Die deutsche Kolonialherrschaft über Teile Afrikas, Asiens und der Pazifikregion war ein Unrechtssystem, das also solches anerkannt werden muss. Der Bundespräsident hat kürzlich auf seiner Reise nach Tansania für deutsche Kolonialverbrechen um Verzeihung gebeten und die Bereitschaft Deutschlands zur Aufarbeitung der gemeinsamen Vergangenheit bekräftigt. Die Aufarbeitung der deutschen Kolonialzeit ist ein Prozess, der in allen politischen Ressorts vorangetrieben werden muss. Wir fordern daher die sozialdemokratischen Mitglieder des Bundestags und der Bundesregierung auf folgende innen- und außenpolitischen Maßnahmen anzustoßen:
1. Internationale Zusammenarbeit
Diplomatische Anerkennung kolonialer Vergehen: Diplomatische Bemühungen, um koloniale Vergehen anzuerkennen und bilaterale Beziehungen zu Ländern zu stärken, die von der deutschen Kolonialherrschaft betroffen waren. Auf Ebene der Generalversammlung der Vereinten Nationen muss Deutschland sich für eine Resolution zur Reparation der Sklaverei und der Kolonialverbrechen einsetzen.
Förderung von Kultur- und Wissensaustausch: Unterstützung von kulturellen und wissenschaftlichen Austauschprogrammen zwischen Deutschland und ehemaligen Kolonien, um das Verständnis und die Zusammenarbeit zu fördern. Die Gründung von Jugendwerken mit ehemaligen deutschen Kolonien soll geprüft werden.
Förderung fairer Handelsbeziehungen: Sicherstellung, dass Handelsbeziehungen mit ehemaligen Kolonien fair und gerecht sind, um wirtschaftliche Ausbeutung zu verhindern. Unterstützung von Entwicklungsprojekten in diesen Ländern.
Überwindung kolonialer Kontinuitäten sowohl in der Wissensgenerierung und Wissenshoheit für Lösungsansätze in der EZ als auch der Instrumente und Institutionen, über die EZ umgesetzt wird zugunsten von Akteuren des Globalen Südens
2. Innen, Sicherheit und Justiz
Die Rechtsstellung und die Rechtsprechungspraxis muss für Rassismus sensibilisiert und ggfs. angepasst werden. Dies beginnt bereits im Jurastudium und wird über Förderprogramme bis ins Berufsleben von Richter*innen finanziert.
Juristische Aufarbeitung von Kolonialverbrechen: Die Justiz kann die Untersuchung von kolonialen Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen während der deutschen Kolonialzeit unterstützen und gegebenenfalls Wiedergutmachungsmaßnahmen einleiten.
Bekämpfung von Rassismus und Diskriminierung: Stärkere rechtliche Maßnahmen zur Bekämpfung von Rassismus und Diskriminierung, einschließlich struktureller Diskriminierung, können in der Justiz und Sicherheitsbehörden implementiert werden.
3. Kultur und Bildung
Dekolonisierung des Bildungssystems: Integration postkolonialer und dekolonialer Perspektiven in Lehrpläne und Bildungsmaterialien, um Schüler*innen ein besseres Verständnis der kolonialen Geschichte zu vermitteln.
Untersuchung an Institutionen mit Namensgebern, die kolonialrassistische Bezüge haben (z.B. Virchow, Hagenbeck etc.) im Rahmen des Sonderprogramm „Globaler Süden“
4. Gesundheit
Die Aufarbeitung deutscher Kolonialverbrechen im Gesundheitsbereich insbesondere von Menschenversuchen für die Medikamentenforschung (Robert Koch)
5. Wirtschaft
Die Aufarbeitung der Verflechtung deutscher Wirtschaftsbetriebe, insbesondere Reedereien, in den internationalen und insbesondere transatlantischen Versklavungshandel.
6. Die Bundesbeauftragte für Antirassismus wird diese Anliegen bündeln, koordinieren und kontrollieren.
LPT I-2024: Vertagt auf LPT II/2024; Überwiesen an FA I, FA V, FA XIII, ASJ
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Stellungnahme ASJ: Empfohlen wird die Annahme mit den folgenden Änderungen zu Punkt 2. „Inneres, Sicherheit und Justiz“:
Die deutsche Kolonialzeit soll auch im justiziellen Kontext aufgearbeitet werden. Es erscheint daher zielführend, im Rahmen entsprechender Förder- und Weiterbildungsprogramme nicht nur für das Thema Rassismus zu sensibilisieren, sondern auch die deutsche Kolonialzeit zum Gegenstand zu machen.
Die Betroffenen haben weiterhin die Möglichkeit, etwaige Restitutionsbegehren individuell vor den deutschen Verwaltungsgerichten geltend zu machen. Zur ganzheitlichen bzw. strukturellen Aufarbeitung kolonialer Verbrechen erscheint eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Politik, Justiz sowie anderen staatlichen Stellen und der Wissenschaft zielführend.
Zudem sollen Maßnahmen zur Förderung von Vielfalt und gegen Diskriminierung innerhalb der Justiz und den Sicherheitsbehörden weiterhin gefördert werden.
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Empfehlung FA V:
In Absprache mit den Antragstellenden Bildung einer Arbeitsgruppe zur Konkretisierung der im Antrag generell erörterten Zielsetzungen unter Berücksichtigung der bisherigen Beschlusslagen und deren Umsetzungsstände (vgl. z.B. A 63/I/22 u.a.).