Antrag 138/II/2024 Für eine moderne Drogenpolitik des 21. Jahrhunderts

Status:
Nicht abgestimmt

Wir fordern:

  1. eine Neuausrichtung der deutschen Drogenpolitik, die sich am Vorbild Portugals orientiert.
  2. eine vollständige Legalisierung des Besitzes aller illegalen Drogen bis zu einer gewissen Menge für den Eigenbedarf. Wie hoch dieser Wert ist, muss je nach Droge festgelegt werden.
  3. dass der Fokus der Strafverfolgung auf der Ermittlung gegen Großdealende und nicht auf Konsumierenden und Kleindealenden liegt. Entsprechende Anordnungen und Erlasse werden daraufhin überprüft und angepasst und Schulungen für alle Mitarbeitenden durchgeführt. Die bisherige Verfolgung von Kleindealer*innen ist nicht nur nicht zielführend, sie ist auch von Rassismus geprägt und kriminalisiert vor allem Menschen, die in Armut leben.
  4. den massiven Ausbau von evidenzbasierten Präventionsprogrammen. Hierfür müssen auch die notwendigen finanziellen Mittel bereitgestellt werden. Die Programme sollen sich an den EU-Standards gemäß European Drug Prevention Quality Standards (EDPQS) orientieren.
  5. die stigmafreie Unterstützung von Abhängigen mit Drogenentzugsprogrammen. Neben dem physischen Entzug ist hierbei vor allem die psychologische Betreuung von Abhängigen entscheidend.
  6. eine ganzheitliche Betrachtung des Problems der Drogenabhängigkeiten. Diese treten vermehrt bei Personen auf, die in sozial prekären Situationen oder in Armut leben. Eine Unterstützung der Betroffenen muss also ihre gesamte soziale Situation in den Blick nehmen.
  7. dass alle Einsatzfahrzeuge der Rettungsdienste zusätzlich zu Krankenwagen und Notarztfahrzeugen mit Medikamenten, bspw. Naloxon- oder Adrenalinspritzen, ausgestattet werden und die Diensttuenden in ihrer Verabreichung geschult werden, um bei Fällen von Überdosis schnell helfen zu können. Eine Abgabe durch Apotheken und Drogenberatungsstellen an Suchterkrankte mit entsprechender Anleitung zur Nutzung soll geprüft werden. Schulungen zum Umgang mit Überdosisfällen sollen in Drogenpräventionsarbeit eingebaut werden.
  8. die Einrichtung von ausreichend Drogenkonsumräumen, in denen Drogen in einem geschützten Umfeld statt auf der Straße genommen werden. Hierbei muss auf die Anzahl der Räume und auf ausreichend lange Öffnungszeiten geachtet werden und die Finanzierung auch langfristig durch die jeweils zuständigen Behörden sichergestellt werden.
  9. das sogenannte Drug-Checking, also die Vor-Ort-Prüfung von Drogen auf ihre Zusammensetzung, bundesweit umzusetzen und auszubauen.
  10. die Förderung der Forschung zu medizinischen Potenzialen von Drogen sowie von Substitutionsbehandlungen von Abhängigen.
  11. die Förderung von lokalen Projekten und Initiativen, welche wirtschaftliche Alternativen zum Drogenanbau für Kleinbäuer*innen schafft
  12. die Förderung von lokalen sozialen Projekten in den Drogenproduktionsländern, welche Betroffene von Gewalt vor Ort schützt und Menschenrechte sichert
  13. Druck auf die mexikanische Regierung die Tötungen und andere Straftaten im Drogenkrieg aufzuklären
  14. Schutz für mögliche Opfer von Gewalt im Drogenkrieg durch den Flüchtlingsstatus oder das gewähren von subsidiärem Schutz

 

Empfehlung der Antragskommission:
Überweisen an: FA III - Innen- und Rechtspolitik, FA IX - Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz (Konsens)
Fassung der Antragskommission:

LPT II-2024 | Überweisung an FA III – Innen- und Rechtspolitik, FA IX – Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz

 

Stellungnahme FA IX – Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz

Votum FA IX: kein Votum, aber Bitte um Verlesen unserer Stellungnahme vor der Antragskommission

Stellungnahme:

Die Antragsteller haben Recht: Wir brauchen einen Paradigmenwechsel in der Drogenpolitik. Bislang wird der Fokus zu wenig auf Prävention, Aufklärung und Unterstützung Betroffener gelegt. Dabei von der sogenannten gesundheitsorientierten Drogenpolitik auszugehen, wie sie in Portugal verfolgt wird, halten wir für eine interessante und diskussionswürdige Idee. Die gesundheitsorientierte Drogenpolitik zielt darauf ab, dass Drogenabhängigkeit keine Straftat, sondern in erster Linie eine Krankheit ist, die es zu behandeln gilt. Die Schwerpunkte liegen insbesondere auf präventiven, aufklärenden und unterstützenden Maßnahmen, der Besitz und Konsum von Drogen für den Eigenbedarf wird entkriminalisiert, nicht aber legalisiert. Dieser Ansatz kann ein Beitrag dazu sein, die Zahl der Drogenabhängigen und -toten zu reduzieren und Betroffenen zu helfen, anstatt sie zu stigmatisieren und zu kriminalisieren.

Dennoch: Einige der Forderungen im Antrag sind zu weitgehend bzw. sie werden in der SPD keine Mehrheit finden. Zudem wurde im Antrag kein Adressat benannt – je nach Forderung müsste es sich aus einer Mischung von Bundes- und Landesebene handeln. Aussagen wie „Außerdem ist der Krieg gegen die Drogen ein Ausdruck eines Obrigkeits- und Polizeistaats, der mit unserem Verständnis von Freiheit nicht im Einklang steht.“ (Ende zweiter Absatz) sind in unserer Partei nicht konsensfähig und wären zu streichen.

Unserer Ansicht nach bedarf der Antrag einer grundlegenden Überarbeitung, die der FAIX allein durch Änderungsvorschläge nicht bewältigen kann.

Nichtsdestotrotz halten wir eine Diskussion über eine moderne Drogenpolitik in der gesamten Partei für dringend notwendig und dieser Antrag kann ein wichtiger Impulsgeber dazu sein. Nicht nur das Vorgehen Portugals ist einer näheren Betrachtung wert; auch einige im Antrag enthaltene Ideen, wie die Ausstattung von Einsatzwagen mit Medikamenten zur Behandlung von Überdosen, gehen in eine zukunftsweisende Richtung und sollten von der Partei – zum Beispiel auf dem Landesparteitag – ernsthaft diskutiert werden.

Zudem schlagen wir vor, dass sich die Antragsteller und der FAIX gemeinsam intensiv mit dem Thema auseinandersetzen.

 

 

Überweisungs-PDF: