Antrag 131/II/2021 Hilfen für Afghanistan: Für die Gewährung humanitärer Hilfe sowie eine schnelle Evakuierung ehemaliger Mitarbeiter deutscher Organisationen

Status:
Annahme mit Änderungen

Als die Taliban im August 2021 die Macht in Afghanistan übernahmen, versprachen sie zunächst eine gemäßigte Version ihrer Regierungsführung. Anders als in den Jahren 1996 -2001 sollten Menschenrechte größtenteils beachtet werden und Schulbesuch, Universitätsausbildung und Arbeitsaufnahme für Frauen erlaubt sein. Die Hoffnungen, dass die Taliban es ernst meinen mit dieser Absicht, haben sich jedoch nicht erfüllt. Berichten aus Afghanistan über Folter, Hinrichtungen und Zwangsverheiratungen folgten die Ankündigungen der Gruppe, Universitätsausbildung nur streng getrennt nach Geschlechtern durchzuführen, Mädchenschulen „zunächst“ nicht zu eröffnen und Körperstrafen wie Amputationen und Exekutionen wieder aufzunehmen. Und als wäre das nicht genug, warnen die Vereinten Nationen vor einer Hungersnot und einer humanitären Katastrophe im Land, bedingt durch den Zusammenbruch der Regierung. Die Lage der Menschen in Afghanistan hat sich mit diesen Entwicklungen entscheidend verschlechtert

 

Für die Außen- und Entwicklungspolitik, aber auch für die Sicherheitsinteressen Deutschlands und Europas folgt daraus ein klarer Handlungsauftrag. Das Ziel der multinationalen Einsätze International Security Assistance Force (ISAF) und Resolute Support (RS) wurde nicht erfüllt. Weder konnte sich die demokratisch gewählte multiethnische Regierung behaupten, noch wurden Institutionen eines Rechtsstaats etabliert, noch erwiesen sich die Sicherheitskräfte als in der Lage, die junge afghanische Republik zu schützen. Aus dieser Situation zu schlussfolgern, man müsse Afghanistan nun sich selbst überlassen, wäre jedoch falsch. Aus sicherheitspolitischen Erwägungen könnten eine Hungersnot, ein eventuell folgender Kampf um Ressourcen und damit eine neue ethnische bewaffnete Auseinandersetzung nicht nur Afghanistan, sondern auch seine Nachbarstaaten und damit die Region Zentralasien destabilisieren. Und auch aus humanitären Gründen sind Hilfen für die Menschen in Afghanistan ebenso geboten wie die schnelle Evakuierung der noch im Land verbliebenen früheren afghanischen Mitarbeiter deutscher Institutionen und Organisationen, die jetzt aufgrund dieser Tätigkeiten an Leib und Leben bedroht sind.

 

Die SPD-Bundestagsfraktion sowie die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung werden daher aufgefordert, sich für folgende Maßnahmen einzusetzen:

 

  1. Humanitäre Nothilfe muss schnellstmöglich und vor dem Einsetzen des afghanischen Winters nach Afghanistan verbracht werden. Dazu sind Gespräche mit den Taliban ein unumgängliches Übel. Diese Gespräche dürfen keine offizielle Anerkennung der Regierung der Taliban beinhalten, sondern sollen ausschließlich dazu dienen, den Transport von Hilfsgütern möglich zu machen.
  2. Hilfsgütertransporte und Hilfsgüterversorgung müssen auf europäischer Ebenen und mit den europäischen Partnern koordiniert werden. Im europäischen Rahmen sind im Dialog mit afghanischen Nichtregierungsorganisationen konkrete Zielvorgaben zu entwickeln und regelmäßig zu evaluieren.
  3. Vor Ort werden Hilfsgüter nicht durch die Taliban oder Angehörige ihrer Regierung oder ihres Netzwerkes verteilt, sondern durch Angehörige der afghanischen Zivilgesellschaft
  4. Die Evakuierung der noch in Afghanistan befindlichen früheren Mitarbeiter*innen deutscher Institutionen wie der Bundeswehr und der GIZ, deutscher und europäischer Staatsangehöriger, Personen mit deutschem Aufenthaltstitel, Menschen- und Frauenrechtsaktivist*innen sowie ehem. Mitarbeiter+innen des afghanischen Staates (z.B. Richterinnen) ist bis zur letzten Person weiterzuführen.
  5. Zusätzlich zu diesen Nothilfen fordern wir die Bildung einer Arbeitsgruppe, die sich mit der Frage des langfristigen Engagements für Afghanistan befasst, Maßnahmen erarbeitet und diese regelmäßig überprüft und evaluiert. Das Dilemma, den Menschen im Land zu helfen, ohne die Taliban anzuerkennen, und wie es gelöst werden kann, muss dabei im Vordergrund stehen. Die Erkenntnisgewinne dieser Arbeitsgruppe sollen außerdem bei der Bewertung künftiger statebuilding-Einsätze, seien sie militärischer oder ziviler Natur, herangezogen werden.
  6. Nicht zuletzt wird eine externe, ressortübergreifende, wirkungsorientierte Evaluierung der gesamten ISAF-Misssion gefordert

         

        Empfehlung der Antragskommission:
        Annahme in der Fassung der AK (Konsens)
        Fassung der Antragskommission:

        Als die Taliban im August 2021 die Macht in Afghanistan übernahmen, versprachen sie zunächst eine gemäßigte Version ihrer Regierungsführung. Anders als in den Jahren 1996 -2001 sollten Menschenrechte größtenteils beachtet werden und Schulbesuch, Universitätsausbildung und Arbeitsaufnahme für Frauen erlaubt sein. Die Hoffnungen, dass die Taliban es ernst meinen mit dieser Absicht, haben sich jedoch nicht erfüllt. Berichten aus Afghanistan über Folter, Hinrichtungen und Zwangsverheiratungen folgten die Ankündigungen der Gruppe, Universitätsausbildung nur streng getrennt nach Geschlechtern durchzuführen, Mädchenschulen „zunächst“ nicht zu eröffnen und Körperstrafen wie Amputationen und Exekutionen wieder aufzunehmen. Und als wäre das nicht genug, warnen die Vereinten Nationen vor einer Hungersnot und einer humanitären Katastrophe im Land, bedingt durch den Zusammenbruch der Regierung. Die Lage der Menschen in Afghanistan hat sich mit diesen Entwicklungen entscheidend verschlechtert

         

        Für die Außen- und Entwicklungspolitik, aber auch für die Sicherheitsinteressen Deutschlands und Europas folgt daraus ein klarer Handlungsauftrag. Das Ziel der multinationalen Einsätze International Security Assistance Force (ISAF) und Resolute Support (RS) wurde nicht erfüllt. Weder konnte sich die demokratisch gewählte multiethnische Regierung behaupten, noch wurden Institutionen eines Rechtsstaats etabliert, noch erwiesen sich die Sicherheitskräfte als in der Lage, die junge afghanische Republik zu schützen. Aus dieser Situation zu schlussfolgern, man müsse Afghanistan nun sich selbst überlassen, wäre jedoch falsch. Aus sicherheitspolitischen Erwägungen könnten eine Hungersnot, ein eventuell folgender Kampf um Ressourcen und damit eine neue ethnische bewaffnete Auseinandersetzung nicht nur Afghanistan, sondern auch seine Nachbarstaaten und damit die Region Zentralasien destabilisieren. Und auch aus humanitären Gründen sind Hilfen für die Menschen in Afghanistan ebenso geboten wie die schnelle Evakuierung der noch im Land verbliebenen früheren afghanischen Mitarbeiter deutscher Institutionen und Organisationen, die jetzt aufgrund dieser Tätigkeiten an Leib und Leben bedroht sind.

         

        Die SPD-Bundestagsfraktion sowie die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung werden daher aufgefordert, sich für folgende Maßnahmen einzusetzen:

         

        1. Humanitäre Nothilfe muss schnellstmöglich und vor dem Einsetzen des afghanischen Winters nach Afghanistan verbracht werden. Dazu sind Gespräche mit den Taliban ein unumgängliches Übel. Diese Gespräche dürfen keine offizielle Anerkennung der Regierung der Taliban beinhalten, sondern sollen ausschließlich dazu dienen, den Transport von Hilfsgütern möglich zu machen.
        2. Hilfsgütertransporte und Hilfsgüterversorgung müssen auf europäischer Ebenen und mit den europäischen Partnern koordiniert werden. Im europäischen Rahmen sind im Dialog mit afghanischen Nichtregierungsorganisationen konkrete Zielvorgaben zu entwickeln und regelmäßig zu evaluieren.
        3. Die Überprüfbarkeit der Einhaltung der Humanitären Prinzipien und Standards muss gewährleistet werden, damit Hilfsgüter die vulnerablen Gruppen erreichen
        4. Die Evakuierung der noch in Afghanistan befindlichen früheren Mitarbeiter*innen deutscher Institutionen wie der Bundeswehr und der GIZ, deutscher und europäischer Staatsangehöriger, Personen mit deutschem Aufenthaltstitel, Menschen- und Frauenrechtsaktivist*innen sowie ehem. Mitarbeiter+innen des afghanischen Staates (z.B. Richterinnen) ist bis zur letzten Person weiterzuführen.
        5. Zusätzlich zu diesen Nothilfen fordern wir die Bildung einer Arbeitsgruppe, die sich mit der Frage des langfristigen Engagements für Afghanistan befasst, Maßnahmen erarbeitet und diese regelmäßig überprüft und evaluiert. Das Dilemma, den Menschen im Land zu helfen, ohne die Taliban anzuerkennen, und wie es gelöst werden kann, muss dabei im Vordergrund stehen. Die Erkenntnisgewinne dieser Arbeitsgruppe sollen außerdem bei der Bewertung künftiger statebuilding-Einsätze, seien sie militärischer oder ziviler Natur, herangezogen werden.
        6. Nicht zuletzt wird eine externe, ressortübergreifende, wirkungsorientierte Evaluierung der gesamten ISAF-Misssion gefordert

               

              Beschluss: Annahme mit Änderungen
              Text des Beschlusses:

              Als die Taliban im August 2021 die Macht in Afghanistan übernahmen, versprachen sie zunächst eine gemäßigte Version ihrer Regierungsführung. Anders als in den Jahren 1996 -2001 sollten Menschenrechte größtenteils beachtet werden und Schulbesuch, Universitätsausbildung und Arbeitsaufnahme für Frauen erlaubt sein. Die Hoffnungen, dass die Taliban es ernst meinen mit dieser Absicht, haben sich jedoch nicht erfüllt. Berichten aus Afghanistan über Folter, Hinrichtungen und Zwangsverheiratungen folgten die Ankündigungen der Gruppe, Universitätsausbildung nur streng getrennt nach Geschlechtern durchzuführen, Mädchenschulen „zunächst“ nicht zu eröffnen und Körperstrafen wie Amputationen und Exekutionen wieder aufzunehmen. Und als wäre das nicht genug, warnen die Vereinten Nationen vor einer Hungersnot und einer humanitären Katastrophe im Land, bedingt durch den Zusammenbruch der Regierung. Die Lage der Menschen in Afghanistan hat sich mit diesen Entwicklungen entscheidend verschlechtert

               

              Für die Außen- und Entwicklungspolitik, aber auch für die Sicherheitsinteressen Deutschlands und Europas folgt daraus ein klarer Handlungsauftrag. Das Ziel der multinationalen Einsätze International Security Assistance Force (ISAF) und Resolute Support (RS) wurde nicht erfüllt. Weder konnte sich die demokratisch gewählte multiethnische Regierung behaupten, noch wurden Institutionen eines Rechtsstaats etabliert, noch erwiesen sich die Sicherheitskräfte als in der Lage, die junge afghanische Republik zu schützen. Aus dieser Situation zu schlussfolgern, man müsse Afghanistan nun sich selbst überlassen, wäre jedoch falsch. Aus sicherheitspolitischen Erwägungen könnten eine Hungersnot, ein eventuell folgender Kampf um Ressourcen und damit eine neue ethnische bewaffnete Auseinandersetzung nicht nur Afghanistan, sondern auch seine Nachbarstaaten und damit die Region Zentralasien destabilisieren. Und auch aus humanitären Gründen sind Hilfen für die Menschen in Afghanistan ebenso geboten wie die schnelle Evakuierung der noch im Land verbliebenen früheren afghanischen Mitarbeiter deutscher Institutionen und Organisationen, die jetzt aufgrund dieser Tätigkeiten an Leib und Leben bedroht sind.

               

              Die SPD-Bundestagsfraktion sowie die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung werden daher aufgefordert, sich für folgende Maßnahmen einzusetzen:

               

              1. Humanitäre Nothilfe muss schnellstmöglich und vor dem Einsetzen des afghanischen Winters nach Afghanistan verbracht werden. Dazu sind Gespräche mit den Taliban ein unumgängliches Übel. Diese Gespräche dürfen keine offizielle Anerkennung der Regierung der Taliban beinhalten, sondern sollen ausschließlich dazu dienen, den Transport von Hilfsgütern möglich zu machen.
              2. Hilfsgütertransporte und Hilfsgüterversorgung müssen auf europäischer Ebenen und mit den europäischen Partnern koordiniert werden. Im europäischen Rahmen sind im Dialog mit afghanischen Nichtregierungsorganisationen konkrete Zielvorgaben zu entwickeln und regelmäßig zu evaluieren.
              3. Die Überprüfbarkeit der Einhaltung der Humanitären Prinzipien und Standards muss gewährleistet werden, damit Hilfsgüter die vulnerablen Gruppen erreichen
              4. Die Evakuierung der noch in Afghanistan befindlichen früheren Mitarbeiter*innen deutscher Institutionen wie der Bundeswehr und der GIZ, deutscher und europäischer Staatsangehöriger, Personen mit deutschem Aufenthaltstitel, Menschen- und Frauenrechtsaktivist*innen sowie ehem. Mitarbeiter+innen des afghanischen Staates (z.B. Richterinnen) ist bis zur letzten Person weiterzuführen.
              5. Zusätzlich zu diesen Nothilfen fordern wir die Bildung einer Arbeitsgruppe, die sich mit der Frage des langfristigen Engagements für Afghanistan befasst, Maßnahmen erarbeitet und diese regelmäßig überprüft und evaluiert. Das Dilemma, den Menschen im Land zu helfen, ohne die Taliban anzuerkennen, und wie es gelöst werden kann, muss dabei im Vordergrund stehen. Die Erkenntnisgewinne dieser Arbeitsgruppe sollen außerdem bei der Bewertung künftiger statebuilding-Einsätze, seien sie militärischer oder ziviler Natur, herangezogen werden.
              6. Nicht zuletzt wird eine externe, ressortübergreifende, wirkungsorientierte Evaluierung der gesamten ISAF-Misssion gefordert

                     

                    Beschluss-PDF:
                    Stellungnahme(n):
                    Stellungnahme der Landesgruppe 2022: Die Lage in Afghanistan hat sich seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 dramatisch verändert. Hinzu kommen die Auswirkungen der Pandemie, und ein Kollaps der afghanischen Wirtschaft. Die Bundesregierung unterstützt die Menschen in Afghanistan weiterhin mit humanitärer Hilfe. Zur Abmilderung der humanitären Katastrophe und zur Vorbeugung einer Destabilisierung der Region wurden seit der Machtübernahme 600 Millionen Euro für humanitäre Hilfe, strukturbildende Übergangshilfe und Basisversorgung bereitgestellt (Quelle: BMZ). Diese Mittel kommen den Menschen in Afghanistan, aber auch in den Nachbarländern für die Unterstützung von afghanischen Flüchtlingen zu gute. Zum Krisenpaket der Bundesregierung steuert das BMZ zusätzlich 250 Millionen Euro für unterschiedliche humanitäre Projekte bei. Mehrere tausend afghanische Ortskräfte und andere gefährdete Afghaninnen und Afghanen konnten bereits aus Afghanistan gerettet werden. Um unserer Verantwortung gerecht zu werden, müssen wir auch weiterhin gefährdete Afghaninnen und Afghanen bei ihrer Ausreise nach Deutschland unterstützen.
                    Überweisungs-PDF: