Antrag 53/I/2014 Sozialdemokratische Stadtentwicklung und Mietenpolitik für Berlin

Status:
Überweisung

Die Geschichte der SPD ist wie bei keiner anderen Partei mit der Entstehung moderner Großstädte verbunden. Sozialdemokratische Gesellschaftspolitik konkretisierte sich auch immer in einer sozialdemokratischen Stadtentwicklungs- und Mietenpolitik. Die Herausforderungen und Probleme sowie Chancen und Perspektiven gesellschaftlicher Entwicklung sind in den Städten besonders präsent. Solidarität und Gerechtigkeit als übergeordnete Versprechen der Sozialdemokratie werden nur eingelöst werden können, wenn durch eine sozialdemokratische Stadtentwicklungs- und Mietenpolitik die Herausforderungen gesellschaftlicher Entwicklung angegangen werden.

 

Berlin: Heimstatt für alle

Es gilt, die kulturelle Vielfalt und soziale Mischung sowie den sozialen Zusammenhalt in der Stadt langfristig zu sichern. Ohne sozialdemokratische Initiative und Intervention führt ein ungesteuerter Wohnungsmarkt zu weiter fortschreitender Gentrifizierung. Wenn wir die Frage der Verwertungslogik des Immobilienmarktes nicht stellen, werden wir die soziale Desintegration in den Kiezen, aber auch in unserer Stadt nicht aufhalten können.

 

Berlin besitzt aufgrund seiner jüngsten Geschichte heterogene Wohnmilieus, denen die strikte Trennung nach sozialer, ethnischer oder religiöser Zugehörigkeit fremd ist. Dies ist ein Wert, den wir bewahren wollen, da er Nähe zwischen unterschiedlichen sozialen Milieus ermöglicht und sogar provoziert. Diese Nähe erzeugt Austausch und trägt dazu bei, dass die gesellschaftlichen Sphären einander durchdringen. Ob in der Schule, auf der Straße im Kiez oder im Wohnhaus: die gemeinsame Bewältigung von Herausforderungen ist eine Bereicherung, die die gesellschaftliche Integrationskraft steigert. Getrennte Lebenswelten tragen die Tendenz in sich, sich weiter voneinander zu isolieren.

 

Auf dem Wohnungsmarkt angebotener Wohnraum ist schon lange nicht mehr für alle sozialen Gruppen zugänglich und zwingt auch immer mehr langjährigen Mietern Mietpreise auf, deren Ausgleich zur erheblichen Belastung wird. Dies zerstört die gewachsene soziale Struktur in den Stadtteilen. Das Wohnraumangebot darf sich nicht allein an überhöhten Renditeerwartungen orientieren, es muss vielmehr auch die finanziellen Möglichkeiten derjenigen berücksichtigen, die sich um Wohnraum bewerben. Wir wollen erreichen, dass die Mietpreise für möglichst alle bezahlbar werden und bleiben. Hierzu wollen wir einen ordnungsrechtlichen Rahmen definieren.

 

Preiswertes Wohnen schützen und ausbauen

Mit der gewachsenen Wohnungsneubautätigkeit wird lediglich ein finanzstarkes Segment durch die zumeist privaten Investitionen bedient. Eine Eigentumsanlage nach der anderen entsteht. Die negativen Folgen auf die Bestandsmieten, deren Mietpreisniveau vermittelt über den Mietspiegel durch diese Preissteigerung ebenfalls betroffen sind, werden dabei noch nicht deutlich bzw. spielen keine Rolle. Renditeorientierte Veränderungen stehen auch der Struktur des vorhandenen Wohnungsbestandes bevor. Mietwohnungen werden immer häufiger in Eigentumswohnungen umgewandelt. Wechselt die Eigentumsform, wechselt mittelfristig auch die Bewohnerschaft.

Die Freude über steigende Mieten in sozial benachteiligten Gebieten der Stadt teilen wir nicht. Wir begreifen diesen „Aufwertungsprozess“ nicht als Indiz einer prosperierenden Stadtgesellschaft, sondern als Ursache für Gentrifizierung, die in der Stadt die Teilung von arm und reich manifestiert. Gentrifizierung verursacht der Allgemeinheit Folgekosten, die notwendige öffentliche Investitionen in Infrastruktur und Bildung blockiert. Der Wohnungsmarkt braucht Regeln, sonst produziert er soziale Spaltung und belastet unnötig die Allgemeinheit. Wir akzeptieren es nicht, wenn bezahlbarer Wohnraum in unserer Stadt immer knapper wird und dadurch untere und mittlere Einkommensgruppen immer mehr an die gesellschaftlichen und städtischen Ränder verdrängt werden.

