Die am 04. September 2022 vorgestellten Eckpunkte zum dritten Entlastungspacket werden nicht ausreichen, um in den kommenden Monaten entstehende bzw. sich noch verschärfende Härten zu verhindern. Die durchschnittlichen absoluten Beträge der „Entlastung“ übersteigen aufs Jahr gerechnet kaum die bereits jetzt entstandenen Mehrkosten für Strom und Heizung der Berliner Haushalte. So reicht dieses Paket bei weitem nicht aus, um die Auswirkungen der Energiekrise zu mildern, geschweige denn Menschen zu entlasten.
Das Eckpunktepapier stellt zu Beginn den angeblich „begrenzten finanzielle Spielraum des Bundeshaltshaushaltes“ fest. Darüber hinaus werden die ohnehin schon engen finanziellen Spielräume der Lander weiter beschnitten, indem ihnen ein Teil der Ausgaben für das Paket auferlegt werden. An der derzeit wegen der Pandemie noch ausgesetzten Schuldenbremse wird ab Januar wieder ausnahmslos festgehalten. Folglich sind vonseiten des Bundes zunächst keine weiteren Maßnahmen zu erwarten. Angesichts von Milliardenausgaben für Banken und Unternehmen in vergangenen Krisen oder vor kurzem erst für die Bundeswehr erscheint diese Haltung falsch.
Die Schuldenbremse schränkt die Handlungsfreiheit der demokratisch gewählten Landesparlamente immens ein, da im Gegensatz zum Bund der Landeshaushalt grundsätzlich ohne Kredite zu gestalten ist. In einer Situation wie der Gegenwärtigen, darf eine auf ökonomisch zweifelhaften Annahmen aufbauende Regel nicht den Zusammenhalt der Gemeinschaft und das Vertrauen in den Staat untergraben.
Wir begrüßen daher die Initiative Berlins zur Fortführung des 9-Euro-Tickets auf Landesebene. Bezahlbare öffentliche Mobilitätsangebote entlasten Haushalte spürbar und dämpfen dadurch die Inflation. Bestehende Angebote müssen ausgebaut und zusätzliche geschaffen werden.
Derzeit erhöhen Vermieter*innen die Betriebskostenvorauszahlung in Mietwohnungen um ein Vielfaches. Maßnahmen wie die Energiepauschale und Heizkostenzuschüsse werden diese Mehrkosten nur für einen sehr begrenzten Zeitraum und nur eine begrenzte Anzahl an Haushalten entlasten abfangen. Anstatt einen Kündigungsschutz zu schaffen, verweist das Papier auf Regelung des „sozialen Mietrechts“, um Obdachlosigkeit aufgrund geschuldeter Mietzahlung zu verhindern. Allerdings kann bei fristlosen Kündigungen wegen Zahlungsrückstandes kein Härtefall geltend gemacht werden. Berlin muss deshalb unbürokratisch verhindern, dass es aufgrund von Energiearmut zu Kündigungen und Räumungen in die Obdachlosigkeit kommen wird. Dazu sind auch die landesrechtlichen Kompetenzen der Wohnungsgesetzgebung auszureizen, beispielsweise indem Belegungsrechte gegenüber großen Immobilienunternehmen auf gesetzlicher Grundlage durchgesetzt werden. Da es an erschwinglichen Wohnungen mangelt, muss das Land alle Möglichkeiten ausschöpfen, um im gebotenen Fall Ersatzwohnraum bereitstellen zu können.
Sparen in der Krise! Das war und ist immer der grundfalsche Weg. Umso bedenklicher das insbesondere der Bundesfinanzminister diesen als „Kurs halten“ bezeichnet. Berlin muss in der Krise seiner Wirtschaft umfangreich unter die Arme greifen und durch öffentliche Investitionen die Arbeit und damit die Existenzgrundlage von Millionen Berliner*innen sichern.
Wir fordern daher:
- Das Abgeordnetenhaus stellt im Rahmen eines Nachtragshaushalts eine „außergewöhnliche Notsituation, die sich der Kontrolle des Landes entzieht“ nach § 18 der Landeshaushaltsordnung fest, um zusätzlichen finanziellen Spielraum bei der Bewältigung der gegenwärtigen Krisen zu schaffen. Dabei ist der Tilgungszeitraum etwaiger Kreditermächtigungen möglichst langfristig auszugestalten.
- Die Schaffung weiterer umfassender, öffentlicher Mobilitätsangebote, darunter:
- Die Reaktivierung ehemaliger und Einrichtung neuer Pop-Up-Radwege auf neuer gesetzlicher Grundlage
- Die Förderung eines gemeinwohlorientierten Lastenradverleihs
- Ein am „BerlKönig“ angelehntes Konzept für Rufbusse in den Außenbezirken und schlecht angebundenen Teilen der Innenstadt, der weitgehend mit dem normalen BVG-Tarif nutzbar ist.
- Das Land schafft kurzfristig technisch wie personell ausreichend ausgestattete Anlaufstellen für Berliner*innen, die aufgrund steigender Energiekosten vor Problemen stehen. Diese:
- Koordinieren die effektive Inanspruchnahme von staatlichen Hilfeleistungen, wie z.B. den zusätzlichen Heizkostenzuschuss beim Wohngeld.
- Gewährleisten in Zusammenarbeit mit den Behörden, die kurzfristige (Teil-)auszahlung von Leistungen, auch wenn z.B. nur eine vorläufige Prüfung von Anträgen innerhalb der gebotenen Zeit möglich ist.
- Schaffung einer spezialgesetzlichen Grundlage zur Ermöglichung krisenbedingter Wohnungseinweisungen
- Unterstützen auch innerhalb bestehender Strukturen (Wohnungsbündnis) die Vermittlung von Ersatzwohnraum, wenn eine Kündigung nicht abwendbar oder Mietzahlungen nicht nachhaltig zu stemmen sein werden. Bei Misserfolg werden Bescheinigung zwecks Nachweises der unbilligen Härte einer Kündigung erteilt.
- Das Land schafft aus dem Nachtragshaushalt Soforthilfeprogramme, sowohl für private Haushalte als auch für wirtschaftliche Unternehmen, angelehnt an die Coronahilfen
- Bewirtschaften leerstehende und ausschließlich kurzzeitig vermietete Wohnungen, um günstigen Ersatzwohnraum bereitstellen zu können. Die weitergehende Überführung in Gemeineigentum ist dabei zu prüfen.
- Zur Stärkung der Berliner Wirtschaft, legt das Land ein umfangreiches Investitionsprogramm auf. Dieses unterstützt insbesondere Unternehmen in den Bereichen der erneuerbaren Energien. Die zügige Verwirklichung des Berliner Solargesetzes wird ebenfalls besonders gefördert.
- Des Weiteren fordern wir vom Land, sich für eine Nachbesserung bzw. weitere Entlastungen einzusetzen.”
- Die Prüfung einer landesrechtlichen Ergänzungsabgabe, um Krisenprofiteur*innen an den Kosten zu beteiligen und der sich weiter verschärfenden Ungleichheit etwas entgegenzusetzen.
- Das Land prüft, wie in diesem Zusammenhang aufkommende, personelle Engpässe kurzfristige auch durch die vergütete Einbindung der Zivilgesellschaft überbrückt werden können.