Sozialarbeiter*innen sind darauf angewiesen, dass ihre Klient*innen ihnen ihre Lebenswelten öffnen, die oft von Armut und Ohnmachtsgefühlen, aber auch von Gewalt und Straffälligkeit geprägt sind. In persönlichen Notlagen werden persönliche Geheimnisse anvertraut, weil die Sozialarbeiter*innen oft der letzte Anker möglicher gesellschaftlicher Hilfen und Intervention sind. Diese Arbeit basiert auf Vertrauen. Ohne darauf vertrauen zu können, dass das von ihnen Gesagte nicht gegen sie verwendet wird, können Konfliktlösungen und wirksame Hilfen nicht begleitet werden. Um diese wichtige Arbeit zu ermöglichen, ist es notwendig, das erarbeitete Vertrauen zwischen Sozialarbeiter*innen und ihren Klient*innen durch ein Zeugnisverweigerungsrecht zu schützen.
Wir fordern die sozialdemokratischen Mitglieder des Bundestages auf, durch eine Reform des § 53 Strafprozessordnung (StPO) durch Aufnahme der Mitarbeiter*innen der Sozialen Arbeit in die geschützten Berufsgruppen des § 53 Absatz 1 StPO das Zeugnisverweigerungsrecht zu erweitern.
Wir fordern die sozialdemokratischen Mitglieder des Bundestags auf zu prüfen, inwieweit der Schutz des § 53 StPO (Zeugniserweiterungsrecht) durch die Aufnahme von Sozialarbeiter*innen erweitert werden kann, soweit diese in besonders sensiblen Beratungstätigkeiten wie Beratungsstellen für Betroffene von häuslicher/geschlechtsspezifischer, rassistischer, antisemitische rund queerfeindlicher Gewalt und bei einer anerkannten, in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft oder Förderung befindender Beratungsstelle tätig sind.
Begründung: Damit Sozialarbeiter*innen ihre wichtigen Aufgaben gut erfüllen könnten, ist ein belastbares Vertrauensverhältnis zu ihren Klient*innen notwendig. Berufsverbände und die Zivilgesellschaft weisen auf die Notwendigkeit eines Zeugnisverweigerungsrechts im Sinne des § 53 StPO für Sozialarbeiter*innen hin.
Ein Zeugnisverweigerungsrecht besteht nach § 53 Abs. 1 Nr. 3a und 3b bereits für Schwangerschaftsberater in nach SKG anerkannten Stellen und Suchtberater bei öffentlich-rechtlich anerkannten Beratungsstellen.
Dieses sollte für Sozialarbeiter*innen gelten, die im Bereich der Beratung von Betroffenen häuslicher, geschlechtsspezifischer, rassistischer, antisemitischer und queerfeindlicher Gewalt sowie des Menschenhandels bei einer anerkannten, in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft oder Förderung befindender Beratungsstelle tätig erweitert werden.
Denn es ist das verfassungsrechtliche Gebot der effektiven Strafverfolgung zu beachten. Ermittlungsmaßnahmen werden durch Zeugnisverweigerungsrechte empfindlich eingeschränkt, weswegen die Rechtsprechung im Interesse der Rechtspflege die Erweiterung des Kreises der Berechtigten an eine besondere verfassungsrechtliche Legitimation knüpft (BVerfGE 33, 367, 383; BVerfGE 38, 312,321; vgl. auch BVerfGE 129, 208, 260).
Diese besondere verfassungsrechtliche Legitimation ist nicht für jede sozialarbeiterische Tätigkeit ersichtlich. Sie liegt vor, kann sogar geboten sein, wenn höchstpersönliche Lebensbereiche betroffen sind (BVerfGE 33, 367, 378) oder ein unbedingtes Vertrauensverhältnis für die sozialarbeiterische Tätigkeit notwendig ist (BVerfGE 44, 353, 376 ff.) und kumulativ eine gewisse Gewähr für die Vermeidung von Missbrauch oder der Verdeckung von schweren Straftaten gegeben ist (BVerfGE 44, 353, 379). Dies ist bei den oben genannten Beratungstätigkeiten der Fall.
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LPT II-2023 | Überweisen an ASJ | Stellungnahme der ASJ zu den Anträgen 95/II/2023 (FA IV) und 94/II/2023 (KDV NK) – Zeugnisverweigerungsrecht für Sozialarbeiter*innen
Die von der Antragskommission im Konsens an die ASJ überwiesenen Anträge werden gemeinsam votiert, da sie sich in Beschlussvorschlag und Begründung gleichen.
- Votum: Annahme in geänderter Fassung (siehe oben)
- Rechtliche Begründung: Das Begehren, alle Sozialarbeiter*innen in § 53 Abs. 1 StPO aufzunehmen, dürfte verfassungsrechtlich problematisch (und vor diesem Hintergrund auch nicht politisch wünschenswert) sein. Der Antrag sollte in einer auf das verfassungsrechtlich Zulässige geänderten Form angenommen werden.
Ein Zeugnisverweigerungsrecht besteht nach § 53 Abs. 1 Nr. 3a und 3b bereits für Schwangerschaftsberater in nach SKG anerkannten Stellen und Suchtberater bei öffentlich-rechtlich anerkannten Beratungsstellen. Diese dürften in aller Regel Sozialarbeiter*innen sein.
Hintergrund dieser Regelung ist einerseits, dass die institutionelle Anbindung verhindern soll, dass die Ausübung des Rechts von Zufall oder Willkür abhängt oder dass unter seinem Schutz und Deckmantel illegale Ziele verfolgt werden (BVerfGE 44, 353, 379). Andererseits war für den Gesetzgeber leitend, dass der Beratungserfolg hier entscheidend davon abhängen müsse, dass sich die beratenen Personen sicher sein könnten, dass die den Berater*innen gegebenen Informationen nicht weitergegeben würden (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs zur Einfügung des § 53 Absatz 1 Nummer 3b StPO, BT-Drs. 16/870, sowie BVerfGE 44, 353, 376).
Zudem ist das verfassungsrechtliche Gebot der effektiven Strafverfolgung zu beachten. Ermittlungsmaßnahmen werden durch Zeugnisverweigerungsrechte empfindlich eingeschränkt, weswegen die Rechtsprechung im Interesse der Rechtspflege die Erweiterung des Kreises der Berechtigten an eine besondere verfassungsrechtliche Legitimation knüpft (BVerfGE 33, 367, 383; BVerfGE 38, 312,321; vgl. auch BVerfGE 129, 208, 260).
Diese besondere verfassungsrechtliche Legitimation ist nicht für jede sozialarbeiterische Tätigkeit ersichtlich. Sie liegt vor, kann sogar geboten sein, wenn höchstpersönliche Lebensbereiche betroffen sind (BVerfGE 33, 367, 378) oder ein unbedingtes Vertrauensverhältnis für die sozialarbeiterische Tätigkeit notwendig ist (BVerfGE 44, 353, 376 ff.) und kumulativ eine gewisse Gewähr für die Vermeidung von Missbrauch oder der Verdeckung von schweren Straftaten gegeben ist (BVerfGE 44, 353, 379).
Dies dürfte im Regelfall für Sozialarbeiter*innen gelten, die im Bereich der Beratung von Betroffenen häuslicher, geschlechtsspezifischer, rassistischer, antisemitischer und queerfeindlicher Gewalt sowie des Menschenhandels bei einer anerkannten, in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft oder Förderung befindender Beratungsstelle tätig sind. Ein allgemeines Zeugnisverweigerungsrecht für Sozialarbeiter*innen scheint vor diesem Hintergrund zu weitgehend.
Wegen der unterschiedlichen Schutzrichtung besteht kein Wertungswiderspruch zu § 203 Abs. 1 Nr. 3 und 6 StGB.
Wir fordern die sozialdemokratischen Mitglieder des Bundestags auf zu prüfen, inwieweit der Schutz des § 53 StPO (Zeugniserweiterungsrecht) durch die Aufnahme von Sozialarbeiter*innen erweitert werden kann, soweit diese in besonders sensiblen Beratungstätigkeiten wie Beratungsstellen für Betroffene von häuslicher/geschlechtsspezifischer, rassistischer, antisemitische rund queerfeindlicher Gewalt und bei einer anerkannten, in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft oder Förderung befindender Beratungsstelle tätig sind.