In unserer Stadt müssen die Menschen sicher leben können. Wir müssen sie vor Kriminalität genauso schützen wie vor der Angst, in einer Gesellschaft nicht mehr mithalten zu können, die als sozial ungerecht empfunden wird.
1. Dynamische Stadtgesellschaft: Wachstum, Vielfalt und soziale Polarisierung
Berlin wächst dynamisch und steuert schon in den kommenden Jahren auf vier Millionen Einwohner*innen zu. Weltoffenheit und Vielfalt zeichnen Berlin aus und machen die Stadt attraktiv. Menschen aus 150 Nationen leben hier bereits zusammen. Ihre soziale und persönliche Sicherheit zu gewährleisten, gehört zu den wichtigsten Herausforderungen einer verantwortungsvollen Stadtpolitik und ist damit eine zentrale Aufgabe der Berliner Sozialdemokratie.
Die Menschen in unserer Stadt befinden sich in verschiedenen Lebenssituationen und setzen sich unterschiedlichste Ziele. Sie müssen auf ein sicheres Umfeld vertrauen können. Viele Menschen, die zu uns kommen, suchen einen Platz, sich niederzulassen, sich eine Existenz aufzubauen und selbstbestimmt zu leben.
Berlin steht gegenwärtig wie keine zweite Stadt für diese Entwicklung. Voraussetzung für ein Gelingen ist dabei, dass die Menschen ihr Leben verlässlich planen können, weil sie in dieser Stadt soziale und persönliche Sicherheit finden – egal, ob sie für ihren Aufenthalt nur an einige Wochen oder aber an Jahrzehnten denken.
Mit dem Wachstum der Stadt gehen die Herausforderungen Hand in Hand. Quartiere entwickeln sich unterschiedlich. Was gestern eine einfache Wohngegend war, wird in atemberaubender Geschwindigkeit hip und begehrt – und teuer. Dadurch treten aber auch Ungleichheiten viel stärker zu Tage als bisher. Die Räume zum Ausweichen werden kleiner. Der Druck auf diese Quartiere steigt und mit dem Druck die Verteilungskämpfe und die soziale Desintegration, die irgendwann auch zu offenen sozialen Spannungen, zu Gewalt und Kriminalität und damit im Ergebnis zu einer sozialräumlichen Polarisierung führen. Wohnungsknappheit und steigende Mieten führen dazu, dass Menschen mit niedrigem Einkommen in Stadtteile mit sozialen Spannungen und teils schlechter Bausubstanz verdrängt werden.
Dieser Prozess muss durch Erhalt von gutem und günstigem Wohnraum, Ausbau von Rechten der Mieterinnen und Mieter und durch die Schaffung neuer und bezahlbarer Wohnungen durch sozialen (mindestens 30%), barrierefreien (10%), städtischen und genossenschaftlichen Wohnungsbau aufgehalten werden.
Unter einem solchen Prozess leiden vor allem diejenigen, die selbst am wenigsten für ihre Sicherheit aufbieten können. Sicherheit darf aber nicht vom Einkommen und Vermögen abhängen, sondern muss für alle gleichermaßen gewährleistet sein. Wo dennoch Gewalt und Kriminalität die Sicherheit in Frage stellen, muss der Rechtsstaat Stärke zeigen.
2. Urbane Sicherheit verbindet soziale und persönliche Sicherheit
Urbane Sicherheitspolitik verbindet Strategien für soziale und persönliche Sicherheit, denn alle zusammen sind die Voraussetzungen für die Steigerung der Lebensqualität einer inklusiven Gesellschaft. Soziale Sicherheit bedeutet die Absicherung von Lebensrisiken und den Ausgleich sozialer Ungleichheiten. Auf städtischer Ebene wird dies insbesondere durch eine aktive Arbeitsmarktpolitik, soziale Steuerung des Wohnungsmarktes, ein starkes öffentliches Bildungswesen, Zugang zu Daseinsversorgung, verlässlicher Infrastruktur, Gesundheit, Kultur etc. umgesetzt.
Persönliche Sicherheit stellt die Abwesenheit von hauptsächlich durch Gewalt und Kriminalität bedingten Verlust von Besitz, körperlichen Schäden, Stress und Angstzuständen in den Mittelpunkt stadtpolitischen Handels. Zentral sind hier Maßnahmen der Prävention, Gefahrenabwehr und Strafverfolgung.
Die Bürgerinnen und Bürger erwarten verlässliche staatliche Institutionen, die – hier besonders die Polizei – ihren umfangreichen Aufgaben nachkommen und so für persönliche Sicherheit sorgen: Sicht- und Ansprechbarkeit und sowie Fairness im Auftreten sind wichtige Bestandteile, die das hohe Vertrauen der Bevölkerung in die Berliner Polizei weiter ausbauen werden. Diese muss über die notwendigen Mittel verfügen, um ihre Aufgaben wirksam wahrnehmen zu können.
Unsere Politik der Urbanen Sicherheit will ein gesellschaftliches Klima schaffen, das die Verantwortung aller für den sozialen Frieden bewusst macht und fördert sowie an den Wurzeln von Kriminalität und Gewalt ansetzt. Dies bedeutet für uns Integrierte Sicherheitspolitik.
Akteure der Inneren Sicherheit müssen sich der sozialpolitischen Bezüge ihrer Politik bewusst sein: Im Gegensatz zu konservativen und populistischen Positionen wollen wir nicht Arme verdrängen, sondern Armut und soziale Polarisierung bekämpfen, werden wir nicht Geflüchtete diskriminieren, sondern die Integrationspolitik vorantreiben und wir werden nicht Jugendliche kriminalisieren, sondern durch aktive Bildungs-, Jugend- und Arbeitsmarktpolitik ihre Teilhabe sichern. Hilfe statt Ausgrenzung ist das zentrale Ziel.
