Antrag 125/I/2019 Schulen in die Pflicht nehmen - Kinder und Jugendliche vor sexualisierter Gewalt schützen.

Jedes vierte bis fünfte Mädchen* und jeder achte bis zehnte Junge* ist von sexualisierter Gewalt betroffen – erschreckende Zahlen. Die Dunkelziffer ist noch sehr viel höher. Wie viel sexualisierte Gewalt tatsächlich stattfindet ist deshalb schwer zu sagen. Die Zahlen, die vorliegen, beruhen auf Schätzungen. Tatsache ist jedoch, dass die meisten Taten von Cis-Männern (Mit dem Begriff Cis werden die Menschen bezeichnet, deren Geschlechtsidentität dem Geschlecht entspricht, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde) begangen werden. Missbrauch beginnt meist schon vor dem eigentlichen Straftatbestand, diese Übergriffe können häufig nicht geahndet bzw. verurteilt werden.

 

Obwohl von sexualisierter Gewalt gesprochen wird, ist diese klar von Sexualität abzugrenzen. Den Tätern*innen geht es in den allermeisten Fällen um die Befriedigung eigener Machtbedürfnisse. Sie nutzen ihre Position von Überlegenheit und die Abhängigkeit des Opfers aus. Kinder und Jugendliche sind in besonderem Maße gefährdet, da sie grenzüberschreitendes oder gar übergriffiges Verhalten unter Umständen gar nicht richtig einordnen können. Täter*innen entwickeln Strategien, um Kindern und Jugendlichen nahe zu kommen (Grooming). Dabei manipulieren sie die Bezugspersonen der Opfer, das Opfer selbst und Situationen, in denen Übergriffe stattfinden, werden heruntergespielt. Häufig wird dem Kind oder dem Jugendlichen im Missbrauchsfall gedroht, um ein Stillschweigen zu erzwingen und einer Meldung vorzubeugen. In vielen Fällen wird dies als „besonderes Geheimnis“ kommuniziert. In der Summe der Manipulationen, die strategisch von Täter*innen angewendet werden, fühlt sich das Opfer allein, Bezugspersonen wird misstraut und die Hürde sich zu offenbaren steigt ins Unermessliche. Wenn nun noch bedacht wird, wie häufig Betroffenen von Übergriffen und sexuellem Missbrauch nicht geglaubt wird, zeigt sich die enorme Bedeutsamkeit von gut ausgebildeten und sensibilisierten Fachkräften. Wichtig zu betonen ist, dass der Begriff sexualisierte Gewalt nicht nur Vergewaltigungen/sexuellen Missbrauch beschreibt, sondern jegliche sexualisierte Handlung (körperlich und psychisch), die gegen den Willen der betroffenen Person ausgeführt wird und deren Intimsphäre verletzt.

 

Ein weiterer wichtiger Faktor der sexualisierten Gewalt, ist die Häufigkeit des Vergehens. Die Wiederholungsgefahr ist extrem hoch, weshalb eine schnelle, sensible und wohl überlegte Intervention entscheidend ist.

 

Sexualisierter Missbrauch kann bei den Betroffenen zu extremer psychischer und physiologischer Belastung führen. Die Wahrscheinlichkeit danach an einer posttraumatischen Belastungsstörung zu leiden ist extrem hoch. Da Kinder und Jugendliche sich noch in ihrer Persönlichkeitsentwicklung befinden, kommt es häufig zu einer Störung der Persönlichkeitsentwicklung.

 

Betroffenenschutzverbände weisen immer wieder darauf hin, wie schwierig für Betroffene von sexualisierter Gewalt der Umgang mit dem Erlebten nach der Tat ist. Dies hängt auch damit zusammen, dass v. a. durch die Justiz versucht wird, die Perspektive, Motivation und Beweggründe von Täter*innen zu verstehen und letztlich zu verurteilen. Was aber passiert nach einer Verurteilung mit den Betroffenen sexualisierter Gewalt?

 

Betroffene von sexualisierter Gewalt tragen ein Stigma mit sich. Wenn sie von ihren Erlebnissen erzählen, wird ihnen oft nicht geglaubt oder sie werden nicht ernst genommen. Pädagogische sensibilisierte Fachkräfte könnten als Anwält*innen der Betroffenen fungieren und dafür sorgen, dass ihnen der Schutz zukommt, der ihnen zusteht!

 

Oftmals steht zu Beginn ein Austesten des*der Täter*in des grenzüberschreitenden Verhaltens, bevor es dann zu weiteren übergriffigen und missbräuchlichen Handlungen kommt. Solches Verhalten durch den*die Täter*in kann als Versehen gedeutet werden, obwohl der*die Täter*in dies gezielt und nicht zufällig einsetzt.  Verunsicherung wird somit geschaffen und Vertrauen erschüttert. Allgemein unterscheidet man zwischen Grenzverletzung, sexuellem Übergriff und Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Grenzverletzungen sind gekennzeichnet durch ein einmaliges oder seltenes unangemessenes Verhalten. Sie können aus Gedankenlosigkeit oder Versehen passieren und lassen sich nicht vollständig vermeiden. Doch scheinbar unabsichtliche Grenzverletzungen können hierbei ein Vortasten zu tatsächlichen Übergriffen sein. Den Unterschied macht nicht nur das persönliche Erleben der Betroffenen, sondern in diesem Fall die dahinterliegende Absicht des Täters. Ist diese Absicht vorhanden, ist eine Grenzverletzung keine Grenzverletzung mehr, sondern ein sexueller Übergriff. Es gilt daher vorab geschulte Mitarbeiter*innen dafür zu sensibilisieren.

 

Immer wieder herrscht Rat- und Hilflosigkeit, wenn es um sexualisierte Gewalt und Missbrauch geht. Initiativen wie „Schulen gegen sexualisierte Gewalt“ o.ä., haben in den letzten Jahren zu mehr Sensibilität aufgerufen. Es gibt diverse Handlungsempfehlungen, die präventiv ansetzen, um eine gewisse Sensibilität für das Thema zu schaffen. Allerdings sind dies meist nur Empfehlungen. Es gibt präventive Ansätze und Empfehlungen, z.B. vom paritätischen Wohlfahrtsverband oder vom Runden Tisch gegen sexualisierte Gewalt oder dem Unabhängigen Beauftragten zu Fragen sexuellen Kindesmissbrauchs.  Wir erachten es als sinnvoll, diese Empfehlungen verpflichtend in die Schulen zu integrieren, da es nicht allein an der Initiative der Schulleitung und Lehrkräften liegen bleiben soll, ob solche Maßnahmen umgesetzt werden oder nicht. Sexualisierte Gewalt ist und bleibt ein akutes Thema, bei dem Prävention von außerordentlicher Bedeutung ist.

 

Schulen haben nicht nur einen Bildungsauftrag, sondern müssen auch einen Schutzraum für Kinder und Jugendliche bieten und dies deutlich signalisieren, indem im Unterricht thematisiert wird, was schon als grenzüberschreitendes Verhalten gewertet werden kann, wie man sich selbstbewusst zur Wehr setzt und an wen man sich wenden kann.

 

Zu betonen ist aber: Eine Verantwortungsübertragung Richtung Kind oder Jugendliche ist leicht, jedoch tragen die Erwachsenen in jedem Fall die Verantwortung zum Schutz derer. Andernfalls können durch eine solche Haltung Scham und Schuldgefühle bei Opfern sexualisierter Gewalt wachsen. Die Stärkung von Kindern und Jugendlichen ist wichtig, jedoch sind die Erwachsenen für die Sicherheit verantwortlich. Dies bedeutet auch, dass pädagogische Fach- und Lehrkräfte, bei nicht Ernst nehmen dieser Verantwortung, dazu beitragen, Gewalt zu ermöglichen.

 

Deshalb fordern wir:

Prävention von sexualisierter Gewalt muss in jeder Schule Berlins stattfinden.

Dazu gehört:

  1. Fortbildungen für alle Lehrkräfte, Sozialpädagog*innen an den Grund- und weiterführenden Schulen. Diese sollen von Fachberatungsstellen angeboten werden. Die Fortbildungen sollen über sexualisierten Missbrauch und Handlungen informieren, verpflichtend für das gesamte Schulpersonal sein und wiederholt angeboten werden. Außerdem muss jede Lehrkraft in Berlin eine Teilnahme an solch einem Seminar nachweisen können. Die Fortbildung muss mindestens alle fünf Jahre aufgefrischt werden. Die Finanzierung erfolgt über den Senat.
  2. An jeder Schule muss ein Präventionskonzept, ein Handlungsleitfaden zur Intervention sowie Verhaltensregeln für Mitarbeitende zur Verfügung stehen. Dieses Konzept soll mit Hilfe einer Fachberatungsstelle entwickelt werden. Dazu gehören auch Präventionsbeauftragte und externe, unabhängige Anlaufstellen bzw. Ansprechpartner*innen. Dies impliziert, dass jede Schule in Berlin mit einer Beratungsstelle einen Kooperationsvertrag hat und pädagogische Fachkräfte, Kinder und Jugendliche auch immer eine kostenlose Hotline dieser Beratungsstelle anonym anrufen können bzw. diese Beratungsstelle jederzeit aufsuchen können.
  3. Eine feste Verankerung der Null-Toleranz-Grenze bei sexualisierter Gewalt in den Schulregeln, die ebenfalls einen Passus zu übergriffigem Verhalten beinhalten sollen. Diese Regeln sollen gemeinsam mit allen Beteiligten erarbeitet werden. Danach sollen sie überall – auch in einfacher Sprache – zugänglich sein und auch an Tagen der offenen Tür kommuniziert werden.
  4. Einstellungsverfahren: Das bisherige verpflichtende erweiterte Führungszeugnis ist nicht ausreichend, da viele der Vorfälle nicht zur Anzeige gebracht werden. Hier fordern wir, dass schon im Einstellungsgespräch auf das Präventionskonzept Bezug genommen wird. Klare Regeln der Schule sollen verdeutlicht werden. Dabei sollen in einer Zusatzvereinbarung des Arbeitsvertrags nochmal genaue Vereinbarungen getroffen werden, wie die Schule im Falle von Verstoß handelt.
  5. Beschwerdemanagement: Damit die Regeln verbindlich anerkannt werden, muss es transparente und niedrigschwellige Instanzen geben, die für ihre Einhaltung sorgen. Natürlich ist jede Lehrkraft dazu angehalten, aufmerksam zu sein. Zusätzlich muss es jedoch noch Vertrauenspersonen innerhalb der Schule geben. Deshalb sollen gemischtgeschlechtliche Sozialarbeiter*innen an jeder Schule geschaffen werden. Lehrkräfte, die in verschiedenen Jahrgangsstufen tätig sind, die von Seiten der Schüler*innen in einer geheimen Wahl gewählt werden, sollen als Vertrauenspersonen die vertrauensvolle Anbindung der Schüler*innen an die Sozialarbeiter*innen zusätzlich unterstützen. Diese Personen erhalten nochmals ein extra Briefing von Beratungsstellen.
  6. Regelmäßig soll im Rahmen eines Elternabends auf dieses Thema eingegangen werden.
  7. Es muss ein Konzept erarbeitet werden verpflichtende Präventionsangebote an Schulen mindestens einmal in der Schulkarriere zu etablieren. Hierfür kann sich am Konzept der Drogenprävention orientiert werden. Solche Angebote müssen vielfältig sein und sich den Schülerinnen anpassen. Zu solchen Angeboten können Projekttage, der Besuch einer Präventionsstelle oder der Besuch von Expertinnen oder Betroffenen zählen.

 

 

Die einzuführenden Maßnahmen gelten auch für Schulen in freier Trägerschaft (Privatschulen). Die Aufsicht über das Schulwesen in Deutschland obliegt der Hoheit der Länder, somit kann das Land Berlin eigenständig über die Genehmigungs-, Anerkennungs- und Betriebsbedingungen für Schulen in freier Trägerschaft entscheiden.

Empfehlung der Antragskommission:
Annahme in der Fassung der AK (Kein Konsens)
Fassung der Antragskommission:

Der FA Stadt des Wissens empfiehlt Annahme in folgender Fassung:

 

 

Kinder und Jugendliche müssen überall, wo sie sich aufhalten, vor sexuellem Missbrauch geschützt werden. Einrichtungen der Jugendhilfe, denen Kinder und Jugendliche anvertraut sind, erarbeiten Schutzkonzepte, um einen wirksamen Kinderschutz zu gewährleisten.

 

Ein Schutzkonzept dient u. a. der Beantwortung von Fragen wie:

  • Welche Strategien setzen Täter ein, um sexuelle Gewalt zu planen und zu verüben?
  • Welche räumlichen oder sonstigen Gegebenheiten in der Einrichtung könnten Täter ausnutzen?
  • An wen wende ich mich im Verdachtsfall?

 

Ein entsprechendes Schutzkonzept, dem immer eine umfassende Risikoanalyse der Einrichtung vorausgeht, kann auch Schulen dabei helfen, zu Erfahrungsräumen und Orten zu werden, an denen Kinder und Jugendliche wirksam vor sexueller Gewalt geschützt sind und an denen sie besonders geschulte und kompetente Ansprechpartner*innen finden, die zuhören und helfen können, wenn Kindern und Jugendlichen innerhalb oder außerhalb der Schule sexuelle Gewalt angetan wird.

 

Deshalb fordern wir, dass alle Schulen dazu verpflichtet werden, ein Schutzkonzept gegen sexuelle Gewalt zu erarbeiten und Ansprechpartner *innen für die Kinder und Jugendlichen zu benennen.

Beschluss: Annahme
Text des Beschlusses:

Jedes vierte bis fünfte Mädchen* und jeder achte bis zehnte Junge* ist von sexualisierter Gewalt betroffen – erschreckende Zahlen. Die Dunkelziffer ist noch sehr viel höher. Wie viel sexualisierte Gewalt tatsächlich stattfindet ist deshalb schwer zu sagen. Die Zahlen, die vorliegen, beruhen auf Schätzungen. Tatsache ist jedoch, dass die meisten Taten von Cis-Männern (Mit dem Begriff Cis werden die Menschen bezeichnet, deren Geschlechtsidentität dem Geschlecht entspricht, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde) begangen werden. Missbrauch beginnt meist schon vor dem eigentlichen Straftatbestand, diese Übergriffe können häufig nicht geahndet bzw. verurteilt werden.

 

Obwohl von sexualisierter Gewalt gesprochen wird, ist diese klar von Sexualität abzugrenzen. Den Tätern*innen geht es in den allermeisten Fällen um die Befriedigung eigener Machtbedürfnisse. Sie nutzen ihre Position von Überlegenheit und die Abhängigkeit des Opfers aus. Kinder und Jugendliche sind in besonderem Maße gefährdet, da sie grenzüberschreitendes oder gar übergriffiges Verhalten unter Umständen gar nicht richtig einordnen können. Täter*innen entwickeln Strategien, um Kindern und Jugendlichen nahe zu kommen (Grooming). Dabei manipulieren sie die Bezugspersonen der Opfer, das Opfer selbst und Situationen, in denen Übergriffe stattfinden, werden heruntergespielt. Häufig wird dem Kind oder dem Jugendlichen im Missbrauchsfall gedroht, um ein Stillschweigen zu erzwingen und einer Meldung vorzubeugen. In vielen Fällen wird dies als „besonderes Geheimnis“ kommuniziert. In der Summe der Manipulationen, die strategisch von Täter*innen angewendet werden, fühlt sich das Opfer allein, Bezugspersonen wird misstraut und die Hürde sich zu offenbaren steigt ins Unermessliche. Wenn nun noch bedacht wird, wie häufig Betroffenen von Übergriffen und sexuellem Missbrauch nicht geglaubt wird, zeigt sich die enorme Bedeutsamkeit von gut ausgebildeten und sensibilisierten Fachkräften. Wichtig zu betonen ist, dass der Begriff sexualisierte Gewalt nicht nur Vergewaltigungen/sexuellen Missbrauch beschreibt, sondern jegliche sexualisierte Handlung (körperlich und psychisch), die gegen den Willen der betroffenen Person ausgeführt wird und deren Intimsphäre verletzt.

 

Ein weiterer wichtiger Faktor der sexualisierten Gewalt, ist die Häufigkeit des Vergehens. Die Wiederholungsgefahr ist extrem hoch, weshalb eine schnelle, sensible und wohl überlegte Intervention entscheidend ist.

 

Sexualisierter Missbrauch kann bei den Betroffenen zu extremer psychischer und physiologischer Belastung führen. Die Wahrscheinlichkeit danach an einer posttraumatischen Belastungsstörung zu leiden ist extrem hoch. Da Kinder und Jugendliche sich noch in ihrer Persönlichkeitsentwicklung befinden, kommt es häufig zu einer Störung der Persönlichkeitsentwicklung.

 

Betroffenenschutzverbände weisen immer wieder darauf hin, wie schwierig für Betroffene von sexualisierter Gewalt der Umgang mit dem Erlebten nach der Tat ist. Dies hängt auch damit zusammen, dass v. a. durch die Justiz versucht wird, die Perspektive, Motivation und Beweggründe von Täter*innen zu verstehen und letztlich zu verurteilen. Was aber passiert nach einer Verurteilung mit den Betroffenen sexualisierter Gewalt?

 

Betroffene von sexualisierter Gewalt tragen ein Stigma mit sich. Wenn sie von ihren Erlebnissen erzählen, wird ihnen oft nicht geglaubt oder sie werden nicht ernst genommen. Pädagogische sensibilisierte Fachkräfte könnten als Anwält*innen der Betroffenen fungieren und dafür sorgen, dass ihnen der Schutz zukommt, der ihnen zusteht!

 

Oftmals steht zu Beginn ein Austesten des*der Täter*in des grenzüberschreitenden Verhaltens, bevor es dann zu weiteren übergriffigen und missbräuchlichen Handlungen kommt. Solches Verhalten durch den*die Täter*in kann als Versehen gedeutet werden, obwohl der*die Täter*in dies gezielt und nicht zufällig einsetzt.  Verunsicherung wird somit geschaffen und Vertrauen erschüttert. Allgemein unterscheidet man zwischen Grenzverletzung, sexuellem Übergriff und Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Grenzverletzungen sind gekennzeichnet durch ein einmaliges oder seltenes unangemessenes Verhalten. Sie können aus Gedankenlosigkeit oder Versehen passieren und lassen sich nicht vollständig vermeiden. Doch scheinbar unabsichtliche Grenzverletzungen können hierbei ein Vortasten zu tatsächlichen Übergriffen sein. Den Unterschied macht nicht nur das persönliche Erleben der Betroffenen, sondern in diesem Fall die dahinterliegende Absicht des Täters. Ist diese Absicht vorhanden, ist eine Grenzverletzung keine Grenzverletzung mehr, sondern ein sexueller Übergriff. Es gilt daher vorab geschulte Mitarbeiter*innen dafür zu sensibilisieren.

 

Immer wieder herrscht Rat- und Hilflosigkeit, wenn es um sexualisierte Gewalt und Missbrauch geht. Initiativen wie „Schulen gegen sexualisierte Gewalt“ o.ä., haben in den letzten Jahren zu mehr Sensibilität aufgerufen. Es gibt diverse Handlungsempfehlungen, die präventiv ansetzen, um eine gewisse Sensibilität für das Thema zu schaffen. Allerdings sind dies meist nur Empfehlungen. Es gibt präventive Ansätze und Empfehlungen, z.B. vom paritätischen Wohlfahrtsverband oder vom Runden Tisch gegen sexualisierte Gewalt oder dem Unabhängigen Beauftragten zu Fragen sexuellen Kindesmissbrauchs.  Wir erachten es als sinnvoll, diese Empfehlungen verpflichtend in die Schulen zu integrieren, da es nicht allein an der Initiative der Schulleitung und Lehrkräften liegen bleiben soll, ob solche Maßnahmen umgesetzt werden oder nicht. Sexualisierte Gewalt ist und bleibt ein akutes Thema, bei dem Prävention von außerordentlicher Bedeutung ist.

 

Schulen haben nicht nur einen Bildungsauftrag, sondern müssen auch einen Schutzraum für Kinder und Jugendliche bieten und dies deutlich signalisieren, indem im Unterricht thematisiert wird, was schon als grenzüberschreitendes Verhalten gewertet werden kann, wie man sich selbstbewusst zur Wehr setzt und an wen man sich wenden kann.

 

Zu betonen ist aber: Eine Verantwortungsübertragung Richtung Kind oder Jugendliche ist leicht, jedoch tragen die Erwachsenen in jedem Fall die Verantwortung zum Schutz derer. Andernfalls können durch eine solche Haltung Scham und Schuldgefühle bei Opfern sexualisierter Gewalt wachsen. Die Stärkung von Kindern und Jugendlichen ist wichtig, jedoch sind die Erwachsenen für die Sicherheit verantwortlich. Dies bedeutet auch, dass pädagogische Fach- und Lehrkräfte, bei nicht Ernst nehmen dieser Verantwortung, dazu beitragen, Gewalt zu ermöglichen.

 

Deshalb fordern wir:

Prävention von sexualisierter Gewalt muss in jeder Schule Berlins stattfinden.

Dazu gehört:

  1. Fortbildungen für alle Lehrkräfte, Sozialpädagog*innen an den Grund- und weiterführenden Schulen. Diese sollen von Fachberatungsstellen angeboten werden. Die Fortbildungen sollen über sexualisierten Missbrauch und Handlungen informieren, verpflichtend für das gesamte Schulpersonal sein und wiederholt angeboten werden. Außerdem muss jede Lehrkraft in Berlin eine Teilnahme an solch einem Seminar nachweisen können. Die Fortbildung muss mindestens alle fünf Jahre aufgefrischt werden. Die Finanzierung erfolgt über den Senat.
  2. An jeder Schule muss ein Präventionskonzept, ein Handlungsleitfaden zur Intervention sowie Verhaltensregeln für Mitarbeitende zur Verfügung stehen. Dieses Konzept soll mit Hilfe einer Fachberatungsstelle entwickelt werden. Dazu gehören auch Präventionsbeauftragte und externe, unabhängige Anlaufstellen bzw. Ansprechpartner*innen. Dies impliziert, dass jede Schule in Berlin mit einer Beratungsstelle einen Kooperationsvertrag hat und pädagogische Fachkräfte, Kinder und Jugendliche auch immer eine kostenlose Hotline dieser Beratungsstelle anonym anrufen können bzw. diese Beratungsstelle jederzeit aufsuchen können.
  3. Eine feste Verankerung der Null-Toleranz-Grenze bei sexualisierter Gewalt in den Schulregeln, die ebenfalls einen Passus zu übergriffigem Verhalten beinhalten sollen. Diese Regeln sollen gemeinsam mit allen Beteiligten erarbeitet werden. Danach sollen sie überall – auch in einfacher Sprache – zugänglich sein und auch an Tagen der offenen Tür kommuniziert werden.
  4. Einstellungsverfahren: Das bisherige verpflichtende erweiterte Führungszeugnis ist nicht ausreichend, da viele der Vorfälle nicht zur Anzeige gebracht werden. Hier fordern wir, dass schon im Einstellungsgespräch auf das Präventionskonzept Bezug genommen wird. Klare Regeln der Schule sollen verdeutlicht werden. Dabei sollen in einer Zusatzvereinbarung des Arbeitsvertrags nochmal genaue Vereinbarungen getroffen werden, wie die Schule im Falle von Verstoß handelt.
  5. Beschwerdemanagement: Damit die Regeln verbindlich anerkannt werden, muss es transparente und niedrigschwellige Instanzen geben, die für ihre Einhaltung sorgen. Natürlich ist jede Lehrkraft dazu angehalten, aufmerksam zu sein. Zusätzlich muss es jedoch noch Vertrauenspersonen innerhalb der Schule geben. Deshalb sollen gemischtgeschlechtliche Sozialarbeiter*innen an jeder Schule geschaffen werden. Lehrkräfte, die in verschiedenen Jahrgangsstufen tätig sind, die von Seiten der Schüler*innen in einer geheimen Wahl gewählt werden, sollen als Vertrauenspersonen die vertrauensvolle Anbindung der Schüler*innen an die Sozialarbeiter*innen zusätzlich unterstützen. Diese Personen erhalten nochmals ein extra Briefing von Beratungsstellen.
  6. Regelmäßig soll im Rahmen eines Elternabends auf dieses Thema eingegangen werden.
  7. Es muss ein Konzept erarbeitet werden verpflichtende Präventionsangebote an Schulen mindestens einmal in der Schulkarriere zu etablieren. Hierfür kann sich am Konzept der Drogenprävention orientiert werden. Solche Angebote müssen vielfältig sein und sich den Schülerinnen anpassen. Zu solchen Angeboten können Projekttage, der Besuch einer Präventionsstelle oder der Besuch von Expertinnen oder Betroffenen zählen.

 

 

Die einzuführenden Maßnahmen gelten auch für Schulen in freier Trägerschaft (Privatschulen). Die Aufsicht über das Schulwesen in Deutschland obliegt der Hoheit der Länder, somit kann das Land Berlin eigenständig über die Genehmigungs-, Anerkennungs- und Betriebsbedingungen für Schulen in freier Trägerschaft entscheiden.

Beschluss-PDF:
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