Nach den geltenden rechtlichen Bestimmungen dürfen Minderjährige nur mit Zustimmung der Erziehungsberichtigten Zugang zu den Sozialen Medien erhalten; für unter dreizehnjährige ist der Zugang untersagt.
Zwar fragen die die Betreiber das Alter ab, allerdings gibt es keine Altersverifizierung, sodass faktisch auch Minderjährige Zugang zu den sozialen Medien erhalten.
Knapp jeder vierte Jugendliche nutzt laut einer Studie soziale Medien wie Messenger- und Videodienste problematisch viel. Das zeigt eine Untersuchung des Nutzungsverhaltens 2023 der Krankenkasse DAK-Gesundheit und des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE). Herangezogen wird dabei die Nutzung sozialer Medien wie Messenger- und Videodienste von 10- bis 17-Jährigen.
Hochgerechnet haben demnach 1,3 Millionen Kinder und Jugendliche einen riskanten Gebrauch digitaler Medien, das sind dreimal so viele wie im Vor-Corona-Jahr 2019. 2022 war der Anteil deutlich auf 22,2 Prozent gesprungen und steigt nun mit 24,5 Prozent weiter an. Als „riskante“ Nutzung gilt demnach ein häufiger und langer Gebrauch mit einem erhöhten Risiko für schädliche Folgen für die physische oder psychische Gesundheit. (zit. nach Die Zeit Online vom 27. Februar 2024)
Etwa 680.000 Kinder und Jugendliche in Deutschland sind einer FORSA-Studie zufolge süchtig nach Computerspielen und sozialen Medien. Diese Zahl habe sich während der Corona-Pandemie mehr als verdoppelt, heißt es in einer gemeinsamen Untersuchung der Krankenkasse DAK und des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf.
Der Anteil der Minderjährigen, die Suchtverhalten bei Social Media aufweisen, stieg demnach seit dem Jahr 2019 von 3,2 auf 6,7 Prozent. Bei der Nutzung von Computerspielen kletterte die Quote von damals 2,7 Prozent auf 6,3 Prozent im vergangenen Jahr
Daher fordern wir die SPD Mitglieder des Senats von Berlin auf, darauf hinzuwirken, dass Berlin eine Bundesratsinitiative startet für mehr Kinder- und Jugendschutz in den Sozialen Medien, in dem die Betreiber verpflichtet werden, eine sichere und geeignete Altersverifizierung bzw. Zustimmungsprozesse der Erziehungsberechtigten durchzuführen.
Stellungnahme des Forum Netzpolitik zu Antrag 226/I/2024 “Kinder- und Jugendschutz in den Sozialen Medien durch Altersverifizierung gewährleisten”
Das Forum Netzpolitik empfiehlt die Ablehnung des Antrags mit folgender Begründung:
Das Forum Netzpolitik unterstützt das Ziel des Antrags, Kinder und Jugendliche besser vor schädlichen Inhalten im Internet und vor Gesundheitsgefahren durch übermäßige Nutzung zu schützen. Eine allgemeine Identifizierungs- und Altersnachweispflicht für Onlinedienste bzw. Soziale Medien ist hierfür aber weder technisch noch gesellschaftlich der richtige Weg, noch ist sie verhältnismäßig.
Für den Nachweis der Volljährigkeit gibt es verschiedene technische Lösungen. Hierzu zählen das “Vorzeigen” von klassischen Ausweisdokumenten, digitalen Ausweisdokumenten oder Zahlungsnachweisen wie Kreditkarten sowie KI-basierte Lösungen, bei denen das Gesicht (biometrisch) gescannt und das Alter geschätzt wird. Diese Methoden sind sowohl anfällig für Missbrauch wie beispielsweise Identitätsdiebstahl, als auch stark fehleranfällig im Fall der KI-basierten Lösungen. Sie sind aber allesamt mit erheblichen Grundrechtseingriffen verbunden, da eine anonyme bzw. pseudonyme Nutzung sozialer Medien mehr möglich wäre und sehr sensible Daten erhoben werden. Beides ist für Kinder und Jugendliche besonders schädlich. Die Ampel-Koalition hat in ihrem Koalitionsvertrag dementsprechend zurecht festgehalten: “Allgemeine Überwachungspflichten, Maßnahmen zum Scannen privater Kommunikation und eine Identifizierungspflicht lehnen wir ab. Anonyme und pseudonyme Online-Nutzung werden wir wahren.”
Sämtliche dieser Verifikationssysteme lassen sich zudem leicht technisch umgehen (beispielsweise durch Nutzung von VPN). Darüber hinaus kann nicht jede Person über 18 Jahren einen solchen Nachweis erbringen. Und für Personen unter 18 Jahren gibt es solche Ausweisdokumente nicht.
Es existieren darüber hinaus keine technischen Lösungen, um ein elterliches Einverständnis manipulationssicher festzustellen. Von WhatsApp und Snapchat über YouTube bis zu TikTok und Instagram haben verschiedene Erziehungsberechtigte zudem ein unterschiedliches Verständnis davon, welche Online-Angebote für ihr Kind altersgerecht sind. Während technisch affine Eltern gegebenenfalls gemeinsam mit ihren Kindern die sozialen Medien entdecken und so einen gemeinsamen Konsens zur Nutzung entwickeln, lehnen andere die Nutzung sozialer Medien rigoros ab.
Der Zunahme von Suchtverhalten bei der Nutzung von Computerspielen und sozialen Medien lässt sich alles in allem daher nicht durch vermeintliche technische Lösungen entgegenwirken. Vielmehr sollte ein stärkerer Fokus auf den Aufbau von Medienkompetenzen bei Kindern, Lehrkräften und Eltern, sowie auf eine altersgerechte Aufsicht durch Eltern und Erziehungspersonen gelegt werden und Jugend- und Sozialangebote stärker ausgebaut werden.
Darüber hinaus müssen wir uns mit der Regulierung süchtig machender Algorithmen beschäftigen.