Antrag 26/II/2023 Jungen Menschen Wohnraum gewähren - bedingungslos und adäquat

1. Die SPD bekennt sich zu der sozialdemokratischen und staatlichen Aufgabe, für eine Versorgung junger Volljähriger mit angemessenem, dauerhaften Wohnraum zu sorgen und stellt sich dieser. Die Versorgung muss bedingungslos gewährleistet werden. Sofern erforderlich, müssen hier staatliche Sicherungssysteme greifen.

 

2. Die SPD erkennt das SGB VIII als zentrales „sozialstaatliches Auffangnetz“, um jungen Menschen im Bedarfsfall angemessenem, dauerhaften Wohnraum zu gewähren. Ein Abschieben auf andere staatliche Leistungen/Leistungssysteme darf es nicht geben.

 

3. Die sozialdemokratischen Amtsträger:innen in Regierung und Parlament werden aufgefordert,

 

a) gesetzgeberische Initiativen anzustreben, um einen subjektiv einklagbaren Anspruch junger Volljähriger, denen der Verlust von Wohnraum droht, einzuführen. Diesem Anspruch entspricht die entsprechende staatliche Verpflichtung, Wohnraum durch staatliche Instrumente zu gewährleisten. Auch diese staatliche Verpflichtung ist gesetzgeberisch zu schaffen.

 

b) sich für die Einrichtung staatlicher Kontingente an Wohnraum einzusetzen, der jungen Volljährigen zur Verfügung gestellt wird, wenn ihnen andernfalls Wohnungslosigkeit droht. Ergänzend sind Gespräche mit den städtischen Wohnungsbaugesellschaften aufzunehmen, um diese in die Pflicht zu nehmen und entsprechende Kooperationen anzustreben.

 

c) Unterstützend bedarf es der Einrichtung einer Jugendwohnagentur an der Jugendberufsagentur, die insbesondere sozial benachteiligte junge Menschen, die in beengten Wohnverhältnissen leben, bei der Vermittlung von Wohnraum unterstützt.

Fassung der Antragskommission:

Überweisung mit Überprüfung von 3a

 

LPT II-2023: Überwiesen an ASJ, FA IX – Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz, FA VIII – Soziale Stadt

 

___

Stellungnahme der ASJ zum Antrag 26/II/2023 Jungen Menschen Wohnraum gewähren – bedingungslos und adäquat

 

Votum: Zurückweisung an die Antragsteller*innen

Die Versorgung mit angemessenem und dauerhaftem Wohnraum ist gerade für Menschen ohne oder nur mit geringem Einkommen ein sozialdemokratisches Kernanliegen und Beschlusslage der Partei.

 

Der Antrag rückt die Situation von obdachlosen oder von Obdachlosigkeit bedrohten jungen Menschen in den Fokus und schlägt zwei wichtige Instrumente vor, um betroffene junge Menschen wirksam zu unterstützen. Angesichts der schätzungsweise bundesweit 38.000 jungen Menschen unter 27 Jahren, die in versteckter oder offener Obdachlosigkeit leben, tut ein Handeln Not. Für die Entwicklung junger Menschen und deren Start in ein eigenständiges Leben sowie ihre schulische, berufliche oder akademische Ausbildung ist es essentiell, dass ein Zustand der Obdachlosigkeit von vorneherein vermieden wird bzw. die Möglichkeit besteht, sich auch räumlich beispielsweise aus gewaltvollen oder sonstigen gefährdenden familiären Verhältnissen lösen zu können.

 

Dabei wird jedoch einseitig der Fokus auf junge Volljährige gelegt, ohne dabei auf deren Einkommenssituation abzustellen. Es ist nicht nachvollziehbar, warum junge Volljährige, die über ausreichendes Einkommen verfügen oder entsprechende Unterhaltsleitungen gut situierter Eltern einen Anspruch auf Wohnraum vor anderen Gruppen erhalten sollten. Die Wohnungsnot ist vor allem für Geflüchtete, für Familien mit kleinen Kindern, für Bezieher*innen von Sozialleistungen, Rentner*innen und Alleinerziehende besonders groß, so dass eine Privilegierung junger Erwachsener mit einem Rechtsanspruch auf Wohnraum ungeachtet des Einkommens und Vermögens deren Lage am Wohnungsmarkt noch verschärfen würde.

 

Dem Antrag wird kann auch hinsichtlich Ziff. 2 und 3a) nicht überzeugen. Es bestehen Bedenken, dass durch die Formulierung aktuell bestehende Ansprüche entfallen könnten bzw. künftige Ansprüche aus einer möglichen Kindergrundsicherung, die nach derzeitigem Stand in einem eigenen Bundeskindergrundsicherungsgesetz verankert werden sollen.

 

Der Anspruch auf existenzsichernde Leistungen, die auch Unterkunft und Heizung umfassen, besteht bereits heute, zum Beispiel in § 22 SGB II. Außerdem sind die Ordnungsbehörden zur Einweisung in Wohnraum verpflichtet, wenn unfreiwillige Obdachlosigkeit besteht oder droht.

 

Problematisch sind deshalb vor allem die bestehende Wohnungsknappheit und fehlenden öffentlichen Wohnungen, die einer Verwirklichung des Anspruchs praktisch entgegenstehen, sowie für junge Menschen nachteilige Regelungen wie etwa in § 22 Abs. 5 SGB II. Insofern wird nicht die Neuschaffung neuer Ansprüche, sondern die Überarbeitung entsprechender benachteiligender Regeln sowie die Schaffung eines größeren Anteils öffentlichen Wohnraums auf dem Berliner Wohnungsmarkt als erforderlich angesehen.

Daher sollte der Antrag grundlegend überarbeitet werden.