Wir wollen soziale Polarisierung aufheben und Vielfalt gestalten. Unsere Idee ist, bei der Betrachtung von Gewalt und Kriminalität in der Stadt, bei der Bekämpfung dieser Phänomene und der Prävention soziale und persönliche Sicherheit in integrierte Strategien zusammenzuführen.
Ob Menschen in unserer Stadt sicher leben können, hängt auch davon ab, dass sie sich sicher fühlen. Tatsächliche Bedrohung durch Kriminalität und das persönliche Sicherheitsgefühl mögen dabei nicht immer deckungsgleich sein, aber auch Ängste sind real. Sie einfach zu negieren ist falsch, genauso wie populistisch Maßnahmen einzufordern, die an der Lösung bestehender Probleme vorbeigehen. Wir als SPD wissen, dass ein liberales und tolerantes Miteinander in der Stadt davon abhängt, dass der öffentliche Raum überall und zu jeder Zeit als sicher wahrgenommen wird und man sich dort angstfrei bewegen kann.
Aus dem Ziel, Straftaten durch soziale Maßnahmen zu verhindern, folgt, dass alle staatlichen Organisationen, die den Sozialstaat ausmachen, zusammenarbeiten müssen. Dies braucht ressortübergreifende Zusammenarbeit im Senat und in den Bezirken ebenso, wie die Beteiligung und den Austausch mit sozialen Akteuren und den Bürgerinnen und Bürgern in ihren Quartieren. Um dies zu gewährleisten, haben wir in Berlin eine Landeskommission „Berlin gegen Gewalt“ eingerichtet und wollen in allen Bezirken Arbeitsgremien der Prävention von Gewalt und Kriminalität etablieren.
3. Gute Arbeit, sichere Beschäftigung und solidarisches Grundeinkommen
Berlin hat sich in den vergangenen zehn Jahren beim Abbau der Arbeitslosigkeit in die richtige Richtung entwickelt. Wir leben aber in einer Beschäftigungswelt, in der sich in einem Teil des Arbeitsmarktes die Arbeitsverhältnisse immer häufiger verändern und oft nur unsichere Zukunftsaussichten bieten. Sei es, dass nicht mehr wirklich klar ist, wer Arbeit- oder auch nur Auftraggeber*in ist – und damit am Ende für geleistete Arbeit aufkommt. Sei es, dass die Risiken der Tätigkeit einseitig auf den Ausführenden lasten und die eigentlichen Nutznießer nur am Profit partizipieren. Die Arbeitswelt in einer Millionenstadt ist eine andere als in einem Flächenland. Die Anonymität der Metropole begünstigt hier leider allzu oft die Betrüger*innen. Flächendeckende sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse werden daher nur mit einem konsequenten Einsatz gegen Schwarzarbeit, gegen ein Unterlaufen des Mindestlohngesetzes und des Arbeitsschutzes sowie gegen Insolvenzbetrug durch eine eng zusammenarbeitende Verwaltung und hochspezialisierte Kräfte von Polizei, Zoll und Steuerfahndung zu erreichen sein.
Eine Grundbedingung sozialer Sicherheit ist es, gute Arbeit und sichere Beschäftigung für alle Berlinerinnen und Berliner zu erreichen. Zusammen mit den Sozialpartnern wollen wir uns dafür einsetzen, alle Arten von prekärer Beschäftigung einzudämmen, Ausbildungskapazitäten quantitativ und qualitativ auszubauen, den Geltungsbereich von Tarifverträgen zu erweitern, Benachteiligungen von Frauen im Erwerbsleben abzubauen, Arbeitsschutz und Gesundheitsförderung bei der Arbeit auszubauen. Die Digitalisierung der Arbeit wird dabei die zentrale Herausforderung städtischer Arbeitsmarktpolitik sein. Viele Unternehmen können ihre Wettbewerbsfähigkeit durch digitale Prozesse verbessern. Sie benötigen dabei Unterstützung durch Land und Wirtschaftsverbände. Für die Beschäftigten stehen den Chancen (z.B. auf hochwertige Tätigkeiten, Souveränität im Hinblick auf die Auswahl von Arbeitszeit und -ort) Gefahren von Arbeitsplatzverlusten und Prekarisierung von Arbeitsverhältnissen gegenüber. Hier muss berufliche Weiterbildung ansetzen und individuelle Perspektiven entwickeln und absichern helfen. Außerdem muss soziale Sicherheit durch Regelungen in Form von Mindesthonoraren für Solo-Selbständige (z.B. in der Dienstleistungs-, Kultur- und Kreativwirtschaft sowie die Gründer*innenszene) und einer Ausdehnung statt Reduzierung des arbeits- und sozialrechtlichen Mindestschutzes bei der Gestaltung von Arbeitsverhältnissen gewährleistet werden.
Unfreiwillige Teilzeit und befristete Arbeitsverträge schaffen das Gefühl von Unsicherheit und wirken sich negativ auf Lebensplanungen aus. Der öffentliche Dienst geht dieses Thema vorbildlich an: Berlin schafft alle sachgrundlosen Befristungen in der Verwaltung, an den Hochschulen sowie bei den Landesunternehmen einschließlich ihrer Beteiligungen ab. Die Praxis der Befristungen nach dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz soll kritisch auf den Prüfstand gestellt werden. Wir setzen konsequent den Mindestlohn durch – v. a. bei den öffentlichen Vergaben.
Wir setzen uns dafür ein, dass alle Berliner Unternehmen faire und gute Arbeit anbieten, diskriminierungsfrei und im Rahmen des deutschen Arbeitsrechts und Arbeitsschutzes. Sachgrundlos befristete Arbeitsverträge dürfen in keinem Unternehmen die Regel sein. Unternehmen, die diese Forderung nicht erfüllen, sollen keine Aufträge der öffentlichen Hand und keinen Zugang zu wirtschaftlichen Förderungen erhalten.
