Das Jahr 2015 wird als eines der denkwürdigsten in die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland eingehen. Auf die Aufnahme von fast einer Million geflüchteter Menschen waren die verantwortlichen staatlichen Strukturen nicht vorbereitet. Nur durch das große humanitäre Engagement der Zivilgesellschaft war es möglich, die ankommenden Menschen aufzunehmen, unterzubringen und zu betreuen.
Vielen ist damals nicht sofort bewusst gewesen, dass ein Großteil der nach Deutschland gekommenen Menschen auf Dauer bleiben würde. Die Aufgabe für den Staat und die Gesellschaft bestand also nicht nur darin, die geflüchteten Menschen angemessen aufzunehmen, sondern auch dafür Sorge zu tragen, ihnen einen Weg in die Mitte unserer Gesellschaft zu ebnen.
Ein großer Teil der Zivilgesellschaft hat diese Notwendigkeit schnell begriffen. Egal ob in Nachbarschaftszentren, im Sportverein oder im mittelständischen Betrieb: Geflüchteten wird gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht.
Dennoch ist festzustellen, dass die Politik ihrer Verantwortung an vielen Stellen nicht gerecht wird. Dies zeigt sich bei der öffentlichen Debatte über die Integration geflüchteter Menschen. Schaut man sich den politischen Diskurs zum Familiennachzug oder über schnellere Abschiebeverfahren an, so gewinnt man den Eindruck, dass es vorrangig darum geht, möglichst viele Schutzsuchende schnell wieder loszuwerden. Natürlich ist es richtig, darüber zu debattieren, wie Verfahren beschleunigt und verbessert werden können. Dies darf jedoch nicht dazu führen, dass eine Debatte über Mittel und Wege der Integration nur noch defensiv geführt wird.
Für die SPD muss es darum gehen, eine eigene Position zu finden, die nicht auf Populismus und gefühlten Wahrheiten fußt, sondern die gesellschaftliche Kernfrage, nämlich die Integration der geflüchteten Menschen, in den Mittelpunkt ihres Handelns stellt.
Wir fordern den Landesverband der SPD Berlin dazu auf, ein ganzheitliches Integrationskonzept zu erarbeiten. Das Ziel muss es sein, eine bundes- und landespolitische Debatte über eine sozialdemokratische Integrations- und Flüchtlingspolitik anzustoßen. Wir brauchen klare Ansätze dafür, wie wir die Menschen möglichst schnell in Arbeit bekommen, ihnen eine Aus- oder Weiterbildung ermöglichen, sie unsere Sprache lernen lassen, angemessenen Wohnraum für sie schaffen und ihnen Teilhabe an der Zivilgesellschaft gewähren. Nur mit einer klaren Haltung in der Flüchtlings- und Integrationspolitik und einem daraus resultierenden Entwurf für ein Einwanderungsgesetz kann die SPD auf Bundes- und Landesebene wieder ihr politisches Profil in diesem Bereich schärfen.
Zur Erneuerung der SPD gehört auch, dass wir wieder klare Positionen entwickeln und die politischen Debatten bestimmen. Sozialdemokratie bedeutet auch, das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen und Lösungen für die gesellschaftlichen Herausforderungen zu entwickeln. In diesem Sinne braucht es einen Neuanfang in der Flüchtlings- und Integrationspolitik der SPD. Als Landesverband einer so vielfältigen und toleranten Stadt, sollte die SPD Berlin hierzu den Anstoß in Form eines ganzheitlichen Integrationskonzepts geben.
- LPT II/2018: Überwiesen an AG Migration und Vielfalt
- LPT I/2019: vertagt auf LPT II/2019