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Antrag 02/II/2022 Wir bringen Berlin gut und solidarisch durch die Krise

9.11.2022

1. Berlin packt das

Viele Berlinerinnen und Berliner sind in Sorge, die stark gestiegenen Lebenshaltungskosten in diesem Winter nicht mehr zahlen zu können. Vor allem die Preise für Energie und Lebensmittel haben sich massiv verteuert. Wir werden alles dafür tun, um Berlin gut durch diese Zeit zu bringen – niemand wird allein gelassen, wir bleiben beieinander!

 

Der Auslöser für die Preiskrise ist Russlands Krieg gegen die Ukraine und damit verbundene Spekulationen auf verschiedenen Märkten. Wir verurteilen den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Unsere uneingeschränkte Solidarität gilt der souveränen Ukraine und den Menschen in und aus der Ukraine. Dieser gravierende Bruch mit der internationalen Friedensordnung ist durch Nichts zu rechtfertigen. Die globalen Auswirkungen insbesondere im globalen Süden sehen wir mit größter Sorge und werden daher bei der Bewältigung der Krise immer auch diese Perspektive mitdenken und fordern dies national und europäisch ein.

 

Die hohen Preise für Energie, Lebensmittel und viele weitere Waren des täglichen Bedarfs treffen vor allem Haushalte mit geringem und mittlerem Einkommen hart. Besonders betroffen sind Alleinerziehende, Auszubildende und Studierende, Empfänger*innen von Sozialleistungen, obdachlose Menschen, Rentner*innen, Frauen mit geringem Einkommen, Familien mit Kindern und Menschen mit Behinderungen und chronischer Erkrankungen. Hinzu kommt, dass viele noch immer unter den Folgen der Corona-Pandemie leiden. Zu den Folgen der Pandemie zählt, dass deutlich mehr Mütter als Väter ihre wöchentliche Arbeitszeit reduziert haben, um die häusliche Care-Arbeit zu übernehmen und Betreuungsengpässe durch Kita- und Schulschließungen aufzufangen. Wir widersetzen uns der Re-Traditionalisierung der Geschlechterrollen. Wir setzen uns energisch für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und flexiblere Arbeitszeitmodelle ein.

 

Die Angst vor Verarmung reicht bis weit in die Mittelschicht. Armut ist ein schleichender, zermürbender Prozess. Armut führt zu Einsamkeit, zu Momenten der Verlegenheit. Armut grenzt aus, Armut macht krank. Im Bund und im Land sind Maßnahmen notwendig, die Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen erreichen und ihnen soziale und ökonomische Sicherheit geben.

 

Menschen mit geringem Einkommen haben oft keine Rücklagen und auch kein weiteres Einsparpotenzial in ihrem Budget. Und die individuellen Energiesparmöglichkeiten von Mieter*innen sind begrenzt. Sie sind aber von steigenden Energiepreisen überproportional betroffen.

 

Die hohe einseitige Abhängigkeit Deutschlands von Energielieferungen aus Russland hat sich als strategischer Fehler der vergangenen Jahrzehnte herausgestellt und führt dazu, dass wir die Folgen heute zu spüren bekommen: Russland setzt seine Energielieferungen als Druckmittel ein. Die Preise steigen unter anderem infolge des durch Russland verknappten Angebots und unsere Versorgungssicherheit ist gefährdet. Wir müssen uns aus der Abhängigkeit von russischem Erdgas schnellstmöglich befreien und unsere Energieversorgung noch zügiger klima- und sozialgerecht umbauen.

 

Die hohen Energiepreise wirken sich auch negativ auf einen Großteil unserer Wirtschaft aus, die zusätzlich noch immer unter den Folgen der Corona-Pandemie leidet. Einige Branchen sind besonders betroffen, wie zum Beispiel das Baugewerbe, der lokale Einzelhandel, Bäckereien, Wäschereien, Fleischereien oder die fertigende Industrie. Zur Wahrheit gehört aber auch: Manche Unternehmen machen krisenbedingt überhöhte Gewinne, profitieren von den gestiegenen Preisen oder nutzen die Krise für Preiserhöhungen aus.

 

In dieser Lage gilt es, solidarisch zusammenzustehen! Gemeinsam schaffen wir es in Berlin, diese Krise zu bewältigen. Wir lassen niemanden im Stich. Bereits im Sommer haben wir weitere Entlastungen gefordert und dabei deutlich gemacht, dass das Land Berlin bereit ist, seinen Anteil zu leisten. Und wir haben uns konkret für eine Anschlusslösung für das Neun-Euro-Ticket stark gemacht. Beides hat ganz wesentlich dazu beigetragen, dass nach dem Sommer auf Bundesebene weitere Entlastungen diskutiert und beschlossen wurden.

 

Wir sorgen weiterhin dafür, dass alle, die Hilfe benötigen, die notwendige Unterstützung erhalten und soziale Härten abgefedert werden – im Bund, hier im Land Berlin und vor Ort in den Bezirken. Das Leben muss leistbar bleiben und die gesellschaftliche Teilhabe aller ermöglicht werden. Wir unterstützen unsere Unternehmen und Betriebe, um die Arbeitsplätze zu erhalten. Berlin packt das!

 

2. Wir wollen, dass alle gut und dauerhaft durch die Krise kommen

Wir wollen in dieser Zeit all diejenigen Menschen erreichen, die jetzt Unterstützung brauchen – niemand darf vergessen werden. Die gestiegenen Preise werden auf absehbare Zeit hoch bleiben. Die Menschen müssen also dauerhaft mehr Geld im Portemonnaie haben, um die dauerhaft höheren Kosten tragen zu können. Die Erhöhung des bundesweiten gesetzlichen Mindestlohns auf 12 Euro ist ein wichtiger Schritt – bei weiterhin schnell steigenden Preisen müssen aber weitere Erhöhungen folgen. Den Berliner Landesmindestlohn haben wir in diesem Jahr bereits auf 13 Euro erhöht. Die Erhöhung des Vergabemindeststundenentgelts auf 13 Euro wird folgen. Daher unterstützen wir die Forderungen der Gewerkschaften nach substanziellen Lohnerhöhungen über das Inflationsniveau, um dem Reallohnverlust entgegen zu treten und stehen solidarisch mit den Beschäftigten im Arbeitskampf. Lohnerhöhungen sind gerade in den unteren und mittleren Einkommensgruppen dringend erforderlich.  Auch die neue EU-Richtlinie für angemessene Mindestlöhne unterstützt diesen Aufwärtstrend. Sozialleistungen und Transferzahlungen müssen schnellstmöglich an die gestiegenen Preise angepasst, Armut bekämpft und Verarmung verhindert werden. Diejenigen, die sowieso schon über besonders wenig Geld verfügen, müssen deshalb weiter gezielt entlastet werden. Der Staat profitiert von den steigenden Preisen durch höhere Steuereinnahmen – finanzielle Mittel müssen für weitere Entlastungen verwendet werden.