Für die sich durch Digitalisierung und Globalisierung verändernde Arbeitswelt muss die Sozialdemokratie konzeptionelle Antworten liefern. Die Zukunft muss digital und sozial sein. Dabei steht für uns die Arbeitswelt im Vordergrund unserer Überlegungen. Denn Arbeit ist nicht nur Existenzsicherung, sondern auch der Schlüssel zu gesellschaftlicher Teilhabe und Anerkennung.
Mit unserer Initiative für ein Solidarisches Grundeinkommen (SGE) wollen wir deshalb arbeitslosen Menschen eine Alternative zum Abrutschen in Hartz IV (ALG II) bieten. Nach Ablauf des Arbeitslosengeldes (ALG I) unterbreiten wir ein Angebot für kommunale Arbeit in der sozialen Daseinsvorsorge, das freiwillig, fair bezahlt, unbefristet und sozialversicherungspflichtig ist. Wir wollen auf diesem Weg kommunale Arbeitgeber und Langzeitarbeitslose zusammenbringen und durch begleitende Qualifizierung den Übergang in den ersten Arbeitsmarkt besser ermöglichen. Qualifikation und Integration in den ersten Arbeitsmarkt bleiben für uns vorrangig.
Das Solidarische Grundeinkommen ist dabei ein Weg heraus aus dem Hartz-IV-System, das in 15 Jahren keine gesellschaftliche Akzeptanz erfahren hat. In diesem System wird viel zu oft Langzeitarbeitslosigkeit verstetigt oder es führt, wenn überhaupt unter dem Druck des Sanktionssystems vornehmlich zu kurzfristigen Maßnahmen oder prekären Arbeitsverhältnissen.
Wir fordern den Bund auf, im Rahmen des Teilhabechancengesetzes und der weiteren Förderinstrumente den Weg frei zu machen zur Finanzierung von SGE-Modellprojekten in mehreren deutschen Kommunen und unterstützen die Ankündigung des Senats, in Berlin im Laufe des Jahres 2019 ein SGE-Pilotprojekt mit 1.000 Arbeitsplätzen aufzulegen, dessen Rahmenbedingungen mit den Sozialpartnern und wichtigsten Verbänden und Organisationen verhandelt werden.
Aber wir brauchen insgesamt eine neue soziale Agenda. Das Solidarische Grundeinkommen ist dabei ein wichtiger Baustein und bildet in Kombination mit weiteren Maßnahmen wie zum Beispiel der Bürgerversicherung, einen armutsfesten Mindestlohn auf Bundesebene in Höhe von mindestens 12,63 Euro und der Grundrente in Zeiten einer sich drastisch verändernden Arbeitswelt unsere Antwort für eine umfassende Gesundheitsversorgung und Sozialversicherung, gute Arbeit und einer Rente, von der man leben kann.
4. Urbane Polizei- und Sicherheitsarbeit
Ohne klare Regeln gibt es keine funktionierende Gesellschaft. Daher setzen wir uns für die konsequente Einhaltung gesellschaftlicher Regeln in der gesamten Stadt ein. Dies ist nicht nur eine Aufgabe der Polizei und der Justiz, sondern auch der Stadtgesellschaft insgesamt. Sicherheit entsteht auch durch soziales Vertrauen und gemeinsamen Austausch.
Wir werden die Alltagssicherheit in Berlin durch eine starke Berliner Polizei und bezirkliche Ordnungsämter weiter verbessern. Daher wollen wir, dass auch U- und S-Bahnhöfe mit Personal besetzt sind und wir setzen uns dafür ein, die Fuß- und Fahrradstreifen der Polizei verstärkt in der gesamten Stadt einzusetzen, um eine hohe Präsenz und Akzeptanz im öffentlichen Raum zu schaffen. Wir dulden keine rechtsfreien Räume in der Stadt. Wir sind es angegangen, im Einklang mit den betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Bedingungen für leistungsfähige, motivierte und gut ausgerüstete Polizeikräfte und Rettungsdienste bis zum Ende der Legislaturperiode zu schaffen. Die Einstellungszahlen im Vollzugsdienst der Polizei und Feuerwehr haben wir deutlich erhöht; in dieser Wahlperiode werden wir insgesamt 1.300 zusätzliche Stellen für Polizistinnen und Polizisten schaffen und in den nächsten Jahren weiter dem Bedarf anpassen. Wir bringen die technische Infrastruktur und die persönliche Ausrüstung bei der Polizei, Feuerwehr und den Rettungsdiensten auf den neuesten Stand und sorgen für eine gute Ausbildung sowie stetige Weiterqualifizierung des Personals. Wir haben diesbezüglich in der aktuellen Legislaturperiode bereits zahlreiche Maßnahmen für ein sicheres Berlin auf den Weg gebracht. Diese müssen konsequent weiter ausgebaut werden.
Um die organisierte Kriminalität konsequent zu bekämpfen, müssen Standards und bessere Möglichkeiten des Austausches von Wissen und Daten entwickelt werden. Dies betrifft insbesondere die Nachverfolgung und Austrocknung von Geld- und Finanzströmen in den Geschäftsfeldern der organisierten Kriminalität. Wir fordern ein zentrales deutschlandweites Immobilienregister, um Geldwäsche bekämpfen zu können.
Kriminelle Clans, Rockergruppen und reisende Banden haben – nicht nur in Berlin – zu lange zu wenig Widerstand seitens des Rechtsstaats und der Stadtgesellschaft erfahren. Mit Drogenhandel, Korruption, Schutzgelderpressung, Geldwäsche, Glücksspiel, Menschenhandel, Steuerhinterziehung, Raub- und Eigentumsdelikten haben sie vielen Menschen und der Allgemeinheit insgesamt geschadet und illegales Vermögen an sich gebracht, das sie in den regulären Wirtschaftskreislauf einschleusen wollen. Das dürfen wir nicht dulden. Daher werden wir die Polizei, die Staatsanwaltschaft und die Strafgerichte personell und materiell aufstocken, um den Verfolgungsdruck auf die Täterinnen und Täter deutlich zu erhöhen. Zudem werden wir weitere Maßnahmen prüfen, um entsprechende kriminelle Strukturen aufzubrechen. Die Wirtschafts-, Steuer- und Cyberkriminalität bedeuten ebenso große Gefahren für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, weil sie meist hohe wirtschaftliche Schäden verursachen. Daher werden wir auch gegen Wirtschafts- und Finanzkriminalität entschiedener vorgehen. Das schließt eine Verschärfung der Manager- und Unternehmenshaftung ein.
Die hoheitlichen Aufgaben müssen wieder verstärkt vom Staat selbst hoheitlich in eigener Verantwortung in die Hand genommen werden, die Privatisierung von Sicherheit – auch im Bereich der Sicherung der Liegenschaften – ist auf lediglich ergänzende Leistungen zurück zu führen und zu beschränken.
Um der gemeinsamen Verantwortung gerecht zu werden und das Vertrauen zu stärken, werden wir uns für einen unabhängigen Bürger- und Polizeibeauftragten beim Berliner Abgeordnetenhaus einsetzen. Der polizeiunabhängige Polizeibeauftragte soll auch unabhängige Demonstrationsbeobachter*innen einsetzen können, die an Demonstrationen teilnehmen und Rechtsverstöße von Demonstrant*innen, Polizeikräften oder nicht demonstrierenden Personen dokumentieren und darüber sowohl Behörden als auch die Öffentlichkeit informieren.“ Denn gemeinsam Verantwortung zu übernehmen bedeutet für uns auch, gemeinsam an Fehlern zu arbeiten und einen Umgang miteinander auf Augenhöhe zu schaffen. Dazu erhalten Betroffene die Möglichkeit, Beschwerden zu erheben und das Verhalten der Polizei angemessen und unabhängig überprüfen zu lassen.
Auch die klassischen Regelverstöße im Straßenverkehr, Autorennen und Gewaltdelikte müssen konsequent geahndet werden. Unterhalb der Ebene der Sicherheitsbehörden des Landes werden wir die Ordnungskräfte in den Bezirken stärken. Dazu gehört, dass bestimmte Beschränkungen auf den Prüfstand gestellt werden. Die Bemühungen um eine eigene Ausbildung der Außendienstkräfte der Ordnungsämter werden wir wieder aufnehmen und die Dienstzeiten an die Realitäten der Großstadt anpassen. Der Außendienst der Ordnungsämter darf nicht nur im Ausnahmefall, sondern muss auch im Regelfall in den Nachtstunden tätig sein. Um dies zu leisten muss die personelle Ausstattung im Außendienst der Ortungsämter deutlich erhöht werden.
Die Polizei ist ein wichtiger Akteur in unserer Präventionsstrategie. Mit den Präventionsbeauftragten der Polizeiabschnitte, die Arbeitsgebiete interkulturelle Aufgaben (AGIA) der Direktionen und mit der Zentralstelle beim Landeskriminalamt leistet die Polizei wichtige Beiträge zur Prävention durch ihre Arbeit für Schulen, Flüchtlingsunterkünfte, Moscheevereine und andere zivilgesellschaftliche Akteure. Dabei hat die Zentralstelle des Landeskriminalamtes (LKA) die Koordinierungs- und Steuerungsfunktionen. Die Tätigkeit der Polizei in diesem Feld ist vor dem Hintergrund der neuen Herausforderungen und wechselnden Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger stetig anzupassen.
Wir werden drei strategische Elemente der Hauptstadtpolizei verstärken:
- Wir wollen, dass die Polizeiarbeit die Verfolgung von Straftaten und Gefahrenabwehr mit einer auf „Bündnisarbeit“ ausgerichteten Prävention verbindet. Perspektivisch wird mit der Förderung von räumlichen Präventionskonzepten – Gemeinwesen orientierte Polizeiarbeit – eine wichtige Säule einer Gesamtkonzeption zur Gewaltprävention weiterentwickelt. Dabei entstehen belastbare Arbeitsbeziehungen zwischen Polizei und anderen Akteuren im Quartier (Schulen, Soziale Arbeit etc.), die beispielsweise gewaltfreie Konfliktbearbeitung zwischen unterschiedlichen Szenen und Milieus ermöglichen.
- Wir wollen eine Polizei, die in den Kiezen integriert ist, den Bürgerinnen und Bürgern auf Augenhöhe begegnet und als Ansprechpartnerin vor Ort zur Verfügung steht. Jeder Mensch, jede Bevölkerungsgruppe und jeder Kiez haben verschiedene Sicherheitsbedürfnisse. Es ist die Aufgabe der Polizei in einer sozialen Stadt diese Bedürfnisse frühzeitig zu erkennen, zuzuhören und gemeinsam mit den Menschen und „Bündnispartnern“ vor Ort geeignete Maßnahmen umzusetzen. Das gilt im Brennpunkt genauso wie in der Einfamilienhaus-Siedlung. Den Kontaktbereichsbeamtinnen und -beamten kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Im Sinne eines wissenschaftlich fundierten Community Policing Konzepts sollen zusätzlich zu Polizistinnen und Polizisten, die Straftaten verfolgen und aufklären, in allen Kontaktbereichen Polizistinnen und Polizisten eingesetzt werden, die sich ausschließlich der Prävention, der „Bündnisarbeit“ und dem Austausch mit Bürgerinnen und Bürgern widmen. Eine solche Präsenz schafft Sichtbarkeit, soziale Integration und nachhaltiges Vertrauen.
- Wir wollen eine Polizei, die über die interkulturelle Kompetenz verfügt, die den Herausforderungen moderner Stadtgesellschaften Rechnung. Eine heterogene Stadtbevölkerung braucht gegenseitige und wechselseitige Akzeptanz, auf deren Grundlage die gemeinsamen Normen umgesetzt werden. Eine moderne Polizei ist gleichzeitig auch Teil der Gesellschaft, welche sie beschützt. Sie besteht deshalb aus Kolleginnen und Kollegen, die die Stadt in ihrer gesamten Breite widerspiegeln.
Voraussetzung für eine erfolgreiche Kriminalitätsbekämpfung ist auch die konsequente und zeitnahe Verfolgung und Verurteilung der Straftäterinnen und Straftäter und ein wirkungsvolles und auf Resozialisierung orientiertes Haftvollzugswesen. Neue Konzepte wie der „Staatsanwalt für den Ort“ werden auf die gesamte Stadt ausgedehnt.
5. Prävention im Quartier stärken – Sozialraumzentriertes Handeln
Wir wissen, dass sich die sozialräumlichen Megatrends Diversität und soziale Polarisierung in den Quartieren je nach räumlicher, sozialer und baulicher Lage durch unterschiedliche und spezifische Gewalt- und Kriminalitätsformen abbilden. So haben die Quartiere in den randstädtischen Großsiedlungen andere Herausforderungen als die innerstädtischen Ausgehviertel oder Quartiere, in denen eine zunehmende Gentrifizierung zu beobachten ist. Diese wiederum unterscheiden sich in der Sozial- und Sicherheitslage von Quartieren mit hoher Zuwanderung von jenen mit beispielsweise Einfamilienhaussiedlungen.
Die zunehmende Privatisierung von Sicherheit erhöht die Gefahr, dass Zugänge zu Sicherheitsleistungen in der Stadt ungleich verteilt werden. Deshalb ist eine Unterstützung vor allem in jenen Quartieren notwendig, die mit geringeren Ressourcen ausgestattet und durch soziale Konflikte besonders betroffen sind. Quartiere mit einer hohen Vernetzung von zivilgesellschaftlichen Strukturen, Vereinen, Initiativen etc. entwickeln stärkere Ressourcen um produktiv mit Konflikten und neuen Herausforderungen umzugehen – beispielsweise dem Zuzug von Geflüchteten. Deshalb ist die Entwicklung lebenswerter Nachbarschaften und Quartiere ein zentraler Bestandteil der Prävention von Gewalt und Kriminalität. Die SPD fördert vor allem die Quartiere, in denen sich soziale Konflikte häufen. Dabei lässt sich die SPD von ihrem Ziel des Wertausgleichs leiten. Das bedeutet hier, dass belastete Ortsteile stärker gefördert werden als solche, in denen das soziale Gefüge stabil ist.
Quartierbezogene Maßnahmen haben die Nachbarschaft und den Stadtteil zum Ausgangspunkt, um lokale Kräfte zu mobilisieren und sie in die Problembearbeitung durch eine Vielzahl unterschiedlicher Handlungsformen einzubinden: Bündelung vorhandener Ressourcen, Kontakte in bestimmte Milieus, Projektarbeit, Bildungsveranstaltungen und konkrete Fallarbeit.
Mit unserem Sicherheitskonzept wollen wir auch und insbesondere zur Sicherheit von Frauen beitragen. Frauen brauchen Sicherheit in ihrem Wohnumfeld, im öffentlichen Raum – auch ÖPNV – und ganz dringend bei häuslicher Gewalt. Deshalb ist der Bau oder die Einrichtung von weiteren Frauenhäusern sowie der Ausbau der Fachstellen für sexualisierte Gewalt an Frauen unverzichtbar. Zurzeit ist es schwierig, Frauen Schutzräume zu bieten, weil die vorhandenen Plätze nicht dem Bedarf entsprechen. Der Schutz von Frauen ist ein leitendes Prinzip in unserem Sicherheitskonzept. Deshalb wollen wir dauerhaft zu einer Atmosphäre ohne sexualisierter Gewalt beitragen.
Die Zusammenarbeit von Akteuren des Sozialraums wie Polizei, Jugendhilfe, Zivilgesellschaft und Quartiersmanagement kann integrative Konzepte der Gewaltprävention wesentlich befördern.
Fünf Maßnahmen werden wir hierfür umsetzen:
- Das „Berliner Monitoring Jugendgewaltdelinquenz“ wird zu einem allgemeinen Monitoring von Gewalt in den Berliner Quartieren weiterentwickelt, um eine quartiersspezifische Erfassung, Beschreibung und Analyse von Gewalt- und Kriminalitätsproblemen und ihrer Prävention zu gewährleisten.
- Wir machen eine Vielzahl von Präventionskonzepten und das Erfahrungswissen allgemein zugänglich. Dazu wird auch eine Bestandsaufnahme gehören, die insbesondere die sozial-räumlichen gewaltpräventiven Strategien, Projekten, Maßnahmen der verschiedenen Senatsverwaltungen (z.B. Quartiersmanagement/Soziale Stadt) aufzeigt, um Synergien von sozial-räumlichen Konzepten der Gewalt- und Kriminalitätsprävention zu ermöglichen.
- Präventionsräte oder vergleichbare Arbeitsgremien werden in allen Berliner Bezirken eingerichtet um Konzepte zur Umsetzung sozialräumlicher Gewalt- und Kriminalitätsprävention zu entwickeln und umzusetzen. Unterstützt werden sie durch die Landeskommission Berlin gegen Gewalt. Die Räte sollen vor Ort auf sozialräumlicher Ebene ansetzen und alle Beteiligten zusammenbringen, um Deeskalationsstrategien zu entwickeln. Ziel muss auch sein, dem Eindruck entgegenzuwirken, dass diejenigen in die Röhre schauen, die sich an die Regeln des rücksichtsvollen Miteinanders halten und dass der Staat den öffentlichen Raum sich selbst überließe. Dazu soll im Besonderen auch gehören, die regelmäßige Präsenz dadurch zu sichern, dass sich die öffentlichen Institutionen verbindlich auf ein gemeinsames Vorgehen verabreden. Dabei geht es gar nicht zwangsläufig um eine Präsenz von Sicherheitsbehörden im engeren Sinne. Auch beispielsweise die Mitarbeiter der Grünflächenämter oder der BSR werden als Vertreter*innen des Staates wahrgenommen.
- Die Sauberkeit im Stadtbild trägt wesentlich zur Erhöhung des Sicherheitsgefühls der Bürgerinnen und Bürger bei. Zur Verbesserung der Sauberkeit im öffentlichen Raum wollen wir zum einen die Kontrollen der zuständigen Ordnungsämter in den Bezirken ausweiten und intensivieren, um illegale Müllentsorgung, Schmierereien, Verschmutzungen etc. zu verhindern. Dazu sollen die Ordnungsämter personell besser ausgestattet werden. Zum anderen wollen wir auch das Bewusstsein und das bürgerschaftliche Engagement der Anwohnerinnen und Anwohnern in den Berliner Kiezen vor Ort zur Erhaltung und Förderung eines sauberen und lebenswerten Wohnumfeldes stärken. In Parkanlagen und auf der Straße wollen wir mehr Abfalleimer aufstellen, zerstörte Müllbehälter müssen regelmäßig erneuert werden. Auch die Zahl der Hundekotbeutelspender soll in den Bezirken deutlich erhöht werden. Im gesamten Stadtgebiet sollen mehr öffentliche Toiletten angeboten werden. Dabei ist es uns wichtig, dass die gesamte Infrastruktur an öffentlichen Toiletten in der Stadt den Bürger*innen kostenfrei zur Verfügung gestellt wird. Um die illegale Sperrmüllentsorgung im Stadtgebiet zu bekämpfen, soll zweimal im Jahr eine kostenfreie Sperrmüllabholung durch die BSR für die Bürgerinnen und Bürger in allen Bezirken angeboten werden, vergleichbar mit der Abholung der Tannenbäume im Januar.
- Die ausreichende Ausleuchtung von Straßen, Plätzen und Parkanlagen in der Dunkelheit ist ein weiterer Eckpunkt unseres Sicherheitskonzeptes für Berlin. Die öffentliche Beleuchtung trägt wesentlich zum Sicherheitsgefühl der Bevölkerung bei und beeinflusst die Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum. Wir wollen durch die Aufstellung neuer Laternen im gesamten Stadtgebiet, insbesondere an kriminalitätsbelasteten Orten und in Parkanlagen, die Entstehung von „Angsträumen“ gezielt verhindern bzw. diese zurückdrängen. Zudem muss ein schneller Austausch von defekten Leuchtmitteln innerhalb von 24 Stunden stadtweit gewährleistet werden.
6. Demokratische Kultur schafft Sicherheit
Unser Grundsatz, „mehr Demokratie wagen“ und Demokratie auch zu leben, bleibt unser Leitbild. Daran vermögen auch kein Hass und kein Fanatismus etwas zu ändern. Unsere zahlreichen Ansätze und Maßnahmen zur politischen Teilhabe von verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen bei Stadtentwicklungsprojekten durch Quartiers- und Mieterräte sind Teil einer lebendigen demokratischen Kultur. Vorschläge und Entscheidungen der Kiezbeiräte müssen in der öffentlichen Verwaltung stärker berücksichtigt werden. Wir brauchen diese Formen der Beteiligung; genauso wie die zivilgesellschaftlichen Initiativen für die Weiterentwicklung des städtischen Gemeinwesens, die Lösung der aktuellen Herausforderungen der Stadt und den Ausgleich der unterschiedlichen Interessen der verschiedenen Lebensstilgruppen der Stadt.
Zentral für eine demokratische Kultur ist der Abbau von Diskriminierung: Zur Stärke des Rechts gehören Schutz und Wahrung der Rechtsstaatlichkeit, der Grundrechte und der Verhältnismäßigkeit. Absolute Sicherheit gibt es nicht um den Preis der Freiheit. Wir lassen uns unsere Freiheit nicht nehmen und verteidigen sie mit rechtstaatlichen Mitteln. Daher werden wir bei allen geeigneten präventiven und repressiven Maßnahmen abwägen, ob sie im Einzelfall erforderlich und in Bezug auf den angestrebten Zweck angemessen sind. Das gilt besonders für das Persönlichkeitsrecht, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sowie für das Recht auf Privatheit. Wir wenden uns gegen jeden gruppenbezogenen Generalverdacht. Racial Profiling lehnen wir ab.
Unsere Demokratie braucht eine Kultur des gleichen Respekts für alle Menschen. Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit werden wir niemals dulden, denn sie setzt auf Verunsicherung der Betroffenen und auf Ausgrenzung durch Diskriminierung und Herabwürdigung. Wir lehnen jegliche Form von Gewalt ab. Der unübersehbar zunehmende Rechtsextremismus – wie ihn auch der NSU Terror gezeigt hat – muss unnachgiebig entgegengetreten und bekämpft werden. Wir verbessern den Schutz vor Diskriminierung durch ein eigenes Landesantidiskriminierungsgesetz und die Konkretisierung des Partizipations- und Integrationsgesetzes. Wir stärken die Zivilgesellschaft, in dem wir das Landesprogramm „Demokratie. Vielfalt. Respekt – gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus“ deutlich ausbauen. Wir stellen uns vor die Engagierten für unsere Demokratie und die unteilbaren Menschenrechte – gegen rechtspopulistische Einschüchterungsversuche und pauschale Diffamierungen von Demokrat*innen.
Mit dem Berliner Landesprogramms Radikalisierungsprävention reagieren wir auf die spezifischen Gefahren islamistischer bzw. salafistischer Radikalisierung junger Menschen. Wichtige Ziele sind neben der Aufklärung über propagandistische Vorgehensweisen und Rekrutierungsmethoden radikaler Gruppierungen, die geschlechterspezifische Aufklärung über die Folgen von Radikalisierung und der Ausreise in Krisengebiete und Umkehr von Radikalisierungsprozessen und Deradikalisierung in sicherheitsrelevanter Einzelfällen. Soweit dies rechtlich möglich ist, sollten ausländische Gefährder – nach einem rechtsstaatlichen Verfahren – in ihre Heimatländer abgeschoben werden. Erfolgreiche Ansätze und Projekte wollen wir verstetigen. Auch Im Justizvollzug müssen verstärkt Deradikalisierungsprogramme initiiert und verstärkt werden. Auch in diesem Feld spielt die soziale und persönliche Sicherheit der von Radikalisierung betroffenen meist jungen Menschen eine gewichtige Rolle. Denn wir wissen, dass orientierungslose und abgehängte junge Menschen besonders zugänglich für radikale Einstellungen sind. Unser Ziel ist es, die Grundlagen für die Rekrutierung und Radikalisierung abzubauen.
7. Kinder, Jugendliche und ihre Familien – Sicher in die Zukunft
Kinder, Jugendliche und ihre Familien brauchen sichere Lebensbedingungen, die selbstbestimmte Lebensentscheidungen und gelingende Alltagsbewältigung ermöglichen. Kinder und Jugendliche sind auch Opfer von Jugendgewalt und von gewaltausübenden Eltern. Sie haben einen Anspruch auf Schutz und Hilfe. Eigene Gewalterfahrungen und Armut sind Risikofaktoren für späteres Gewaltverhalten.
Bildung bleibt weiterhin, und ganz besonders in einer zunehmend digitalisierten Welt, der Schlüssel zur sozialen Sicherheit. Die Abhängigkeit des Bildungserfolgs und von der sozialen Herkunft muss durchbrochen werden. Eine Voraussetzung ist geschaffen: die Gebührenfreiheit unserer staatlichen Bildungseinrichtungen von Kita bis zur Hochschule. Wir investieren bereits jetzt in Schulsanierungen, Ganztag, Inklusion und Digitalisierung der öffentlichen Schulen. Unsere Schulbauoffensive mit einer überdurchschnittlichen Inklusions- und Ganztagsquote ist bundesweit einzigartig. Digitalisierung, interkulturelle Öffnung, Inklusion und eine gute, praxisorientierte Berufs- und Studienorientierung sind fester Bestandteil der Schulkonzepte. Schulen mit besonderen Herausforderungen erhalten mehr Mittel.
In Berlin besteht ein messbarer Zusammenhang zwischen der sozialen Lage in den Kiezen und ihrer Belastung mit Jugendgewalt. Zusätzlich zu sozialen Benachteiligungen unterliegen armutsbetroffene Kinder und Jugendliche damit auch einem erhöhten Risiko, Gewalt und Kriminalität ausgesetzt zu sein. Die Vermeidung von Armut muss bei den Kindern beginnen. Deshalb bringt der Senat ein Programm zur Reduzierung der Kinderarmut auf den Weg, das gezielte Maßnahmen in allen Politikbereichen umfassen. Von der „Frühen Hilfe“ rund um die Geburt, den Stadtteilmüttern, einem flächendeckendem Kita-Angebot, verlässlichen Ganztagsschulen, Schulsozialarbeit, freier Jugendarbeit bis zu Jugendberufsagenturen und Familienbildung. Wir unterstützen dabei insbesondere Alleinerziehende und auf dem Arbeitsmarkt benachteiligte Eltern mit leistungsfähigen Anlaufstellen. Auf der Bundesebene setzen wir uns für eine allgemeine Kindergrundsicherung ein. Das Kindergeld darf nicht mehr auf Sozialleistungen angerechnet werden.
Besonders bewährt hat sich die interdisziplinäre Abstimmung der Arbeit am Thema Kinder- und Jugenddelinquenz in Berlin durch die Landeskommission Berlin gegen Gewalt, die ressortübergreifende Arbeitsgruppe Kinder- und Jugenddelinquenz (RüAG) und die Arbeitsstelle Jugendgewaltprävention. Eine Herausforderung bleiben Mehrfach- und Intensivtätern und -täterinnen. Wir wollen hier den Ansatz der täterorientierten Ermittlungsarbeit (TOE), der „Staatsanwaltschaft für den Ort“ und der beschleunigten Strafverfahren bei Jugendlichen und Heranwachsenden stärken und auf die gesamte Stadt ausdehnen. Ziel ist es, möglichst frühzeitig im Lebenslauf der mehrfach aufgefallenen jungen Tatverdächtigen eine konsequente und verdichtete polizeiliche und im weiteren Verlauf ggf. staatsanwaltschaftliche Reaktion zu ermöglichen.
