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Antrag 150/I/2022 Hände weg von den Daten - Kein Big Data für die Polizei!

17.05.2022

Durch die fortschreitende Digitalisierung lassen sich immer mehr Daten über Menschen und ihr Leben erheben. Diese Daten entstehen maßgeblich im digitalen Raum. So zeigen immer wieder Untersuchungen, dass Unmengen an Daten im Internet über die Nutzer*innen gesammelt werden – oftmals ohne ihr Wissen. Weiterhin gibt es Berichte, dass selbst digitale Profile von Menschen von Diensten angelegt werden, die diese Dienste (z.B. Facebook) gar nicht selbst nutzen. Klar ist: Es werden immer mehr Daten über Menschen erhoben, ob sie es wissen oder nicht.

Im Zuge der Pandemiebekämpfung wurden auch Apps zur Kontaktnachverfolgung eingesetzt. So arbeitete die Corona-Warn-App mit Open Source (also einem öffentlich einsehbaren und bearbeitbaren Code) und möglichst datensparsam, um die notwendigen Daten zur Kontaktnachverfolgung zu erheben. Neben der von der öffentlichen Hand finanzierten Corona-Warn-App gab es auch kommerzielle Alternativen, wie die Luca-App. Diese wurde vor allem zur Kontaktnachverfolgung in Restaurants eingesetzt. Dazu musste allerdings immer ein Name eingegeben werden, sodass die Nutzung – anders als bei der Corona-Warn-App – nicht anonym war. Diese fehlende Anonymität versuchte sich die Polizei in mehreren Ländern zunutze zu machen. So wurde beispielweise in Mainz ohne Rechtsgrundlage seitens der Polizei auf Daten aus der Luca-App zurückgegriffen, um Zeug*innen in einem mutmaßlichen Tötungsdelikt ausfindig zu machen. Das heißt, in diesem Fall wurden ohne richterlichen Beschluss, die persönlichen Daten von Unbeteiligten abgefragt. In Baden-Württemberg gab es ähnliche Fälle und auch in Brandenburg kündigte die Polizei an, dass Daten aus der Luca-App genutzt werden sollten.

 

Dies sind allerdings nicht die einzigen Fälle, in denen Strafverfolgungsbehörden Daten von Unbeteiligten massenhaft abgreifen. So beschloss vor kurzem das bayerische Landeskriminalamt, die umstrittene Software Palantir einzusetzen. Diese Software wird bereits von Hessen genutzt und setzt das sogenannte Datenmining ein. Dabei werden Daten aus verschiedenen Datenbanken miteinander verknüpft. Palantir ist für den Bereich der Big Data, also sehr große Datenmengen, konzeptioniert. Zwar soll die Software nach Angaben des bayerischen LKAs nicht mit dem Internet verbunden werden und keine neuen Daten erhoben werden, aber dennoch werden Daten nicht für den Zweck verwendet, für den sie ursprünglich gespeichert worden sind. Die Wahrscheinlichkeit, dass Daten so zweckentfremdet werden, ist dadurch sehr groß. Die Software soll für Terrorismusbekämpfung eingesetzt werden. Allerdings werden durch die Verknüpfung von Datenbanken auch massiv persönliche Daten von Menschen abgefragt, die nicht im Kontext von Terrorismusbekämpfung erhoben worden sind. Der bayerische Landesdatenschutzbeauftragte hält dies für einen deutlichen Eingriff in die Grundrechte vieler Menschen. Wie genau welche Daten abgefragt und verknüpft werden, ist zudem nicht öffentlich bekannt. Der Vertrag, den die bayerische Polizei mit Palantir abgeschlossen hat, ist so ausgelegt, dass andere Länder und auch der Bund diesem leicht beitreten und die Software auch nutzen können. Viele Expert*innen hegen allerdings Zweifel an der Datenschutz- und Verfassungskonformität der Software. Nach Berichten hat das Unternehmen seine Produkte auch der Berliner Polizei vorgestellt. Für uns ist ein Einsatz einer Software, die nachweislich im Widerspruch zum Grundgesetz steht, nicht hinnehmbar. Wir lehnen eine solche Kooperation strikt ab.

 

Die Daten, die von Strafverfolgungsbehörden in Deutschland erhoben werden, sind hochsensibel. Immer wieder gab es in den letzten Jahren Berichte darüber, dass Adressen von Aktivist*innen, Politiker*innen oder Prominenten ohne Rechtsgrundlage abgefragt worden sind. Fast wöchentlich gibt es neue Berichte über rechtsextreme Polizist*innen. Der Einsatz undurchsichtiger, umstrittener und datenschutzrechtlich hoch zweifelhafter Software wird diese angespannte Lage nicht verbessern. Stattdessen müssen Menschen nun Sorge habe, dass ihre Daten ohne Grund auf einmal in Terrorismuskontexten auftauchen, nur weil eine Software dies entschieden hat. Die neuen Möglichkeiten, die sich auch für Strafverfolgungsbehörden durch die Digitalisierung ergeben, dürfen kein Freifahrtschein für Grundrechtseinschränkungen sein.

 

Wir fordern daher:

  • Die Berliner Polizei wird weder die Luca-App, noch vergleichbare Apps ohne richterlichen Beschluss für die Strafverfolgung oder andere Ermittlungen nutzen.
  • Die Berliner Polizei wird Auswertung- und Analysesoftware wie z.B. Palantir nicht für die Auswertung eingriffsintensitätsarmer Daten nutzen.
  • Berlin wird sich auf Bundesebene dafür einsetzen, dass strenge Datenschutzmaßgaben insbesondere an den polizeilichen Umgang mit Daten beschlossen und umgesetzt werden. Das Ziel dieser Maßgaben muss sein, Grundrechte zu schützen und den Einsatz sowie den Kauf von Software wie Palantir zu unterbinden.

 

Antrag 73/I/2022 Gegen Kinderarbeit im Internet!

17.05.2022

Influencer*innen – Menschen mit vielen Follower*innen auf Social-Media-Plattformen – sind allgegenwärtig in der digitalen Welt. Viele Menschen filmen ihren Alltag und posten Produkte, die sie mögen oder für deren Werbung sie bezahlt werden. So werden beispielsweise Menschen bezahlt, die ihre Videos auf YouTube hochladen und wenn eine bestimmte Anzahl an Menschen diese anschauen. Während dies für viele Erwachsene eine Nebeneinkunft oder ihre Haupteinnahmequelle darstellt, tauchen auch immer wieder Kinder in diesen Videos auf.

 

So werden Kinder, manchmal ab dem Tag ihrer Geburt, fast täglich und dauerhaft gefilmt, auch um mit diesen ‘Family-Vlogs’ Geld zu verdienen. Dabei wird die Privatsphäre der Kinder oft massiv verletzt. Dabei haben auch Kinder ein Recht auf Privatsphäre, dies ist beispielsweise in der UN-Kinderrechtskonvention verankert. Hinzu kommt, dass auch das Mitspielen oder Vorkommen in den Videos für die Kinder Arbeit darstellen kann. So ist davon auszugehen, dass kapitalistische Interessen im Vordergrund stehen, wenn mit den Aufnahmen der Kinder Geld verdient wird, sei es durch die Videos an sich oder durch gezielte Produktplatzierungen. Neben Kindern, die auf Familienkanälen auftreten, gibt es auch komplette Kanäle, in denen fast ausschließlich Kinder als Influencer*innen auftauchen. In diesen Videos bewerten Kinder beispielsweise Spielzeuge oder zeigen sich bei ihrer Routine für die Schule, während sie oftmals ebenfalls bezahlte Produktplatzierungen einsetzen. Aufgrund des jungen Alters der Kinder ist nicht davon auszugehen, dass ihnen der vollkommene Umfang und die Auswirkungen ihres Influencer*innen-Daseins klar sind. Ebenfalls ist unklar, was mit den Einnahmen der Inhalte passiert. Da die Kinder noch nicht geschäftsfähig sind, müssen die Eltern dies verwalten. Somit ist nicht klar, dass das von den Kindern erarbeitete Geld auch ihnen zugutekommt.

