Europaparteitag der S&D möge beschließen:
Bis heute ist das Förderprogramm der Europäischen Union – besser bekannt als das „ERASMUS-Programm“ – eines der größten Bildungsförderungsprogramme in der europäischen Geschichte – vermutlich sogar weltweit. Das Bildungsprogramm für lebenslanges Lernen besteht bereits seit über 30 Jahren und fördert die Mobilität von Studierenden, Auszubildenden, Dozent*innen und ausländischen Unternehmenspersonal innerhalb 27 Ländern der EU und seinen Partnerländern.
Bis zu seinem 30-jährigen Bestehen wurden allein rund 4,4 Mio. Studierende unterstützt, allein davon rund 650.000 aus Deutschland. In seinen nun fast 34 Jahren wurde das Programm nach und nach finanziell und perspektivisch erweitert. Heute können unter dem Programmnamen „Erasmus+“ auch Schüler*innen teilnehmen und auch Angebote in der Erwachsenbildung, am informellen Lernen und im Sport wahrgenommen werden.
Auch auf Bundesebene wirft das Bildungsprogramm seine Schatten voraus: Bildungspolitikerinnen und –Politiker aller Bundestagsfraktionen (außer AfD) forderten im September 2020 in einem offenen Brief die Bundesregierung mehr Geld in das Programm zu investieren.
„In Vielfalt geeint“ scheinen nicht nur die Positionen der Bundesparteien zu sein. „In Vielfalt geeint“ ist ebenso das Motto der Europäischen Union und kein anderes Programm spiegelt diesen Grundgedanken so gut wieder wie dieses Programm. Der Vorschlag von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei ihrer Antrittsrede, das Programm-Budget massiv aufstocken zu wollen, scheint dabei nur die logische Konsequenz zu sein.
„Erasmus“ ist eine Erfolgsgeschichte – eine europäische Erfolgsgeschichte, die mit dem EU-Austritt des Vereinigten Königreichs erste Risse bekommt, welche weitreichenden Folgen haben werden – gerade für Deutschland.
Zur Erinnerung: Der EU-Austritt des Vereinigten Königreichs – auch bekannt als „Brexit“ – führt dazu, dass die langfristigen Beziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich neu ausgehandelt werden müssen. Kurzfristig herrscht zwischen den beiden Akteur*innen eine Übergangsphase; seit dem 1. Januar 2021 ist das Vereinigte Königreich nicht mehr Teil des EU-Binnenmarktes und der Zollunion.
Obwohl Premierminister Boris Johnson das Gegenteil versprach, ist das Königreich zu großer Überraschung auch aus dem Erasmus-Programm ausgetreten. Am Erasmus-Programm weiter teilzunehmen wäre „extrem teuer“ geworden, so Johnson.
Dieser Behauptung stellte sich der Hochschulverbund „Universities UK International“ bereits im März vergangenen Jahres entgegen. Er rechnete vor, dass eine Erasmus-Mitgliedschaft dem Land 2018 ein Plus von 243 Millionen Pfund beschert habe – nach Abzug der Mitgliedschaftskosten von den Einkünften durch EU-Studierende von 420 Millionen Pfund, so der „Guardian“. Der britische Mitgliedsbeitrag im EU-Erasmus-Topf liegt dementsprechend zuletzt bei 177 Millionen Pfund (rund 196 Millionen Euro) jährlich. Das Vereinigte Königreich gehörte 1987 zu den Gründernationen von „Erasmus“. Dies war auch nach dem „Brexit“-Referendum 2016 deutlich spürbar. Mit mehr als 30.000 EU-Gästen jährlich war das Land nach Spanien und Deutschland das drittbeliebteste Zielland des Austauschprogramms. Aus Deutschland gingen 2017 rund 3.500 Studierende nach Großbritannien, umgedreht waren es 2317.
Zwar soll es mit „Erasmus+“ an britischen Unis noch bis 2023 möglich sein beispielsweise als EU-Austauschstudent*in zu studieren, aber der Brexit zeigt schon jetzt erste Konsequenzen: Extra Visa-Gebühren, Kosten für den nationalen Gesundheitsdienst, das Aus für die ermäßigten Studiengebühren für zuletzt 12.000 Studierende aus Deutschland, welche ihr komplettes Studium dort absolvierten, sind nun Realität. Mehr noch: Johnson verkündete bereits, dass mit dem „Turning-Programm“ 35.000 britische Studierende mit 100 Millionen Pfund ins Ausland geschickt werden sollen. Das Programm gelte ausschließlich für britische Studierende. Es ist schon jetzt sicher, dass es nie an die finanzielle Leistung des EU-Vorgängerprogramms herankommen wird.
Das Ziel muss es sein, dass das Vereinigte Königreich wieder Zugang zum EU-Bildungsprogramm ermöglicht
Die (Wieder-) Eingliederung des Vereinigten Königreichs in die EU-Bildungspolitik muss das Ziel sein – vor allem aus Sicht der EU-Ländern, allen voran Deutschlands.
Mit einem breiteren Fokus aus Ausbildungsbetriebe ist das Austauschprogramm nicht nur für Studierende interessant. Auszubildende aus verschiedensten Betrieben können in einem ausländischen Betrieb neue Perspektiven einnehmen, neue Arbeitstechniken aneignen und eine neue Sprache erlernen. Letzteres ist gerade für deutsche „Azubis“ elementar. Englisch ist in vielen Fällen die erste Fremdsprache, welche in Deutschland gelehrt und oft einzige, welche in den Berufsschulen weiterfortgeführt wird. Oftmals haben Azubis aus dem industriellen, naturwissenschaftlichen oder transporttechnischen Sektor in Deutschland daher ein Interesse in einem englischsprachigen Land einen Bildungsaufenthalt zu absolvieren.
Diese Tür wird ihnen mit dem „Erasmus-Brexit“ zugeschlagen. Dieser Nachteil würde vor allem deutschen Jugendlichen betreffen. Das Programm bietet gerade Jugendlichen aus Arbeiterfamilie oftmals die einzige Möglichkeit, einen Auslandsaufenthalt zu absolvieren.
Zusammenfassung
Die Nachteile des Ausscheidens des Vereinigten Königreichs aus dem größten Bildungsprogramm Europas sind zahlreich. Sie werden für unsere Generationen nicht sofort spürbar sein, aber kommenden (Programm-)Generationen. Denn Erasmus ist mehr als nur ein reines Austauschprogramm. Mit Erasmus überwinden Menschen Grenzen – vor allem im Kopf.
Erasmus gibt der Jugend Europas die Gelegenheit zum interkulturellen Austausch, um eine europäische Identität zu entwickeln. Eine Idee, die wir brauchen, um das Auseinanderdriftens Europas und der anwachsenden Europa-Skepsis mutig entgegenzutreten. Das Erasmus-Programm wirkt dem entgegen, mit breiterer Teilnahme von Europäerinnen und Europäern aus allen sozialen Schichten.
Dieser Antrag stellt sich nicht nur der Blaupause eines EU-Austritts entgegen, sondern versucht die Tür – nämlich die ins Vereinigte Königreichs – offen zu halten. Bildung soll das Tor zur Welt sein. Lasst uns dafür Sorge trage, dass dies in unserem Europa der Fall bleibt.
Daher fordern wir, dass die Taskforce für die Beziehungen zum Vereinigten Königreich (UKTF), welche die Beziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich koordiniert, die Wiederaufnahme des Vereinigten Königreichs in das Erasmus+-Programm anstrebt.
Wir fordern daher die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung sowie des Europäischen Parlamentes dazu auf, darauf hinzuwirken, dass das Erasmusprogramm in Großbritannien aufrecht erhalten wird. Das Ziel muss dabei sein, ein ähnliches Abkommen, wie mit anderen nicht EU-Ländern (wie Norwegen, Schweiz usw.) zu erreichen. Übergangsweise soll geprüft werden, inwiefern dem Wunsch der schottischen und walisischen Regierung, weiter an Erasmus+ teilzunehmen, nachgekommen werden kann.
Wir fordern daher die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung sowie des Europäischen Parlamentes dazu auf, darauf hinzuwirken, dass das Erasmusprogramm in Großbritannien aufrecht erhalten wird. Das Ziel muss dabei sein, ein ähnliches Abkommen, wie mit anderen nicht EU-Ländern (wie Norwegen, Schweiz usw.) zu erreichen. Übergangsweise soll geprüft werden, inwiefern dem Wunsch der schottischen und walisischen Regierung, weiter an Erasmus+ teilzunehmen, nachgekommen werden kann.
Wir fordern daher die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung sowie des Europäischen Parlamentes dazu auf, darauf hinzuwirken, dass das Erasmusprogramm in Großbritannien aufrecht erhalten wird. Das Ziel muss dabei sein, ein ähnliches Abkommen, wie mit anderen nicht EU-Ländern (wie Norwegen, Schweiz usw.) zu erreichen. Übergangsweise soll geprüft werden, inwiefern dem Wunsch der schottischen und walisischen Regierung, weiter an Erasmus+ teilzunehmen, nachgekommen werden kann.