Shocking Fact: Wasser ist wichtig und wird knapper
Der 3. Juli 2023 war der weltweit heißeste Tag seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1880. Dass solche Negativrekorde immer häufiger auftreten, zeigte sich in diesem Sommer kurz darauf: Einen Tag später, am 4. Juli, wurde dieser Rekord wieder gebrochen. Unwahrscheinlich, dass die Durchschnittstemperatur von 17.18°C der letzte Negativrekord bleiben wird.
In Zeiten steigender Temperaturen sind Hitzeperioden kein seltenes Phänomen. Die Folgen der Klimakrise wirken sich unlängst auf sämtliche Lebensbereiche aus. So wurden in den letzten Jahren die Herausforderung auf die Wasserwirtschaft immer größer. Wasserknappheit wird dadurch immer öfter saisonal und regional zu einem Problem und einer großen Gefahr für viele Gruppen der Gesellschaft. Immer mehr Nutzer*innen werden zukünftig über die knapp werdende Ressource Wasser konkurrieren. Diese Konflikte können auf das internationale Parkett kommen, wie bei dem Beispiel von Äthiopiens Staudamms für den Oberlauf des Nils, wodurch Ägypten die Wasserversorgung bedroht sieht oder beim Staudamm der Türkei vom Euphrat und Tigris, wodurch ähnlicher Ärger in Syrien und Irak aufgekommen ist. Die Sorge vor den viel zitierten Kriegen um Wasser wächst durch die Klimakrise.
Doch auch ohne die Androhung von Gewalt steigt der Konflikt, wenn der Grundwasserspiegel weiter sinkt und sich große Unternehmen den Zugriff auf das immer knapp werdende Wasser werden wollen. Unlängst sind die Beispiele wie das von Nestlé bekannt, in denen der Konzern die Wasserrechte von staatlichen Wasserbehörden kauft. Das erlaubt dem Unternehmen, Wasser direkt aus dem Grundwasser (unterhalb der Erdoberfläche) abzupumpen. Die lokale Bevölkerung geht oft leer aus oder muss horrende Preise fürs abgepackte Wasser zahlen.
Die Vereinten Nationen haben das das Recht auf „einwandfreies und sauberes Trinkwasser und Sanitärversorgung“ als ein Menschenrecht eingestuft- zwar erst seit 2010. Doch dieser UN-Beschluss ist nicht bindend für die Mitgliedsstaaten. So haben laut UN-Weltwasserbericht immer noch rund 2,2 Milliarden Menschen keinen Zugang zu einer sicheren Trinkwasserversorgung.
Bei starker Hitze ist nicht nur genügend Trinkwasser besonders entscheidend. Auch der Zugang zum Wasser in Form von Seen und Flüssen ist wichtig, um dort die Möglichkeit einer Abkühlung und Erholung zu ermöglichen. Gerade in Zeiten steigender Preise und finanzieller Unsicherheiten ist für viele Menschen die örtlichen Naherholungsgebiete die einzige Möglichkeit zur Abkühlung.
Doch auch hier zeigt der Kapitalismus sich wieder von seiner hässlichsten Seite: Viel zu oft ist der Zugang zu Seen oder Flüssen stark eingeschränkt oder komplett unmöglich, weil angrenzende Grundstücke privatisiert oder verpachtet wurden. Es scheint, dass der öffentliche See nur für diejenigen zugänglich wird, die viel Geld haben. Während die Reichen ihre Privilegien genießen, wird die Klimakrise für arme Menschen immer mehr zu einer Bedrohung.
Rechtsprechung: It’s complicated
Der Druck, die Wasserversorgung innerhalb der EU zu privatisieren, nimmt zu. Lobbygruppen und Konzerne setzen sich seit Jahren dafür ein. Doch warum das eine schlechte Idee ist, haben unfreiwillige Reallabore längst gezeigt:
Die Euphorie der Privatisierungen in den 1990er Jahren hat auch Berlin erfasst, als unter Senatsführung der CDU die Berliner Wasserbetriebe teilprivatisiert wurden. Statt wie versprochen neue Arbeitsplätze zu schaffen, wurden viele Arbeitsplätze eingestampft. Gleichzeitig zogen die Wasserpreise an. In Berlin hat sich die Bevölkerung gewehrt – das Wasser ist jetzt wieder in öffentlicher Hand und die Preise für das Trinkwasser sind wieder zurückgegangen.
Auch in der portugiesischen Stadt Pacos de Ferreira steig der Trinkwasserpreis nach der Privatisierung in sechs Jahren um 400 % an.
Wie drastisch die Lage auf nationaler Ebene werden kann, zeigt Chile, wo die Wasserversorgung seit 1981 nahezu vollständig privatisiert wurde. Mittlerweile konzentrieren sich die Besitzverhältnisse auf wenige mächtige Großunternehmen, die Preise diktieren können und den Spekulationsmarkt boomen lassen. Die extremen Dürren, unter denen Chile oft leiden muss, werden dadurch immer schwieriger zu bewältigen – insbesondere für die ärmeren Gruppen der Bevölkerung auf dem Land, die sich das Wasser nicht mehr leisten können.
2014 ist die EU-Kommission mit einem Versuch gescheitert, die Privatisierung der Wasserversorgung über die so genannte Konzessionsrichtlinie voranzutreiben. Für Wasserversorgung und -entsorgung sollte jede Verfügungsbewilligung EU-weit ausgeschrieben werden. Schon damals wurde deutlich, dass dadurch Gemeinden unter Preisdruck von global agierenden Konzernen geraten würden, wodurch auf massiven öffentlichen Druck Wasser aus der Richtlinie ausgenommen wurde – vorerst. Eine EU-weite Regelung über die Verhinderung der Privatisierung von Wasser gibt es dementsprechend nach wie vor nicht.
Für die Bürger*innen der Bundesrepublik folgt aus dem Grundrecht auf Leben und Gesundheit und dem Sozialstaatsprinzip im Grundgesetz ein Anspruch auf qualitativ angemessene Versorgung mit Trinkwasser als Bestandteil des zu sichernden Existenzminimums. Die der Allgemeinheit dienende Wasserversorgung ist Aufgabe der Bundesländer und Gemeinden. Dabei können die Kommunen sich von privaten Unternehmen unterstützen lassen, solange sie die wesentlichen Entscheidungen selbst treffen. Was bleibt, ist eine Hintertür für zukünftige Privatisierungen. Auch können schon jetzt einzelne Wasserquellen wie Brunnen in Privatbesitz gelangen. Schon jetzt kommt es zu ersten örtlichen Verteilungskonflikte zwischen Mineralwasserunternehmen und der lokalen Wasserwirtschaft über die Frage, wer bei der Nutzung lokaler Wasserressourcen den Vorrang hat.
Verteilungskämpfe zwischen den Bundesländern und Kommunen um die Ressource Wasser zeichnen sich bereits ab: Die Tagebaugruben der Lausitz werden aktuell mit Pumpen von Grundwasser trocken gehalten. Das Wasser aus den Tagebauen speist momentan die Spree. Wenn diese Tagebaue nun stillgelegt werden, wird die Senkung des Flusspegels zusätzlich zum allgemein sinkenden Grundwasserspiegel verstärkt.
Um den Flusspegel der Spree und damit den Trinkwasserhaushalt Berlins zu sichern, ist ein „Überlaufkanal“ zwischen Elbe und Spree geplant, der bei Wasserknappheit der Spree überschüssiges Wasser aus der Elbe in die Spree einleiten soll. Diese Vorschläge stoßen nicht bei allen Menschen in Sachsen und Südbrandenburg auf große Begeisterung. Ein Konflikt um die wenigen Wasserressourcen zeichnet sich bereits jetzt ab.
Auch die Verwendung des Wassers in den dann gefluteten Tagebaugruben der Lausitz ist nicht abschließend geklärt. Im schlimmsten Fall beanspruchen die Betreiber*innen der ehemaligen Tagebaue das Wasser und Kommunen müssen zur Verwendung des Wassers zahlen.
Auch der Zugang zum fließenden Wasser ist nur eingeschränkt möglich. Während des Gewässerbett nicht eigentumsfähig sein können, dürfen die angrenzenden Landflächen das sehr wohl sein. Der Zugang zum öffentlichen Wasser kann dadurch erheblich eingeschränkt werden, auch wenn rechtlich die Nutzung von oberirdischen Gewässern klar erlaubt ist.
Do it like Slovenia – Grundrecht auf Trinkwasser
Slowenien hat 2016 als erstes Land in der Europäischen Union das Recht auf Trinkwasser zur Verfassung hinzugefügt. Damit wird der Zugang zum „flüssigen Gold des 21. Jahrhunderts“ rechtlich gesichert. Insbesondere von Armut betroffene Gruppen der Gesellschaft haben damit einen Rechtsanspruch. Ebenso wird auch für die Zukunft verhindert, dass Wasser zur Ware wird und Wasserquellen privatisiert werden.
Eine Festschreibung des Grundrechts auf Zugang zum Trinkwasser auch in das Grundgesetz ist nur der logische Schritt.
Weg mit den Villen und rein ins Wasser
Den See sehend, aber nicht erreichend, ist bei hochsommerlichen Temperaturen ein bekanntes Ärgernis. Oft verhindern private Badebereiche und Privatgrundstücke Zugang zum Wasser, wobei der See öffentliches Gut ist. Hier muss sichergestellt werden, dass für die Mehrheit der Gesellschaft der Zugang nicht abgeschnitten werden kann. Ähnliches fordern unsere Genoss*innen der SPÖ mit einem „Recht auf Natur“ auf Verfassungsebene, damit sich in Zukunft nicht immer mehr Menschen auf wenige Quadratmeter quetschen müssen, während Reiche ihre eigenen Privatkilometer Zugang haben.
Water we waiting for?
Daher fordern wir:
- Die Aufnahme des Grundrechts auf Trinkwasser ins Grundgesetzt nach slowenischem Vorbild, um die Vorrangstellung der Trinkwasserversorgung in Konkurrenz zu anderen Wassernutzungen ist klarzustellen sowie um eine Privatisierung von Trinkwasser zu verhindern.
- Die Aufnahme des Rechts auf freie Natur im Grundgesetz, damit öffentliches Wasser nicht nur den Reichen zugänglich sein darf
- Ein Vorkaufsrecht für Länder und Kommunen, um neue Flächen an Seezugängen zu erwerben und der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Dafür sollen ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden. Öffentliche Seegrundstücke gelten ab dann als unverkäuflich und dürfen nur im Rahmen der öffentlichen Zugänglichkeit verpachtet werden.
- Bei Wasserflächen, wo aktuell kein bis kaum ein öffentlicher Zugang existiert, müssen Lösungen zugunsten der öffentlichen Zugänglichkeit gefunden werden. Auch vor Vergesellschaftungen darf nicht zurückgeschreckt werden.
- Eine stärkere lokale, nationale und internationale Koordinierung zu faireren Wasserverteilung, um Engpässe zu vermeiden
- Mehr Investitionen in die Infrastrukturen der Wasserwirtschaft und in den Naturschutz, um die Resilienz der Wasserwirtschaft zu stärken und damit der Grundwasserpegel nicht weiter sinkt.
- Uns ist bewusst, dass es auf klimapolitische Herausforderungen nur globale Antworten geben kann. Daher bedarf es verbindliche Regelungen zur Privatisierung der Wasserversorgung. Als einen ersten Schritt fordern wir gesamteuropäische Lösungen für die Sicherstellung vom Grundrecht Wasser und den Zugang zum öffentlichen Gut.
LPT I-2024: Überweisen an FA VII – Wirtschaft und Arbeit, FA X – Natur, Energie, Umweltschutz
Votum FA X: Der Antrag hat überwiegend richtige Zielstellungen. Er vermischt teilweise die Rechtsebenen von Land, Bund und EU in den Erläuterungen. Jedoch sind die Forderungen richtig und grundsätzlich auch nach geltendem Berliner Recht und Zuständigkeit umsetzbar.
Zustimmung unter folgendem Vorbehalt:
Im Punkt 2 der Forderung müsste nur geändert werden, dass hier die Verfassung in Verbindung mit dem geltenden Naturschutzgesetz entweder anzupassen wäre oder das geltende Recht mit politischem Willen auch umgesetzt werden soll. Dies wurde in den 70ger und 80ger Jahren z.B. an den Grunewaldseen vom BA Wilmersdorf so per B-Plan durchgeführt. Auch die meisten Uferwege in Spandau und Reinickendorf sind qua B-Plan und auf der Grundlage des Naturschutzrechts entstanden.