiger, jedoch nach EU-Richtlinie 2001/51/EG nicht legal: Fluggesellschaften haften demnach, wenn Passagiere im Zielland wegen fehlender Papiere abgewiesen werden. Das Unternehmen muss eine Strafe zahlen, den Rückflug organisieren und für Unterkunft und Verpflegung bis zur Rückreise aufkommen. Entsprechend werden Personen ohne Visum nicht transportiert.
Wir fordern daher:
- Es muss eine humanitäre Visafreiheit eingeführt werden. Jeder Grenzübertritt – ob auf dem Land-, See- und Luftweg – mit dem Ziel, in einem Staat einen Asylantrag zu stellen, muss legalisiert sein. Diese Regelung muss die Durchreise einschließen.
- Die Bereitstellung humanitärer Visa (nach dem Beispiel Italiens) zur legalen Einreise und zur Übernahme der Reisekosten in die Europäische Union. Bis zum Zeitpunkt einer Einigung muss die deutsche Bundesregierung eine entsprechend hohe Anzahl für die Einreise nach Deutschland zur Verfügung stellen und den sicheren Transport in die Europäische Union organisieren und finanzieren.
- Die humanitären Visa sind gebührenfrei und unbürokratisch in den Botschaften und Konsulaten zu gewähren. Dafür müssen die nötigen personellen Aufstockungen in den Botschaften so schnell wie möglich umgesetzt werden, um die Wartezeiten zu minimieren.
- Die Familienzusammenführung von geflüchteten Personen ist umgehend wieder aufzunehmen und ebenfalls schnell und unbürokratisch über die Vergabe humanitärer Visa zu ermöglichen.
- Die EU-Richtlinie 2001/51/EG muss ersatzlos gestrichen werden.
2. Libysche Folter-Camps schließen
Der UNO-Koordinator für Libyen, Martin Kobler, beschreibt die Situation in den Libyschen Camps als „furchtbar, entsetzlich und grauenhaft“. Die Menschen sind unterernährt, willkürlicher Gewalt ausgesetzt und auf engstem Raum zusammengepfercht. Es wird von systematischen Erschießungen berichtet. Viele dieser Camps werden „privat“ von Milizen betrieben. Schätzungen zufolge hat die libyschen Regierung nicht mehr als 30 Prozent des libyschen Territoriums unter Kontrolle.
Wir fordern daher:
- Alle Menschen, die sich in libyschen Camps befinden, sind umgehend in sichere Camps umzusiedeln. Eine Rückführung flüchtender Menschen nach Libyen darf keine Option sein.
- Die Menschenrechtsverbrechen in den Camps sind vor dem Internationalen Strafgerichtshof für Menschenrechte anzuklagen.
- Jegliche Unterstützung der Europäischen Union, die in die Hände der autonomen Milizen gelangen könnte, beispielsweise über die libyschen Küstenwache, ist sofort einzustellen
3. Flüchtlingscamps nach UN-Standards
Die finanzielle Ausstattung von UN Organisationen zur Hilfe und Unterbringung für Geflüchtete muss sofort verbessert werden. UNHCR und das World Food Program sind immer wieder genötigt, die grundlegenden Standards in den Camps zu senken, die Essensrationen zu kürzen und können im Winter nicht sicher vor dem Erfrieren schützen. Solche Umstände sind unverantwortbar.
Daher bekräftigen wir erneut unsere bereits bestehenden Forderungen:
- Die Bundesregierung muss alle notwendigen Finanzmittel bereitstellen, um die humanitären Standards in den Flüchtlingscamps zu gewährleisten.
- eine drastische und dauerhafte Erhöhung der durch die Bundesregierung zur Verfügung gestellten Plätze im Rahmen des Resettlement-Programms
- eine Reform des Resettlement-Verfahrens: Das Resettlement-Auswahlverfahren darf nicht nach Bildungsstand, Herkunft oder Religionszugehörigkeit entschieden werden, sondern je nach Notlage.
- unmittelbar nach der Ankunft sollte eine intensive Erstbetreuungsphase mit gesundheitlicher und psychologischer Unterstützung stattfinden.
- Die Geflüchtetenunterbringungen auf dem europäischen Festland müssen ebenfalls dringend verbessert werden. Vielfach erfüllen sie selbst nicht humanitäre Mindeststandards.
