Antrag 114/I/2023 Nazis in Zivil? Nein, danke!

Dass Rechtsextreme sich unter dem Deckmantel von ehrenamtlichem Engagement zivilgesellschaftlich organisieren, ist schon lange bekannt. Sie werben auf diese Weise nicht nur um Mitglieder und Zuspruch für ihre Ideologie, sondern verbreiten so auch unerkannt oder ganz offen Hass und Hetze.

 

Nicht allein die Mitgliedschaft von Rechtsextremen in Schützenvereinen oder Kampfsportgruppen ist eine reelle Gefahr für unsere liberale Gesellschaft, sondern die Bedrohung geht weit darüber hinaus.

 

Egal, ob als Begleiter*in bei Schulausflügen, Aufpasser*in auf dem Fußballplatz, Kuchenbäcker*in für das nächste Nachbarschaftsfest oder Schöff*in bei Gericht: Eine derartige und vor allem strategische Einflussnahme gefährdet unsere Demokratie. Das Nachbarschaftsfest oder der Sportverein des Kindes ist nämlich gleichzeitig auch der perfekte Ort, um die eigene rechtsextreme Ideologie sowie Verschwörungsmythen zu verbreiten. Dies geschieht oft ohne, dass es den anderen Menschen überhaupt auffällt, geschweige denn es angemessen verurteilt wird. Dennoch gibt es ebenso so viele Beispiele, in denen Vereine und gesellschaftlichen Akteur*innen bewusst wegeschauen und damit Nazis eine zivilgesellschaftliche Bühne und indirekte Akzeptanz ihrer rechtsextremen Ideologie bieten. Daneben erleben wir alle fünf Jahre vor Neuwahl von Schöff*innen, dass AfD, Pegida und Co. zum Kandidieren für das Amt als ehrenamtliche*r Laienrichter*in aufrufen, um die Strafjustiz strukturell zu unterwandern. Durch die Schöff*innen wird der Grundsatz der Teilhabe der Zivilgesellschaft an der Rechtsprechung verwirklicht. Bei rund 40.000 Schöffen, die alle fünf Jahre neu gewählt werden, geht von rechten Aufrufen zur Unterwanderung der Justiz jedoch eine ernstzunehmende Gefahr aus.

 

Nicht zu vergessen ist hierbei die besondere Rolle von rechtsextremen weiblich gelesenen Personen, die sich die sogenannte „doppelte Unsichtbarkeit” zunutze machen und deswegen von einem nicht unerheblichen Teil der Zivilgesellschaft nicht als Täterinnen, geschweige denn überhaupt als politisch relevant wahrgenommen werden. Hier besteht also ein großes, oft übersehenes Potenzial der Rechten, sich gesellschaftlich zu organisieren und zu legitimieren. So geben sie sich nach außen hin betont „bürgerlich“ und vertreten sogenannte traditionelle Werte und Rollenbilder, um als „nette Nachbarn“ Strukturen, Vereine, Organisationen und Gruppen zu infiltrieren, rechtes Gedankengut zu verbreiten, Diskurse zu verschieben und Straftaten zu begehen.

 

Vereine und Institutionen wissen oft nicht, wie sie mit entsprechenden Vorfällen oder einfach nur dem Engagement von Rechtsextremen umgehen sollen und teilweise versuchen sie es auch gar nicht erst.

 

Deswegen und aufgrund der dargestellten Problemlage fordern wir:

  • Die Zivilgesellschaft muss, beispielsweise durch Aufklärung in Bildungseinrichtungen, durch öffentliche Kampagnen und Einarbeitung in Kinder- und Jugendschutzkonzepte, stärker darin geschult werden, rechtsextremes Gedankengut zu erkennen – nur so kann unsere Demokratie wehrhaft bleiben.
  • Prävention statt Reaktion: Antirassismus-, Anti-Antisemitismus-, und Demokratie-Workshops für Vereine und Institutionen, die ebenfalls zivilgesellschaftlich organisiert sind, müssen aufwandsarm und kostenlos zugänglich gemacht werden.
  • Verteilung finanzieller Mittel auf kommunaler Landesebene an strenge Kriterien knüpfen, wie beispielsweise im vorherigen Punkt aufgeführte Maßnahmen. In jedem Fall gilt: Kein Geld für Nazis! Sobald es Hinweise auf rechtsextreme Mitgliederstrukturen gibt, müssen auch staatliche Strukturen greifen.
  • Kein Fußbreit dem Faschismus, gilt auch auf dem Sportplatz und überall sonst: Zivilgesellschaftliche Akteur*innen müssen klar in die Pflicht genommen werden, rechtsextremes Gedankengut in ihren Reihen ernst zu nehmen und zu handeln, bevor es zu spät ist.
  • Es muss eine Stelle geben, an die man sich wenden kann, sollte es den Verdacht auf rechtsextremes Gedankengut in Vereinen geben. Diese Stelle muss bekannt und leicht zugänglich sein. Als Konsequenz soll entsprechenden Vereinen die Gemeinnützigkeit entzogen werden können.
  • Vor allem in aktuell strukturarmen Regionen muss das Angebot für Freizeit- und Bildungsangebote demokratiefördernd staatlich sichergestellt werden.
  • Dass die Berliner Bezirke sicherstellen, dass es bei der Schöffenwahl 2023 nicht zu einer Unterwanderung der Justiz durch rechte Schöffenrichter*innen kommt.

 

Ob im Sportverein oder auf der Klassenfahrt – während Nazis davon träumen, zivilgesellschaftliche Strukturen zu infiltrieren und unterwandern zu können, müssen wir uns ihnen entschieden in den Weg stellen – immer und überall!

Empfehlung der Antragskommission:
Überweisen an: Rücküberweisung an Antragsteller (Konsens)
Fassung der Antragskommission:

LPT I-2023 | Überweisen an: FA III – Innen- und Rechtspolitik, FA XIII Strategien gegen rechts

 

Stellungnahme des FA XIII – Strategien gegen rechts zum Antrag 114/I/2023:

Der Antrag formuliert unterstützenswerte Forderungen für den Kampf gegen Antisemitismus Rassismus und anderer Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit sowie der Demokratiefeindlichkeit. Sie entsprechend weitgehend den bisherigen Beschlusslagen – für Bereiche wie dem Laienrichter*innenwesen konkretisiert.

Allerdings gibt es die geforderten Anlaufstellen bereits in Berlin und müssten nicht erst noch geschaffen werden; vielmehr sind diverse Beratungs- und Anlaufstellen durch geplante Einsparungen in ihrer Arbeit bedroht. Auch haben die Finanzämter schon Instrumente, um solchen Vereinen die Gemeinnützigkeit zu entziehen. Diese Möglichkeiten müssten sie nur richtig nutzen. Ähnlich verhält es sich bei der Wahl von Schöffenrichter*innen: Die rechtlichen Mittel sind da, aber sie müssten konsequent angewandt werden.

Überweisungs-PDF: