Antrag 06/I/2015 Berliner Erklärung zur Einwanderungsdebatte

Status:
Erledigt

Deutschland ist das zweitbeliebteste Einwanderungsland in der Welt. Mehr als 1,2 Millionen Menschen kamen 2013 nach Deutschland, um hier zu leben und zu arbeiten. Die meisten von ihnen sind gut ausgebildet und bereichern Deutschland kulturell und tragen zum Wohlstand hierzulande bei. Doch aktuell fühlt sich die Politik – auch die SPD – aufgrund der Pegida-Demonstrationen gezwungen, das Zuwanderungsgesetz zu reformieren bzw. ein neues Gesetz zu schaffen. Diese Reformierung soll nach dem Punktesystem nach kanadischem Vorbild geschehen.

 

Hohe  Zustimmungswerte für einen ”marktförmigen Extremismus” zeigen uns, dass  die Strategie der letzten Jahre, mit ökonomischen  Argumentationen  rassistischen Auswüchsen zu entgegen, wenig gebracht hat. Weder die  Debatten um mangelnde Fachkräfte, noch Diskussionen, was uns Ausländer  monetär einbringen, sind der richtige Weg. Wer den Pegidas in  Deutschland entgegen will, stelle sich lieber hinter die  Gegendemonstrantinnen und -demonstranten. Damit wäre deutlich mehr gewonnen, als abstrakte Diskussionen über Gesetze, die den Eindruck vermitteln, man müsste auf Ressentiments mit Verständnis reagieren.

 

Wir lehnen diese Ökonomisierung der Zuwanderung ab und sind überzeugt davon, dass bestehende Regelungen der Einwanderung wie das Zuwanderungsgesetz von 2005, welches die SPD durchgesetzt hat, und die entsprechenden arbeitsmarktpolitischen Instrumente liberaler und nicht strikter gestaltet werden müssten, um die Einwanderung nach Deutschland zu regeln. In diesem Zusammenhang ist es beispielsweise Deutschland im Juli 2013 gelungen, eine Beschäftigungsverordnung (§ 6 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 BeschV) zu erlassen, die auch nun erstmals Fachkräften ohne akademischen Abschluss den Arbeitsmarkt geöffnet hat.

 

Deshalb gilt für uns grundsätzlich:

  1. Keine Ökonomisierung der Einwanderung: Der Wert eines Menschen bemisst sich nicht nach seinem wirtschaftlichen Nutzen. Der Mensch ist ein Selbstzweck und darf nicht als ein Mittel zu einem Zweck gesehen werden.
  2. Asyl- und Flüchtlingspolitik beim Thema Einwanderung mitdenken: Asyl ist ein Menschenrecht und darf nicht weiter ausgehöhlt werden.
  3. Bei den weiteren Debatten – gerade wenn es um ein Punktesystem gehen sollte – muss eine Quote für Einwanderung jenseits von Qualifikationspunkten mitbedacht werden.
  4. Regelungen zur Einwanderung müssen gelockert werden – insbesondere muss Deutschland die Sprachtests für nachziehende Ehepartner abschaffen, die nicht mit Europarecht zu vereinbaren sind.
  5. Aufgrund der Debattenlage sind wir skeptisch bezüglich neuer Gesetzesvorhaben und fordern die SPD Bundestagsfraktion auf, die Punkte 1 bis 4 zu forcieren.

 

Falls sich – wider Erwarten – die Möglichkeit von ernsthaften und fortschrittlichen Reformen ergeben sollten, sollten Vorschläge Berücksichtigung finden:

 

Ein Staatsangehörigkeitsrecht, das „Herzlich Willkommen“ sagt

Im Jahr 2013 hat die „Blue Card“ ganze 1.193 Menschen nach Deutschland gelockt. Die Anstrengungen der letzten Jahre, gerade unter sozialdemokratischer Verantwortung, scheinen kaum zu wirken. Die Attraktivität Deutschlands leidet unter mangelnden Willkommenszeichen. Große Symbolkraft kann das Staatsangehörigkeitsrecht entfalten, dass signalisieren könnte: „bei uns zählt der gesamte Mensch, wir wollen nicht nur Deine Arbeitskraft“. Eine wichtige Stellschraube ist dabei, die Aufenthaltsdauer, die für den Erwerb der Staatsangehörigkeit notwendig ist. Wer in den letzten vier Jahren drei Jahre in Deutschland gelebt hat, soll das Recht auf Einbürgerung erhalten. Nach dem Vorbild Kanadas. Die Mehrstaatigkeit ist dabei ein selbstverständliches weiteres Zeichen für ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht.

 

Enquete Kommission „Deutschland. Eins in der Vielfalt.“

Die Debatten um Migration und Integration führten in den letzten Jahren zu starken Erregungswellen. Triebkraft dieser Diskussionen, die auch zu einer Zerreißprobe für den Zusammenhalt werden können, sind Bauchgefühle, die mit Sachargumenten schwer zu begegnen sind. Es bedarf einer gesellschaftlichen Debatte um die Vielfalt in unserem Land. Einen wichtigen Beitrag dazu kann eine Enquette Kommission leisten. Die Ängste werden wir nicht wegdiskutieren können. Es kommt darauf an, dass wir durch eine stringente Erzählung die Ängste durch positive Gefühle überlagern.

 

Jährlich 40.000 Flüchtlingen Deutschland zur Heimat machen

Überlagert wurden die Diskussionen über ein mögliches Einwanderungsgesetz durch reine Überlegungen zur Erleichterung der Einwanderung von Fachkräften. Vor dem Hintergrund negativer Nützlichkeitsdiskurse ist es wichtig, deutlich zu machen, dass wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten das Thema Migration ganzheitlich betrachten. Deshalb haben wir auch im Koalitionsvertrag das Bekenntnis zu Resettlement-Programmen durchgesetzt. Wir wollen das Programm, dass wir mit syrischen Flüchtlingen begonnen haben, verstetigen und ein Kontingent von jährlich mindestens 40.000 für ein Resettlement-Programm festlegen.

Empfehlung der Antragskommission:
(Konsens)