 

Diese Arbeit findet allerdings im Privaten statt, das heißt wie der Ablauf der Arbeit ist – bis auf das öffentliche Endergebnis – ist nicht für Behörden usw. einsehbar. Das Jugendarbeitsschutzgesetz ist ebenfalls nicht auf die Arbeit von Kindern im Internet ausgelegt. So gibt es zwar Ausnahmen für die Arbeit von Kindern für Filmaufnahmen, allerdings sind diese auf professionelle Produktionen ausgelegt, nicht auf die Arbeit zuhause. Durch die Arbeit im Privaten gibt es auch keine Daten darüber, wie viele Kinder in Deutschland als Influencer*innen arbeiten, was auch seitens des Deutschen Kinderhilfswerks kritisiert wurde.

 

Kinderarbeit ist in Deutschland und vielen anderen Ländern der Welt aus guten Gründen illegal. Kinder brauchen Zeit für ihre freie Entfaltung, ihre Schulbildung, Zeit für Freund*innen, ohne sich mit kapitalistischen Logiken auseinandersetzen zu müssen. Das Internet stellt die Gesetzgeber*innen hier vor die Aufgabe, möglichst schnell Wege zu finden, um Kinder auch vor digitalen Formen der Kinderarbeit zu schützen. Hierbei sind verschiedene Behörden und Dienste mit einzubeziehen.

 

Wir fordern daher:

  • Mehr geschultes pädagogisches Personal an Schulen! Die medienpädagogische Bildung in der Schule, insbesondere in Bezug auf Jugendarbeit im Netz, sollte einen größeren Fokus erhalten. Hierbei geht es um einen präventiven Ansatz, das heißt, dass das Problem angegangen wird, bevor es entsteht. Das pädagogische Personal soll dahingehende geschult werden, diese Problematiken frühzeitig zu erkennen und die Schüler*Innen ggf. im Umgang mit der Thematik zu unterschützen.
  • Konkretes Handeln braucht konkrete Zahlen: Wir fordern, dass eine Studie in Auftrag gegeben wird, die untersucht, wie viele Kinder und Jugendliche im Internet arbeiten. Darüber hinaus soll untersucht werden, in welchen Altersklassen die Kinder sind, die im Internet arbeiten. Um Jugendarbeitsschutz auch im Internet durchzusetzen, braucht es konkrete Regelungen. Daher fordern wir die explizite Erwähnung von Arbeit im Internet im Jugendarbeitsschutzgesetz.
  • Abteilungen in den Regional-Sozialpädagogischen Diensten (RSD) schaffen, die sich explizit mit dem Thema auseinandersetzen: Wir fordern die Aufstockung des Personals des RSD, welches sich explizit mit dieser Thematik auseinandersetzt und dafür zuständig ist. Die massive Unterbesetzung der Jugendämter gilt es zu beheben. In der Zusammenarbeit der Arbeit der Jugendämter und den Eltern sollen Angebote, die zu einer Sensibilisierung der Eltern führen, konzipiert und angewendet werden!
  • Zusammenarbeit von Jugendamt und Gewerbeaufsicht im Umgang mit Kinder- und jugendlichen Influencer*innen: Die multiprofessionelle Zusammenarbeit von dem RSD und der Gewerbeaufsicht ist ein essentieller Faktor in dieser Thematik. Daher fordern wir eine Art “Taskforce” aus beiden Professionen und Arbeitsgebieten, sodass den Kindern und Jugendlichen effizienter geholfen werden kann. Kinder und Jugendliche, die zur Schule gehen oder eine andere Bildungseinrichtung besuchen, haben eine zu hohe Belastung von den zu erwarteten Lerninhalten, wenn zudem noch eine übermäßige Belastung durch die Arbeit als Kinder- und Jugendlichen-Influencer*innen hinzukommt. Dies kann massive Entwicklungspsychologische negative Folgen für die Kinder und Jugendlichen haben, welche unter Doppelbelastung leiden. Dementsprechend ist es auch wichtig, dass die Gewerbeaufsicht bei solchen Tätigkeiten auf die kindeswohlkonforme Einhaltung der Richtlinien achtet. Dies sollte Aufgabe der RSD Mitarbeiter*innen sein, damit die betroffenen Kinder und Jugendlichen bestmöglich und schnellstmöglich aktiv unterstützt werden.
  • Wir bleiben bei unserer Forderung, dass die Kinderrechte im Grundgesetz verankert werden müssen: “Kinder haben Rechte”, Rechte die in unserem Grundgesetz verankert werden müssen. 1992 hat sich Deutschland der verbindlichen Ratifizierung verpflichtet, “die Rechte von Kindern zu achten, zu schützen und zu fördern”. Hierbei geht es darum, dass die Kinder (alle Personen unter 18) einen besonderen “Schutz” genießen sollen. Dies umfasst sowohl die Anerkennung als eigenständiges Recht der Persönlichkeit, das Kindeswohl an allererster Stelle bei allen zu entscheidenden Punkten, das Recht auf eine freie und adäquate Entwicklung und Entfaltung, Recht auf Schutz, eine angemessenen Förderung, zudem auch einen angemessenen Lebensstandard, außerdem die Verpflichtung des Staates, für kindgerechte Lebensbedingungen Sorge zu tragen. Die Verankerung als eigenständigen Bestandteil im Grundgesetz ist essentiell für die Stärkung und Wahrnehmung der Kinder und Jugendlichen in unsere Gesellschaft. Darum fordern wir eine zeitnahe Verankerung der am 5. April 1992 ratifizierten UN-Kinderrechtskonventionen im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland.
  • Workshops in Schulen und anderen Bildungseinrichtungen zur Sensibilisierung für das Problem: Soziale Medien sind ein Teil der heutigen Bildungslandschaft, allerdings sind sie noch nicht immer in Lehrplänen vertreten – im Rahmenlehrplan Berlin tauchen sie zum Beispiel nur zum Teil auf. Die meisten Kinder und Jugendlichen haben heutzutage mind. einen Social-Media-Zugang oder nutzen die Accounts von ihren gesetzlichen Erziehungsberechtigten, was vorerst nicht verwerflich ist. Jedoch kann die Nutzung ohne eine Sensibilisierung und Schulungen auch große Gefahren mit sich bringen. So steigt beispielsweise die Anzahl der Abhängigen, Suizidgefährdeten und psychisch Belasteten aufgrund von Medien und explizit Social-Media Konsum kontinuierlich an. Deshalb sollten Schulen in diesen Punkten die Familien/gesetzlichen Erziehungsberechtigten unterstützten. Hierzu sollten die Schüler*innen über die Gefahren und ihre Rechte, explizit ihre Rechte im Netz, aufgeklärt werden. Das wäre ganz im Sinne eines lebensweltorientierten Bildungs- und Erziehungsauftrages. Dies könnte zum Beispiel durch Workshops und Seminare für Schüler*innen geschehen. Schüler*innen sollen dabei eine gewisse Partizipation in Workshops und Seminaren erhalten.