 

Obdachlose Menschen sind oft diejenigen, die Krisen am härtesten treffen. Sie profitieren weniger als andere Menschen von den vielen Entlastungsmaßnahmen der Bundesregierung oder des Berliner Senats. Gleichzeitig spüren sie die Folgen stärker: Weniger Spenden und teurere Lebensmittelpreise.

 

Mit dem Netzwerk der Wärme schaffen wir zusätzliche Anlauforte für diesen Winter.

 

In Berlin haben wir als SPD bereits seit längeren Entlastungen für Familien mit kleinen und mittleren Einkommen durchgesetzt, zum Beispiel mit dem kostenlosen Schülerticket, gebührenfreien Kitas, gebührenfreiem Schulhort, kostenlosem Mittagessen oder der Lernmittelfreiheit. Diese soziale Politik werden wir fortsetzen, damit das Leben in Berlin bezahlbar bleibt. Wir setzen uns langfristig dafür ein, die Hortgebührenfreiheit auf alle Grundschulklassen auszuweiten und Lernmittelfreiheit und kostenbeteiligungsfreies Mittagessen auch für die Sekundarstufen verfügbar machen. Das kostenlose Schüler*innenticket für den ÖPNV soll auch für Schüler*innen des zweiten Bildungsweges gelten.

 

Wir setzen uns aktiv auch für die Entlastung der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen ein. Erheblich belastet sind auch Menschen mit Beeinträchtigungen und chronisch Erkrankte. Diese sind nicht in der Lage, selbst Energieeinsparungen vorzunehmen oder Rücklagen für diese Zusatzkosten einzubringen, da sie schon jetzt durch erhebliche Zuzahlungen zu den Kosten ihrer Pflege belastet sind.

 

Auch viele Unternehmen sind jetzt auf Unterstützung angewiesen. Ihre Versorgung mit Energie und Rohstoffen muss gesichert bleiben. Wir müssen verhindern, dass Arbeitsplätze verloren gehen und Investitionen ausbleiben. Deshalb braucht es zielgenaue Stabilisierungsprogramme für Betriebe in Form von schnell verfügbaren Darlehen und Zuschüssen des Bundes, die durch Maßnahmen des Landes ergänzt werden. Weiterhin müssen krisenerprobte arbeitsmarktpolitische Instrumente wie zum Beispiel das Kurzarbeitergeld verlängert werden.

 

Diese Krise können wir nur solidarisch und nur gemeinsam bewältigen. Das heißt auch: Die Belastungen von Bund, Ländern, Unternehmen und der Bevölkerung müssen gerecht auf viele Schultern verteilt werden. Und starke Schultern müssen mehr tragen. Deshalb müssen Übergewinne abgeschöpft werden und deshalb werden wir uns im Bund weiterhin für die Erhebung einer verfassungskonformen Vermögenssteuer sowie einer einmaligen Vermögensabgabe auf besonders hohe Privatvermögen, eine Erhöhung der Erbschaftssteuer sowie die Einführung einer Finanztransaktionssteuer und der von der OECD vorgeschlagenen globalen Mindeststeuer für Großunternehmen einsetzen. Die Idee eines Energie-Solis soll geprüft werden.

 

Die angespannte Lage bei unserer Energieversorgung und unsere Abhängigkeit von Russland machen deutlich: Wir müssen Energie einsparen, energieeffizienter werden und unsere Energieversorgung noch viel schneller klimagerecht umbauen. Damit erhöhen wir auch unsere Versorgungssicherheit. Beim notwendigen massiven Ausbau der erneuerbaren Energien müssen auch die unionsregierten Bundesländer endlich ihrer aktuellen Verantwortung nachkommen und den Ausbau schneller vorantreiben.

 

Für uns ist klar: In der Krise spart man nicht! Im Zuge der Krise fordern wir eine weitere Aussetzung der Schuldenbremse im Jahr 2023 und bekräftigen unsere Beschlusslage, sie abzuschaffen. Im Land Berlin werden wir bei unserer Haushaltspolitik weiterhin einen Schwerpunkt auf Investitionen in die Zukunft Berlins setzen. Entlastungen dürfen nicht gegen Investitionen ausgespielt werden. Wir investieren in Berlin in bezahlbaren Wohnraum, in Bildung, in eine moderne Infrastruktur, in klimagerechte Mobilität und in Energieeffizienzmaßnahmen. Wir werden den Neustart der Berliner Wirtschaft für gute Arbeitsplätze weiter vorantreiben.

 

3. „You’ll never walk alone“ – Niemand wird allein gelassen!

Die sozialdemokratisch geführte Bundesregierung mit Bundeskanzler Olaf Scholz hat auf die Krise mit inzwischen drei Entlastungspaketen schnell und entschlossen reagiert. Viele Maßnahmen waren und sind eine echte Unterstützung für die Bürger*innen und die Unternehmen.

 

Mit den Einmalzahlungen wie der Energiepreispauschale oder dem Heizkostenzuschuss wurde schnell geholfen. Auf berechtigte Kritik, wie beispielsweise darauf, dass Rentner*innen bei der einmaligen Energiepreispauschale ausgenommen waren, wurde mit dem dritten Entlastungspaket reagiert. Mit Entlastungen bei der Einkommenssteuer, Abgaben-Entlastungen für niedrige Einkommen, der Kindergelderhöhung, der vereinbarten Ausweitung des Wohngelds oder dem Bürgergeld werden viele Menschen dauerhaft mehr Geld zur Verfügung haben. Wir werden uns im Bundesrat und über unsere Berliner Vertreter*innen in der Regierungskoalition dafür einsetzen, dass die Entlastungen nicht durch neue Belastungen aufgehoben werden.

 

Die Bundesregierung hat mit der Mehrwertsteuersenkung auf Gas schnell eine preiswirksame Maßnahme ergriffen, um Gaspreissteigerungen abzufedern – diese Steuersenkung muss nun vollständig an die Verbraucher*innen weitergegeben werden.

 

Auch im Land Berlin hat die SPD-geführte Koalition schnell auf die Kriegsfolgen und die Preiskrise reagiert. Bei der Aufstellung des Doppelhaushalts haben wir bereits mit der Energiekostenrücklage in einem Krisenfonds mit insgesamt 380 Mio. Euro für steigende Energiekosten vorgesorgt.

 

Berlin leistet humanitäre Hilfe für die Ukraine. Seit Beginn des Krieges sind über 330.000 geflüchtete Menschen aus der Ukraine in Berlin erstversorgt worden. Viele von ihnen leben seitdem in unserer Stadt. Auch und insbesondere in Krisenzeiten muss Berlin für sie und andere geflüchtete Menschen ein sicherer Zufluchtsort bleiben.

 

In Berlin unterstützen wir gezielt und ergänzen die auf Bundesebene vereinbarten Maßnahmen mit dem Berliner Entlastungspaket. Wir fordern den Senat auf, schnellstmöglich einen Nachtragshaushalt in Höhe von bis zu 1,5 Milliarden Euro für die Bewältigung der Krise vorzulegen, um als Land Berlin handlungsfähig zu bleiben. Das Land Berlin wird sich im Bundesrat dafür einsetzen, dass die in Bund und Ländern angestrebten Kosten der Entlastung gerecht verteilt werden.

 

Mit dem 29-Euro-Ticket als Überbrückungsangebot zum bundesweiten Anschlussticket für das 9-Euro-Ticket entlasten wir die Berliner*innen ganz konkret von Oktober bis Dezember und ermöglichen in ganz Berlin eine kostengünstige und klimafreundliche Mobilität. Wir setzen uns für die Fortsetzung des Berliner 29-Euro-Tickets über den März 2023 hinaus ein. Ein Härtefallfonds soll bei akuten Fällen von Energieschulden helfen. Wir wollen insbesondere private Haushalte mit niedrigem und mittlerem Einkommen entlasten, um die gestiegenen Energiekosten abzufedern. Dies soll mit einem Energiekostenzuschuss oder einem Stromrabatt ermöglicht werden. Jede*r soll durch den Winter kommen, ohne hungrig im Dunklen oder Kalten zu sitzen. Niemand soll in Berlin Angst haben müssen, sich die Wohnung, Strom und Gas oder den Lebensunterhalt nicht mehr leisten zu können. Wir begrüßen, dass der Berliner Senat ein Kündigungsmoratorium bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften umgesetzt hat, und fordern den Senat auf, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass ein generelles Kündigungsmoratorium für Mieter*innen erreicht wird.

 

Der SPD-geführte Senat setzt sich dafür ein, den Unternehmen in Berlin in der Krise zu helfen, um so die Arbeitsplätze und die Wirtschaftskraft zu erhalten. Genauso wichtig ist für uns, die soziale Infrastruktur, soziale Einrichtungen und Träger zu unterstützen, damit sie ihre Angebote aufrechterhalten können: Keine soziale Einrichtung darf aufgrund der Energiepreise geschlossen werden. Nicht zuletzt geht es in der Berliner Landespolitik und in den Bezirken auch darum, dass die beschlossenen Maßnahmen zügig umgesetzt werden und die Unterstützung bei den Menschen ankommt.

 

Auch Bildungseinrichtungen müssen vor steigenden Energiepreisen geschützt werden. Die Hochschulen müssen als Raum für Studierende offen bleiben. Wir dürfen nicht zulassen, dass eine weitere Krise auf dem Rücken von Studierenden ausgetragen wird. Auch dafür wollen wir mit unserem Berliner Entlastungspaket Sorge tragen.

 

4. Wir führen Berlin durch die Krise und unterstützen gezielt

a)      Energieversorgung, Energiepreise und Energieeinsparungen

Schon lange ist uns klar: Um die weltweite Klimaerwärmung zu bremsen, müssen wir aus der fossilen Energienutzung aussteigen. Die Lehre aus der aktuellen Energiekrise ist, dass wir unsere Energieversorgung schnellstmöglich und grundlegend umbauen und unseren Verbrauch an fossiler Energie reduzieren müssen, um eine Energiemangellage zu vermeiden. Wir müssen insgesamt weniger verbrauchen. Das spart Geld, das schont die Ressourcen und das schützt das Klima.

 

Mit dem Energiespar-Paket des Landes Berlin hat der Senat zehn konkrete Maßnahmen beschlossen, um im öffentlichen Sektor mindestens zehn Prozent an Energie einzusparen und diese Einsparungen auch über März 2023 hinaus grundsätzlich zu verstetigen. Damit nimmt Berlin in Deutschland eine Vorreiterrolle ein. Wir empfehlen Berliner Unternehmen, Einrichtungen und Privathaushalten diesem Beispiel so weit wie möglich zu folgen. Mit der Charta „Wirtschaft spart Energie“ hat sich die Berliner Wirtschaft bereits selbst dazu verpflichtet, mindestens 10 Prozent Energie einzusparen. Auch in Privathaushalten kann oft noch mit einfachen Maßnahmen viel Energie eingespart werden. Hilfe beim Energieeinsparen gibt es u.a. bei der Energieberatung der Verbraucherzentrale Berlin.

 

Uns ist aber auch bewusst, dass viele Haushalte mit niedrigem Einkommen bereits vor der aktuellen Krise alle Einsparpotenziale genutzt haben – diese Haushalte haben nun keine Spielräume mehr für weitere Einsparungen und benötigen deshalb Hilfe und Unterstützung. Der Berliner Härtefallfonds soll bei akuten Fällen schnell und unbürokratisch helfen, damit in diesem Winter niemandem der Strom oder die Heizung abgestellt wird.

