Antrag 301/I/2023 Luft zum Atmen: Für eine starke Berliner Sozialdemokratie als Motor des gesellschaftlichen Fortschritts

Status:
Annahme mit Änderungen

Die SPD Berlin steckt in einer Krise. Fast 22 Jahre lang trugen wir als Partei an der Spitze des Senats die Regierungsverantwortung für alle Berliner*innen. Die bittere Wahlniederlage bei der historischen Wiederholungswahl mit einem ebenfalls historisch schlechten Wahlergebnis am 12. Februar 2023 ist eine Zäsur. Als Partei haben wir darauf bislang keine adäquate Antwort gegeben. Die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der CDU Berlin und der darauffolgende Mitgliederentscheid zum schwarz-roten Koalitionsvertrag haben die Mitgliedschaft in etwa zwei gleich große, sich gegenüberstehende Teile gespalten. Nun müssen wir dringend Antworten darauf geben, wie ein inhaltlicher und personeller Neuanfang für die SPD Berlin nach dieser Zäsur möglich ist, wie wir unsere Bündnisfähigkeit zu mitte-linken Parteien herstellen und 2026 das Rote Rathaus wieder zurückerobern.

 

Die Wahlniederlage aufarbeiten

Die Wiederholungswahl am 12. Februar 2023 war eine historische Wahl. 2021 konnte die Berliner Sozialdemokratie, trotz Verlusten, bei den Abgeordnetenhauswahlen stärkste politische Kraft werden und das rot-grün-rote Regierungsbündnis weiter anführen. Diese rot-grün-rote Koalition hat sich zum Ziel genommen, progressive Politik für eine soziale und bezahlbare Stadt für alle umzusetzen und auf vielfache Krisen wie der Energie- und Inflationskrise, ausgelöst durch den Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine, entsprechend zu reagieren und Berliner*innen mit niedrigem und mittlerem Einkommen zu entlasten. Nach gut 1 ½ Jahren wurde am Wahltag, dem 12. Februar, schnell klar, dass die Erfolge nicht der SPD zugeschrieben und die CDU aus Protest gewählt wurde. Die Berliner SPD hat mit insgesamt 3 Prozentpunkten mehr Verluste eingefahren als ihre damaligen Koalitionspartner zusammen. Die Grünen konnten ihr historisch gutes Wahlergebnis von 2021 weitgehend halten. Trotz der tiefen Auseinandersetzung auf Bundesebene hielten sich auch die Verluste der Linken in Grenzen. Sie hielten ihr Ergebnis etwas im Durchschnitt der Wahlen seit 2006. Innerhalb von 1 ½ Jahren hat unsere stolze Partei zweimal in Folge ihr schlechtestes Wahlergebnis der Nachkriegszeit eingefahren. Von zuvor 25 Direktmandaten im Jahr 2021 gewann die SPD bei der Wiederholungswahl nur 4 Direktmandate. 53.000 Wähler*innen sind innerhalb der gut 1 ½ Jahre von der SPD zur CDU gewandert, etwa 50.000 ins Lager der Nichtwähler*innen.

 

Der Abwärtstrend für die SPD Berlin hat schon weit vor 2016 begonnen. Damals wie heute wurden keine echten Konsequenzen aus den Stimmverlusten gezogen. Eine tiefgreifende Analyse, aus der Maßnahmen abgeleitet wurden, hat nicht stattgefunden. Daraus müssen wir lernen.

 

Daher fordern wir:

  • eine schonungslose Aufarbeitung der Wahlniederlage aus dem Jahr 2023 mit enger externer Begleitung unter Einbeziehung zivilgesellschaftlicher Akteur*innen. Das Expert*innengremium soll die Wahlniederlage von 2023 und die schlechten Ergebnisse der vorigen Wahlen bis Ende des Jahres analysieren.
  • Ziel ist die quantitative und qualitative Aufarbeitung der Wahlergebnisse im Land und in den Kreisen sowie die Erarbeitung von Handlungsempfehlungen

 

 

Aus dem Koalitionsbildungsprozess lernen

Sowohl unsere Entscheidung, nach den Sondierungsgesprächen die bisherige rot-grün-rote Koalition zu verlassen und Verhandlungen mit der CDU Berlin zu führen als auch die Kommunikation dieser Entscheidung, haben das Verhältnis zwischen der SPD und ihren ehemaligen Koalitionspartnern stark belastet. Dabei wurden insbesondere zwischen der SPD und Grünen Feindbilder aufgebaut und Schuldfragen auf eine Weise hin und her geschoben, die auch für zukünftige Zusammenarbeit Vertrauen gekostet hat.