 

Antrag 155/I/2022 Hass auf Telegram und anderen Messengern unterbinden – Geltendes Recht auch online durchsetzen

17.05.2022

Im Netz finden massenweise Gesetzesverstöße statt: Beleidigungen, Bedrohungen, Aufrufe zu Gewalt bis hin zu Volksverhetzung. Zuletzt steht besonders der Messenger-Dienst Telegram unter Kritik. Er ist derzeit eine der wichtigsten Plattformen von Pandemie-Leugner*innen und der verschwörungsideologischen Szene. In den Gruppen und Kanälen der App vermischen sich unter anderem Querdenker*innen und Rechtsextreme. Dabei werden sowohl irreführende und falsche Informationen über die Pandemie verbreitet, Proteste organisiert und Hass und Hetze verbreitet.

 

Durch eine Suchfunktion und das problemlose Hinzufügen von Kontakten in Gruppen, kann das dazu beitragen, dass sich unterschiedlichste Menschen radikalisieren. Unter anderem solche, die sich auf Telegram einfach nur umschauen möchten oder den Messenger nur nutzen, um im Kontakt mit ihrer Familie oder Freund*innen zu bleiben.

 

Im Dezember 2021 berichtete das ZDF-Magazin „Frontal“ über Mordpläne gegen den sächsischen Ministerpräsidenten auf Telegram. Während andere Plattform-Betreiber wie Facebook oder Twitter mittlerweile verstärkt gegen solche rechtswidrigen Inhalte in ihren Netzwerken vorgehen, löscht oder sperrt der Messenger-Dienst Telegram nur selten. Telegram ist dafür bekannt, Meinungsfreiheit äußerst weit auszulegen und Behörden abblitzen zu lassen. Das hat die Plattform in autoritären Ländern wie Belarus, wo Demonstrant*innen seit Monaten für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in ihrem Land kämpfen zu einem wichtigen Werkzeug für demokratische Protestbewegungen gemacht, führt aber hierzulande auch zur Situation, dass Mordaufrufe einfach stehen bleiben und nicht gelöscht werden.

 

Telegram ermöglicht es, private Nachrichten auszutauschen. Daneben können Nutzer*innen über den Dienst aber auch öffentlich kommunizieren, in Gruppen mit bis zu 200.000 Mitgliedern oder über sogenannte Kanäle. Wegen dieser Funktionen stufen deutsche Justizbehörden Telegram mittlerweile nicht mehr als bloßen Messenger, sondern als soziales Netzwerk ein. Damit fällt der Dienst unter das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG). Das verpflichtet Anbieter*innen sozialer Netzwerke dazu, rechtswidrige Inhalte auf ihren Plattformen zu löschen, wenn sie ihnen gemeldet werden. Ab Februar 2022 gilt zudem die Pflicht, bestimmte strafbare Inhalte an das Bundeskriminalamt zu melden, inklusive der IP-Adresse, über die die Nutzer*innen identifizierbar sind. Wir bleiben bei unserer Ablehnung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes. Dass private Unternehmen nach eigenem Ermessen Daten an Strafverfolgungsbehörden ohne richterlichen Beschluss schicken, entspricht nicht unserer Auflassung des Rechtsstaats.

 

Telegram hält diese Verpflichtungen jedoch nur sporadisch ein. Das Unternehmen mit Sitz in Dubai ist für deutsche Behörden in der Vergangenheit nur schwer erreichbar gewesen und Schreiben von Staatsanwaltschaften und des Bundesamtes für Justiz, die den Messenger nach den Regeln des NetzDG behandeln wollte, blieben zunächst unbeantwortet. Um Druck aus Telegram auszuüben, haben sich daher in den letzten Monaten Forderungen zur Regulierung des Messengers – vom Ausschluss aus den App-Stores bis hin zur Blockade mittels Netzsperren, die das Bundesministerium des Innern und für Heimat als letzte Konsequenz ins Spiel gebracht hat, überschlagen.

 

Laut Recherchen von Netzpolitik.org ist Telegram nun seit Beginn diesen Jahres sehr punktuell gegen einige Verschwörungsinhalte in deutschen Gruppen vorgegangen – möglicherweise ein erstes Signal des Einlenkens. Manche Gruppen ließen sich nicht öffnen und Kommentare in Kanälen seien nicht sichtbar. Dabei handele es sich jedoch offenbar nur um wenige Einzelfälle.

