Friedliche Konfliktlösungen haben auf Dauer nur eine Chance, wenn die Menschen das Gefühl haben, in einer gerechten Welt zu leben. Dieses Gefühl und das Vertrauen in die deutsche und europäische Sicherheitspolitik haben sich in den letzten Jahren abgeschwächt. Beides muss im Rahmen einer auf breiter gesellschaftlicher Grundlage geführten sicherheitspolitischen Debatte neu entstehen.
Für die SPD ist Krieg kein Mittel der Politik; oberstes Ziel sozialdemokratischer Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist die Schaffung und Bewahrung von Frieden.
Wir fordern dazu auf, dass sich Deutschland und die EU für eine globale Ächtung von Nuklearwaffen und autonomer Waffensysteme sowie eine weltweite Abrüstungspolitik einsetzen.
Die NATO bleibt grundlegender Rahmen für kollektive Sicherheit. Ihr europäischer Pfeiler muss gestärkt werden. Wir fordern den weiteren Ausbau der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU zu einem eigenständigen gemeinschaftlichen Politikbereich. Ziel sollte eine vom Europäischen Parlament kontrollierte und einem europäischen Verteidigungsministerium zugeordnete EU-Armee mit unmissverständlich defensivem Auftrag sein.
Wir fordern eine effiziente EU-Koordinierung von Rüstungsprojekten, transparente und effiziente Beschaffungsstrukturen für die Bundeswehr und gemeinschaftliche EU-Regeln für Rüstungsexporte; für Krisenländer sind sie – auch über Umwege – zu unterbinden. Zusammen mit vorausschauender Konfliktprävention trägt dies auch dazu bei, aus Flucht- und Migrationsbewegungen nach Europa resultierende Krisen zu begrenzen.
Gemeinsame Fassung FA I+FA II
Sozialdemokratische Kriterien für eine vertiefte Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik
Die S&D-Fraktion des Europaparlaments, die SPD-Bundestagsfraktion und die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert, sich für folgende sozialdemokratische Richtlinien bei der Europäisierung der Sicherheitspolitik einzusetzen:
1. Gesamteuropäische Strategie und Schaffung einer EU-Armee:
Der sozialdemokratischen Sicherheitspolitik liegt das Verständnis zugrunde, dass Konflikte primär aus sozialen Ursachen erwachsen. Eine europäische Sicherheits- und Verteidigungsstrategie darf sich daher nicht auf militärische Lösungen beschränken. Vielmehr müssen die sozialen Ursachen, aus welchen die heutigen Bedrohungspotentiale für die EU entstehen, in den Blick genommen werden.
Radikalisierung und Terror, Flucht und Vertreibung sowie Konflikte durch Ressourcenknappheit und Klimawandel sind Folge struktureller Ungleichheit. Der Kern einer normengeleiteten europäischen Gesamtstrategie muss daher ein ganzheitlicher Ansatz (Comprehensive Approach) sein mit dem Ziel, diese Ungleichheiten zu überwinden.
Von militärischen Einsätzen auf der Grundlage eines „kleinsten gemeinsamen Nenners, wie etwa der Sicherung des Zugangs zu Ressourcen, Sicherung der Handelswege oder der Eindämmung von Migrationsbewegungen muss abgesehen werden. Einer „Geopolitisierung“ der europäischen Sicherheitspolitik muss entgegen getreten werden. Daher müssen Anstrengungen unternommen werden, eine Frieden schaffende und Frieden sichernde Strategie im hier beschriebenen Sinne durch eine kooperative Initiative der europäischen Sozialdemokratie auf den Weg zu bringen.
Der Beitrag der militärischen Friedenssicherung in Form von bewaffneten Interventionen erhält in einem solchen Konzept den Charakter eines letzten Mittels (Ultima Ratio), für den Fall, dass alle anderen vorrangig einzusetzenden Mittel der Konfliktlösung durch Diplomatie, internationale Organisation und Verträge, vor allem aber durch Zivile Krisenprävention und Konfliktregelung versagen.
Auf der Grundlage dieser zu erarbeitenden europäischen Strategie folgt die Schaffung einer EU-Armee mit einem dem EU- Parlament zugeordneten parlamentarischen Kontrollmechanismus, welcher den Standard des deutschen Parlamentsvorbehalts für Auslandseinsätze erfüllt, die Schaffung eines eigenständigen Verteidigungsausschusses und eines verantwortlichen EU- Verteidigungskommissar, eines zivil- militärischen EU- Hauptquartiers sowie einer europäischen Führungsakademie als Teil der Stärkung des europäischen Pfeilers der NATO, welche grundlegender Rahmen für kollektive Sicherheit bleibt und durch den gestärkten europäischen Pfeiler zu einer global aktiven „Agentur zur Zivilisierung von Konflikten“ ausgerichtet wird.
Die Gewährleistung des defensiven Charakters der europäischen Streitkräfte erfolgt durch vom EU-Parlament und den nationalen Parlamenten verabschiedete sicherheits- und verteidigungspolitische Richtlinien und eine entsprechende Fortschreibung einer übergeordneten Europäischen Sicherheitsstrategie.
2. Effiziente EU-Koordinierung von Rüstungsprojekten, transparente und effiziente Beschaffungsstrukturen für die Bundeswehr und gemeinschaftliche EU-Regeln für Rüstungsexporte; für Krisenländer sind sie – auch über Umwege – zu unterbinden. Zusammen mit vorausschauender Konfliktprävention trägt dies dazu bei, aus Flucht- und Migrationsbewegungen nach Europa resultierende Krisen zu verhindern.
Die Grundlage dafür ist die Schaffung von Grundlagen bzw. die Weiterentwicklung von bereits bestehenden Ansätzen für eine zivil-militärische Zusammenarbeit, Arbeitsteilung und gemeinsame Beschaffungspolitik der nationalen Armeen, welche das politische und finanzielle Potential Europas in ganz anderer Weise in friedens- und sicherheitspolitischen Mehrwert umsetzen kann als ein rein quantitativer Aufwuchs der nationalen Rüstungsanstrengungen gemäß des 2 % -Zieles.
Gleichwohl ist der Ausbau der europäischen Finanzarchitektur mit der Schaffung der Position eines europäischen Finanzministers und der sozialen Säule der EU mit der Realisierung des vorliegenden Projekts einer Europäisierung der Sicherheitspolitik einhergehend und unabdingbar.
3. Eine in dieser Form friedens- und sicherheitspolitisch aufgestellte EU könnte auf der Basis mit der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen vereinbarer Produktionsstrukturen und Handelsregime (also u.a. Handelsverträgen mit Afrika und anderen Weltregionen auf Augenhöhe), einer Wiederaufnahme der Modernisierungspartnerschaft mit Russland, einer humanen Geflüchtetenpolitik, die an den Fluchtursachen ansetzt und einer konsequenten Politik zur Verteidigung der Menschenrechte und zum Schutz der Opfer von Menschenrechtsverletzungen und von Menschenrechtsverteidigern entscheidende Beiträge zur Umsetzung der Menschheitsziele leisten, die zur friedenspolitischen DNA der Sozialdemokratie gehören:
- Die Befreiung der Menschheit von der Geißel des Krieges, wie sie UN-Charta formuliert, die Ächtung von Krieg und Gewalt als Mittel der Konfliktlösung, und insbesondere die Abschaffung der Atomwaffen, wie sie der Nichtweiterverbreitungsvertrag und zuletzt der von der UN-Vollversammlung beschlossene Atomwaffenverbotsvertrag fordern.
- Die Wiederaufnahme einer konsequenten Abrüstungspolitik nicht nur für Atomwaffen und andere Massenvernichtungswaffen, sondern auch für konventionelle Waffen und Kleinwaffen.
Unabhängig von den hier vorgelegten Forderungen und Vorschlägen zur Europäisierung der Sicherheitspolitik fordern wir die Adressat*innen dieses Antrags zu entschiedenem Widerstand gegen alle Pläne zu weiterer nuklearer Aufrüstung, der Modernisierung von Atomwaffen und zur Einführung bewaffneter Drohnen und autonomer Waffensysteme auf sowie zu einer Initiative zur Einführung von EU-weit gültigen Regeln für Rüstungsexporte auf, die Rüstungslieferungen in Spannungsgebiete und Krisenländer konsequent unterbinden.
Im Folgenden wird der Antrag mit den „Neun Thesen sozialdemokratischer Sicherheitspolitik“ begründet.
Begründung:
Neun Thesen zu einer sozialdemokratischen Sicherheitspolitik
Das Ende des Kalten Krieges, Abrüstungsvereinbarungen und eine prosperierende Weltwirtschaft haben die öffentliche Debatte über äußere Sicherheit während der zurückliegenden 30 Jahre in den Hintergrund gedrängt. Weil Deutschland nur noch von befreundeten oder EU-Mitgliedstaaten umgeben ist, fühlen wir uns sicher und Bedrohungen der äußeren Sicherheit erscheinen weit entfernt und werden allenfalls unklar wahrgenommen. Die Erfahrung einer anwachsenden Terrorismusgefahr lenkt den Blick auf die innere Sicherheit. Innere und äußere Sicherheit sind allerdings zwei Seiten einer Medaille, das zeigen nicht zuletzt die zunehmenden Auslandseinsätze der Bundeswehr. Die demokratischen Parteien in unserem Land einschließlich der SPD schrecken vor einer breiten sicherheitspolitischen Debatte zurück, sie fürchten Flügelkämpfe zwischen pazifistischen und realpolitischen Politikansätzen. Diese gewollte Sprachlosigkeit öffnet letztlich aber nur die Tür für Populisten und Scharfmacher; sie greifen berechtigte Besorgnisse und Verunsicherungen auf, bieten sich als die Wahrer von Sicherheit, Recht und Ordnung an. Wir brauchen eine breite öffentliche Debatte darüber, in welchem Europa wir leben wollen, wie Deutschland und die EU Sicherheit in einem zunehmend instabilen internationalen Umfeld und angesichts einer veränderten US-amerikanischen Militärdoktrin gestalten müssen. Und wir müssen klären, welche sicherheitspolitischen Prioritäten sich Deutschland und die EU künftig setzen sollen.
Die folgenden 9 Thesen zu einer sozialdemokratischen Sicherheitspolitik verstehen sich als Denkanstoß für diese notwendige Debatte.
1. Sozialdemokratische Sicherheitspolitik ist Friedenspolitik
Für die SPD ist Krieg kein Mittel der Politik. Achtung des Völkerrechts und der Menschenrechte haben oberste Priorität (Art. 26 Grundgesetz). Was bedeutet das in einer Welt zunehmender Unordnung und Unsicherheit? Wo finden wir auf der internationalen Ebene Partner und Gleichgesinnte? Friedliche Konfliktlösungen haben auf Dauer nur eine Chance, wenn die Menschen das Gefühl haben, in einer gerechten Welt zu leben.
2. Sozialdemokratische Sicherheitspolitik ist Entspannungspolitik
Gegenwärtig nehmen Spannungen und Konflikte in der Welt zu, die internationale Sicherheitsordnung zeigt gefährliche Risse, der Weltsicherheitsrat ist blockiert und die Vereinten Nationen können ihre Aufgabe weltweiter Friedenssicherung nur in sehr beschränktem Umfang erfüllen. Die Idee einer multipolaren Welt mit einer nachhaltigen Friedensordnung scheint zu verblassen. Politisch, wirtschaftlich und zunehmend auch militärisch instrumentalisierte Macht- und Hegemonialpolitik ersetzt zunehmend den friedlichen Interessenausgleich. Umso entschiedener muss die SPD die Politik der Entspannung, des Dialogs und der partnerschaftlichen internationalen Zusammenarbeit vertreten. Die für das Menschenrecht kämpfende Internationale wird heute mehr denn je wieder gebraucht. Mehr denn je muss die Sozialdemokratie international Selbstbewusstsein zurückgewinnen. Die SPD hat dabei eine ganz wichtige Rolle zu spielen und kann an die Erfolge in den 60er und 70er Jahre anknüpfen. Den rivalisierenden Machtspielen im globalen und regionalen Rahmen muss die Sozialdemokratie wieder ein überzeugendes Narrativ von Entspannung und Kooperation im gegenseitigen Interesse entgegenstellen. Das erfordert vor allem Kreativität bei der Entwicklung konkreter gemeinsamer – im EU-Rahmen vor allem gemeinschaftlicher – Projekte zur Bewältigung der großen globalen Herausforderungen, wobei nationale Interessen zugunsten gemeinschaftlichem Vorangehen zurückstehen müssen.
3. Sozialdemokratische Sicherheitspolitik ist Abrüstungspolitik
Bei zunehmender Unsicherheit erscheinen Aufrüstung und Wagenburgdenken als Gebot der Stunde. Damit werden jedoch nur neue Bedrohungen und wachsende Ängste erzeugt – ganz abgesehen von der damit einhergehenden und – jedenfalls von einer Mehrheit in Deutschland – als gesellschaftspolitisch problematisch erachteten Militarisierung. Deshalb muss sozialdemokratische Sicherheitspolitik jeden im Augenblick erforderlichen Rüstungsschritt mit einem sofort verhandelbaren Abrüstungsangebot verbinden und so ein klares und glaubwürdiges Bekenntnis zur Entspannungs- und Abrüstungspolitik abgeben.
Gleichwohl muss die Bundeswehr adäquat ausgestattet sein, ihre vorhandenen Systeme müssen funktionieren. Hierfür bedarf es eines angemessenen Etats, der zielgerichteter genutzt und vom Parlament effizient kontrolliert werden muss, um die Sicherheit der Bundeswehrbeschäftigten und den defensiven Auftrag der Bundeswehr langfristig zu sichern.
4. Sozialdemokratische Sicherheitspolitik zielt auf globale Ächtung von Nuklearwaffen
Deutschland verzichtet dauerhaft auf eigene Nuklearwaffen. Zugleich setzt sich die SPD für globale nu-kleare Abrüstung und letztlich die internationale Ächtung von Nuklearwaffen ein. Bis dieses Ziel erreicht wird, ist Deutschland mit seinen europäischen Partnern auf den nuklearen Schutzschild der USA ange-wiesen. Während des Kalten Krieges war dieser Schutz unerlässlich. er ist es auch weiterhin, allerdings haben sich die amerikanischen Erwartungen für diesbezügliche Gegenleistungen verändert. Wir können dem Dilemma, für nukleare Abrüstung einzutreten und dennoch nuklearen Schutz zu benötigen, vorerst nicht entkommen. Das hindert die SPD aber nicht am klaren Bekenntnis zu weltweiter nuklearer Abrüstung.
5. Sozialdemokratische Sicherheitspolitik ist Bündnispolitik
Sicherheit, sowohl nach innen wie nach außen, gibt es für Deutschland nur in Kooperation mit starken und verlässlichen Partnern. Angesichts Terrorismus und international vernetzter organisierter Kriminalität erfordert die innere Sicherheit enge europäische und internationale Zusammenarbeit. Für die äußere Sicherheit sind die NATO und ihre auszubauende europäische Komponente zumindest so lange unabdingbar, wie es keine global durchsetzbare Ächtung von Kriegen gibt. Der US-amerikanische Schutzschild ist unverzichtbar. Innerhalb der NATO erfüllt Deutschland alle Verpflichtungen, die zur Verteidigung des Bündnisgebietes erforderlich sind. An die Stelle fester BIP-Quoten für Verteidigungsausgaben, wie das sogenannte „2%-Ziel“, sollten klare Aufgabenverteilung treten und darauf ausgerichteter Rüstungsbedarf definiert werden. Dazu bedarf es neuer Verhandlungen und Klarstellungen innerhalb der NATO.
Die SPD sieht Deutschlands Rolle im Bündnis darin, den Defensivcharakter der NATO zu bewahren und zu stärken. Ziel ist es, die NATO in ein globales System kollektiver Sicherheit einzufügen. Damit die EU auch in der heute von wachsender Machtrivalität gekennzeichneten Welt Einfluss behält, braucht sie eine gemeinschaftliche Verteidigungs- und Sicherheitspolitik. Aus sozialdemokratischer Sicht heißt das: in nicht allzu ferner Zukunft gibt es eine vom Europäischen Parlament kontrollierte und einem/r euro-päischen VerteidigungsministerIn zugeordnete EU- Armee und eine entsprechende Fortschreibung der Europäischen Sicherheitsstrategie (Comprehensive Approach).
6. Sozialdemokratische Sicherheitspolitik ist Krisen- und Konfliktprävention
Sicherheit besteht nur als gemeinsame Sicherheit aller Beteiligten. Voraussetzung hierfür ist allerdings ein weltweit anerkannter und durchsetzungsfähiger Mechanismus zur Ächtung und Ahndung von Verstößen gegen diese gemeinsame Sicherheit. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen kann dies bei seiner derzeitigen Funktionsweise allerdings nicht leisten. Sicherheit bleibt also prekär, nationale oder kollektive Sicherheitsstrukturen sind jedenfalls auf absehbare Zeit unerlässlich.
7. Sozialdemokratische Sicherheitspolitik begrenzt Rüstungsexporte
Rüstungsexporte in Länder, in denen (Bürger)-Kriege toben bzw. Regime ihre Bevölkerung unterdrücken und die Menschenrechte missachten, müssen strikt unterbunden werden. Ebenso muss der alternative Weg, Verkauf und Export von Einzelteilen und Komponenten der Waffensysteme über andere NATO-Staaten, strengstens kontrolliert werden. Rüstungsexporte in entsprechende Staaten stellen ein unkalkulierbares Risiko für die weltweite Sicherheit dar. Wir brauchen eine gemeinsame EU- Rüstungsexportpolitik.
8. Sozialdemokratische Sicherheitspolitik fördert globale Zusammenarbeit zur Bewältigung globaler Herausforderungen
Es scheint so, als sei unsere Welt aus den Fugen geraten. In Deutschland und Europa erfahren wir gerade, dass die Illusion, auf einer Insel der Glückseligen zu leben, ziemlich schnell zusammenbricht. Zu lange haben wir über die Probleme in der Welt und im eigenen Land geredet, wir haben jedoch allenfalls zögerlich, in vielen Fällen gar nicht gehandelt. So entstand der Eindruck, dass die etablierte Politik unfähig sei, Lösungen für dringende Probleme hervorzubringen; schließlich ging damit auch Vertrauen in die Demokratie verloren. Die SPD muss wieder zum Vorreiter für Solidarität und eine gerechte Weltordnung werden. Neoliberaler Egoismus, die Überschätzung von Eigennutz und Dominanz, hegemoniales Machtstreben untergraben solidarisches menschliches Zusammenleben und friedlichen Interessenausgleich. Die SPD muss unzweideutig erklären, dass Abschottung, die Verfolgung rein nationaler Interessen und das Streben nach einseitigem Vorteil Irrwege sind, die Konflikte nur verstärken und unausweichlich zu gewaltsamen Auseinandersetzungen führen. Im Dezember 1979 schrieb Willy Brandt in seinem Vorwort zum Bericht des Club of Rome: „Dieser Bericht … wendet sich gegen die Neigung, die Dinge laufen zu lassen. Er will nachweisen, … dass wir eine gute Chance haben … Wenn wir entschlossen sind, die Zukunft der Welt so zu gestalten, dass sie durch Frieden und Wohlfahrt, durch Solidarität und Würde geprägt sein wird.“ Der Bericht nannte all die heute schier unüberwindbar scheinenden globalen Herausforderungen – und er machte deutlich, dass es Lösungen gibt, wenn wir sie solidarisch und in gemeinsamer Anstrengung anpacken. Die SPD muss wieder Partei der klaren Zukunftsvision werden, die Wege nach vorn eröffnet und den Menschen so Hoffnung gibt, anstatt sie mit ihren Ängsten vor einer alle Werte zerstörenden Globalisierung allein lässt. Die Partei muss wieder eigenständig denken und das Handeln nicht Regierungskoalitionen und ihren Minimalkompromissen überlassen. Die SPD muss auch wieder ein gut vernetztes internationales Sekretariat haben, dessen Aufgabe nicht in einer Nebenaußenpolitik, sondern vielmehr in der Vorbereitung und Umsetzung internationaler sozialdemokratischer Zusammenarbeit besteht.
9. Demokratie, Menschenrechte und Global Good Governance sind Grundlagen sozialdemokratischer Sicherheitspolitik
Wertebasierte Außen- und Sicherheitspolitik bedeutet nicht, andere Staaten oder Regierungen an den Pranger zu stellen (Kritik ist wohlfeil, führt meist nur zu Frontstellungen), vielmehr geht es darum, die Vorteile herauszustellen, die mit der Achtung der Menschenrechte und guter Regierungsführung einhergehen; das friedliche Zusammenleben kann ohne gegenseitige Achtung und gewaltfreie Lebensumstände für Bürgerinnen und Bürger überall auf der Welt nicht gewährleistet werden.
Beschluss LV 16.09.2019: Annahme in folgender Fassung und Weiterleitung an den Bundesparteitag
Friedliche Konfliktlösungen haben auf Dauer nur eine Chance, wenn die Menschen das Gefühl haben, in einer gerechten Welt zu leben. Dieses Gefühl und das Vertrauen in die deutsche und europäische Sicherheitspolitik haben sich in den letzten Jahren abgeschwächt. Beides muss im Rahmen einer auf breiter gesellschaftlicher Grundlage geführten sicherheitspolitischen Debatte neu entstehen.
Für die SPD ist Krieg kein Mittel der Politik; oberstes Ziel sozialdemokratischer Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist die Schaffung und Bewahrung von Frieden.
Wir fordern dazu auf, dass sich Deutschland und die EU für eine globale Ächtung von Nuklearwaffen und autonomer Waffensysteme sowie eine weltweite Abrüstungspolitik einsetzen.
Die NATO bleibt grundlegender Rahmen für kollektive Sicherheit. Ihr europäischer Pfeiler muss gestärkt werden. Wir fordern den weiteren Ausbau der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU zu einem eigenständigen gemeinschaftlichen Politikbereich.
Beschluss LPT 26.10.2019
Sozialdemokratische Kriterien für eine vertiefte Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik
Die S&D-Fraktion des Europaparlaments, die SPD-Bundestagsfraktion und die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert, sich für folgende sozialdemokratische Richtlinien bei der Europäisierung der Sicherheitspolitik einzusetzen:
1. Gesamteuropäische Strategie und Schaffung einer EU-Armee:
Der sozialdemokratischen Sicherheitspolitik liegt das Verständnis zugrunde, dass Konflikte primär aus sozialen Ursachen erwachsen. Eine europäische Sicherheits- und Verteidigungsstrategie darf sich daher nicht auf militärische Lösungen beschränken. Vielmehr müssen die sozialen Ursachen, aus welchen die heutigen Bedrohungspotentiale für die EU entstehen, in den Blick genommen werden.
Radikalisierung und Terror, Flucht und Vertreibung sowie Konflikte durch Ressourcenknappheit und Klimawandel sind Folge struktureller Ungleichheit. Der Kern einer normengeleiteten europäischen Gesamtstrategie muss daher ein ganzheitlicher Ansatz (Comprehensive Approach) sein mit dem Ziel, diese Ungleichheiten zu überwinden.
Von militärischen Einsätzen auf der Grundlage eines „kleinsten gemeinsamen Nenners, wie etwa der Sicherung des Zugangs zu Ressourcen, Sicherung der Handelswege oder der Eindämmung von Migrationsbewegungen muss abgesehen werden. Einer „Geopolitisierung“ der europäischen Sicherheitspolitik muss entgegen getreten werden. Daher müssen Anstrengungen unternommen werden, eine Frieden schaffende und Frieden sichernde Strategie im hier beschriebenen Sinne durch eine kooperative Initiative der europäischen Sozialdemokratie auf den Weg zu bringen.
Der Beitrag der militärischen Friedenssicherung in Form von bewaffneten Interventionen erhält in einem solchen Konzept den Charakter eines letzten Mittels (Ultima Ratio), für den Fall, dass alle anderen vorrangig einzusetzenden Mittel der Konfliktlösung durch Diplomatie, internationale Organisation und Verträge, vor allem aber durch Zivile Krisenprävention und Konfliktregelung versagen.
Auf der Grundlage dieser zu erarbeitenden europäischen Strategie folgt die Schaffung einer EU-Armee mit einem dem EU- Parlament zugeordneten parlamentarischen Kontrollmechanismus, welcher den Standard des deutschen Parlamentsvorbehalts für Auslandseinsätze erfüllt, die Schaffung eines eigenständigen Verteidigungsausschusses und eines verantwortlichen EU- Verteidigungskommissar, eines zivil- militärischen EU- Hauptquartiers sowie einer europäischen Führungsakademie als Teil der Stärkung des europäischen Pfeilers der NATO, welche grundlegender Rahmen für kollektive Sicherheit bleibt und durch den gestärkten europäischen Pfeiler zu einer global aktiven „Agentur zur Zivilisierung von Konflikten“ ausgerichtet wird.
Die Gewährleistung des defensiven Charakters der europäischen Streitkräfte erfolgt durch vom EU-Parlament und den nationalen Parlamenten verabschiedete sicherheits- und verteidigungspolitische Richtlinien und eine entsprechende Fortschreibung einer übergeordneten Europäischen Sicherheitsstrategie.
2. Effiziente EU-Koordinierung von Rüstungsprojekten, transparente und effiziente Beschaffungsstrukturen für die Bundeswehr und gemeinschaftliche EU-Regeln für Rüstungsexporte; für Krisenländer sind sie – auch über Umwege – zu unterbinden. Zusammen mit vorausschauender Konfliktprävention trägt dies dazu bei, aus Flucht- und Migrationsbewegungen nach Europa resultierende Krisen zu verhindern.
Die Grundlage dafür ist die Schaffung von Grundlagen bzw. die Weiterentwicklung von bereits bestehenden Ansätzen für eine zivil-militärische Zusammenarbeit, Arbeitsteilung und gemeinsame Beschaffungspolitik der nationalen Armeen, welche das politische und finanzielle Potential Europas in ganz anderer Weise in friedens- und sicherheitspolitischen Mehrwert umsetzen kann als ein rein quantitativer Aufwuchs der nationalen Rüstungsanstrengungen gemäß des 2 % -Zieles.
Gleichwohl ist der Ausbau der europäischen Finanzarchitektur mit der Schaffung der Position eines europäischen Finanzministers und der sozialen Säule der EU mit der Realisierung des vorliegenden Projekts einer Europäisierung der Sicherheitspolitik einhergehend und unabdingbar.
3. Eine in dieser Form friedens- und sicherheitspolitisch aufgestellte EU könnte auf der Basis mit der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen vereinbarer Produktionsstrukturen und Handelsregime (also u.a. Handelsverträgen mit Afrika und anderen Weltregionen auf Augenhöhe), einer Wiederaufnahme der Modernisierungspartnerschaft mit Russland, einer humanen Geflüchtetenpolitik, die an den Fluchtursachen ansetzt und einer konsequenten Politik zur Verteidigung der Menschenrechte und zum Schutz der Opfer von Menschenrechtsverletzungen und von Menschenrechtsverteidigern entscheidende Beiträge zur Umsetzung der Menschheitsziele leisten, die zur friedenspolitischen DNA der Sozialdemokratie gehören:
- Die Befreiung der Menschheit von der Geißel des Krieges, wie sie UN-Charta formuliert, die Ächtung von Krieg und Gewalt als Mittel der Konfliktlösung, und insbesondere die Abschaffung der Atomwaffen, wie sie der Nichtweiterverbreitungsvertrag und zuletzt der von der UN-Vollversammlung beschlossene Atomwaffenverbotsvertrag fordern.
- Die Wiederaufnahme einer konsequenten Abrüstungspolitik nicht nur für Atomwaffen und andere Massenvernichtungswaffen, sondern auch für konventionelle Waffen und Kleinwaffen.
Unabhängig von den hier vorgelegten Forderungen und Vorschlägen zur Europäisierung der Sicherheitspolitik fordern wir die Adressat*innen dieses Antrags zu entschiedenem Widerstand gegen alle Pläne zu weiterer nuklearer Aufrüstung, der Modernisierung von Atomwaffen und zur Einführung bewaffneter Drohnen und autonomer Waffensysteme auf sowie zu einer Initiative zur Einführung von EU-weit gültigen Regeln für Rüstungsexporte auf, die Rüstungslieferungen in Spannungsgebiete und Krisenländer konsequent unterbinden.
Im Folgenden wird der Antrag mit den „Neun Thesen sozialdemokratischer Sicherheitspolitik“ begründet.
Begründung:
Neun Thesen zu einer sozialdemokratischen Sicherheitspolitik
Das Ende des Kalten Krieges, Abrüstungsvereinbarungen und eine prosperierende Weltwirtschaft haben die öffentliche Debatte über äußere Sicherheit während der zurückliegenden 30 Jahre in den Hintergrund gedrängt. Weil Deutschland nur noch von befreundeten oder EU-Mitgliedstaaten umgeben ist, fühlen wir uns sicher und Bedrohungen der äußeren Sicherheit erscheinen weit entfernt und werden allenfalls unklar wahrgenommen. Die Erfahrung einer anwachsenden Terrorismusgefahr lenkt den Blick auf die innere Sicherheit. Innere und äußere Sicherheit sind allerdings zwei Seiten einer Medaille, das zeigen nicht zuletzt die zunehmenden Auslandseinsätze der Bundeswehr. Die demokratischen Parteien in unserem Land einschließlich der SPD schrecken vor einer breiten sicherheitspolitischen Debatte zurück, sie fürchten Flügelkämpfe zwischen pazifistischen und realpolitischen Politikansätzen. Diese gewollte Sprachlosigkeit öffnet letztlich aber nur die Tür für Populisten und Scharfmacher; sie greifen berechtigte Besorgnisse und Verunsicherungen auf, bieten sich als die Wahrer von Sicherheit, Recht und Ordnung an. Wir brauchen eine breite öffentliche Debatte darüber, in welchem Europa wir leben wollen, wie Deutschland und die EU Sicherheit in einem zunehmend instabilen internationalen Umfeld und angesichts einer veränderten US-amerikanischen Militärdoktrin gestalten müssen. Und wir müssen klären, welche sicherheitspolitischen Prioritäten sich Deutschland und die EU künftig setzen sollen.
Die folgenden 9 Thesen zu einer sozialdemokratischen Sicherheitspolitik verstehen sich als Denkanstoß für diese notwendige Debatte.
1. Sozialdemokratische Sicherheitspolitik ist Friedenspolitik
Für die SPD ist Krieg kein Mittel der Politik. Achtung des Völkerrechts und der Menschenrechte haben oberste Priorität (Art. 26 Grundgesetz). Was bedeutet das in einer Welt zunehmender Unordnung und Unsicherheit? Wo finden wir auf der internationalen Ebene Partner und Gleichgesinnte? Friedliche Konfliktlösungen haben auf Dauer nur eine Chance, wenn die Menschen das Gefühl haben, in einer gerechten Welt zu leben.
2. Sozialdemokratische Sicherheitspolitik ist Entspannungspolitik
Gegenwärtig nehmen Spannungen und Konflikte in der Welt zu, die internationale Sicherheitsordnung zeigt gefährliche Risse, der Weltsicherheitsrat ist blockiert und die Vereinten Nationen können ihre Aufgabe weltweiter Friedenssicherung nur in sehr beschränktem Umfang erfüllen. Die Idee einer multipolaren Welt mit einer nachhaltigen Friedensordnung scheint zu verblassen. Politisch, wirtschaftlich und zunehmend auch militärisch instrumentalisierte Macht- und Hegemonialpolitik ersetzt zunehmend den friedlichen Interessenausgleich. Umso entschiedener muss die SPD die Politik der Entspannung, des Dialogs und der partnerschaftlichen internationalen Zusammenarbeit vertreten. Die für das Menschenrecht kämpfende Internationale wird heute mehr denn je wieder gebraucht. Mehr denn je muss die Sozialdemokratie international Selbstbewusstsein zurückgewinnen. Die SPD hat dabei eine ganz wichtige Rolle zu spielen und kann an die Erfolge in den 60er und 70er Jahre anknüpfen. Den rivalisierenden Machtspielen im globalen und regionalen Rahmen muss die Sozialdemokratie wieder ein überzeugendes Narrativ von Entspannung und Kooperation im gegenseitigen Interesse entgegenstellen. Das erfordert vor allem Kreativität bei der Entwicklung konkreter gemeinsamer – im EU-Rahmen vor allem gemeinschaftlicher – Projekte zur Bewältigung der großen globalen Herausforderungen, wobei nationale Interessen zugunsten gemeinschaftlichem Vorangehen zurückstehen müssen.
3. Sozialdemokratische Sicherheitspolitik ist Abrüstungspolitik
Bei zunehmender Unsicherheit erscheinen Aufrüstung und Wagenburgdenken als Gebot der Stunde. Damit werden jedoch nur neue Bedrohungen und wachsende Ängste erzeugt – ganz abgesehen von der damit einhergehenden und – jedenfalls von einer Mehrheit in Deutschland – als gesellschaftspolitisch problematisch erachteten Militarisierung. Deshalb muss sozialdemokratische Sicherheitspolitik jeden im Augenblick erforderlichen Rüstungsschritt mit einem sofort verhandelbaren Abrüstungsangebot verbinden und so ein klares und glaubwürdiges Bekenntnis zur Entspannungs- und Abrüstungspolitik abgeben.
Gleichwohl muss die Bundeswehr adäquat ausgestattet sein, ihre vorhandenen Systeme müssen funktionieren. Hierfür bedarf es eines angemessenen Etats, der zielgerichteter genutzt und vom Parlament effizient kontrolliert werden muss, um die Sicherheit der Bundeswehrbeschäftigten und den defensiven Auftrag der Bundeswehr langfristig zu sichern.
4. Sozialdemokratische Sicherheitspolitik zielt auf globale Ächtung von Nuklearwaffen
Deutschland verzichtet dauerhaft auf eigene Nuklearwaffen. Zugleich setzt sich die SPD für globale nu-kleare Abrüstung und letztlich die internationale Ächtung von Nuklearwaffen ein. Bis dieses Ziel erreicht wird, ist Deutschland mit seinen europäischen Partnern auf den nuklearen Schutzschild der USA ange-wiesen. Während des Kalten Krieges war dieser Schutz unerlässlich. er ist es auch weiterhin, allerdings haben sich die amerikanischen Erwartungen für diesbezügliche Gegenleistungen verändert. Wir können dem Dilemma, für nukleare Abrüstung einzutreten und dennoch nuklearen Schutz zu benötigen, vorerst nicht entkommen. Das hindert die SPD aber nicht am klaren Bekenntnis zu weltweiter nuklearer Abrüstung.
5. Sozialdemokratische Sicherheitspolitik ist Bündnispolitik
Sicherheit, sowohl nach innen wie nach außen, gibt es für Deutschland nur in Kooperation mit starken und verlässlichen Partnern. Angesichts Terrorismus und international vernetzter organisierter Kriminalität erfordert die innere Sicherheit enge europäische und internationale Zusammenarbeit. Für die äußere Sicherheit sind die NATO und ihre auszubauende europäische Komponente zumindest so lange unabdingbar, wie es keine global durchsetzbare Ächtung von Kriegen gibt. Der US-amerikanische Schutzschild ist unverzichtbar. Innerhalb der NATO erfüllt Deutschland alle Verpflichtungen, die zur Verteidigung des Bündnisgebietes erforderlich sind. An die Stelle fester BIP-Quoten für Verteidigungsausgaben, wie das sogenannte „2%-Ziel“, sollten klare Aufgabenverteilung treten und darauf ausgerichteter Rüstungsbedarf definiert werden. Dazu bedarf es neuer Verhandlungen und Klarstellungen innerhalb der NATO.
Die SPD sieht Deutschlands Rolle im Bündnis darin, den Defensivcharakter der NATO zu bewahren und zu stärken. Ziel ist es, die NATO in ein globales System kollektiver Sicherheit einzufügen. Damit die EU auch in der heute von wachsender Machtrivalität gekennzeichneten Welt Einfluss behält, braucht sie eine gemeinschaftliche Verteidigungs- und Sicherheitspolitik. Aus sozialdemokratischer Sicht heißt das: in nicht allzu ferner Zukunft gibt es eine vom Europäischen Parlament kontrollierte und einem/r euro-päischen VerteidigungsministerIn zugeordnete EU- Armee und eine entsprechende Fortschreibung der Europäischen Sicherheitsstrategie (Comprehensive Approach).
6. Sozialdemokratische Sicherheitspolitik ist Krisen- und Konfliktprävention
Sicherheit besteht nur als gemeinsame Sicherheit aller Beteiligten. Voraussetzung hierfür ist allerdings ein weltweit anerkannter und durchsetzungsfähiger Mechanismus zur Ächtung und Ahndung von Verstößen gegen diese gemeinsame Sicherheit. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen kann dies bei seiner derzeitigen Funktionsweise allerdings nicht leisten. Sicherheit bleibt also prekär, nationale oder kollektive Sicherheitsstrukturen sind jedenfalls auf absehbare Zeit unerlässlich.
7. Sozialdemokratische Sicherheitspolitik begrenzt Rüstungsexporte
Rüstungsexporte in Länder, in denen (Bürger)-Kriege toben bzw. Regime ihre Bevölkerung unterdrücken und die Menschenrechte missachten, müssen strikt unterbunden werden. Ebenso muss der alternative Weg, Verkauf und Export von Einzelteilen und Komponenten der Waffensysteme über andere NATO-Staaten, strengstens kontrolliert werden. Rüstungsexporte in entsprechende Staaten stellen ein unkalkulierbares Risiko für die weltweite Sicherheit dar. Wir brauchen eine gemeinsame EU- Rüstungsexportpolitik.
8. Sozialdemokratische Sicherheitspolitik fördert globale Zusammenarbeit zur Bewältigung globaler Herausforderungen
Es scheint so, als sei unsere Welt aus den Fugen geraten. In Deutschland und Europa erfahren wir gerade, dass die Illusion, auf einer Insel der Glückseligen zu leben, ziemlich schnell zusammenbricht. Zu lange haben wir über die Probleme in der Welt und im eigenen Land geredet, wir haben jedoch allenfalls zögerlich, in vielen Fällen gar nicht gehandelt. So entstand der Eindruck, dass die etablierte Politik unfähig sei, Lösungen für dringende Probleme hervorzubringen; schließlich ging damit auch Vertrauen in die Demokratie verloren. Die SPD muss wieder zum Vorreiter für Solidarität und eine gerechte Weltordnung werden. Neoliberaler Egoismus, die Überschätzung von Eigennutz und Dominanz, hegemoniales Machtstreben untergraben solidarisches menschliches Zusammenleben und friedlichen Interessenausgleich. Die SPD muss unzweideutig erklären, dass Abschottung, die Verfolgung rein nationaler Interessen und das Streben nach einseitigem Vorteil Irrwege sind, die Konflikte nur verstärken und unausweichlich zu gewaltsamen Auseinandersetzungen führen. Im Dezember 1979 schrieb Willy Brandt in seinem Vorwort zum Bericht des Club of Rome: „Dieser Bericht … wendet sich gegen die Neigung, die Dinge laufen zu lassen. Er will nachweisen, … dass wir eine gute Chance haben … Wenn wir entschlossen sind, die Zukunft der Welt so zu gestalten, dass sie durch Frieden und Wohlfahrt, durch Solidarität und Würde geprägt sein wird.“ Der Bericht nannte all die heute schier unüberwindbar scheinenden globalen Herausforderungen – und er machte deutlich, dass es Lösungen gibt, wenn wir sie solidarisch und in gemeinsamer Anstrengung anpacken. Die SPD muss wieder Partei der klaren Zukunftsvision werden, die Wege nach vorn eröffnet und den Menschen so Hoffnung gibt, anstatt sie mit ihren Ängsten vor einer alle Werte zerstörenden Globalisierung allein lässt. Die Partei muss wieder eigenständig denken und das Handeln nicht Regierungskoalitionen und ihren Minimalkompromissen überlassen. Die SPD muss auch wieder ein gut vernetztes internationales Sekretariat haben, dessen Aufgabe nicht in einer Nebenaußenpolitik, sondern vielmehr in der Vorbereitung und Umsetzung internationaler sozialdemokratischer Zusammenarbeit besteht.
9. Demokratie, Menschenrechte und Global Good Governance sind Grundlagen sozialdemokratischer Sicherheitspolitik
Wertebasierte Außen- und Sicherheitspolitik bedeutet nicht, andere Staaten oder Regierungen an den Pranger zu stellen (Kritik ist wohlfeil, führt meist nur zu Frontstellungen), vielmehr geht es darum, die Vorteile herauszustellen, die mit der Achtung der Menschenrechte und guter Regierungsführung einhergehen; das friedliche Zusammenleben kann ohne gegenseitige Achtung und gewaltfreie Lebensumstände für Bürgerinnen und Bürger überall auf der Welt nicht gewährleistet werden.