 

Beim Wohnungsneubau ist für uns die Frage entscheidend, nicht was gebaut wird, sondern für wen? Die Berliner Sozialdemokratie ist besonders für all die verantwortlich, die sich in einem von Verwertungsinteressen dominierten Immobilienmarkt nicht selbst mit Wohnraum versorgen können. Wohnen ist Menschenrecht. Es ist unser vorrangiges Thema, dieses Recht in unserer Stadt zu gewährleisten.

 

Die Berliner SPD bekennt sich zu einer sozialen Stadt, in der Menschen unterschiedlicher Herkunft, Einstellung und Einkommen zusammenleben. Wir treten dafür ein, dass Menschen in ihrem Kiez bleiben können. Sozialdemokratische Stadtentwicklungspolitik sichert Chancengleichheit. Dies trifft auch für einen sich dramatisch ändernden Wohnungsmarkt zu. Die Dynamik des Immobilienmarktes ist ordnungsrechtlich zu beschränken, sonst produziert sie gesellschaftliche Spaltung, die sich in Segregation und räumlicher Ausgrenzung von Armut niederschlägt.

 

Politik für eine sozialorientierte Stadtentwicklung

Der kaum gehemmten Immobilienentwicklung, die durch globalisierte Finanzmarktströme getrieben ist, werden wir mit zusätzlichen Maßnahmen entgegentreten.

 

Durch die Landesebene wurde dafür Vorarbeit geleistet, die in den Bezirken anzuwenden ist: von der Zweckentfremdungsverbotsverordnung, Musterverfahren für Städtebauliche Verträge zur Durchsetzung der Sozialorientierung von Bauvorhaben zur Mietpreisbremse. Ohne gesetzliche Rahmenbedingungen auf Landes- und Bundesebene haben Initiativen auf Bezirksebene jedoch nur wenig Aussicht auf Erfolg. Die geplante Zweckentfremdungsverbotsverordnung kann nur wirksam werden, wenn Personal zur Ahn-dung und Überwachung zur Verfügung gestellt wird. Dafür sind den Bezirken kurzfristig ausreichend personelle Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Musterverfahren für städtebauliche Verträge zur Durchsetzung der Sozialorientierung sind hilfreich, helfen aber ohne rechtliche Absicherung durch Verordnungen im praktischen Handeln nur bedingt weiter. Die Mietpreisbremse ist ein guter und sinnvoller Schritt.

 

Die auf Landesebene im Koalitionsvertrag beschlossene Aufstockung auf 300.000 Wohnungen in kommunaler Hand begrüßen wir, betrachten Sie jedoch nur als einen ersten Schritt. Die notwendige Zielgröße kommunalen Wohnungsbestandes beträgt mittelfristig 20% des Berliner Wohnungsbestandes (dies entspricht 400.000 Wohneinheiten), um den Mietwohnungsmarkt eigenständig zu beeinflussen und die sozialpolitischen Ziele zu gewährleisten. Diese Zielmarke ist durch Neubau und Erwerb zu erreichen. Vor allem sind zuerst die kommunalen Wohnungsbestände in den Bezirken zu erhöhen, in denen es derzeit einen unterdurchschnittliche Sozialwohnungs- bzw. kommunalen Bestand von unter 20% des Mietwohnungsanteils gibt.

 

Die Verfügungsgewalt über Mietwohnungen konzentriert sich immer mehr in der Hand institutioneller Investoren und Kapitalgesellschaften. Ihr wirtschaftliches Verhalten ist von der Marktlogik bestimmt. Die kommunale Wohnungswirtschaft ist die sozialdemokratische Antwort auf einen sich beschleunigenden Konzentration- und Marktprozess im Rahmen der Wohnraumversorgung. Für uns ist die kommunale Wohnungswirtschaft der Garant für eine soziale Durchmischung der Stadt. Wir bekennen uns zur kommunalen Wohnungswirtschaft und setzen uns für ihre Stärkung ein. Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften sind unser strategisches Instrument zur Beeinflussung des Mietmarktes und zur Umsetzung unserer sozialen Stadtentwicklungsziele. Deshalb setzen wir uns für eine differenzierte Struktur in der kommunalen Wohnungswirtschaft ein, die sich durch Nähe zu ihren Mieterinnen und Mietern und durch eine besondere Verantwortung für das Leben in den Stadtteilen auszeichnet.

 

Vor diesem Hintergrund ist der neu aufgelegte Wohnungsbaufonds des Landes deutlich zu erhöhen und die Anzahl der geförderten Wohnungen stufenweise auf mindestens 5.000 Wohnungen im Jahr anzuheben. Bei der Wohnraumförderung ist die Objektförderung, also städtische Investitionen in sozial- und mietengebundene Neubauvorhaben, vor allem durch die kommunale Wohnungswirtschaft, der Schlüssel für eine zukunftsfähige Wohnungspolitik. Damit folgen wir der sozialdemokratischen Traditionslinie, die zu Recht auf kommunale Wohnraumversorgung und genossenschaftliches Engagement setzt.

 

Hingegen sind Eigentums- und Subjektförderung bei der Wohnungsneubauförderung sowie der Ankauf von Belegungsrechten keine geeigneten Instrumente, da sie die Strukturen der Wohnraumversorgung nicht im Sinne einer sozialen Stadtentwicklung langfristig verändern, sondern nur kurzfristig Symptome lindern.

 

Zur Umsetzung unserer Ziele stehen die folgenden Maßnahmen im Vordergrund:

 

Schutz der ökonomisch Schwachen und Erhalt der gegenwärtigen Mietenbalance durch die Ausnutzung aller rechtlichen Instrumente (u.a. Zweckentfremdungsverbotsverordnung, Mietpreisbremse, Mietenbündnis, Milieuschutz und Umwandlungsverbot von Mietwohnraum in Eigentum, Nutzung des Vorkaufsrechts der Gemeinde in Milieuschutzgebieten. Das politische Ziel einer Erhaltungsverordnung ist für die Bereiche richtig, die von Abriss von bestehenden Wohnungen und Neubebauung sowie von der Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen bedroht sind. Dadurch wird Gentrifizierung verhindert und dazu beigetragen, dass nicht an anderen Orten Berlins die soziale Durchmischung einseitig verändert wird. Das Land muss endlich eine Umwandlungsverbot erlassen, die die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen unter Vorbehalt stellt.

 

Neubauoffensive in Kooperation mit städtischen Wohnungsunternehmen zur Errichtung sozialgebunden Wohnraums und auf Basis der neuen Berliner Liegenschaftspolitik. Dabei sind die städtischen Wohnungsunternehmen im Rahmen bezirklicher Neubaubündnisse in ihrer Rolle als strategische Partner verstärkt einzubinden und sämtliche verfügbaren Flächen im öffentlichen Eigentum in einem gründlichen und partizipativen Abwägungsprozess als Wohnungsbauflächen zu entwickeln.

 

Studentisches Wohnen stellt ein wichtiges Thema im Bereich Mietenpolitik dar. Berlin ist Hochschulstandort. Die steigenden Mietpreise machen es den Studierenden vor allem auf dem privaten Wohnungsmarkt schwer eine preisgünstige Wohnung zu finden. Darüber hinaus sind Studierende ohne eigenes Einkommen immer im Nachteil, wenn es um die Anmietung einer Wohnung geht. Daher ist es notwendig, dass neuer studentischer Wohnraum geschaffen wird. Ein Ausbau von günstigen und zentralen Wohnheimplätzen ist somit unter Kooperation mit dem Studentenwerk unabdingbar.

Beschluss: Überweisung AH-Fraktion
Beschluss-PDF:
Stellungnahme(n):
  Stellungsnahme der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin Die sozialorientierte Wohnungs- und Mietenpolitik gehört zu den politischen Schwerpunkten der SPD-Fraktion in dieser Wahlperiode. Wir bekennen uns zu einer sozialen und vielfältigen Stadt, in der Menschen mit unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlichem Einkommen, auch in den Innenstadtbereichen, zusammen leben können. Angesichts der starken Zunahme an Einwohnern wurde eine umfangreiche, milliardenschwere Wohnungsneubauförderung aufgelegt, wobei wir großen Wert auf eine sozialverträgliche Mietenentwicklung legen. Zudem soll die Anzahl des Wohnungsbestandes bei den landeseigenen Wohnungsgesellschaften auf 400.000 WE steigen. Ferner wurde für den Abschluss von städtebaulichen Verträge vereinbart, dass bei Wohnungsneubauvorhaben grundsätzlich mindestens 25 % Sozialwohnungen mit Mieten zwischen 6,00 € und 6,50 € errichtet werden müssen. Zur weiteren Sicherung des Wohnungsbestandes und einer sozialverträglichen Mietenentwicklung wurden u.a. folgende Maßnahmen beschlossen: -     Mietenbündnis mit den landeseigenen Wohnungsgesellschaften -     Förderung des Neubaus für studentisches Wohnen -     Kappungsgrenzen im sozialen Wohnungsbau -     Umsetzung der Mietpreisbremse (als erstes Bundesland) -     Erlass der Zweckentfremdungsverbot- und Umwandlungsverordnung (sowie Gewährung von zusätzlichem Personal für diese Aufgaben in den Bezirken) -     Verabschiedung des Wohnraumversorgungsgesetzes