Antrag 140/I/2024 Lehren aus der Krankenhausbewegung - Neuanfang in der medizinischen Versorgung gemeinwohlorientiert gestalten

Status:
Nicht abgestimmt

Das Gesundheitswesen zeigt, was passiert, wenn Bereiche der Daseinsvorsorge kapitalistischer Ausbeutung unterworfen werden. Nicht erst seit der Coronapandemie stehen alle Mitarbeiter*innen des Gesundheitswesens und Patient*innen unter dem enormen Druck der finanziellen Grundsätze des Gesundheitswesens, welches Profitmaximierung über menschliches Wohlergehen stellt. Die geplante Pflegereform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach hält weiterhin an den kapitalistischen Grundsätzen des jetzigen Systems fest und kann uns deshalb nicht zufriedenstellen.

 

Hinzu kommt die Krankenhausbewegung, die gerade von uns als Arbeiter*innenpartei unterstützt werden muss. Hierbei geht es unter anderem um bessere Arbeitsbedingungen und faire Löhne sowohl für medizinisches Personal, als auch für andere Angestellte im Gesundheitswesen (Reinigungskräfte, Essensversorger*innen, Laborant*innen, etc) und zuletzt auch in Studium und Ausbildung. Die Folgen der Überlastung der im Gesundheitswesen Beschäftigten und des Gesundheitssystems sind spätestens seit dem „Schwarzbuch Krankenhaus“, ein kollektives Netzwerk, das Erfahrungsberichte aus dem Arbeitsalltag im Gesundheitssystem sammelt, die zumeist erschreckend negativ ausfallen, für jeden nachlesbar und unterstreichen die Dringlichkeit von Veränderung.

 

Da das Ziel eines nicht-profitorientierten Gesundheitssystems jedoch noch in der Ferne liegt, müssen wir Lösungen für die aktuell konkreten Probleme des medizinischen Personals erarbeiten und uns auch in Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften für flächendeckende Tarifbindung und bessere Arbeitsbedingungen einsetzen.

 

Auch Ärzt*innen haben ein Recht auf eine Work-Life-Balance!

Unbezahlte Überstunden, unfaire, auf ein oder wenige Jahre befristete Verträge und die daraus resultierende nicht existente Work-Life-Balance sind längst der Normfall für Ärzt*innen außerhalb von Leitungspositionen. Dazu kommt: Wer nicht täglich länger bleibt hat weniger Chancen auf beruflichen Aufstieg.

 

Durch Regelungen wie das Opt-Out, mit dem es möglich ist, die wöchentliche Arbeitszeit von Ärzt*innen auf 60h/Woche zu erhöhen, wird der Beruf zur Belastung. Offiziell ist das Unterschreiben dieses Vertrages freiwillig, doch viele Arbeitgeber*innen drängen dazu. Dadurch wird sowohl die Gesundheit der Patient*innen durch verringerte Konzentrationsfähigkeit der Ärzt*innen, als auch die Gesundheit der Ärzt*innen selbst aufs Spiel gesetzt. Der Streik im letzten Jahr hat zu einer Tarifeinigung zwischen Marburger Bund (der größten Ärzt*innengewerkschaft) und der Charité geführt. Dabei gab es zumindest Teilerfolge bspw. wurden die sogenannten Kombidienste verboten – eine Kombination aus normalem Dienst, Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst.

 

Auch wenn es mittlerweile mehr Regelungen gibt, berichten Mediziner*innen, dass sich einige Kliniken noch nicht einmal an die jetzt schon eher dürftigen Regeln halten und selbst die ordentliche Dokumentation der Arbeitszeiten verhindern. Regeln müssen durchgesetzt werden! Dafür braucht es regelmäßige, qualitativ hochwertige Kontrollen, auch und gerade bzgl. einer richtigen Dokumentation der realen Arbeitszeiten.

 

Der Trend geht verstärkt zu mehr Leistung in immer weniger Zeit, die Patient*innendichte nimmt zu, die Anzahl der Ärzt*innen ab und die Dienste selbst werden immer arbeitsintensiver. Für die mentale und physische Gesundheit ist es jedoch unerlässlich, richtige Ruhezeiten zu haben. In vielen Gesundheitszentren ist es bei den aktuellen Zuständen und dem hohen Patien*innenaufkommen aber schlichtweg nicht möglich, einfach mal Pause zu machen oder die (wenn überhaupt geregelten) Pausenzeiten einzuhalten. Durch die profitorientierte Denkweise leiden viele Beschäftigte im Gesundheitssektor an Burn-Out und Überlastungssymptomen und müssen ihren Job aufgeben – Ein Verlust, den man sich angesichts des Fachkräftemangels und der Überlastung der Gesundheitssysteme nicht leisten kann. Ärzt*innen haben zudem ein 50% höheres Risiko, an Suizid zu versterben. Bei Ärztinnen ist dieses Risiko verglichen mit der weiblichen Allgemeinbevölkerung sogar vervierfacht. Auch andere psychische Erkrankungen, wie bspw. Suchterkrankungen, Burnout und Überlastungsreaktionen sind im medizinischen Sektor häufiger als anderswo. Hier muss präventiv mit Angeboten entgegengewirkt werden und auch hier würde eine regelmäßige Auszeit vom Beruf helfen.

 

Daher fordern wir:

  • Eine gesetzliche Regelung zur Abschaffung der Opt-Out-Regel bzw. Regelungen, die nicht gültige Mehrarbeit möglich machen
  • Eine Pflicht der Erbringung von Arbeitszeitnachweisen von Ärzt*innen durch die Kliniken und eine geregelte Kontrolle dieser
  • Ein Ausbau der Gesundheitsprogramme für alle Mitarbeiter*innen im Gesundheitswesen, die aktiv die körperliche und mentale Gesundheit fördern und so verhindern, dass Menschen an ihrem Arbeitsplatz kaputt gehen
  • Die Einführung einer Arbeitsgruppe beim Zoll, die ihren Fokus auf die Überprüfung der Einhaltung von Arbeitsrecht im Krankenhaus legt
  • Die Anpassung des § 118 BetrVG muss vorgenommen werden

 

Die Sonderstellung kirchlicher Träger*innen beenden!

Im Kampf für mehr Tarifbindung und bessere Konditionen für Arbeitnehmer*innen in den Tarifverträgen stellen sich kirchliche Träger*innen wie die Diakonie oder die Caritas oft quer. Das Staatskirchenrecht sichert kirchlichen Institutionen und Träger*innen eine Sonderrolle zu. Hierbei darf der Staat in bestimmte Bereiche kirchlicher Selbstbestimmung – wie z.B. das Arbeits- und Dienstrecht, die Regelung über Mitgliedschaften oder die Ordnung der Finanzen – nicht eingreifen. Das führt dazu, dass Menschen durch Dienstvorschriften diskriminiert oder durch schlechte Konditionen gegenüber Mitarbeitenden in anderen Bereichen der Pflege schlechter gestellt werden. In Zeiten des Fachkräftemangels und bei einem Flickenteppich aus Arbeitgeber*innen und Arbeitgeber*innenverbänden kann diese Sonderstellung der Kirchen nicht hingenommen werden.

 

Wir fordern:

  • die Anpassung von Art. 140 GG dahingehend, dass kirchliches Recht nicht vor staatlichem stehen darf
  • eine Überarbeitung und Neuformulierung des Staatskirchenrechts unter besonderer Berücksichtigung der Rechte von Arbeitnehmer*innen, die für kirchliche Träger*innen arbeiten.
  • die Veränderung der Tariftreueregelung in der ambulanten und vollstationären Pflege dahingehend, dass die regional üblichen Entgeltniveaus abgeschafft werden, die AVR Diakonie und Caritas nicht als relevanter Tarifvertrag geführt wird und der Tarifvertrag öffentlicher Dienst immer angeboten werden muss
  • Außerdem bekräftigen wir unsere Forderung, dass Gesundheit zur öffentlichen Daseinsvorsorge und in öffentliche Hand gehört.

 

Empfehlung der Antragskommission:
Annahme in der Fassung der AK (Konsens)
Fassung der Antragskommission:

Das Gesundheitswesen zeigt, was passiert, wenn Bereiche der Daseinsvorsorge kapitalistischer Ausbeutung unterworfen werden. Nicht erst seit der Coronapandemie stehen alle Mitarbeiter*innen des Gesundheitswesens und Patient*innen unter dem enormen Druck der finanziellen Grundsätze des Gesundheitswesens, welches Profitmaximierung über menschliches Wohlergehen stellt. Die geplante Pflegereform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach hält weiterhin an den kapitalistischen Grundsätzen des jetzigen Systems fest und kann uns deshalb nicht zufriedenstellen.

 

Hinzu kommt die Krankenhausbewegung, die gerade von uns als Arbeiter*innenpartei unterstützt werden muss. Hierbei geht es unter anderem um bessere Arbeitsbedingungen und faire Löhne sowohl für medizinisches Personal, als auch für andere Angestellte im Gesundheitswesen (Reinigungskräfte, Essensversorger*innen, Laborant*innen, etc.) und zuletzt auch in Studium und Ausbildung. Die Folgen der Überlastung der im Gesundheitswesen Beschäftigten und des Gesundheitssystems sind spätestens seit dem „Schwarzbuch Krankenhaus“, ein kollektives Netzwerk, das Erfahrungsberichte aus dem Arbeitsalltag im Gesundheitssystem sammelt, die zumeist erschreckend negativ ausfallen, für jeden nachlesbar und unterstreichen die Dringlichkeit von Veränderung. Da das Ziel eines nicht-profitorientierten Gesundheitssystems jedoch noch in der Ferne liegt, müssen wir Lösungen für die aktuell konkreten Probleme des medizinischen Personals erarbeiten und uns auch in Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften für flächendeckende Tarifbindung und bessere Arbeitsbedingungen einsetzen.

 

Auch Ärzt*innen haben ein Recht auf eine Work-Life-Balance!

Unbezahlte Überstunden, unfaire, auf ein oder wenige Jahre befristete Verträge und die daraus resultierende nicht existente Work-Life-Balance sind längst der Normfall für Ärzt*innen außerhalb von Leitungspositionen. Dazu kommt: Wer nicht täglich länger bleibt hat weniger Chancen auf beruflichen Aufstieg. Durch Regelungen wie das Opt-Out, mit dem es möglich ist, die wöchentliche Arbeitszeit von Ärzt*innen auf 60h/Woche zu erhöhen, wird der Beruf zur Belastung.

 

Offiziell ist das Unterschreiben dieses Vertrages freiwillig, doch viele Arbeitgeber*innen drängen dazu. Dadurch wird sowohl die Gesundheit der Patient*innen durch verringerte Konzentrationsfähigkeit der Ärzt*innen, als auch die Gesundheit der Ärzt*innen selbst aufs Spiel gesetzt.

 

Der Streik im letzten Jahr hat zu einer Tarifeinigung zwischen Marburger Bund (der größten Ärzt*innengewerkschaft) und der Charité geführt. Dabei gab es zumindest Teilerfolge bspw. wurden die sogenannten Kombidienste verboten – eine Kombination aus normalem Dienst, Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst. Auch wenn es mittlerweile mehr Regelungen gibt, berichten Mediziner*innen, dass sich einige Kliniken noch nicht einmal an die jetzt schon eher dürftigen Regeln halten und selbst die ordentliche Dokumentation der Arbeitszeiten verhindern. Regeln müssen durchgesetzt werden! Dafür braucht es regelmäßige, qualitativ hochwertige Kontrollen, auch und gerade bzgl. einer richtigen Dokumentation der realen Arbeitszeiten.

 

Der Trend geht verstärkt zu mehr Leistung in immer weniger Zeit, die Patient*innendichte nimmt zu, die Anzahl der Ärzt*innen ab und die Dienste selbst werden immer arbeitsintensiver. Für die mentale und physische Gesundheit ist es jedoch unerlässlich, richtige Ruhezeiten zu haben. In vielen Gesundheitszentren ist es bei den aktuellen Zuständen und dem hohen Patien*innenaufkommen aber schlichtweg nicht möglich, einfach mal Pause zu machen oder die (wenn überhaupt geregelten) Pausenzeiten einzuhalten. Durch die profitorientierte Denkweise leiden viele Beschäftigte im Gesundheitssektor an Burn-Out und Überlastungssymptomen und müssen ihren Job aufgeben – Ein Verlust, den man sich angesichts des Fachkräftemangels und der Überlastung der Gesundheitssysteme nicht leisten kann. Ärzt*innen haben zudem ein 50% höheres Risiko, an Suizid zu versterben. Bei Ärztinnen ist dieses Risiko verglichen mit der weiblichen Allgemeinbevölkerung sogar vervierfacht. Auch andere psychische Erkrankungen, wie bspw. Suchterkrankungen, Burnout und Überlastungsreaktionen sind im medizinischen Sektor häufiger als anderswo. Hier muss präventiv mit Angeboten entgegengewirkt werden und auch hier würde eine regelmäßige Auszeit vom Beruf helfen.

 

Daher fordern wir:

  • Eine gesetzliche Regelung zur Abschaffung der OptOut-Regel bzw. Regelungen, die nicht gültige Mehrarbeit möglich machen. Bis zur Abschaffung dieser Regelungen und zur Vermeidung von Umgehungen dürfen solche Verträge nur im Beiseins eines Betriebsratsmitgliedes vorgelegt und unterschrieben werden.
  • Eine Pflicht der Erbringung von Arbeitszeitnachweisen von Ärzt*innen durch die Kliniken und eine geregelte Kontrolle dieser
  • Ein Ausbau der Gesundheitsprogramme für alle Mitarbeiter*innen im Gesundheitswesen, die aktiv die körperliche und mentale Gesundheit fördern und so verhindern, dass Menschen an ihrem Arbeitsplatz kaputt gehen
  • Die Einführung einer Arbeitsgruppe beim Zoll, die ihren Fokus auf die Überprüfung der Einhaltung von Arbeitsrecht im Krankenhaus bei Leihkräften legt

 

Die Sonderstellung kirchlicher Träger*innen beenden!

Im Kampf für mehr Tarifbindung und bessere Konditionen für Arbeitnehmer*innen in den Tarifverträgen stellen sich kirchliche Träger*innen wie die Diakonie oder die Caritas oft quer. Das Staatskirchenrecht sichert kirchlichen Institutionen und Träger*innen eine Sonderrolle zu. Hierbei darf der Staat in bestimmte Bereiche kirchlicher Selbstbestimmung – wie z.B. das Arbeits- und Dienstrecht, die Regelung über Mitgliedschaften oder die Ordnung der Finanzen – nicht eingreifen. Das führt dazu, dass Menschen durch Dienstvorschriften diskriminiert oder durch schlechte Konditionen gegenüber Mitarbeitenden in anderen Bereichen der Pflege schlechter gestellt werden. In Zeiten des Fachkräftemangels und bei einem Flickenteppich aus Arbeitgeber*innen und Arbeitgeber*innenverbänden kann diese Sonderstellung der Kirchen nicht hingenommen werden.

 

Wir fordern:

  • Die Anpassung des 118 BetrVG muss vorgenommen werden.
  • die Anpassung von 140 GG dahingehend, dass kirchliches Recht nicht vor staatlichem stehen darf
  • eine Überarbeitung und Neuformulierung des Staatskirchenrechts unter besonderer Berücksichtigung der Rechte von Arbeitnehmer*innen, die für kirchliche Träger*innen
  • die Veränderung der Tariftreueregelung in der ambulanten und vollstationären Pflege dahingehend, dass die regional üblichen Entgeltniveaus abgeschafft werden, die AVR Diakonie und Caritas nicht als relevanter Tarifvertrag geführt wird und der Tarifvertrag öffentlicher Dienst immer angeboten werden muss.
  • Außerdem bekräftigen wir unsere Forderung, dass Gesundheit zur öffentlichen Daseinsvorsorge und in öffentliche Hand gehört.