4. Europäische Seenotrettung
Wir fordern:
- Die europäische Grenzschutzagentur FRONTEX muss unverzüglich abgeschafft werden. Es steht für die menschenrechtswidrige und militarisierte Grenzabschottung der EU. Da die Agentur zudem nicht demokratisch kontrolliert werden kann, bleibt nur die gänzliche Auflösung.
- die Wiedereinsetzung einer Europäische Seenotrettungsmission nach dem Vorbild der Mission „Mare Nostrum“ mit zusätzlichen Mitteln und Finanzen. Diese können durch eine Umwidmung der Mission „Sofia“ zur Verfügung gestellt werden. Es ist Aufgabe der Europäischen Union sicherzustellen, dass ihre Außengrenzen nicht zum Massengrab werden. In der derzeitigen Situation ist dies nur mit einer staatlich organisierten Seenotrettung möglich.
- Die Staaten mit südlicher EU-Außengrenze können die Integration von tausenden Geflüchteten nicht alleine schultern. Die aus Seenot geretteten Flüchtenden müssen virtuell auf alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union nach einem festen Schlüssel solidarisch verteilt werden. Wenn ein Staat weniger Geflüchtete aufnimmt, als er müsste, muss er an diejenigen Staaten, die mehr Geflüchtete aufnehmen, als der Schlüssel besagt, zahlen. Diese Regelung kann auch durch die partielle Streichung von EU-Geldern an diesen Staat durchgesetzt werden. Die Verpflichtung zu den oben genannten Ausgleichszahlungen bleibt weiterhin bestehen. Außerdem müssen für Unterbringung, Betreuung und Asylverfahren Mindeststandards gelten, von denen einige EU-weit, andere Mitgliedslandspezifisch sein müssen.
- Eine Rückführung von Menschen in nicht-sichere Staaten muss ausgeschlossen werden. Das Non-Refoultment-Prinzip der Genfer Flüchtlingskonvention gilt uneingeschränkt.
5. Keine Deals zur gewaltsamen Zurückhaltung von Flüchtenden
Die sogenannte „Flüchtlingsdeal“ mit der Türkei, sowie informelle Abkommen mit anderen Mittelmeer-Anreinerstaaten über die gewaltsame Zurückhaltung von flüchtenden Menschen sind umgehend aufzukündigen. Sie sind aus moralischen und humanitären Gründen nicht zu rechtfertigen, widersprechen internationalem Recht und machen die Europäische Union politisch erpressbar.
6. Die Kriminalisierung humanitärer Hilfe stoppen
Seitdem die europäische Seenotrettungsmission beendet wurde, haben es sich gut ein Dutzend Nicht-Regierungs-Organisationen (NGOs) zur Aufgabe gemacht, die Menschen im Mittelmeer vor dem Ertrinken zu retten. Rund 40 Prozent der Rettungen im Mittelmeer wurden in den letzten 1,5 Jahren von privaten Helfer*innen durchgeführt. Dass diese eigentlich staatliche Verantwortung auf Laien und NGOs abgewälzt wird, ist an sich bereits Grund für Kritik. In den letzten Monaten wurde die humanitäre Hilfe auf dem Mittelmeer jedoch regelrecht kriminalisiert. Von rechten Bewegungen in Italien, Österreich und Deutschland ausgehend wurden absurde Anschuldigungen erhoben, die NGOs würden mit Schleppern kooperieren und Schleuser-Tätigkeiten durchführen. Ohne jegliche Beweise und trotz massiver Dementi seitens der NGOs wiederholte der deutsche Innenminister Thomas de Maizière ähnliche Anschuldigungen und die Italienische Regierung nötigte den NGOs einen „Code of Conduct“ auf, der ihre Arbeit massiv einzuschränken droht. Als die libyschen Küstenwache einseitig eine 70-90 Seemeilen große „Search-and-Rescue-Zone“ vor ihrer Küste ausrief, und somit internationale Hoheitsgewässer annektierte, erfolgte von der Europäischen Union keinerlei Reaktion – obgleich die EU den Aufbau der libyschen Küstenwache finanziert und unterstützt. Die Seenotrettungs-NGOs sehen sich seither massiven Übergriffen und Bedrohungen durch die libysche Küstenwache ausgesetzt, viele haben ihre Rettungsaktivitäten vorerst eingestellt oder stark eingeschränkt. Die nun fehlenden Rettungskapazitäten wurden von staatlicher Seite jedoch nicht ersetzt, sodass die Situation vor der libyschen Küste für die Flüchtenden nun noch gefährlicher ist als zuvor.