Wir wollen das neue Berliner Programm gegen Gewalt an Schulen durch finanzielle Unterlegung stärken, um Gewaltprävention, Demokratiepädagogik und Beteiligung von Schülerinnen und Schülern und Eltern als integrale Bestandteile der Schulentwicklung zu stärken und die Implementierung entsprechender Vorgaben des Rahmenlehrplans gezielt zu unterstützen.
8. Landesweite Strategie gegen Kriminalität und Gewalt
Organisierte Kriminalität, terroristische Bedrohung und Intensivtäterinnen und -tätern sind die Herausforderungen, die eine schnelle und effektive Strafverfolgung und Gefahrenabwehr in der Stadt erfordern. Wir werden eine landesweit abgestimmte Strategie gegen Kriminalität, Bedrohung durch Gewalt und durch negative Entwicklungen in bestimmten Brennpunktgebieten der Stadt entwickeln. Die Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung in öffentlichen Verkehrsmitteln, im Straßenverkehr und in öffentlichen Grünanlagen hat für uns eine hohe Priorität. Eine stärkere ressortübergreifende Zusammenarbeit der Ordnungsbehörden werden wir unter der Berücksichtigung von Datenschutzstandards sowie persönliche Freiheitsrechten ermöglichen.
Wir unterstützen ein schnelleres und konsequenteres Ahnden von Straftaten. Wir stärken die Berliner Justiz und den Justizvollzug, indem wir sie besser mit Personal ausstatten und eine schnellere Bearbeitung von Strafverfahren ermöglichen. Wo möglich und zweckmäßig, werden wir besondere Abteilungen der Staatsanwaltschaft und spezialisierte Organisationseinheiten der Polizei aufstellen, um organisierter, politischer, religiöser und terroristischer Gewalt und Kriminalität wirksam entgegenzutreten. Die Möglichkeiten der besseren Beweissicherung werden wir ausschöpfen. Dazu gehört auch die Einführung der Videoüberwachung an ausgewählten kriminalitätsbelasteten Orten. Diese kann bei der Ermittlung von Täterinnen und Tätern hilfreich sein, jedoch darf sie nur anlassbezogen und temporär eingesetzt werden. Eine flächendeckende und anlasslose Videoüberwachung ist nicht zielführend und steht nicht mit einer grundrechtsfreundlichen Sicherheitspolitik im Einklang. Eine Einführung automatisierter Gesichtserkennungs- und Trackingsoftware, wie vom Bundesinnenministerium am Bahnhof Südkreuz getestet, lehnen wir ab. Die Wirkung von Videoüberwachung an den ausgewählten Orten wird evaluiert und daraus entsprechende Schlussfolgerungen gezogen.
Terrorismus, Katastrophen und Straftaten vorzubeugen sind vordringliche Aufgaben der Sicherheitspolitik. Wir verstärken die Vorsorge durch bessere Infrastruktur sowie Material- und Personalausstattung, schnelleren Datenaustausch und gezieltes Einsatztraining der Sicherheitskräfte. Wir sorgen für optimale Vernetzung und Handlungsfähigkeit aller Sicherheitsbehörden im Katastrophenfall. Dazu gehören für uns auch ein umfassender Opferschutz sowie die Wahrung von Persönlichkeitsrechten von Unbeteiligten. Wir werden nicht zulassen, dass die Gefahr durch Terrorismus die Freiheitsrechte kollektiv beschneidet.
Gemeinsam mit dem Bund und anderen Ländern schaffen wir die Voraussetzungen für konsequentes und gezieltes Vorgehen gegen Terrorismus, ohne ganze Personengruppen unter Generalverdacht zu stellen. Als Konsequenz aus den Erfahrungen der letzten Jahre werden wir in Berlin die verschiedenen operativen Einsatzkräfte und das für islamistischen Terrorismus zuständige Staatschutzdezernat gemeinsam an einem Standort unterbringen, um die Kommunikation und Abstimmung zwischen den einzelnen Akteuren in der Terrorismus-Abwehr zu verbessern.
9. „Urbane Sicherheit“ – Weil Sicherheit mehr ist als Abwesenheit von Gewalt!
Das Verständnis von Sicherheit muss um den Faktor sozialer Bedingungen erweitert werden. Die Schnittmenge der Handlungsfelder der Sozial-, Jugend-, Arbeitsmarkt-, Wohnungs-, Gesundheits-, Infrastruktur- und Bildungspolitik ergibt einen ganzheitlichen Ansatz stadtgesellschaftlicher Sicherheitskonzeption, die wir als Urbane Sicherheit bezeichnen und der wir uns verpflichten werden.
Die Berliner SPD steht für die Urbane Sicherheit, die persönliche Sicherheit vor Gewalt und Kriminalität und Soziale Sicherheit verbindet. Wir wollen Urbane Sicherheit für aller Berlinerinnen und Berliner in ihrer Verschiedenheit und unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Einkommen, Alter, Gesundheit, kulturellem Hintergrund, religiöser oder sexueller Orientierung gewährleisten, um allen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Die SPD wendet sich konsequent gegen alle Versuche, für die Herausforderungen und Belastungen aus sozialem Wandel, Globalisierung und Veränderung der Arbeitswelt einseitig bestimmte soziale Gruppen verantwortlich zu machen. In einer dynamischen Stadtgesellschaft mit Wachstum, Vielfalt und sozialer Polarisierung ist Urbane Sicherheit eine unserer zentralen Herausforderungen, der wir uns stellen werden. Nur eine Stadt, die soziale und persönliche Sicherheit miteinander in Einklang bringt, die die dazu notwendigen öffentlichen Güter allen Bürgerinnen und Bürgern verlässlich zur Verfügung stellt und damit verstärkenden Spaltungs- und Verunsicherungstendenzen entgegenwirkt, ist eine solidarische Stadtgesellschaft.