Antrag 45/II/2023 Geschlechtergerechtigkeit bei Unterhaltszahlungen

 

Die sozialdemokratischen Mitglieder des Deutschen Bundestages werden aufgefordert, zu prüfen, inwieweit es technisch leistbar und verfassungsrechtlich tragfähig ist, ein rechtliches Instrument zu entwickeln, mit dem sich der Unterhalt von dazu gesetzlich Verpflichteten von staatlichen Stellen direkt vom Arbeitgeber abführen und dem Unterhaltsberechtigten zuleiten lässt. Dies darf nicht zu Leistungseinschränkungen der Unterhaltsberechtigten führen.

 

Wenn ein solches Instrument gefunden wird, werden die sozialdemokratischen Mitglieder des Bundestages beauftragt, die dafür zuständigen Ministerien per Gesetz zu Verordnungen zu ermächtigen, die die Einrichtung und Ausübung der nötigen Kompetenzen möglich machen. Insbesondere soll nach dem Vorbild Bayerns eine Zentralstelle (entweder des Bundes oder der jeweiligen Bundes-länder) eingerichtet werden, um die logistische Arbeit besser leisten zu können. Die Zentralstelle(n) soll(en) auch eingerichtet werden, wenn sich der oben genannte Vorschlag nicht realisieren lässt, um insbesondere für eine bessere Verfolgung von Unterhaltssäumigen zu sorgen.

 

Mithin soll geprüft werden, ob und inwieweit eine Schärfung der bereits vorhandenen strafrechtlichen Instrumente bei widerrechtlich und in besonders verwerflicher Art und Weise (§ 170 StGB) unterhaltsverweigernden Personen verhältnismäßig und zielführend sind. Die generelle Unterstrafestellung der widerrechtlichen und vorsätzlichen Vorenthaltung von Unterhalt gegenüber dem sorgerechtlich verantwortlichen Elternteil des Kindes sollte geprüft werden.

Fassung der Antragskommission:

LPT II/2023: Überwiesen an ASJ

 

Stellungnahme der ASJ zum Antrag 45/II/2023 der KDV Friedrichshain-Kreuzberg „Geschlechtergerechtigkeit bei Unterhaltszahlungen“

 

Votum: Zurückverweisung an den Antragsteller

 

Begründung:

Die grundsätzliche Zielrichtung der Anträge wird begrüßt. Die Vorenthaltung von Unterhalt betrifft überwiegend Frauen und stellt geschlechtsspezifische Gewalt in Form von wirtschaftlicher Gewalt dar. Unklar bleiben hingegen der Umfang und der Nutzen der beantragten Direktabführung.

1. Zurückverweisung des Antrages 1

Der Umfang der Anträge bzw. das Ziel der Anträge bleibt unklar. Soll hier lediglich die Einführung der direkten Abführung des – bereits festgesetzten – Unterhalts beim Verpflichteten und Zuleitung zu Berechtigten erreicht werden? Dann handelt es sich hier nur um eine besondere Form der Vollstreckung, ähnlich der Pfändung und Überweisung des Arbeitslohns. Ebenfalls ist unklar, ob hier weiterhin ein Antrag oder eine Handlung der Unterhaltsberechtigten erforderlich ist. Hier hätte man einen enormen Aufwand bei geringem Nutzen. Es ist zweifelhaft, dass viele Unterhaltsberechtigte, die den Unterhaltsvorschuss nicht kennen, nicht in Anspruch nehmen wollen oder den Unterhalt nicht einklagen wollen, sich dann für die Abführung beim Arbeitgeber des Unterhaltsverpflichteten entscheiden würden.

Oder soll mit dem Vorhaben ein Automatismus zur Feststellung der Unterhaltsverpflichtung sowie Höhe samt automatischer Abführung eingeführt werden, ähnlich wie das bei der Lohnsteuer der Fall ist? Dieses Verfahren würde noch größeren Aufwand bedeuten, würde aber in der Tat das „Unterhaltssystem“ vom Kopf auf die Füße stellen. Es würde auch eher der geschilderten Problemlage gerecht, dass Frauen von der Einforderung des Unterhalts absehen, sei es aus Unkenntnis ihrer Rechte, Angst vor dem Ex-Partner oder dem Mangel an finanziellen Ressourcen.

Die Rückgriffsquote im Rahmen des Unterhaltsvorschussgesetztes (UhVorschG) hängt nicht nur von der Organisation des Rückgriffs in den einzelnen Ländern, sondern ganz entschieden von der finanziellen Leistungsfähigkeit der jeweiligen Unterhaltsverpflichteten ab (Antwort auf kleine Anfrage der Linken, 11.05.2023, S. 5, Frage 12 und 13, BT-Drucksache 20/6798; BMFSFJ, Staat holt sich deutlich mehr Unterhaltsvorschuss-Zahlungen zurück, 08.02.2023). Daher dürfte auch die Abführung des Unterhalts vom Arbeitslohn bei ohnehin finanziell gar nicht oder kaum leistungsfähigen Verpflichteten keine große Entlastung bringen.

Daher sollte der Prüfauftrag auch Untersuchung erhalten, ob mit den beantragten Änderungen überhaupt der verfolgte Zweck sinnvoll zu erreichen ist. Dabei müssten auch die komplexen Wechselwirkungen des Unterhaltsrechts mit dem sonstigen Familien- und Kindschaftsrecht untersucht werden.

2. Zurückverweisung der übrigen Anträge

Für die Anträge 2 und 3 kann nichts anderes gelten, da sie in jedem Fall vom Prüfauftrag in Antrag 1 abhängen. Gegen die Verpflichtung zur Einrichtung von Zentralstellen dürfte nichts sprechen. Zwar regeln die Länder nach Art. 84 Abs. 1 S. 1 GG grundsätzlich die Einrichtung der Behörden und des Verwaltungsverfahrens selbst, aber nach Art. 84 Abs. 1 S. 2 GG können Bundesgesetze hier anderes bestimmen, aber die Länder können davon abweichen.

Antrag 4 sollte zurückverwiesen werden, um die Einheitlichkeit des ursprünglichen Antrags zu wahren.