Antrag 155/I/2022 Hass auf Telegram und anderen Messengern unterbinden – Geltendes Recht auch online durchsetzen

Status:
Annahme mit Änderungen

Im Netz finden massenweise Gesetzesverstöße statt: Beleidigungen, Bedrohungen, Aufrufe zu Gewalt bis hin zu Volksverhetzung. Zuletzt steht besonders der Messenger-Dienst Telegram unter Kritik. Er ist derzeit eine der wichtigsten Plattformen von Pandemie-Leugner*innen und der verschwörungsideologischen Szene. In den Gruppen und Kanälen der App vermischen sich unter anderem Querdenker*innen und Rechtsextreme. Dabei werden sowohl irreführende und falsche Informationen über die Pandemie verbreitet, Proteste organisiert und Hass und Hetze verbreitet.

 

Durch eine Suchfunktion und das problemlose Hinzufügen von Kontakten in Gruppen, kann das dazu beitragen, dass sich unterschiedlichste Menschen radikalisieren. Unter anderem solche, die sich auf Telegram einfach nur umschauen möchten oder den Messenger nur nutzen, um im Kontakt mit ihrer Familie oder Freund*innen zu bleiben.

 

Im Dezember 2021 berichtete das ZDF-Magazin „Frontal“ über Mordpläne gegen den sächsischen Ministerpräsidenten auf Telegram. Während andere Plattform-Betreiber wie Facebook oder Twitter mittlerweile verstärkt gegen solche rechtswidrigen Inhalte in ihren Netzwerken vorgehen, löscht oder sperrt der Messenger-Dienst Telegram nur selten. Telegram ist dafür bekannt, Meinungsfreiheit äußerst weit auszulegen und Behörden abblitzen zu lassen. Das hat die Plattform in autoritären Ländern wie Belarus, wo Demonstrant*innen seit Monaten für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in ihrem Land kämpfen zu einem wichtigen Werkzeug für demokratische Protestbewegungen gemacht, führt aber hierzulande auch zur Situation, dass Mordaufrufe einfach stehen bleiben und nicht gelöscht werden.

 

Telegram ermöglicht es, private Nachrichten auszutauschen. Daneben können Nutzer*innen über den Dienst aber auch öffentlich kommunizieren, in Gruppen mit bis zu 200.000 Mitgliedern oder über sogenannte Kanäle. Wegen dieser Funktionen stufen deutsche Justizbehörden Telegram mittlerweile nicht mehr als bloßen Messenger, sondern als soziales Netzwerk ein. Damit fällt der Dienst unter das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG). Das verpflichtet Anbieter*innen sozialer Netzwerke dazu, rechtswidrige Inhalte auf ihren Plattformen zu löschen, wenn sie ihnen gemeldet werden. Ab Februar 2022 gilt zudem die Pflicht, bestimmte strafbare Inhalte an das Bundeskriminalamt zu melden, inklusive der IP-Adresse, über die die Nutzer*innen identifizierbar sind. Wir bleiben bei unserer Ablehnung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes. Dass private Unternehmen nach eigenem Ermessen Daten an Strafverfolgungsbehörden ohne richterlichen Beschluss schicken, entspricht nicht unserer Auflassung des Rechtsstaats.

 

Telegram hält diese Verpflichtungen jedoch nur sporadisch ein. Das Unternehmen mit Sitz in Dubai ist für deutsche Behörden in der Vergangenheit nur schwer erreichbar gewesen und Schreiben von Staatsanwaltschaften und des Bundesamtes für Justiz, die den Messenger nach den Regeln des NetzDG behandeln wollte, blieben zunächst unbeantwortet. Um Druck aus Telegram auszuüben, haben sich daher in den letzten Monaten Forderungen zur Regulierung des Messengers – vom Ausschluss aus den App-Stores bis hin zur Blockade mittels Netzsperren, die das Bundesministerium des Innern und für Heimat als letzte Konsequenz ins Spiel gebracht hat, überschlagen.

 

Laut Recherchen von Netzpolitik.org ist Telegram nun seit Beginn diesen Jahres sehr punktuell gegen einige Verschwörungsinhalte in deutschen Gruppen vorgegangen – möglicherweise ein erstes Signal des Einlenkens. Manche Gruppen ließen sich nicht öffnen und Kommentare in Kanälen seien nicht sichtbar. Dabei handele es sich jedoch offenbar nur um wenige Einzelfälle.

 

Zudem soll es Anfang Februar ein erstes Gespräch des Innenstaatssekretärs Markus Richter mit Verantwortlichen bei Telegram gegeben haben, nachdem Google der Bundesregierung eine E-Mailadresse zur Kontaktaufnahme von Telegram verraten hatte.

 

Trotz aller Probleme mit Telegram ist ein Großteil der Kommunikation über den Messenger völlig legal. Eine Sperrung des Messenger-Diensts ist daher weder zielführend noch verhältnismäßig. Für uns ist die Bekämpfung und vor allem Verfolgung von Straftaten online wie offline eine Kernaufgabe unseres Rechtsstaates. Die Verfolgung von Straftaten, wie Beleidigungen, Drohungen, Aufrufen zu Gewalt und Volksverhetzung auf Telegram darf nicht von der Kooperationswilligkeit der Betreiber des Messenger-Dienstes abhängig sein, sondern muss konsequent durch den deutschen Staat erfolgen.

 

Eine General-Sperre für soziale Netzwerke beinhaltet daneben das Risiko, dass problematische Kommunikation schlicht auf andere Plattformen abwandert. So wird das Problem nur verlagert, nicht aber effektiv bekämpft. Wenn also ein Messenger-Dienst vielfach genutzt wird, um Straftaten zu verüben, ist nicht die Blockierung des Dienstes zielführend, sondern vor allem ein gezielter Einsatz von Polizei und Bundeskriminalamt, die auch im digitalen Raum in die Lage versetzt werden müssen, geltendes Recht durchzusetzen und so sichere kommunikative Teilhabe zu ermöglichen.

 

Die fehlende Handlungsfähigkeit des deutschen Staates im Bezug auf Telegram zeigt, dass es an digitalen Kompetenzen und dem Willen, Recht im Digitalen durchzusetzen fehlt.

 

Es ist für uns nicht hinnehmbar, dass es offenbar einen Bericht von ZDF-Journalist*innen braucht, bis Polizei und Staatsanwaltschaft auf Mordpläne gegen Ministerpräsident*innen in öffentlich zugänglichen und mitlesbaren Chatgruppen aufmerksam werden und handeln. Immer wieder gibt es desweitern Fälle, bei denen Menschen unter Klarnamen zu schweren Straftaten bis zu Morden aufrufen. Passiert ist lange Zeit nichts und gehandelt wurde erst, als eine große Öffentlichkeit entstanden ist.

 

Deswegen fordern wir:

  • Wir fordern, dass das Bundeskriminalamt entsprechend ausgestattet und für den Umgang mit Straftaten im Netz geschult wird, damit verübte Straftaten konsequent verfolgt und vor Gericht gebracht werden können.
  • Wir fordern eine bessere personelle Ausstattung und Schulung deutscher Polizei- und Justizbehörden, um geltendes Recht in digitalen Strukturen effektiv durchzusetzen.
  • Wir fordern niedrigschwellige Meldestellen für Online-Delikte bei den Landeskriminalämtern, um Straftaten auf Messenger-Plattformen wie Telegram unkompliziert und direkt melden zu können.
  • Beleidigungen, Drohungen, Volksverhetzung und Aufrufe zu Gewalt in öffentlichen Kanälen sind für alle einsehbar und verstoßen klar gegen das Gesetz. Chatgruppen können infiltriert werden, es besteht lediglich ein Vollzugsdefizit. Wir halten deshalb fest an unserer Forderung nach auf Plattformen wie Telegram zugeschnittene Schwerpunktstaatsanwaltschaften, um Ermittlungsverfahren tatsächlich durchzuführen.

 

Empfehlung der Antragskommission:
Annahme in der Fassung der AK (Konsens)
Fassung der Antragskommission:

Der Titel des Antrags wird abgeändert zu:

„Hass auf Telegram und anderen Messengern unterbinden – Geltendes Recht auch online durchsetzen“.

 

Wir lehnen Beleidigungen, Bedrohungen, Aufrufe zu Gewalt bis hin zu Volksverhetzung im Netz entschieden ab. Für uns ist die Bekämpfung und Verfolgung von Straftaten online wie offline eine Kernaufgabe unseres Rechtsstaates.

 

Messenger-Dienste wie Telegram werden als Plattformen von Pandemie-Leugner*innen und der verschwörungsideologischen Szene genutzt. In den Gruppen und Kanälen der App vermischen sich unter anderem Querdenker*innen und Rechtsextreme. Dabei werden sowohl irreführende und falsche Informationen über die Pandemie verbreitet, Proteste organisiert und Hass und Hetze verbreitet.

 

Die Verfolgung von Straftaten, wie Beleidigungen, Drohungen, Aufrufen zu Gewalt und Volksverhetzung darf nicht von der Kooperationswilligkeit der Betreiber des Messenger-Dienstes abhängig sein, sondern muss konsequent durch den deutschen Staat erfolgen.

 

Wir fordern,

  • dass das Landes- und Bundeskriminalamt entsprechend ausgestattet werden und für den Umgang mit Straftaten im Netz besser ausgestattet werden, damit verübte Straftaten konsequent verfolgt und vor Gericht gebracht werden können,
  • eine bessere personelle Ausstattung und Schulung deutscher Polizei- und Justizbehörden, um geltendes Recht in digitalen Strukturen effektiv durchzusetzen,
  • eine niedrigschwellige Meldestellen für Online-Delikte bei den Landeskriminalämtern, um Straftaten auf Messenger-Plattformen wie Telegram unkompliziert und direkt melden zu können und
  • Staatsanwaltschaften und Strafgerichte mit dem Schwerpunkt “Hasskriminalität im Netz” eingerichtet und gestärkt werden.

 

Beschluss: Annahme in der Fassung der AK
Text des Beschlusses:

Wir lehnen Beleidigungen, Bedrohungen, Aufrufe zu Gewalt bis hin zu Volksverhetzung im Netz entschieden ab. Für uns ist die Bekämpfung und Verfolgung von Straftaten online wie offline eine Kernaufgabe unseres Rechtsstaates.

 

Messenger-Dienste wie Telegram werden als Plattformen von Pandemie-Leugner*innen und der verschwörungsideologischen Szene genutzt. In den Gruppen und Kanälen der App vermischen sich unter anderem Querdenker*innen und Rechtsextreme. Dabei werden sowohl irreführende und falsche Informationen über die Pandemie verbreitet, Proteste organisiert und Hass und Hetze verbreitet.

 

Die Verfolgung von Straftaten, wie Beleidigungen, Drohungen, Aufrufen zu Gewalt und Volksverhetzung darf nicht von der Kooperationswilligkeit der Betreiber des Messenger-Dienstes abhängig sein, sondern muss konsequent durch den deutschen Staat erfolgen.

 

Wir fordern,

  • dass das Landes- und Bundeskriminalamt entsprechend ausgestattet werden und für den Umgang mit Straftaten im Netz besser ausgestattet werden, damit verübte Straftaten konsequent verfolgt und vor Gericht gebracht werden können,
  • eine bessere personelle Ausstattung und Schulung deutscher Polizei- und Justizbehörden, um geltendes Recht in digitalen Strukturen effektiv durchzusetzen,
  • eine niedrigschwellige Meldestellen für Online-Delikte bei den Landeskriminalämtern, um Straftaten auf Messenger-Plattformen wie Telegram unkompliziert und direkt melden zu können und
  • Staatsanwaltschaften und Strafgerichte mit dem Schwerpunkt “Hasskriminalität im Netz” eingerichtet und gestärkt werden.

 

Beschluss-PDF:
Stellungnahme(n):
Stellungnahme Senat 2024:

Erledigt, da der Senat im Sinne der Zielstellung gehandelt hat und handelt. Da es sich um eine Daueraufgabe handelt, verfolgt der Senat das Anliegen mit unverminderter Intensität weiter.

Stellungnahme AH-Fraktion 2024:

Aus medienpolitischer Sicht ist den Berichten der innenpolitischen Fraktionsvertretung zu ergänzen: Medienangelegenheiten sind Ländersache, weshalb nicht nur im Bereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Aufsichtspflichten einzuhalten sind. Für die privaten Radio- und TV-Veranstalter sowie für Telemedienabieter ist die Landesmedienanstalt Berlin-Brandenburg die wichtige Aufsichtsbehörde. Ihrem Profil nach und unter Einhaltung des Staatsferne-Gebots verbindet die Medienanstalt Regulierungsaufgaben mit der Förderung von Medienkompetenz und Medienvielfalt. Besondere Bedeutung hat bspw. das von der Gemeinschaft der Medienanstalten entwickelte KI-Tool Kivi, das zur Unterstützung der Eigenrecherche der Landesmedienanstalten bei der Suche nach Rechtsverstößen im Internet eingesetzt wird. Hier finden sich Rechtsverstöße im Bereich Pornografie und verfassungsfeindliche Inhalte, beides ist nicht selten mit Hass und Hetze verbunden. Die Landesmedienanstalten dürfen zwar nur öffentliche Plattformen sozialer Medien durchsuchen. Da aber Hassbotschaften oftmals auf unterschiedlichen Plattformen mehrfach ausgespielt werden, darf man davon ausgehen, dass Akteure durch Ausspielungen auf öffentlichen Plattformen zumindest teilweise erfasst werden. Das KI-Tool ist aktuell an 8 Stunden täglich im Einsatz. Eine Erweiterung auf einen 24-Stunden-Betrieb ist technisch möglich, jedoch fehlt dafür die Finanzierung.

Beschluss des BPT 2023:

Überweisung an SPD-Landtagsfraktionen und SPD-Bundestagsfraktion, erledigt durch Regierungshandeln
Überweisungs-PDF: