Antrag 30/II/2023 Für Barrierefreiheit in denkmalgeschützten Gebäuden sorgen – bei Umbauten von Anfang an!

Status:
Annahme

Die Umsetzung der in unseren Verfassungen, in Konventionen und Gesetzen – Grundgesetz, Berliner Verfassung, UN-Behindertenrechtskonvention, Behindertengleichstellungsgesetz (BGG), Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG), Landesgleichberechtigungsgesetz (LGBG), Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG), etc. – gewährleisteten Menschenrechte von Menschen mit Behinderungen werden weder vom Staat noch von den Parlamenten zufriedenstellend als Querschnittsaufgabe beachtet und tatsächlich umgesetzt. Damit wird der Anschein erweckt, als seien die Rechte der Menschen mit sichtbaren und unsichtbaren Behinderungen auf Selbstbestimmung und uneingeschränkter Teilhabe weniger wert und ihre Nicht-Diskriminierung weniger schutzwürdig als andere Rechte.

 

Im aktuellen Koalitionsvertrag „Das Beste für Berlin“ ist vereinbart: „Die Koalition setzt ein klares Zeichen für ein ressortübergreifendes Disability Mainstreaming: Jede Senatsverwaltung stärkt die Rechte und Belange von Menschen mit Behinderungen bei Maßnahmen eigenverantwortlich und beteiligt sie und die sie vertretenden Organisationen“ und „Die „Landesfachstelle für Barrierefreiheit und angemessene Vorkehrungen“ soll gestärkt werden. Auf Landes- und Bezirksebene soll die fachliche Expertise für bauliche Barrierefreiheit einbezogen werden.“ Den Worten sind Taten zu folgen.

 

Das Sanieren von öffentlich zugänglichen, unter Denkmalschutz stehenden Gebäuden erfordert viel Kompetenz und in der Regel auch sehr viel Steuergeld. Die Verpflichtungen zu barrierefreiem Planen und Bauen für öffentlich zugängliche Gebäude in Berlin, wie zum Beispiel für Einrichtungen der Kultur und des Bildungswesens, sind – unabhängig davon, ob sie unter Denkmalschutz stehen oder nicht – u.a. in der Bauordnung für Berlin, der Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen sowie der Allgemeinen Anweisung für die Durchführung von Bauaufgaben Berlin (ABau) geregelt. Hierbei ist das Ziel, umfassende Barrierefreiheit im Sinne des Landesgleichberechtigungsgesetztes (LGBG) her zu stellen. Die zuständige Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen soll nach § 17 LGBG frühzeitig an allen wichtigen Vorhaben, die Fragen von Menschen mit Behinderungen betreffen – wie zum Beispiel die Dringlichkeit einer zukünftig barrierefreien Nutzung eines umgebauten öffentlich zugänglichen Gebäudes – beteiligt werden. Laut Gesetz geben ihr die Senatsverwaltungen frühzeitig vor Beschlussfassung Gelegenheit zur Stellungnahme.

Das Denkmalschutzgesetz Berlin (DSchG Bln) stellt in § 11 Genehmigungspflichtige Maßnahmen klar, dass die Denkmalbehörden bei ihren Entscheidungen die Belange von Menschen mit Behinderungen zu berücksichtigen haben.

 

In der tagtäglichen Realität führt jedoch oftmals allein der Umstand eines Denkmals dazu, dass Planer*innen Maßnahmen zur Barrierefreiheit überhaupt nicht in Betracht ziehen. Auch für die Entscheidungen der Zuwendungsgeber sind zumeist die Abstimmungen der Auftraggeber*innen mit der Denkmalbehörde relevant, nach den gesetzlich vorgeschriebenen Maßnahmen zur Barrierefreiheit wird häufig erst gar nicht gefragt. Somit entscheidet die Denkmalschutzbehörde über die Belange der Barrierefreiheit – ohne nachweisen zu müssen, dass eine sachverständige Stelle für Barrierefreiheit am jeweiligen Entscheidungsprozess zuvor überhaupt beteiligt wurde. Das führt zu einem kaum bestreitbaren Interessenkonflikt, der in der Regel zu Gunsten des Denkmalschutzes und zu Lasten von Menschen mit Behinderungen entschieden wird. Mit dem vom Senat immer wieder postulierten Gleichrang der beiden Rechtsgüter Barrierefreiheit und Denkmalschutz ist das nicht zu vereinbaren.

 

Die SPD fordert von ihren politische und administrative Verantwortung für alle Berliner*innen tragenden Amts- und Mandatsträger*innen

  • die Einhaltung und Überprüfung aller in den oben genannten Regularien festgelegten Planungs- und Ausführungsschritte zwecks Sicherstellung einer umfassenden Barrierefreiheit,
  • neben der frühzeitigen Einbeziehung der Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen den Ausbau der Kompetenz für barrierefreies Bauen in der zuständigen Senatsverwaltung und deren Bündelung entweder in der Koordinierungsstelle der Senatsverwaltung für Bauen, Stadtentwicklung und Wohnen oder der seit dem 1.1.2022 nur auf dem Papier existierenden Landesfachstelle für Barrierefreiheit und angemessene Vorkehrungen (LGBG, § 31). Die Sachverständigen sind auf Landes- und Bezirksebene in alle Planungs-, Genehmigungs- und Ausführungsschritte von Bauvorhaben in Berlin von Anfang an einzubeziehen sowie ihre Stellungnahmen bei Entscheidungen zu berücksichtigen,
  • die Einführung eines geregelten Verfahrens zum Aushandeln und zum Ausgleich der Belange von Menschen mit Behinderungen auf der einen Seite und den Belangen des Denkmalschutzes auf der anderen Seite. Es braucht Lösungen bei Interessenskonflikten zwischen Denkmalschutz und Barrierefreiheit, die allen Interessenslagen zugutekommen. Hier ist die sachverständige Koordinierungs- bzw. Landesfachstelle für Barrierefreiheit und angemessene Vorkehrungen zwingend aktiv einzubeziehen. Es ist ein Abwägungsprozess durchzuführen, in dem zuerst geeignete Maßnahmen zur Barrierefreiheit beschrieben werden und anschließend eine denkmalkonforme Umsetzung durch die Denkmalbehörde geprüft wird,
  • die Gewährleistung einer öffentlich einsehbaren Begründung eines Widerspruchs der Denkmalschutzbehörde gegen Maßnahmen der Barrierefreiheit. Hierbei sollte z.B. deutlich werden, worin die denkmalschutzkonstituierenden Eigenschaften bestehen und warum diese Eigenschaften durch Maßnahmen der Barrierefreiheit unzumutbar beeinträchtigt werden und warum nicht zumindest temporäre / wieder umkehrbare Maßnahmen zulässig sind,
  • die Schaffung einer neutralen Entscheidungsinstanz, die bei erfolglosem Abstimmungsprozess eine Lösung herbeiführt.

 

Die SPD fordert von ihren Mandatsträger*innen im Berliner Abgeordnetenhaus einen Auflagenbeschluss zum Disability Budgeting, damit das Disability Mainstreaming auch tatsächlich umfassend im Sinne aller Berliner*innen mit und ohne Beeinträchtigung umgesetzt wird.

 

Empfehlung der Antragskommission:
Annahme (Konsens)
Beschluss: Annahme
Text des Beschlusses:

Die Umsetzung der in unseren Verfassungen, in Konventionen und Gesetzen – Grundgesetz, Berliner Verfassung, UN-Behindertenrechtskonvention, Behindertengleichstellungsgesetz (BGG), Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG), Landesgleichberechtigungsgesetz (LGBG), Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG), etc. – gewährleisteten Menschenrechte von Menschen mit Behinderungen werden weder vom Staat noch von den Parlamenten zufriedenstellend als Querschnittsaufgabe beachtet und tatsächlich umgesetzt. Damit wird der Anschein erweckt, als seien die Rechte der Menschen mit sichtbaren und unsichtbaren Behinderungen auf Selbstbestimmung und uneingeschränkter Teilhabe weniger wert und ihre Nicht-Diskriminierung weniger schutzwürdig als andere Rechte.

 

Im aktuellen Koalitionsvertrag „Das Beste für Berlin“ ist vereinbart: „Die Koalition setzt ein klares Zeichen für ein ressortübergreifendes Disability Mainstreaming: Jede Senatsverwaltung stärkt die Rechte und Belange von Menschen mit Behinderungen bei Maßnahmen eigenverantwortlich und beteiligt sie und die sie vertretenden Organisationen“ und „Die „Landesfachstelle für Barrierefreiheit und angemessene Vorkehrungen“ soll gestärkt werden. Auf Landes- und Bezirksebene soll die fachliche Expertise für bauliche Barrierefreiheit einbezogen werden.“ Den Worten sind Taten zu folgen.

 

Das Sanieren von öffentlich zugänglichen, unter Denkmalschutz stehenden Gebäuden erfordert viel Kompetenz und in der Regel auch sehr viel Steuergeld. Die Verpflichtungen zu barrierefreiem Planen und Bauen für öffentlich zugängliche Gebäude in Berlin, wie zum Beispiel für Einrichtungen der Kultur und des Bildungswesens, sind – unabhängig davon, ob sie unter Denkmalschutz stehen oder nicht – u.a. in der Bauordnung für Berlin, der Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen sowie der Allgemeinen Anweisung für die Durchführung von Bauaufgaben Berlin (ABau) geregelt. Hierbei ist das Ziel, umfassende Barrierefreiheit im Sinne des Landesgleichberechtigungsgesetztes (LGBG) her zu stellen. Die zuständige Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen soll nach § 17 LGBG frühzeitig an allen wichtigen Vorhaben, die Fragen von Menschen mit Behinderungen betreffen – wie zum Beispiel die Dringlichkeit einer zukünftig barrierefreien Nutzung eines umgebauten öffentlich zugänglichen Gebäudes – beteiligt werden. Laut Gesetz geben ihr die Senatsverwaltungen frühzeitig vor Beschlussfassung Gelegenheit zur Stellungnahme.

Das Denkmalschutzgesetz Berlin (DSchG Bln) stellt in § 11 Genehmigungspflichtige Maßnahmen klar, dass die Denkmalbehörden bei ihren Entscheidungen die Belange von Menschen mit Behinderungen zu berücksichtigen haben.

 

In der tagtäglichen Realität führt jedoch oftmals allein der Umstand eines Denkmals dazu, dass Planer*innen Maßnahmen zur Barrierefreiheit überhaupt nicht in Betracht ziehen. Auch für die Entscheidungen der Zuwendungsgeber sind zumeist die Abstimmungen der Auftraggeber*innen mit der Denkmalbehörde relevant, nach den gesetzlich vorgeschriebenen Maßnahmen zur Barrierefreiheit wird häufig erst gar nicht gefragt. Somit entscheidet die Denkmalschutzbehörde über die Belange der Barrierefreiheit – ohne nachweisen zu müssen, dass eine sachverständige Stelle für Barrierefreiheit am jeweiligen Entscheidungsprozess zuvor überhaupt beteiligt wurde. Das führt zu einem kaum bestreitbaren Interessenkonflikt, der in der Regel zu Gunsten des Denkmalschutzes und zu Lasten von Menschen mit Behinderungen entschieden wird. Mit dem vom Senat immer wieder postulierten Gleichrang der beiden Rechtsgüter Barrierefreiheit und Denkmalschutz ist das nicht zu vereinbaren.

 

Die SPD fordert von ihren politische und administrative Verantwortung für alle Berliner*innen tragenden Amts- und Mandatsträger*innen

  • die Einhaltung und Überprüfung aller in den oben genannten Regularien festgelegten Planungs- und Ausführungsschritte zwecks Sicherstellung einer umfassenden Barrierefreiheit,
  • neben der frühzeitigen Einbeziehung der Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen den Ausbau der Kompetenz für barrierefreies Bauen in der zuständigen Senatsverwaltung und deren Bündelung entweder in der Koordinierungsstelle der Senatsverwaltung für Bauen, Stadtentwicklung und Wohnen oder der seit dem 1.1.2022 nur auf dem Papier existierenden Landesfachstelle für Barrierefreiheit und angemessene Vorkehrungen (LGBG, § 31). Die Sachverständigen sind auf Landes- und Bezirksebene in alle Planungs-, Genehmigungs- und Ausführungsschritte von Bauvorhaben in Berlin von Anfang an einzubeziehen sowie ihre Stellungnahmen bei Entscheidungen zu berücksichtigen,
  • die Einführung eines geregelten Verfahrens zum Aushandeln und zum Ausgleich der Belange von Menschen mit Behinderungen auf der einen Seite und den Belangen des Denkmalschutzes auf der anderen Seite. Es braucht Lösungen bei Interessenskonflikten zwischen Denkmalschutz und Barrierefreiheit, die allen Interessenslagen zugutekommen. Hier ist die sachverständige Koordinierungs- bzw. Landesfachstelle für Barrierefreiheit und angemessene Vorkehrungen zwingend aktiv einzubeziehen. Es ist ein Abwägungsprozess durchzuführen, in dem zuerst geeignete Maßnahmen zur Barrierefreiheit beschrieben werden und anschließend eine denkmalkonforme Umsetzung durch die Denkmalbehörde geprüft wird,
  • die Gewährleistung einer öffentlich einsehbaren Begründung eines Widerspruchs der Denkmalschutzbehörde gegen Maßnahmen der Barrierefreiheit. Hierbei sollte z.B. deutlich werden, worin die denkmalschutzkonstituierenden Eigenschaften bestehen und warum diese Eigenschaften durch Maßnahmen der Barrierefreiheit unzumutbar beeinträchtigt werden und warum nicht zumindest temporäre / wieder umkehrbare Maßnahmen zulässig sind,
  • die Schaffung einer neutralen Entscheidungsinstanz, die bei erfolglosem Abstimmungsprozess eine Lösung herbeiführt.

 

Die SPD fordert von ihren Mandatsträger*innen im Berliner Abgeordnetenhaus einen Auflagenbeschluss zum Disability Budgeting, damit das Disability Mainstreaming auch tatsächlich umfassend im Sinne aller Berliner*innen mit und ohne Beeinträchtigung umgesetzt wird.

 

Beschluss-PDF:
Überweisungs-PDF: