Antrag 26/I/2022 Kündigungsschutz für Ehrenamtliche Richter*innen in Berlin

Wir fordern, dass die Arbeitnehmer*innen, die in Berlin dem Amt des ehrenamtlichen Richters /der ehrenamtlichen Richterin nachgehen, einen gesetzlichen Kündigungsschutz bekommen.

 

Weiterhin sollte gesetzlich verankert werden, dass

  • den ehrenamtlichen Richtern*innen dürfen durch ihre Tätigkeit keine Nachteile entstehen.
  • Während ihrer Amtszeit ist eine Kündigung oder Entlassung nur zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber oder Dienstherren zur fristlosen Kündigung berechtigen.
  • Ehrenamtliche Richter können eine Vertretung an den Gerichten wählen, die ihre Interessen wahrnimmt. In ihrer Funktion haben ehrenamtliche Richter einen Anspruch auf Weiterbildung.
  • Nachwirkung des Kündigungsschutzes endet nach einem Jahr, nachdem die ehrenamtliche Tätigkeit geendet hat.

 

Empfehlung der Antragskommission:
Ablehnung (Konsens)
Fassung der Antragskommission:

(LPT I-2022 – Überweisen an: ASJ)

 

Stellungnahme zu Antrag 26/I/2022 und 27/I/2022 KDV Neukölln – Votum ASJ: Ablehnung

 

Begründung:

Die mit dem Antrag verfolgten Ziele sind bereits gesetzlich geregelt (Schutz vor Benachteiligung, Interessenvertretung, Anspruch auf Weiterbildung), die weitergehenden Forderungen (Ziffer 2+4) sind abzulehnen (erweiterter Kündigungsschutz).

 

1. Nach § 45 Abs. 1a DRiG darf niemand in der Übernahme oder Ausübung des Amtes als ehrenamtlicher Richter beschränkt oder wegen der Übernahme oder Ausübung des Amtes benachteiligt werden. Ehrenamtliche Richter sind für die Zeit ihrer Amtstätigkeit von ihrem Arbeitgeber von der Arbeitsleistung freizustellen. Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses wegen der Übernahme oder der Ausübung des Amtes ist unzulässig. Weitergehende landesrechtliche Regelungen bleiben unberührt. Für die ehrenamtlichen Richter an den Arbeitsgerichten gibt es zudem einen speziellen Schutz in § 26 ArbGG:

 

„Niemand darf in der Übernahme oder Ausübung des Amtes als ehrenamtlicher Richter beschränkt oder wegen der Übernahme oder Ausübung des Amtes benachteiligt werden. Wer einen anderen in der Übernahme oder Ausübung seines Amtes als ehrenamtlicher Richter beschränkt oder wegen der Übernahme oder Ausübung des Amtes benachteiligt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.“

 

2. Hinsichtlich der weitergehenden Forderungen (Ziffer 2+4), eine Kündigung der ehrenamtlichen Richter*in solle während der Amtszeit nur zulässig sein, wenn Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber oder Dienstherrn zur fristlosen Kündigung berechtigen würden und der Normierung, die Nachwirkung eines generellen Kündigungsschutzes solle erst ein Jahr nach Beendigung des ehrenamtlichen Richteramtes enden (2. + 4.), orientiert sich offenbar am Kündigungsschutz von Betriebsratsmitgliedern (§ 15 Abs. 1 S. 1 KSchG). Der dort notwendige, besonders starke Kündigungsschutz von Arbeitnehmer*innenvertretungen im Betrieb bzw. Personalvertreter*innen hat mit deren Verhältnis zum Arbeitgeber/Dienstherren zu tun. Die Rolle und Aufgaben sind indessen nicht vergleichbar mit der Situation einer Person, die ehrenamtlich als Richter von ihrer Arbeit im Betrieb freigestellt wird (der Arbeitgeber verliert hier lediglich temporär die Arbeitsleistung und muss ansonsten keine unmittelbaren oder mittelbaren Einbußen für seinen Betrieb befürchten, die mit dem Zusammenschluss von Arbeitnehmern als Einheit zu tun hätten).

 

Anders als bei Kollektivvertreter*innen ist bei ehrenamtlichen Richter*innen nicht zu erwarten, dass der Arbeitgeber oder Dienstherr das Arbeitsverhältnis innerhalb eines Jahres nach der Tätigkeit als ehrenamtlicher Richter beendet, um sich am Arbeitgeber für die Wahrnehmung des Amtes zu „rächen“. Sollte ein Arbeitsgeber eine/n ehrenamtliche/n Richter*in wegen ihrer Eigenschaft kündigen wollen, steht dem bereits § 45a DRiG entgegen.

 

Die Forderung würde die Differenzierungen des KSchG völlig durcheinanderbringen. So könnte es in der Folge vorkommen, dass bei einer betriebsbedingten Kündigung eine Person, die im Rahmen einer ordnungsgemäßen Sozialauswahl schutzbedürftig wäre und deshalb eigentlich nicht gekündigt werden dürfte wegen einer anderen, an sich sozial nicht schutzbedürftigen Person, die aber vor einem Jahr noch ehrenamtlicher Richter(In) war, wirksam gekündigt werden könnte. Schließlich könnte der starke Kündigungsschutz sogar dazu führen, dass Personen aufgrund sachfremder Motive ehrenamtliche Richter werden. Daher sind die Forderungen abzulehnen.

 

3. Die Forderung nach einer eigenen Interessenvertretung verkennt die bereits bestehenden Regelungen:

  • § 63 des Richtergesetz des Landes Berlin (Berliner Richtergesetz – RiGBln) lautet: „Schöffinnen und Schöffen, Handelsrichterinnen und Handelsrichter, ehrenamtliche Richterinnen und Richter in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit sowie in Landwirtschaftssachen können an den Gerichten, an denen sie tätig sind, Vertretungen wählen, die aus jeweils drei Mitgliedern bestehen. Die Vertretungen werden in Angelegenheiten beteiligt, die die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter betreffen, und nehmen deren Interessen wahr. Das Nähere über die Aufgaben der Vertretungen in den Gerichtszweigen sowie die Wahl der Vertretungen kann das für Justiz zuständige Mitglied des Senats durch Rechtsverordnung bestimmen. Der Gerichtsvorstand beruft spätestens vier Wochen nach Beginn der Amtszeit eine Versammlung der jeweiligen Gruppe der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter ein. Die Versammlung entscheidet zunächst darüber, ob sie gewillt ist, eine Vertretung zu wählen. Im Fall der Entscheidung für die Wahl einer Vertretung beschließt die Versammlung das Wahlverfahren, sofern es an einer Rechtsverordnung nach Satz 3 fehlt. Die Vertretung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter in der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit richtet sich nach § 29 des Arbeitsgerichtsgesetzes und § 23 des Sozialgerichtsgesetzes.“
  • § 29 ArbGG lautet:

 

Ausschuß der ehrenamtlichen Richter

(1) Bei jedem Arbeitsgericht mit mehr als einer Kammer wird ein Ausschuß der ehrenamtlichen Richter gebildet. Er besteht aus mindestens je drei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber in gleicher Zahl, die von den ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber in getrennter Wahl gewählt werden. Der Ausschuß tagt unter der Leitung des aufsichtführenden oder, wenn ein solcher nicht vorhanden oder verhindert ist, des dienstältesten Vorsitzenden des Arbeitsgerichts.

 

(2) Der Ausschuß ist vor der Bildung von Kammern, vor der Geschäftsverteilung, vor der Verteilung der ehrenamtlichen Richter auf die Kammern und vor der Aufstellung der Listen über die Heranziehung der ehrenamtlichen Richter zu den Sitzungen mündlich oder schriftlich zu hören. Er kann den Vorsitzenden des Arbeitsgerichts und den die Verwaltung und Dienstaufsicht führenden Stellen (§ 15) Wünsche der ehrenamtlichen Richter übermitteln.

 

4. Für den Anspruch auf Weiterbildung gibt es bereits eine gesetzliche Regelung im Bildungszeitgesetz des Landes Berlin, es bedarf keiner weiteren Regelung. § 1 Abs. 3 BiZG lautet ausdrücklich: „Bildungszeit dient der politischen Bildung, der beruflichen Weiterbildung und der Qualifizierung zur Wahrnehmung ehrenamtlicher Tätigkeiten.“

 

Absatz 3 lautet: „Die Qualifizierung zur Wahrnehmung ehrenamtlicher Tätigkeiten soll die Stärkung des ehrenamtlichen Engagements fördern.“ Der Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber umfasst einen Umfang von 10 Tagen über zwei Jahre hinweg (Freistellung + Entgeltfortzahlung). Ein weitergehender Freistellungsanspruch ist nicht erforderlich.