 

Auf den Energiemärkten müssen Mitnahmeeffekte verhindert werden. Auf dem Strommarkt muss auf EU-Ebene durch eine Änderung des Strommarktdesigns das Merit-Order-Prinzip überarbeitet werden, damit von den Preissteigerungen wenig betroffene Produzenten ihren Strom nicht zu überhöhten Preisen verkaufen können. Die im September von der EU-Kommission vorgeschlagenen Notfallmaßnahmen zur Deckelung der Strompreise und zur Umverteilung der Gewinnüberschüsse gehen in die richtige Richtung.

 

Die Strompreisbremse und die Gaspreisbremse für den Basisverbrauch, die auf Bundesebene vorgesehen sind, müssen in dieser Heizperiode (2022/23) bei den Bürger*innen ankommen. Um dies zu finanzieren, muss die Schuldenbremse ausgesetzt werden. Wir fordern vom Bund ergänzend zu den bisher beschlossenen Maßnahmen die Einführung eines Energiepreisdeckels auf den Grundverbrauch für die Fernwärme.

 

Wir bauen unsere Energieversorgung klimagerecht um. Berlin muss deutlich konsequenter die Erzeugung von erneuerbaren Energien vorantreiben. Mit dem Berliner Solargesetz und dem Berliner Klimaschutz- und Energiewendegesetz wurde für die Nutzung der Solarenergie der richtige Weg eingeschlagen. Dies muss genauso konsequent und kurzfristig für den Ausbau der Windenergie, der Geothermie und dem Einsatz von Abwärme gelten. Hier hat die Stadt einen sehr hohen Nachholbedarf. Es ist kurzfristig zu prüfen, ob aus dem Berliner Hausmüll (inkl. Geschäftsmüll) hergestellte Ersatzbrennstoffe für die Erzeugung der Berliner Fernwärme (in Kraft-Wärme-Kopplung) sinnvoll genutzt werden können. Darüber hinaus hat der Berliner Senat die von der Berliner SPD erarbeitete Wasserstoff-Strategie voranzubringen, damit sie baldmöglichst mit Brandenburg gemeinsam, in Umsetzung kommt.

 

Die Fernwärme ist ein wichtiger Baustein bei der notwendigen Wärmewende. Wir streben – wie im Koalitionsvertrag vereinbart – Schritte zur Rekommunalisierung des Fernwärmenetzes mit dem Ziel einer beschleunigten Dekarbonisierung der Fernwärme an und begrüßen, dass der Senat eine Übernahme des Berliner Fernwärmenetzes prüft.

 

Wir wollen den öffentlichen Einfluss auf die Berliner Energieversorgung bestimmend ausweiten. Energieversorgung ist öffentliche Daseinsvorsorge und darf nicht allein von Profitinteresse gesteuert sein. Dem entspricht der Vorschlag der Berliner SPD-Fraktion, über eine Unternehmensbeteiligung des Landes Berlin eine Mehrheit bei der Fernwärmeversorgung und an der GASAG zu erwerben, der von uns vollumfänglich unterstützt wird.

 

Die SPD hat sich im Bund maßgeblich dafür eingesetzt, das Mieterstrommodell zu entbürokratisieren und attraktiver zu machen. Bürger*innengenossenschaften zur Erzeugung regenerativer Energie sind verstärkt zu fördern. Wir fordern den Berliner Senat dazu auf, sich auf Bundesebene für weitere Verbesserungen und Vereinfachungen dezentraler Erneuerbarer Energieerzeugung und -versorgung einzusetzen. Wir fordern die Bundesregierung auf, sofort die im Koalitionsvertrag vereinbarte Biogasstrategie umzusetzen, denn Biogas bietet eine große Chance, russisches Gas und auch andere fossile Gasimporte zu ersetzen. Die Biomassenutzung der BSR kann dafür Vorbild sein.

 

Gebäude verursachen 44 Prozent der CO2 -Emissionen, mit Sanierungen lässt sich der Wärmeverbrauch und damit Heizkosten senken. Wir setzen in Berlin einen deutlichen Schwerpunkt bei der sozialverträglichen energetischen Sanierung insbesondere der energetisch schlechtesten Bestandswohngebäude, die die höchsten Heizkosten verursachen und die die größten CO2-Einsparpotenziale versprechen und werden die Investitionen fortführen. Berlin wird unter unserer Führung schnell Pilotprojekte zur seriellen Sanierung anstoßen. Wir setzen uns dafür ein, dass mit der Wohnungswirtschaft und den Mietervereinen ein Berliner Gebäudesanierungsprogramm ins Leben gerufen wird, welches auch die Barrierefreiheit stärkt.

 

b)      Entlastungen und Unterstützung

Die gestiegenen Preise machen weiterhin Entlastungen und Unterstützung nötig. Wenn die hohen Preise weiterhin viele Menschen mit niedrigem und mittlerem Einkommen überfordern, müssen kurzfristig weitere gestaffelte Einmalzahlungen an besonders betroffene Personengruppen gezahlt werden.

 

In Berlin werden wir den Entlastungsbetrag in Höhe von 300 Euro auch für die Pensionär*innen des Landes und der Körperschaften öffentlichen Rechts zahlen, um sie den Rentner*innen gleichzustellen.

 

Das Neun-Euro-Ticket war ein großer Erfolg. Damit wurde für eine kurzfristige finanzielle Entlastung gesorgt. Die Zeit von Oktober bis Dezember 2022 überbrücken wir in Berlin mit dem von der SPD durchgesetzten 29-Euro-Monatsabo für die Tarifzonen Berlin AB als rollierendes Abonnement und sorgen so für eine kostengünstige und klimafreundliche Mobilität. Wir begrüßen die Verständigung auf ein einheitliches, bundesweit gültiges 49-Euro-Ticket. Es ermöglicht mehr Menschen Mobilität und bringt für viele eine deutliche Entlastung. Wir möchten zusätzlich das Berliner 29-Euro-Abo auch nach März 2023 fortführen, damit die Nutzung von Bus und Bahn in Berlin nicht mehr als einen Euro pro Tag kostet. Auch die Preisreduzierung des Sozialtickets auf 9 Euro pro Monat möchten wir über den März 2023 hinaus verlängern. Wir fordern den Senat auf, eine Lösung für günstige Mobilität für Azubis, Studierende und Senior*innen zu finden, zu finden, soweit diese nicht Anspruch auf das Sozialticket haben könnten.

 

Die hohen Lebensmittelpreise bedeuten insbesondere für Menschen mit geringem Einkommen, dass sie Schwierigkeiten haben, sich gesund zu ernähren und ihren täglichen Bedarf zu decken. Eine gesunde Ernährung muss für alle erschwinglich und zugänglich sein. Wir fordern eine zumindest befristete Absenkung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel. Die vergangene temporäre Mehrwertsteuersenkung wurde zum größten Teil an die Verbraucher*innen weitergegeben. Damit würden vor allem ärmere Haushalte entlastet, da sie einen höheren Anteil ihres Einkommens für Lebensmittel ausgeben. Außerdem fordern wir eine steuerrechtliche Änderung, damit der Lebensmitteleinzelhandel gespendete Lebensmittel nicht mehr versteuern muss. Damit würde ein Anreiz gesetzt, mehr Lebensmittel zum Beispiel an die Tafeln zu spenden, anstatt sie wegzuwerfen. Wir fordern die Bundesregierung auf, eine Verpflichtung des Handels zu prüfen, Lebensmittel, die nur das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten haben, an Hilfsstationen und Lebensmittelausgabestellen weiterzugeben.

 

Berlin muss für die Berliner*innen bezahlbar bleiben. Deshalb haben wir bereits in den vergangenen Wahlperioden umfangreiche Entlastungen durchgesetzt: Die gebührenfreie Hortbetreuung in den ersten beiden Schuljahren, die weitgehende Lernmittelfreiheit und das kostenfreie Schulessen. Diesen erfolgreichen sozialdemokratischen Weg wollen wir fortsetzen. Wir möchten Familien auch ohne Anspruch auf Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket bei hohen Kostenpunkten unterstützen. Die gestiegenen Preise werden langfristig hoch bleiben, deshalb brauchen Familien mit Kindern eine zusätzliche dauerhafte Entlastung. Deshalb fordern wir den Senat auf, weitere Schritte in diesen Bereichen zu prüfen. Dazu gehören auch Entlastungen im Bereich der Daseinsvorsorge.

 

Wir setzen uns im Bund dafür ein, die Höhe von Transferleistungen regelmäßig und in kürzeren Abständen zu überprüfen und an die Preisentwicklung anzupassen. Insbesondere die Leistungen für Kinder müssen deutlich erhöht und zielgenauer eingesetzt werden, um Kinderarmut zu vermeiden. Wir erneuern unsere Forderung nach einer Kindergrundsicherung.

 

Um Studierende von den Preissteigerungen zu entlasten, ist eine weitere kurzfristige BAföG-Anpassung nötig. Wir fordern eine Erhöhung und regelmäßige automatische Fortschreibung der BAföG-Sätze sowie eine weitere Ausweitung des Anspruchsberechtigtenkreises durch eine Erhöhung der Freibeträge.

 

c)       Soziale Infrastruktur erhalten, Teilhabe sichern

Die gestiegenen Kosten belasten auch die soziale Infrastruktur und die sozialen Einrichtungen unserer Stadt. Zudem geht das Spendenaufkommen der Bevölkerung zurück. Viele sozialen Träger kommen so in wirtschaftliche Schwierigkeiten, ihre Angebote sind aber gerade in der jetzigen Lage für viele dringend notwendig. So stellen die hohen Lebensmittel- und Energiepreise beispielsweise Kita- und Schulküchen und Mensen vor große Probleme. Wir werden alles dafür tun, soziale Einrichtung in ihrer Arbeit zu unterstützen. Gleiches gilt für Zuwendungsempfangende. Wir fordern den Senat auf, soziale Träger durch eine Einmalzahlung zu unterstützen. Auch Vereine und Verbände müssen bei Zahlungsschwierigkeiten aufgrund von Energiekostensteigerungen finanziell unterstützt werden.

 

Die Schulbauoffensive braucht jetzt mehr Power. Wir werden sie ausweiten und beschleunigen. Dazu sollen die Mittel deutlich aufgestockt werden und mit der landeseigenen berlinovo eine Kooperation zum Schulneubau und zur -Sanierung abgeschlossen werden nach dem Vorbild der Zusammenarbeit mit der landeseigenen HOWOGE.

 

Die psychologischen Beratungskapazitäten, insbesondere auch für Kinder und Jugendliche müssen in der Stadt ausgebaut werden, da die Nachfrage danach immer mehr zunimmt.

 

Für obdachlose Menschen wollen wir mehr 24/7 Einrichtungen ermöglichen. Neben der niedrigschwelligen Kältehilfe, die einen Schlafplatz ermöglicht, werden auch tagsüber warme Aufenthaltsmöglichkeiten mit der Möglichkeit der Essensversorgung benötigt. Beratungs- und Hilfeangebote müssen deutlich ausgebaut werden und einfacher zugänglich sein. Dazu gehört der Ausbau der Informationsstreuung über diese Angebote und die Stärkung der aufsuchenden Sozialarbeit. Wir wollen zukünftig verstärkt über die Angebote zur Unterstützung obdachloser Menschen in Berlin informieren. Dies wollen wir zum Anlass nehmen, um in Zukunft Hitzehilfe und Kältehilfe stärker zusammenzudenken. Dabei soll explizit auch auf Anlaufstellen für obdachlose Frauen* verwiesen werden und das Angebot für obdachlose Frauen* weiter ausgebaut werden. Obdachlose Frauen* brauchen Orte, an denen sie vor Übergriffen geschützt sind. Teilhabe bedeutet auch, dass menstruierende Menschen mit geringem Einkommen perspektivisch kostenlosen Zugang zu Periodenprodukten erhalten sollen.

 

Wenn das Geld knapp wird, müssen viele bei Ausgaben für Kultur oder Sport sparen. Auch in Zeiten stark steigender Preise wollen wir Teilhabe gewährleisten. Deshalb fordern wir vergünstigte oder kostenfreie Sondertickets in staatlichen Kultur- und Sportbetrieben für Kinder und Jugendliche, Auszubildende, Studierende, Rentner*innen, Wohngeld-, Grundsicherungs- oder Arbeitslosengeld-II-Empfänger*innen. Mit dem vom Senat initiierten „Netzwerk der Wärme“ werden bestehende Begegnungsorte gestärkt und bekannter gemacht. Wir werden in Berlin sicherstellen, dass staatliche und gemeinnützige Sport-, Kultur- und Freizeiteinrichtungen ihre Arbeit weiter leisten können. Die Energiesparmaßnahmen in öffentlichen Einrichtungen dürfen nicht dazu führen, dass in Privathaushalten mehr Energie verbraucht werden muss. Staatlich finanzierte Institutionen wie Universitäten, Bibliotheken und Freizeiteinrichtungen müssen daher weiterhin zu den regulären Öffnungszeiten und mit der kompletten vorhandenen technischen Ausstattung als warme Aufenthaltsorte zur Verfügung stehen.

 

Die Krise führt dazu, dass viele Berliner*innen vor neuen Fragen stehen. Mehr Menschen sind von Armut, Energiearmut und Verschuldung bedroht. Menschen, die bisher noch nie Transferzahlungen benötigt haben, sind auf staatliche Unterstützung angewiesen. Wir begrüßen, dass der Senat zusätzliche Beratungsangebote vorsieht. Wichtig sind dabei auch mehrsprachige und zielgruppengenaue Informationen, auch um Ängste vor der Inanspruchnahme von Hilfsleistungen abzubauen.

 

d)      Wirtschaft und Arbeit

Die Krise führt dazu, dass Unternehmen unverschuldet in Schwierigkeiten geraten und sogar von Insolvenz bedroht sind. Wir unterstützen den wirtschaftlichen Abwehrschirm des Bundes, um Arbeitsplätze zu sichern und die Produktion fortführen zu können sowie die bisherigen Unterstützungen zu erhalten. Dazu gehört u.a. eine temporäre Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und Möglichkeiten zur Steuerstundung, wie bereits während der Corona-Pandemie. Es ist richtig, dass der Staat dann hilft und Arbeitsplätze sichert, insbesondere bei systemrelevanten Unternehmen. Dabei darf es aber nicht passieren, dass die Verluste sozialisiert und die Gewinne privatisiert werden. Um Unternehmen zügig Liquidität zu verschaffen, soll der Zugang zu den bestehenden Liquiditätsprogrammen kurzfristig für weitere Branchen geöffnet werden. Ein eigenes Berliner Darlehensprogramm mit Liquiditätshilfen durch die IBB, das auf Bundeshilfen aufsetzt, war bereits während der Corona-Pandemie erfolgreich und muss jetzt wieder schnell umgesetzt werden. Für energieintensive Branchen sollte im Bund die Einführung von Produktionsprämien geprüft werden, um beispielsweise Lieferketten zu stabilisieren und Kaskadeneffekte zu verhindern. Für Investitionen in Energieeffizienz und zur Dekarbonisierung sollen Sonderabschreibungsmöglichkeiten geschaffen werden. Ein Gaspreisdeckel des Bundes sollte auch und gerade für kleine und mittlere Unternehmen gelten.

 

Gute Arbeit ist unsere Leitlinie. Dafür brauchen wir starke Unternehmen in Berlin. In der Corona-Pandemie haben wir in Berlin erfolgreich Arbeitsplätze erhalten und unsere wirtschaftliche Struktur gesichert. Mit dem Neustartprogramm für Wirtschaft und Kultur haben wir dafür gesorgt, dass die Unternehmen nach der Pandemie wieder durchstarten konnten und können. Nun gilt es, die Unternehmen auch in der aktuellen Energiekrise zu unterstützen. Wir lassen notleidende Unternehmen nicht allein, auch und gerade Soloselbstständige, kleine und mittlere Unternehmen wollen wir bei der Bewältigung der steigenden Energiekosten unterstützen. Mit einer Berliner Energiekostensoforthilfe für Unternehmen wollen wir die gestiegenen Kosten abfedern – Bundesprogramme haben dabei allerdings Vorrang, eine Doppelförderung muss vermieden werden. Wir erneuern unseren Beschluss nach Einführung einer Gewerbemietpreisbremse, damit vor allem kleinere Gewerbebetriebe angesichts der steigenden Energiekosten bei den Mieten entlastet werden. Ihre Lage wird noch dadurch verschärft, dass sie kaum Kündigungsschutz genießen. Wir fordern den Senat auf, sich im Bund dafür einzusetzen, eine Gewerbemietpreisbremse und einen verbesserten Kündigungsschutz für Gewerbe zu erreichen. Zugleich müssen diese Wirtschaftsförderprogramme so konzipiert werden, dass auch Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft sie in Anspruch nehmen können.

 

Arbeitnehmer*innen müssen ein Anrecht zur Arbeit vor Ort im Unternehmen bzw. Betrieb erhalten, um einen durch Teleheimarbeit bedingten erhöhten Energieverbrauch im Privathaushalt vermeiden zu können.

 

Es werden dringend mehr Fachkräfte auch in Klimaschutzberufen benötigt. Die Energiekrise und -wende ist damit auch eine Chance für eine bessere Ausbildung, gute Arbeit und gut für den mittelständischen Handwerk. Wir wollen gerade diejenigen als Fachkräfte gewinnen und fördern, bei denen sonst Schulabgänge ohne Abschluss, Nicht- bzw. Geringqualifikation und -verdienst drohen.

 

e)       Mieten und Wohnen

Die steigenden Energiekosten und damit teils massiv erhöhten Betriebskosten stellen viele Mieterinnen und Mieter vor große finanzielle Probleme. Niemandem darf die Wohnung gekündigt werden, weil er oder sie von den Betriebskosten überfordert ist. Wir fordern vom Bund, dass Wohnungskündigungen aufgrund von Mietrückständen wegen erhöhter Mieten und Betriebskosten mit einem Kündigungsmoratorium vorübergehend gesetzlich ausgeschlossen werden. Wir setzen uns dafür ein, dass Sperrungen von Wasser, Strom, Gas oder Fernwärme aufgrund von Zahlungsrückständen in diesem Winter ausgeschlossen werden. Mit dem Härtefallfonds bieten wir in Berlin bei akuten Notfällen und unerwarteten Belastungen Hilfe. Er ist ein Energieschuldenfonds und dient als letzte Maßnahme zur Verhinderung von Energiesperren.

 

Wir wollen den Wohnungstausch verbindlich fördern. Ältere Menschen sollen mit ihrem Mietvertrag in kleinere Wohnungen wechseln können. Dabei unterstützen wir die öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften und fordern Genossenschaften wie private Wohnungsgesellschaften dazu auf, ebenfalls den Wohnungstausch zu fördern.