 

Zudem soll es Anfang Februar ein erstes Gespräch des Innenstaatssekretärs Markus Richter mit Verantwortlichen bei Telegram gegeben haben, nachdem Google der Bundesregierung eine E-Mailadresse zur Kontaktaufnahme von Telegram verraten hatte.

 

Trotz aller Probleme mit Telegram ist ein Großteil der Kommunikation über den Messenger völlig legal. Eine Sperrung des Messenger-Diensts ist daher weder zielführend noch verhältnismäßig. Für uns ist die Bekämpfung und vor allem Verfolgung von Straftaten online wie offline eine Kernaufgabe unseres Rechtsstaates. Die Verfolgung von Straftaten, wie Beleidigungen, Drohungen, Aufrufen zu Gewalt und Volksverhetzung auf Telegram darf nicht von der Kooperationswilligkeit der Betreiber des Messenger-Dienstes abhängig sein, sondern muss konsequent durch den deutschen Staat erfolgen.

 

Eine General-Sperre für soziale Netzwerke beinhaltet daneben das Risiko, dass problematische Kommunikation schlicht auf andere Plattformen abwandert. So wird das Problem nur verlagert, nicht aber effektiv bekämpft. Wenn also ein Messenger-Dienst vielfach genutzt wird, um Straftaten zu verüben, ist nicht die Blockierung des Dienstes zielführend, sondern vor allem ein gezielter Einsatz von Polizei und Bundeskriminalamt, die auch im digitalen Raum in die Lage versetzt werden müssen, geltendes Recht durchzusetzen und so sichere kommunikative Teilhabe zu ermöglichen.

 

Die fehlende Handlungsfähigkeit des deutschen Staates im Bezug auf Telegram zeigt, dass es an digitalen Kompetenzen und dem Willen, Recht im Digitalen durchzusetzen fehlt.

 

Es ist für uns nicht hinnehmbar, dass es offenbar einen Bericht von ZDF-Journalist*innen braucht, bis Polizei und Staatsanwaltschaft auf Mordpläne gegen Ministerpräsident*innen in öffentlich zugänglichen und mitlesbaren Chatgruppen aufmerksam werden und handeln. Immer wieder gibt es desweitern Fälle, bei denen Menschen unter Klarnamen zu schweren Straftaten bis zu Morden aufrufen. Passiert ist lange Zeit nichts und gehandelt wurde erst, als eine große Öffentlichkeit entstanden ist.

 

Deswegen fordern wir:

  • Wir fordern, dass das Bundeskriminalamt entsprechend ausgestattet und für den Umgang mit Straftaten im Netz geschult wird, damit verübte Straftaten konsequent verfolgt und vor Gericht gebracht werden können.
  • Wir fordern eine bessere personelle Ausstattung und Schulung deutscher Polizei- und Justizbehörden, um geltendes Recht in digitalen Strukturen effektiv durchzusetzen.
  • Wir fordern niedrigschwellige Meldestellen für Online-Delikte bei den Landeskriminalämtern, um Straftaten auf Messenger-Plattformen wie Telegram unkompliziert und direkt melden zu können.
  • Beleidigungen, Drohungen, Volksverhetzung und Aufrufe zu Gewalt in öffentlichen Kanälen sind für alle einsehbar und verstoßen klar gegen das Gesetz. Chatgruppen können infiltriert werden, es besteht lediglich ein Vollzugsdefizit. Wir halten deshalb fest an unserer Forderung nach auf Plattformen wie Telegram zugeschnittene Schwerpunktstaatsanwaltschaften, um Ermittlungsverfahren tatsächlich durchzuführen.

 

Antrag 152/I/2022 Recht auf Verschlüsselung statt Chatkontrolle

17.05.2022

Die derzeit von der EU-Kommission beabsichtige Einführung einer verpflichtenden Überprüfung jeglicher digitaler Kommunikation auf Inhalte, die im Zusammenhang mit Kindesmissbrauch stehen (sog. Chatkontrolle), lehnen wir als unverhältnismäßig ab. Die Pflicht beträfe nach jetzigem Stand „relevante Anbieter von Internetdiensten“, was im Zweifel nicht nur E-Mail-Kommunikation und Plattformen wie Facebook oder Twitter, sondern auch Ende-zu-Ende verschlüsselte Messenger-Dienste wie Signal oder WhatsApp umfassen würde. Bei letzteren käme eine solche Prüfpflicht de-facto einem Verbot wirksamer Verschlüsselung gleich. Die Pläne der EU-Kommision stehen damit im direkten Widerspruch zu den Vereinbarungen des Koalitionsvertrags im Bund, in dem wir ein Recht auf Verschlüsselung sowie die generelle Ablehnung  allgemeiner Überwachungspflichten und Maßnahmen zum Scannen privater Kommunikation beschlossen haben.

 

Da die Prüfung auf Inhalte ohne durch die Betroffenen gesetzte Verdachtsmomente erfolgen soll, handelt es sich um eine anlasslose Überprüfung. Der EuGH hat wiederholt entschieden, dass eine flächendeckende und anlasslose Massenüberwachung mit Grundrechten nicht vereinbar ist, selbst wenn es um die Verhinderung oder Aufklärung schwerster Straftaten geht. Überwachung privater Kommunikation darf nur gezielt und auf Grundlage eines individuellen Verdachts stattfinden, um die Grundrechte der Allgemeinheit, aber auch besonders geschützter Menschen und Kommunikationspartner:innen, wie Patient:innen, Journalist:innen, Anwält:innen und Therapeut:innen zu gewährleisten. Auch Missbrauchsopfer selbst sind immer wieder auf vertrauliche Kommunikation angewiesen.

 

Sexueller Missbrauch von Kindern ist ein gravierendes Problem und der Kampf dagegen komplex. Er muss entschieden geführt werden, auch mit technischen Hilfsmitteln. Umfassende Überwachungsmaßnahmen hierfür als Heilsbringer zu verstehen verkennt aber diese Komplexität und auch die Grenzen technischer Überwachung, derer sich Kriminelle zudem leicht entziehen können. Ein Nutzen zur Prävention von sexuellem Missbrauch an Kindern ist zweifelhaft. Es bedarf dazu deutlich engagierterer Schritte, insbesondere im Bereich der Missbrauchsprävention, Opferunterstützung und der unbedingten und umfassenden Verstärkung der Ermittlungsbehörden – technisch, forensisch, personell.

 

Entsprechend werden sich die SPD-Mitglieder der Bundesregierung im Rat der EU gegen dieses Vorhaben aussprechen. Die Abgeordneten der SPD im Europaparlament sind ebenfalls aufgerufen, ein solches Gesetz zu verhindern.

 

Um den Kampf gegen Kindesmissbrauch wirksam zu stärken, soll zudem insbesondere das BKA angewiesen werden, künftig nach dem Abschluss von Ermittlungen im Bereich Kindesmissbrauch Links zu entsprechenden Inhalten – im Gegensatz zur bisherigen Praxis  – den jeweiligen Hosting-Anbietern zur Löschung zu melden und so eine Weiterverbreitung zu unterbinden.

 

Antrag 160/I/2022 Unterstützung zum Aufbau eines Melde- und Unterstützungsnetzwerk für betroffene antisemitische Vorfälle durch RIAS

17.05.2022

Die SPD Mitglieder des Bundestages und die SPD Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert die Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus e.V. (RIAS) beim Aufbau eines Melde- und Unterstützungsnetzwerk für Betroffene antisemitischer Vorfälle in allen sechzehn Bundeländern in politischer und finanzieller Form zu unterstützen.