Daher fordern wir:
- Ein Ende der Kriminalisierung von humanitärer Hilfe auf dem Mittelmeer durch die Bundesregierung und insbesondere das Innenministerium
- Die Aufbauhilfe für die libysche Küstenwache so lange auszusetzen, bis die libysche Küstenwache ihre Übergriffe auf NGOs glaubhaft unterlässt und die einseitig erklärte „Search- and – Rescue- Zone“ aufgibt.
- Sicherheitsgarantien für die im Mittelmeer operierende NGOs durch die Europäische Union und Deutsche Bundesregierung. Keine humanitäre Organisation darf dazu gezwungen werden, bewaffnetes Personal an Bord zu nehmen.
- Nach der Umsetzung dieser Sofortmaßnahmen muss die Europäische Union und die Bundesrepublik Deutschland damit beginnen, die uneingeschränkte Bewegungsfreiheit für alle Menschen zu realisieren. Es kann unter keinen Umständen gerechtfertigt sein, dass ein Teil der Menschheit ihr Leben riskieren muss, um Grenzen zu überwinden, während ein privilegierter Teil genauso wie Waren und Kapital sich grenzenlos bewegen kann. Eine Welt ohne Grenzen ist möglich.
7. Internationale Solidarität ermöglichen statt Flucht bekämpfen
Die Europäische Union gemeinsam mit den 28 Mitgliedstaaten trägt nach Eigenangaben mehr als 50 Prozent der weltweiten Mittel für Entwicklungszusammenarbeit. Globale Ungleichheiten als zentrale Ursache für Fluchtbewegungen konnten bisher allerdings nicht wirksam eingedämmt werden. Seit der Verstärkung von Flüchtlingsbewegungen im Jahr 2015 hat die Europäische Union zusätzliche budgetäre Mittel in die Hand genommen, um den sogenannten Grenzschutz in den südlichen Mittelmeeranrainerstaaten zu verstärken. Zusätzlich wurden über die längerfristigen Mittel für Entwicklungszusammenarbeit hinaus verstärkt Mittel für Nord-und Westafrika bereitgestellt, die die ‚Fluchtursachen’ bekämpfen sollen. Entwicklungszusammenarbeit muss sich stärker an Maßgaben internationaler Solidarität messen lassen, damit sie ihre intendierte oder vorgeschobene Wirkung erzielen. Sofortmaßnahmen sind nur dann hilfreich, wenn sie akute humanitäre Krisen bekämpfen und somit Flucht zu einer Option anstatt zu einer lebenserhaltenen Notwendigkeit macht.
Deshalb fordern wir:
- Einen ehrlichen Umgang in der Diskussion um die Bekämpfung von Fluchtursachen. Gerade die SPD muss als Partei der internationalen Solidarität (gem. Hamburger Programm) stärker die Wechselwirkung zwischen dem deutschen Engagement im Ausland und Fluchtbewegungen in die Europäische Union thematisieren. Aktionistische Konzepte der SPD zur Bekämpfung von Fluchtursachen in Zeiten hoher Flüchtlingsbewegung müssen allgemeinen Konzepten der Bekämpfung von globalen Ungleichheiten weichen.
Die Anerkennung der Flucht als legitimes Mittel zur Verbesserung der individuellen Lebenssituation. Fluchtbewegungen werden zuvörderst durch globale Ungleichheiten ausgelöst. Die Ermöglichung von Flucht ist daher oft das schnellste und effektivste Mittel internationaler Solidarität, unabhängig davon, ob sich die individuelle Fluchtmotivation aus kriegerischen Konflikten, Verwehrung gesellschaftlicher und politischer Teilhabe, Verletzung der körperlichen Unversehrtheit oder ökonomischen Erwägungen speist.
Antrag 52/II/2017 §7 InsO wieder in Kraft setzen.
14.10.2017Die Mitglieder der Bundestagsfraktion der SPD werden aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass §7 der Insolvenzordnung wieder in Kraft gesetzt wird.