 

Das auf die Koalitionsverhandlungen gefolgte Verfahren zum Mitgliederentscheid über den Entwurf des Koalitionsvertrages mit der CDU Berlin war im Unterschied zu gleichartigen Abstimmungen in der Vergangenheit (z.B 2013 und 2017 auf Bundesebene) nicht auf möglichst breite Beteiligung im Sinne einer Mitmach-Partei SPD angelegt. Insbesondere 2017/18 stand das Votum am Ende eines langen partizipativen Prozesses, welcher u.a. zeigte dass ein Parteitagsbeschluss keine ausreichende Legitimation schaffen würde (z.B. durch den sehr knappen Beschluss zur Aufnahme von Koalitionsverhandlungen).  Dieses Mal war weder eine digitale Abstimmungsmöglichkeit noch ein Eintritt zur Teilnahme an der Abstimmung vorgesehen. Im Ergebnis ist die Parteibasis fast hälftig geteilt. Rund 46 Prozent unserer Mitglieder sind mit dem derzeitigen Kurs der Partei, diesem Koalitionspartner oder mit dem unter Hochdruck ausgehandelten Koalitionsvertrag nicht zufrieden. Das im Vergleich sehr knappe Ergebnis bei dieser Entscheidung deutet zugleich auf eine zunehmende Distanzierung zwischen der sozialdemokratischen Basis und unserer aktuellen Parteiführung auf Landesebene hin, gerade weil diese die Koalition mit der CDU im Vergleich zur Basis fast einstimmig befürwortete.

 

Die höchst umstrittene Frage der Koalitionsbildung mit der CDU an die Mitgliedschaft zu geben, hat zwar zu einer unmittelbarer Legitimation der Entscheidung, aber auch zu einer Polarisierung der Gesamtpartei geführt. Während nach derartigen LPT-Entscheidungen potenzielle Risse durch die Riege der LPT-Delegierten gehen, geht der Riss nun durch einzelne Abteilungen. Nach der Entscheidung wurden keine erheblichen Schritte unternommen, die entstandenen Gräben wieder zuzuschütten. Insbesondere fehlte es seitens der Parteispitze bisher an der Anerkennung der Tatsache, dass fast jede zweite Genossin und jeder zweite Genosse den nun eingeschlagenen Weg nicht mitgehen wollten. Bisher ist die Unterbreitung inhaltlicher Angebote an die unterlegenen NoGroKo-Seite unterblieben. Personell sind ausschließlich diejenigen Genoss*innen eingebunden worden, die frühzeitig und teilweise besonders öffentlichkeitswirksam für Schwarz-Rot geworben haben.

 

Um aus diesem Prozess die richtigen Schlüsse zu ziehen fordern wir den Landesvorstand auf:

  • Wege und Formate zu finden, um Brücken zu Linken und Grünen wieder aufzubauen und dabei gemeinsame linke Projekte der Zukunft im Sinne der sozial-ökologischen Transformation Berlins zu definieren (Wohnraum, Vergesellschaftung, Mobilitätswende, Klimagerechtigkeit, gute Bildung für alle können hierbei Stichwörter sein)
  • einen Vorschlag für die Änderung der Richtlinien der SPD Berlin auszuarbeiten, der die digitale Teilnahme an der Mitgliederbefragungen stets als eine Option vorsieht sowie von der Bundesrichtlinie zu Mitgliederbefragungen unter der Maßgabe abgeweicht, dass die Frist für den Eintritt in die SPD zur Teilnahme an der Abstimmung verlängert wird.

 

 

Visionenprozess starten 

Aus den historisch schlechten Wahlergebnissen müssen wir auch schlussfolgern, dass immer weniger Menschen in Berlin klar ist, wofür die SPD Berlin steht. Wir begreifen die SPD als linke Volkspartei, die alle im Blick hat. Diese Stärke müssen wir wieder hinter dem Begriff der sozialen Gerechtigkeit vereinen und verkörpern. Unsere Gesellschaft ist von grundsätzlichen Spaltungen und Diskriminierungsstrukturen durchzogen. Die Sozialdemokratie muss die Kraft sein, die sich dafür einsetzt, dass jeder Mensch unabhängig von seiner Herkunft, seines Geschlechts, seiner sexuellen Identität etc. gut leben kann. Die Sozialdemokratie muss die Kraft sein, die Spaltung und Diskriminierung entgegentritt und sie abbaut.

 

Wir müssen wieder ganz konkrete Visionen von einem solidarischen Berlin nach unseren Vorstellungen entwickeln, besonders auch, um uns für die Wahl 2026 von anderen Parteien abzugrenzen. Dabei muss klar werden, für was die SPD Berlin auch abseits der Regierung mit der CDU steht. Die SPD muss stärker wieder als eigenständige Partei jenseits der Regierung und als zentrale soziale Kraft erkennbar werden. Dafür benötigen wir einen entsprechenden Visionenprozess.

 

Zum einen sind in diesem Visionenprozess unsere bisherigen Beschlüsse zu bündeln und in lange Linien einzuordnen. Beschlüsse sind zentral für unsere inhaltliche Arbeit und bilden die Grundlage und den Wegweiser für jegliche politische Haltung der SPD – auch besonders in der Regierung. Gleichzeitig hat das Mitgliedervotum gezeigt, dass die SPD Berlin nach wie vor eine Mitgliederpartei ist. Die vielen verschiedenen Genoss*innen, die ihre diversen Ansichten und Erfahrungen mitbringen, sind unsere Stärke. Daher müssen sie an diesem Verfahren beteiligt werden. Ein Vorbild hier müssen die Debattencamps der Bundes-SPD sein, die im Rahmen von “SPD erneuern” 2018 beschlossen wurden. Diese Debattencamps bilden gleichzeitig die Chance, neue Mitglieder zu werben und zu aktivieren und die Partei wieder zusammenzuführen. Dazu müssen die verschiedenen Interessengruppen unserer Partei bereits in die Organisation dieser Debattenräume eingebunden werden.

 

Dementsprechend fordern wir den geschäftsführenden Landesvorstand auf

  • einen Plan für einen Visionenprozess der SPD Berlin zu entwickeln
  • dafür entsprechende Debattenorte nach dem Vorbild der Bundes-SPD 2018 zu schaffen, die unter einer Beteiligung verschiedener innerparteilicher und zivilgesellschaftlicher Interessengruppen stattfinden
  • Stärkere Berücksichtigung der Parteibeschlüsse insbesondere im Senatshandeln

 

 

Neue Köpfe braucht die Partei

Die Berliner*innen müssen sich in unserer Vision, in unserer Erzählung für die Zukunft der Stadt wiederfinden können. Dafür bedarf es auch der Repräsentanz. Die SPD muss zeigen, dass ihre Inhalte auch von Menschen gemacht und vertreten werden, die diese verkörpern.

Auch innerhalb der SPD Berlin müssen sich Mitglieder von Kandidierenden und Vorständen repräsentiert fühlen. In den Parteigremien braucht es eine stärkere Beteiligung von Menschen, die nicht finanziell vom Geschick der SPD abhängig sind. Dass Vorstände zu großen Teilen aus Mandatsträger*innen oder im SPD-Kontext Angestellten bestehen, ist nicht unsere Vorstellung einer Partei, die zu großen Teilen von Ehrenamtlichen getragen wird. Das muss sich ändern, insbesondere im Lichte einer Abgrenzung und Eigenständigkeit der Partei von einer Regierung in einer Koalition mit der CDU. Für den Erneuerungsprozess ist dies unabdingbar.

 

Für den Prozess der inhaltlichen wie personellen Neuaufstellung braucht es daher neben inhaltlichen Debattenräumen auch bei anstehenden Vorstandswahlen Prozesse, die die Mitgliederbasis einbinden und ihr die Möglichkeit bieten, Kandidierende umfangreich kennenzulernen. Hierfür sollen mit genügend Vorlauf Mitgliederforen organisiert werden, bei denen alle antretenden Kandidierenden mit Mitgliedern in den Austausch treten und Fragen beantworten. Außerdem muss sichergestellt werden, dass allen Mitgliedern in parteiinternen Medien wie auch den Außenauftritten der SPD Berlin der selbe Raum eingeräumt wird.

 

Daher fordern wir:

  • Es werden mehrere Mitgliederforen organisiert, auf der sich Kandidat*innen für die neue Parteispitze vorstellen und mit den Mitgliedern in Austausch treten können. Es wird angeregt, dass Kandidaturen von zwei Abteilungen in einem Kreis oder einem Kreisvorstand oder Kreisdelegiertenversammlung oder eines Vorstands oder Landesdelegiertenkonferenz einer Arbeitsgemeinschaft in der SPD Berlin getragen werden müssen, um einen breiten und geordneten Prozess der Kandidaturen zu gewährleisten. Es wird sichergestellt, dass die Kommunikation in eigenen SPD-Berlin-Medien derart ist, dass alle Kandidat*innen den gleichen Raum zur Verfügung gestellt bekommen.
  • Funktionsträger*innen im geschäftsführenden Landesvorstand der SPD Berlin sollen künftig nicht identisch sein mit denen, die als Staatssekretär*innen-, Senator*innen oder als Fraktionsgeschäftsführer*innen oder -vorsitzende die Regierung maßgeblich tragen. Damit soll die unabhängige Erneuerung und Fortentwicklung der Partei gewährleistet werden – unabhängig von der Regierungsbeteiligung.

 

Beschluss: Beschluss des Parteitages
Text des Beschlusses:

Die SPD Berlin steckt in einer Krise. Fast 22 Jahre lang trugen wir als Partei an der Spitze des Senats die Regierungsverantwortung für alle Berliner*innen. Die bittere Wahlniederlage bei der historischen Wiederholungswahl mit einem ebenfalls historisch schlechten Wahlergebnis am 12. Februar 2023 ist eine Zäsur. Als Partei haben wir darauf bislang keine adäquate Antwort gegeben. Die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der CDU Berlin und der darauffolgende Mitgliederentscheid zum schwarz-roten Koalitionsvertrag haben die Mitgliedschaft in etwa zwei gleich große, sich gegenüberstehende Teile gespalten. Nun müssen wir dringend Antworten darauf geben, wie ein inhaltlicher und personeller Neuanfang für die SPD Berlin nach dieser Zäsur möglich ist, wie wir unsere Bündnisfähigkeit zu mitte-linken Parteien herstellen und 2026 das Rote Rathaus wieder zurückerobern.

 

Die Wahlniederlage aufarbeiten

Die Wiederholungswahl am 12. Februar 2023 war eine historische Wahl. 2021 konnte die Berliner Sozialdemokratie, trotz Verlusten, bei den Abgeordnetenhauswahlen stärkste politische Kraft werden und das rot-grün-rote Regierungsbündnis weiter anführen. Diese rot-grün-rote Koalition hat sich zum Ziel genommen, progressive Politik für eine soziale und bezahlbare Stadt für alle umzusetzen und auf vielfache Krisen wie der Energie- und Inflationskrise, ausgelöst durch den Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine, entsprechend zu reagieren und Berliner*innen mit niedrigem und mittlerem Einkommen zu entlasten. Nach gut 1 ½ Jahren wurde am Wahltag, dem 12. Februar, schnell klar, dass die Erfolge nicht der SPD zugeschrieben und die CDU aus Protest gewählt wurde. Die Berliner SPD hat mit insgesamt 3 Prozentpunkten mehr Verluste eingefahren als ihre damaligen Koalitionspartner zusammen. Die Grünen konnten ihr historisch gutes Wahlergebnis von 2021 weitgehend halten. Trotz der tiefen Auseinandersetzung auf Bundesebene hielten sich auch die Verluste der Linken in Grenzen. Sie hielten ihr Ergebnis etwas im Durchschnitt der Wahlen seit 2006. Innerhalb von 1 ½ Jahren hat unsere stolze Partei zweimal in Folge ihr schlechtestes Wahlergebnis der Nachkriegszeit eingefahren. Von zuvor 25 Direktmandaten im Jahr 2021 gewann die SPD bei der Wiederholungswahl nur 4 Direktmandate. 53.000 Wähler*innen sind innerhalb der gut 1 ½ Jahre von der SPD zur CDU gewandert, etwa 50.000 ins Lager der Nichtwähler*innen.

Der Abwärtstrend für die SPD Berlin hat schon weit vor 2016 begonnen. Damals wie heute wurden keine echten Konsequenzen aus den Stimmverlusten gezogen. Eine tiefgreifende Analyse, aus der Maßnahmen abgeleitet wurden, hat nicht stattgefunden. Daraus müssen wir lernen.

 

Daher fordern wir:

  • eine schonungslose Aufarbeitung der Wahlniederlage aus dem Jahr 2023 mit enger externer Begleitung unter Einbeziehung zivilgesellschaftlicher Akteur*innen. Das Expert*innengremium soll die Wahlniederlage von 2023 und die schlechten Ergebnisse der vorigen Wahlen bis Ende des Jahres analysieren.
  • Ziel ist die quantitative und qualitative Aufarbeitung der Wahlergebnisse im Land und in den Kreisen sowie die Erarbeitung von Handlungsempfehlungen

 

Aus dem Koalitionsbildungsprozess lernen

Sowohl unsere Entscheidung, nach den Sondierungsgesprächen die bisherige rot-grün-rote Koalition zu verlassen und Verhandlungen mit der CDU Berlin zu führen als auch die Kommunikation dieser Entscheidung, haben das Verhältnis zwischen der SPD und ihren ehemaligen Koalitionspartnern stark belastet. Dabei wurden insbesondere zwischen der SPD und Grünen Feindbilder aufgebaut und Schuldfragen auf eine Weise hin und her geschoben, die auch für zukünftige Zusammenarbeit Vertrauen gekostet hat.

Das auf die Koalitionsverhandlungen gefolgte Verfahren zum Mitgliederentscheid über den Entwurf des Koalitionsvertrages mit der CDU Berlin war im Unterschied zu gleichartigen Abstimmungen in der Vergangenheit (z.B 2013 und 2017 auf Bundesebene) nicht auf möglichst breite Beteiligung im Sinne einer Mitmach-Partei SPD angelegt. Insbesondere 2017/18 stand das Votum am Ende eines langen partizipativen Prozesses, welcher u.a. zeigte dass ein Parteitagsbeschluss keine ausreichende Legitimation schaffen würde (z.B. durch den sehr knappen Beschluss zur Aufnahme von Koalitionsverhandlungen).  Dieses Mal war weder eine digitale Abstimmungsmöglichkeit noch ein Eintritt zur Teilnahme an der Abstimmung vorgesehen. Im Ergebnis ist die Parteibasis fast hälftig geteilt. Rund 46 Prozent unserer Mitglieder sind mit dem derzeitigen Kurs der Partei, diesem Koalitionspartner oder mit dem unter Hochdruck ausgehandelten Koalitionsvertrag nicht zufrieden. Das im Vergleich sehr knappe Ergebnis bei dieser Entscheidung deutet zugleich auf eine zunehmende Distanzierung zwischen der sozialdemokratischen Basis und unserer aktuellen Parteiführung auf Landesebene hin, gerade weil diese die Koalition mit der CDU im Vergleich zur Basis fast einstimmig befürwortete.

Die höchst umstrittene Frage der Koalitionsbildung mit der CDU an die Mitgliedschaft zu geben, hat zwar zu einer unmittelbarer Legitimation der Entscheidung, aber auch zu einer Polarisierung der Gesamtpartei geführt. Während nach derartigen LPT-Entscheidungen potenzielle Risse durch die Riege der LPT-Delegierten gehen, geht der Riss nun durch einzelne Abteilungen. Nach der Entscheidung wurden keine erheblichen Schritte unternommen, die entstandenen Gräben wieder zuzuschütten. Insbesondere fehlte es seitens der Parteispitze bisher an der Anerkennung der Tatsache, dass fast jede zweite Genossin und jeder zweite Genosse den nun eingeschlagenen Weg nicht mitgehen wollten. Bisher ist die Unterbreitung inhaltlicher Angebote an die unterlegenen NoGroKo-Seite unterblieben. Personell sind ausschließlich diejenigen Genoss*innen eingebunden worden, die frühzeitig und teilweise besonders öffentlichkeitswirksam für Schwarz-Rot geworben haben.

Um aus diesem Prozess die richtigen Schlüsse zu ziehen fordern wir den Landesvorstand auf:

  • Wege und Formate zu finden, um Brücken zu Linken und Grünen wieder aufzubauen und dabei gemeinsame linke Projekte der Zukunft im Sinne der sozial-ökologischen Transformation Berlins zu definieren (Wohnraum, Vergesellschaftung, Mobilitätswende, Klimagerechtigkeit, gute Bildung für alle können hierbei Stichwörter sein)
  • einen Vorschlag für die Änderung der Richtlinien der SPD Berlin auszuarbeiten, der die digitale Teilnahme an der Mitgliederbefragungen stets als eine Option vorsieht sowie von der Bundesrichtlinie zu Mitgliederbefragungen unter der Maßgabe abgeweicht, dass die Frist für den Eintritt in die SPD zur Teilnahme an der Abstimmung verlängert wird.

Visionenprozess starten 

Aus den historisch schlechten Wahlergebnissen müssen wir auch schlussfolgern, dass immer weniger Menschen in Berlin klar ist, wofür die SPD Berlin steht. Wir begreifen die SPD als linke Volkspartei, die alle im Blick hat. Diese Stärke müssen wir wieder hinter dem Begriff der sozialen Gerechtigkeit vereinen und verkörpern. Unsere Gesellschaft ist von grundsätzlichen Spaltungen und Diskriminierungsstrukturen durchzogen. Die Sozialdemokratie muss die Kraft sein, die sich dafür einsetzt, dass jeder Mensch unabhängig von seiner Herkunft, seines Geschlechts, seiner sexuellen Identität etc. gut leben kann. Die Sozialdemokratie muss die Kraft sein, die Spaltung und Diskriminierung entgegentritt und sie abbaut.

Wir müssen wieder ganz konkrete Visionen von einem solidarischen Berlin nach unseren Vorstellungen entwickeln, besonders auch, um uns für die Wahl 2026 von anderen Parteien abzugrenzen. Dabei muss klar werden, für was die SPD Berlin auch abseits der Regierung mit der CDU steht. Die SPD muss stärker wieder als eigenständige Partei jenseits der Regierung und als zentrale soziale Kraft erkennbar werden. Dafür benötigen wir einen entsprechenden Visionenprozess.

Zum einen sind in diesem Visionenprozess unsere bisherigen Beschlüsse zu bündeln und in lange Linien einzuordnen. Beschlüsse sind zentral für unsere inhaltliche Arbeit und bilden die Grundlage und den Wegweiser für jegliche politische Haltung der SPD – auch besonders in der Regierung. Gleichzeitig hat das Mitgliedervotum gezeigt, dass die SPD Berlin nach wie vor eine Mitgliederpartei ist. Die vielen verschiedenen Genoss*innen, die ihre diversen Ansichten und Erfahrungen mitbringen, sind unsere Stärke. Daher müssen sie an diesem Verfahren beteiligt werden. Ein Vorbild hier müssen die Debattencamps der Bundes-SPD sein, die im Rahmen von “SPD erneuern” 2018 beschlossen wurden. Diese Debattencamps bilden gleichzeitig die Chance, neue Mitglieder zu werben und zu aktivieren und die Partei wieder zusammenzuführen. Dazu müssen die verschiedenen Interessengruppen unserer Partei bereits in die Organisation dieser Debattenräume eingebunden werden.

Dementsprechend fordern wir den geschäftsführenden Landesvorstand auf

  • einen Plan für einen Visionenprozess der SPD Berlin zu entwickeln
  • dafür entsprechende Debattenorte nach dem Vorbild der Bundes-SPD 2018 zu schaffen, die unter einer Beteiligung verschiedener innerparteilicher und zivilgesellschaftlicher Interessengruppen stattfinden
  • Stärkere Berücksichtigung der Parteibeschlüsse insbesondere im Senatshandeln
  • zur Begleitung des Regierungshandelns in der schwarz-roten Koalition und soll der geschäftsführende Landesvorstand in Zusammenarbeit mit den relevanten Arbeitsgemeinschaften und Fachausschüssen thematische Mitgliederforen durchführen, in denen die Umsetzung sozialdemokratischer Kernanliegen in der Koalition diskutiert werden sollen.

 

Neue Köpfe braucht die Partei

Die Berliner*innen müssen sich in unserer Vision, in unserer Erzählung für die Zukunft der Stadt wiederfinden können. Dafür bedarf es auch der Repräsentanz. Die SPD muss zeigen, dass ihre Inhalte auch von Menschen gemacht und vertreten werden, die diese verkörpern.

Auch innerhalb der SPD Berlin müssen sich Mitglieder von Kandidierenden und Vorständen repräsentiert fühlen. In den Parteigremien braucht es eine stärkere Beteiligung von Menschen, die nicht finanziell vom Geschick der SPD abhängig sind. Dass Vorstände zu großen Teilen aus Mandatsträger*innen oder im SPD-Kontext Angestellten bestehen, ist nicht unsere Vorstellung einer Partei, die zu großen Teilen von Ehrenamtlichen getragen wird. Das muss sich ändern, insbesondere im Lichte einer Abgrenzung und Eigenständigkeit der Partei von einer Regierung in einer Koalition mit der CDU. Für den Erneuerungsprozess ist dies unabdingbar.

Für den Prozess der inhaltlichen wie personellen Neuaufstellung braucht es daher neben inhaltlichen Debattenräumen auch bei anstehenden Vorstandswahlen Prozesse, die die Mitgliederbasis einbinden und ihr die Möglichkeit bieten, Kandidierende umfangreich kennenzulernen. Hierfür sollen mit genügend Vorlauf Mitgliederforen organisiert werden, bei denen alle antretenden Kandidierenden mit Mitgliedern in den Austausch treten und Fragen beantworten. Außerdem muss sichergestellt werden, dass allen Mitgliedern in parteiinternen Medien wie auch den Außenauftritten der SPD Berlin der selbe Raum eingeräumt wird.

 

Daher fordern wir:

  • Es werden mehrere Mitgliederforen organisiert, auf der sich Kandidat*innen für die neue Parteispitze vorstellen und mit den Mitgliedern in Austausch treten können. Es wird angeregt, dass Kandidaturen von zwei Abteilungen in einem Kreis oder einem Kreisvorstand oder Kreisdelegiertenversammlung oder eines Vorstands oder Landesdelegiertenkonferenz einer Arbeitsgemeinschaft in der SPD Berlin getragen werden müssen, um einen breiten und geordneten Prozess der Kandidaturen zu gewährleisten. Es wird sichergestellt, dass die Kommunikation in eigenen SPD-Berlin-Medien derart ist, dass alle Kandidat*innen den gleichen Raum zur Verfügung gestellt bekommen.
  • Im geschäftsführenden Landesvorstand der SPD sollen künftig nicht mehrheitlich Genoss*innen vertreten sein, die als Staatssekretär*innen, Senator*innen oder Fraktionsvorsitzende die Landesregierung maßgeblich tragen. Insbesondere sollte die zukünftige Doppelspitze nicht vollständig aus diesem Personenkreis stammen. Damit soll die unabhängige Erneuerung und Fortentwicklung der Partei gewährleistet werden – unabhängig von der Regierungsbeteiligung. 
Beschluss-PDF: