Antrag 150/I/2022 Hände weg von den Daten - Kein Big Data für die Polizei!

Durch die fortschreitende Digitalisierung lassen sich immer mehr Daten über Menschen und ihr Leben erheben. Diese Daten entstehen maßgeblich im digitalen Raum. So zeigen immer wieder Untersuchungen, dass Unmengen an Daten im Internet über die Nutzer*innen gesammelt werden – oftmals ohne ihr Wissen. Weiterhin gibt es Berichte, dass selbst digitale Profile von Menschen von Diensten angelegt werden, die diese Dienste (z.B. Facebook) gar nicht selbst nutzen. Klar ist: Es werden immer mehr Daten über Menschen erhoben, ob sie es wissen oder nicht.

Im Zuge der Pandemiebekämpfung wurden auch Apps zur Kontaktnachverfolgung eingesetzt. So arbeitete die Corona-Warn-App mit Open Source (also einem öffentlich einsehbaren und bearbeitbaren Code) und möglichst datensparsam, um die notwendigen Daten zur Kontaktnachverfolgung zu erheben. Neben der von der öffentlichen Hand finanzierten Corona-Warn-App gab es auch kommerzielle Alternativen, wie die Luca-App. Diese wurde vor allem zur Kontaktnachverfolgung in Restaurants eingesetzt. Dazu musste allerdings immer ein Name eingegeben werden, sodass die Nutzung – anders als bei der Corona-Warn-App – nicht anonym war. Diese fehlende Anonymität versuchte sich die Polizei in mehreren Ländern zunutze zu machen. So wurde beispielweise in Mainz ohne Rechtsgrundlage seitens der Polizei auf Daten aus der Luca-App zurückgegriffen, um Zeug*innen in einem mutmaßlichen Tötungsdelikt ausfindig zu machen. Das heißt, in diesem Fall wurden ohne richterlichen Beschluss, die persönlichen Daten von Unbeteiligten abgefragt. In Baden-Württemberg gab es ähnliche Fälle und auch in Brandenburg kündigte die Polizei an, dass Daten aus der Luca-App genutzt werden sollten.

 

Dies sind allerdings nicht die einzigen Fälle, in denen Strafverfolgungsbehörden Daten von Unbeteiligten massenhaft abgreifen. So beschloss vor kurzem das bayerische Landeskriminalamt, die umstrittene Software Palantir einzusetzen. Diese Software wird bereits von Hessen genutzt und setzt das sogenannte Datenmining ein. Dabei werden Daten aus verschiedenen Datenbanken miteinander verknüpft. Palantir ist für den Bereich der Big Data, also sehr große Datenmengen, konzeptioniert. Zwar soll die Software nach Angaben des bayerischen LKAs nicht mit dem Internet verbunden werden und keine neuen Daten erhoben werden, aber dennoch werden Daten nicht für den Zweck verwendet, für den sie ursprünglich gespeichert worden sind. Die Wahrscheinlichkeit, dass Daten so zweckentfremdet werden, ist dadurch sehr groß. Die Software soll für Terrorismusbekämpfung eingesetzt werden. Allerdings werden durch die Verknüpfung von Datenbanken auch massiv persönliche Daten von Menschen abgefragt, die nicht im Kontext von Terrorismusbekämpfung erhoben worden sind. Der bayerische Landesdatenschutzbeauftragte hält dies für einen deutlichen Eingriff in die Grundrechte vieler Menschen. Wie genau welche Daten abgefragt und verknüpft werden, ist zudem nicht öffentlich bekannt. Der Vertrag, den die bayerische Polizei mit Palantir abgeschlossen hat, ist so ausgelegt, dass andere Länder und auch der Bund diesem leicht beitreten und die Software auch nutzen können. Viele Expert*innen hegen allerdings Zweifel an der Datenschutz- und Verfassungskonformität der Software. Nach Berichten hat das Unternehmen seine Produkte auch der Berliner Polizei vorgestellt. Für uns ist ein Einsatz einer Software, die nachweislich im Widerspruch zum Grundgesetz steht, nicht hinnehmbar. Wir lehnen eine solche Kooperation strikt ab.

 

Die Daten, die von Strafverfolgungsbehörden in Deutschland erhoben werden, sind hochsensibel. Immer wieder gab es in den letzten Jahren Berichte darüber, dass Adressen von Aktivist*innen, Politiker*innen oder Prominenten ohne Rechtsgrundlage abgefragt worden sind. Fast wöchentlich gibt es neue Berichte über rechtsextreme Polizist*innen. Der Einsatz undurchsichtiger, umstrittener und datenschutzrechtlich hoch zweifelhafter Software wird diese angespannte Lage nicht verbessern. Stattdessen müssen Menschen nun Sorge habe, dass ihre Daten ohne Grund auf einmal in Terrorismuskontexten auftauchen, nur weil eine Software dies entschieden hat. Die neuen Möglichkeiten, die sich auch für Strafverfolgungsbehörden durch die Digitalisierung ergeben, dürfen kein Freifahrtschein für Grundrechtseinschränkungen sein.

 

Wir fordern daher:

  • Die Berliner Polizei wird weder die Luca-App, noch vergleichbare Apps ohne richterlichen Beschluss für die Strafverfolgung oder andere Ermittlungen nutzen.
  • Die Berliner Polizei wird Auswertung- und Analysesoftware wie z.B. Palantir nicht für die Auswertung eingriffsintensitätsarmer Daten nutzen.
  • Berlin wird sich auf Bundesebene dafür einsetzen, dass strenge Datenschutzmaßgaben insbesondere an den polizeilichen Umgang mit Daten beschlossen und umgesetzt werden. Das Ziel dieser Maßgaben muss sein, Grundrechte zu schützen und den Einsatz sowie den Kauf von Software wie Palantir zu unterbinden.

 

Empfehlung der Antragskommission:
zurückgestellt - Votum AK folgt am 08.11.2022
Fassung der Antragskommission:

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Die ASJ Berlin empfiehlt Annahme in geänderter Fassung:

Der Titel des Antrages lautet: “Informationelle Selbstbestimmung stärken”

 

Wir lehnen eine intransparente Datenzusammenführungen und Mega-Datenbanken – wie beispielsweise durch die Software Palantir – als unzulässigen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ab.

Die Nutzung von Apps wie z.B. zur Pandemiebekämpfung – wie die Luca-App – dürfen nicht ohne richterlichen Beschluss durch die Polizei zur Strafverfolgung genutzt werden.

Die Nutzung von Palantir oder vergleichbarer Software, die in der Lage ist, enorme Datensammlungen des Staates ohne Wissen der Betroffenen oder ohne richterliche Kontrolle zusammenzuführen, lehnen wir ab.

Berlin wird sich auf Bundesebene dafür einsetzen, dass strenge Datenschutzmaßgaben, insbesondere an den polizeilichen Umgang mit Daten beschlossen und umgesetzt werden. Das Ziel dieser Maßgaben muss sein, das informationelle Selbstbestimmungsrecht zu schützen, Eingriffe zu beschränken und den Einsatz von entsprechender Software streng zu regulieren und zu kontrollieren.

 

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Fachausschuss III empfiehlt Annahme in geänderter Fassung:

Der Titel des Antrages lautet: “Informationelle Selbstbestimmung stärken”

 

Wir lehnen eine intransparente Datenzusammenführungen und Mega-Datenbanken  – wie bespielsweise durch Software Palantir  – als unzulässigen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ab.


Die Nutzung von Apps z. B. wie die Luca App zur Pandemiebekämpfung dürfen nicht ohne richterlichen Beschluss durch die Polizei zur Strafverfolgung genutzt werden.


Die Nutzung von Palantir oder vergleichbarer Software, die in der Lage ist, enorme Datensammlungen des Staates ohne Wissen der Betroffenen und ohne richterliche Kontrolle zusammenzuführen, lehnen wir ab.

Berlin wird sich auf Bundesebene dafür einsetzen, dass strenge Datenschutzmaßgaben, insbesondere an den polizeilichen Umgang mit Daten beschlossen und umgesetzt werden. Das Ziel dieser Maßgaben muss sein, das informationelle Selbstbestimmungsrecht zu schützen, Eingriffe zu beschränken und den Einsatz von entsprechender Software streng zu regulieren und zu kontrollieren.

 

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Das Forum Netzpolitik empfiehlt Zustimmung unter folgender Maßgabe:

 

Das Forum Netzpolitik schließt sich dem Ziel der Anträge an, dass intransparente Datenzusammenführungen und Mega-Datenbanken durch Software wie Palantir einen unzulässigen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aller betroffenen Bürger darstellen.

 

In Bezug auf die Forderungen schlagen wir folgende Konkretisierung in der Formulierung der ersten Forderungen vor, welche konkrete Software in wie fern zu beschränken ist (basierend auf Antrag 151/I/2022):

  • Die Berliner Polizei wird weder die Luca-App, noch vergleichbare Apps [, die vorrangig der Pandemiebekämpfung dienen,] für die Strafverfolgung oder andere Ermittlungen nutzen.
  • Die Berliner Polizei wird nicht Palantir oder vergleichbare Software[n] nutzen, die [in der Lage ist, die enormen Datensammlungen des Staates ohne Wissen der Betroffenen zusammenzuführen und damit] das Potential massiver Grundrechtsverletzungen aufweisen.

 

Stellungnahme(n):
Stellungnahme Senat 2024:

Erledigt, da das Anliegen geprüft wurde und der Senat im Ergebnis kein rechtsstaatliches Mittel der Verbrechensbekämpfung pauschal ausschließt. Durch die inzwischen erfolgte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind die Voraussetzungen hierfür eng und klar umrissen.
Überweisungs-PDF: