Antrag 111/I/2015 Mitbestimmung EU

Status:
Annahme

Die BT-Fraktion und die SPD-Abgeordneten im Europaparlament werden gebeten, sich dafür einzusetzen, dass die europäischen Regeln für die Unternehmensmitbestimmung in „Europäischen Aktiengesellschaften“ (SE) nicht das deutsche Recht der Mitbestimmung unterlaufen können.

 

Empfehlung der Antragskommission:
Annahme (Konsens)
Stellungnahme(n):

Stellungnahme MdEP Sylvia-Yvonne Kaufmann

Antwort Dietmar Köster, MdEP, Mitglied im Rechtsausschuss

  DIE EUROPÄISCHE AKTIENGESELLSCHAFT (SOCIETAS EUROPAEA, SE) Die SE ist eine für die gesamte EU mögliche übernationale Rechtsform. Sie kann in einem Land gegründet und dann relativ unkompliziert in einen anderen Staat verlegt werden.   Das Statut der Europäischen Aktiengesellschaft wurde 2001 erlassen und trat 2004 in Kraft. Die die SE einführende Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 (SE-Verordnung) wurde durch Richtlinie Nr. 2001/86/EG (SE-Richtlinie), die die Beteiligung von Arbeitnehmern an der SE regelt, und damit die Stellung und Rolle der Arbeitnehmer im Unternehmen anerkennt, ergänzt. Sie besagt, dass keine SE ohne ein Modell der Arbeitnehmerbeteiligung gegründet werden darf, das durch Vereinbarung zwischen der Geschäftsleitung und den Arbeitnehmern selbst auszuwählen ist. Wie beim Europäischen Betriebsrat erfolgt dies zwischen dem eigens hierfür zu bildenden „Besonderen Verhandlungsgremium“ (BVG) und der Konzernleitung.   Die konkrete Ausgestaltung der Mitbestimmung der SE muss also innerbetrieblich ausgehandelt werden. Problematisch hinsichtlich der Arbeitnehmermitbestimmung ist die Tatsache, dass eine Beteiligung nur obligatorisch ist, falls die Arbeitnehmer schon vor der Gründung der SE von dieser Beteiligung profitiert haben. Die SE-Richtlinie sichert die Mitbestimmung also nur in dem Umfang, wie sie zum Zeitpunkt der SE-Gründung bestand und sieht keine Anpassung für die Zeit danach vor. Dieses Schlupfloch nutzen Unternehmen und wandeln sich in eine SE um.   Im September 2008 gab die Kommission eine Mitteilung heraus, die SE-Richtlinie zu überprüfen. Am 4. Juli 2011 startete die Europäische Kommission die erste Phase der Anhörungen zum Revisionsverfahren. Seitdem ruht diese Frage und es gibt keine weiteren Verlautbarungen der Kommission. Aus diesem Grund wird die SE auch im Europäischen Parlament zurzeit nicht diskutiert.   Allerdings arbeitet der EMPL-Ausschuss (Berichterstatter ist Thomas Händel, GUE) zurzeit an einem Initiativbericht zum Thema „Workers’ Representation on Board Level in Europe“. Das Thema Arbeitnehmerrechte wird vom Europäischen Parlament als sehr relevant angesehen. Selbstverständlich werden die SPD- und S&D-Abgeordneten sich dort mit ihren Vorstellungen einbringen und weiterhin für die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kämpfen. Die Garantie fundamentaler sozialer Rechte und Arbeitnehmerrechte ist gerade in Zeiten der Globalisierung eine ständige Herausforderung. Vor allem, weil konservative und neo-liberale Parteien unter dem Dogma der Wettbewerbsfähigkeit Mitbestimmung, Sozial- und Beschäftigungsstandards senken wollen. Durch die technologische Entwicklung und Digitalisierung ändert sich auch die Arbeitswelt. Der Anstieg atypischer Arbeitsverhältnisse wie zum Beispiel Null-Stunden-Verträge und Crowd-Working sowie der Anstieg von Selbstständigen macht eine Anpassung auf europäischer Ebene dringend notwendig. Die Arbeitnehmervertretung in den Unternehmen muss aus S&D-Sicht dem Wandel angepasst und gestärkt werden. Eine Umgehung von bestehenden Arbeits- und Sozialstandards muss verhindert werden. Darüber hinaus brauchen wir ein Europäisches Arbeitnehmerstatut, das die Rechte aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Europa schützt. Die gewerkschaftliche Organisierung muss unterstützt werden.     Stellungnahme der Landesgruppe Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion setzt sich dafür ein, dass die europäischen Regeln für die Unternehmensmitbestimmung in „Europäischen Aktiengesellschaften“ (SE) nicht das deutsche Recht der Mitbestimmung unterlaufen können.   Die Mitbestimmung durch ArbeitnehmerInnenvertreter ist fest verankert im Modell der Sozialpartnerschaft in Deutschland. Laut deutschem Recht müssen in Betrieben mit mehr als 500 Beschäftigten 1/3 und in Betrieben mit mehr als 2000 Beschäftigten 1/2 der Sitze im Aufsichtsrat an VertreterInnen der Belegschaft gehen. Seit der Jahrtausendwende ist diese Regelung aber unter Druck.   In immer mehr Unternehmen wird diese Regelung aber unterlaufen. Mit der europäischen Einigung sind viele Rechtsformen von Unternehmen in Deutschland möglich geworden. Ausländische Kapitalgesellschaften werden vom deutschen Mitbestimmungsrecht nicht erfasst. Diesen Umstand machen sich immer häufiger deutsche Unternehmen zu Nutze, indem Gesellschaften nach ausländischem Recht gegründet werden, die aber in Deutschland tätig sind. Im Gegensatz zu den unselbständigen Niederlassungen ausländischer Unternehmen sind es vor allem diese, die für einen rasanten Anstieg von Betrieben ohne Mitbestimmung im Aufsichtsrat verantwortlich sind.   Die SPD hat bereits 2010 in einem Antrag Vorschläge für eine entsprechende Gesetzesinitiative gemacht. In diesem Antrag wurde die Senkung der Schwellenwerte für die Mitbestimmung auf 1000 bzw. 250 Beschäftigte gefordert sowie die Ausdehnung des Mitbestimmungsrechts auf alle in Deutschland angesiedelten Betriebe, egal nach welcher Rechtsform sie bestehen. Darüber hinaus sollte es einen Katalog von Entscheidungen geben, an denen die BelegschaftsvertreterInnen zwingend zu beteiligen sind.