 

Wir werden bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften ein Kündigungsmoratorium umsetzen und fordern die genossenschaftlichen und privaten Vermieter*innen auf, ebenfalls auf Kündigungen zu verzichten, falls die Betriebskosten nicht bezahlt werden können. Gleichzeitig muss es aber auch zeitnahe Unterstützung für Vermieter*innen geben. Gerade kleinere und mittlere Vermieter*innen brauchen die Mieteinnahmen, z.B. als ihre Altersversorgung oder um Kredite abzubezahlen.

 

Bereits jetzt gilt in Berlin ein besonderer Kündigungsschutz von 10 Jahren nach der Umwandlung einer Mietwohnung in eine Eigentumswohnung. Die Kündigungsschutzklausel-Verordnung des Senats (die am 1.10.2013 in Kraft getreten ist und im September 2023 abläuft) wird erneut bekräftigt. Wir setzen uns im Bund dafür ein, den bisher bundesweit geltenden Kündigungsschutz von drei Jahren nach der Umwandlung einer Miet- in eine Eigentumswohnung auf eine längere Frist auszudehnen.

 

Wir setzen uns im Bund dafür ein, Indexmieten von Energiepreissteigerungen zu entkoppeln, zum Beispiel durch eine Kappungsgrenze oder durch die Bindung an den Nettokaltmietenindex.

 

Wir begrüßen die Zahlung eines weiteren Heizkostenzuschusses und die Ausweitung des Wohngeldberechtigtenkreises. Allerdings stellt die zügige Bearbeitung die Berliner Wohngeldstellen vor große Herausforderungen. Zu prüfen ist, ob eine Auszahlung nach erleichterter Vorprüfung möglich ist.

 

Mit der überarbeiteten Wohnraumförderung sorgen wir mit jeweils 750 Mio. Euro in den Jahren 2022/23 dafür, dass wieder mehr geförderte Wohnungen in Berlin gebaut werden.

 

Der Mangel an günstigem Wohnraum ist für Auszubildende besonders relevant: Beispielsweise durch fehlende Azubi-Wohnheime sind die Mietkosten ohnehin hoch und machen einen Großteil der Ausbildungsvergütung aus. Mit den Mehrkosten dürfen Auszubildende jetzt nicht allein gelassen werden. Daher fordern wir eine Erhöhung der Mindestausbildungsvergütung um mindestens 130 Euro, die Einführung eines Förderprogrammes für Auszubildendenwohnen sowie studentisches Wohnen und die Erhöhung der Berufsausbildungsbeihilfe. Dabei sollen auch Auszubildende einen Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe erhalten, die Angehörige eines Staates außerhalb der EU sind oder sich in der Zweit- oder Drittausbildung befinden. Darüber hinaus fordern wir, dass die Miete in geförderten Azubi-Appartements und -Wohnheimen maximal 25 Prozent der durchschnittlichen Ausbildungsvergütung betragen soll. Auch für das studentische Wohnen müssen wir kostengünstigere Alternativen schaffen und mehr in Wohnheime investieren.

 

5. Gemeinsam packen wir das!

Die Energiekrise betrifft alle gesellschaftlichen Lebensbereiche. Deshalb ist es jetzt wichtig, die Gesellschaft zusammenzuhalten. Wir tragen dafür Sorge, dass die Krise solidarisch gemeistert wird. Denn gesellschaftlicher Zusammenhalt und soziale Gerechtigkeit sind die DNA unserer politischen Arbeit. Deshalb ist es jetzt die Aufgabe der Sozialdemokratie, durch soziale Maßnahmen die wirtschaftlichen Härten der Krise abzufedern. Unsere Antwort auf die Krise sind umfassende Entlastungsmaßnahmen und der Einsatz für Energieversorgungssicherheit. Zudem unterstützen wir eine wirksame Verbrauchsreduktion in allen Sektoren und Preisregulierungen. Dafür machen wir uns aus Berlin auch im Bund weiter stark. Erst zum Ende der Heizperiode werden wir sehen, wie gut wir bundesweit und hier in Berlin diese Aufgabe gemeistert haben.

 

Wir stehen zusammen und lassen niemanden allein. Wir sind zuversichtlich: Gemeinsam packen wir das und bilden mit Solidarität und Entlastungen einen wirksamen Gegenpol gegen all jene Kräfte, die die Krise politisch instrumentalisieren und die Spaltung der Gesellschaft vorantreiben wollen. Den Feinden unserer Demokratie setzen wir die Offenheit und Zuversicht der Bundeshauptstadt als Stadt der Freiheit entgegen. Berlin hat in Krisen immer einen besonderen Zusammenhalt bewiesen. Diese Zeiten wurden auch von Regierenden Bürgermeistern der SPD geprägt. Darauf sind wir stolz und es treibt uns in unserer politischen Arbeit auch künftig an, um das Beste für alle Berliner*innen zu erreichen und sie gut und sicher durch die Krise zu bringen.

 

Dafür stehen wir mit den sozialdemokratisch geführten Bezirken, dem Abgeordnetenhaus, dem Senat und unserer Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey. Berlin packt das. Wir sind die Berlin-Partei.

Antrag 169.1/II/2022 Klimafreundlich und sozial gerecht: Turbo anwerfen für die Mobilitätswende in Berlin!

8.11.2022

 Klimafreundlich und sozial gerecht: Turbo anwerfen für die Mobilitätswende in Berlin!

 

Die Bedrohung durch den menschengemachten Klimawandel, der anhaltende Trend der Urbanisierung und die fortschreitende Gentrifizierung machen eine radikale Wende in der Mobilitätspolitik erforderlich. Seit den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde dem motorisierten Individualverkehr (MIV) auch in unserer Stadt absoluter Vorrang gegenüber den öffentlichen Verkehrsmitteln und dem Fuß- und Radverkehr eingeräumt. Auch wenn das Konzept der autogerechten Stadt seit einiger Zeit zunehmend kritisch betrachtet wird, hat sich am Vorrang des motorisierten Individualverkehrs auch in Berlin bisher wenig geändert. 

 

Zwar müssen wir uns eingestehen: Auch der motorisierte Individualverkehr hat seine Berechtigung und Notwendigkeit. Die Mobilitätsbedürfnisse von Menschen mit körperlichen Einschränkungen, der Transport von Waren und Gütern, aber auch die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben wird auch in der Zukunft motorisierten Individualverkehr in einem gewissen Maß erforderlich machen, wenn auch in einem eklatant verringerten Umfang. Eine gänzlich “autofreie” Stadt wird es nicht geben. Für uns ist aber klar: In dicht besiedelten Räumen und insbesondere in Millionenstädten wie Berlin ist der motorisierte Individualverkehr aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive kein effektives Verkehrsmittel. Die Mobilität im Umweltverbund, also öffentlicher Personennah- und -fernverkehr sowie Fuß- und Radverkehr, ist dem MIV hinsichtlich des Flächenverbrauchs, der Umweltauswirkungen und des Einsatzes öffentlicher Mittel überlegen. Wir wollen daher, dass möglichst viele Wege in Berlin im Umweltverbund zurückgelegt werden und der motorisierte Individualverkehr für einen Großteil der Berliner*innen im alltäglichen Mobilitätsverhalten keine Relevanz mehr hat. Mobilitätswende bedeutet daher nicht lediglich, den motorisierten Individualverkehr zu elektrifizieren und ansonsten unangetastet zu lassen. Ziel der Mobilitätswende ist es, die Prioritäten umzukehren: Weg vom Vorrang des motorisierten Individualverkehrs, hin zum Vorrang des Umweltverbundes. 

 

Wir wollen, dass der Verkehrssektor in Berlin so zügig wie möglich klimaneutral wird. Für uns als demokratische Sozialist*innen dient die Mobilitätswende jedoch nicht nur dem Klimaschutz. Mobilität ist Grundvoraussetzung für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Eine schlechte Anbindung an den ÖPNV und die Umweltauswirkungen des motorisierten Individualverkehrs belasten auch in Berlin insbesondere Menschen mit geringem Einkommen. Die immer weiter fortschreitende Verdrängung von Menschen mit geringem- und auch mittlerem Einkommen aus den an den ÖPNV gut angebundenen Quartieren unserer Stadt verstärkt dies weiter. 

 

Das Voranbringen der Mobilitätswende ist für uns in erster Linie eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und keine Frage individuellen Konsumverhaltens oder “Verzichts”. Sie wird nur dann Erfolg haben, wenn sie Mobilität für einen Großteil der Gesellschaft angenehmer macht und die Belastungen durch Lärm und Abgase sowie Gefahren des Verkehrs gerade auch für Menschen mit geringem Einkommen verringert. Die Mobilitätswende wird dagegen keinen Erfolg haben, wenn sie vor allem der weiteren Aufwertung von Innenstadtkiezen dient, in denen einkommensstarke Bevölkerungsgruppen zunehmend unter sich bleiben.

 

 Berlin braucht die Mobilitätswende: In der gesamten Stadt und im Umland. So schnell wie möglich, nicht erst in einigen Jahrzehnten. Auf den Straßen unserer Stadt, nicht lediglich als Idealvorstellung in den Köpfen. Dabei setzen wir auf Effektivitätssteigerungen, Verkehrsreduktion und Flächengerechtigkeit. 

 

1. Vielfältige Stadt, vielfältige Mobilitätsbedürfnisse 

 

Ein gerechter Zugang zu Mobilität ermöglicht jedem Menschen am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Er stellt auch sicher, dass, je nach Bedürfnis, allen unterschiedlichen Auswahlmöglichkeiten der Fortbewegung zur Verfügung stehen. Gegenwärtig sehen wir jedoch, dass Mobilität jahrzehntelang an den Bedürfnissen des Automobils und der Automobilindustrie ausgerichtet wurde. Wir kämpfen dafür, dass aus der autogerechten Stadt eine Stadt wird, die sich an den verschiedenen, vielfältigen Mobilitätsbedürfnissen der Berliner*innen orientiert. 

 

Noch heute werden in der Verkehrs- und Mobilitätsplanung patriarchale Machtstrukturen zementiert. Hierbei geht es nicht um die biologischen Geschlechter, sondern um das gesellschaftliche Konstrukt von Frau und Mann, die sich auch in der Gestaltung des öffentlichen Raums wiederfindet. Aktuell wird in der Mobilitätsplanung zumeist für die autofahrende, mittelalte, vollzeitbeschäftigte männliche Person gedacht, die längere Strecken zurücklegt und früh zur Arbeit und spät von der Arbeit nach Hause fährt. Nach diesem linearen Wegeverhalten wurde der öffentliche Raum Jahrzehnte um das Auto herum gebaut. Statistiken zeigen, dass Frauen ein vielschichtiges Mobilitätsverhalten haben. Für ihre Wegstrecken verbinden sie den Arbeits- und Nachhauseweg mit Besorgungen für ihre Sorgearbeit, wie z. B. Angehörige zu Ärzt*innenpraxen zu begleiten, Einkäufe erledigen und Kinder aus der Schule abholen. Sie greifen zudem öfter auf den Umweltverbund und das Fahrrad zurück. Wohingegen Männer vermehrt zum Auto greifen und dadurch höhere CO2-Emmissionen erzeugen. 

 

Darüber hinaus sind BIPoC (Black, Indigenous and People of Color) im Öffentlichen Raum, insbesondere im ÖPNV, in besonderer Weise von Rassismus, Diskriminierung und Gewalt betroffen. Das kann dazu führen, dass sie bestimmte Mobilitätsangebote nicht nutzen bzw. meiden. Im ÖPNV sind sie zudem verstärkt von Racial Profiling betroffen. 

 

Trotz der Vorgaben der UN-Behindertenkonvention und des Berliner Mobilitätsgesetzes zeigt der Teilhabebericht zum Stand der Umsetzung sehr deutlich, dass bislang nicht ausreichend auf die Bedürfnisse von Personen mit Behinderungen eingegangen wurde. Beengte Fußwege, Kopfsteinpflaster und erhöhte Bürger*innensteige, fehlende oder defekte Fahrstühle, nicht markierte Treppenstufen, farblich nicht abgesetzte Eingangstüren, fehlende Leitsysteme für blinde Personen, mangelnde oder unverständliche akustische Informationen, fehlende Informationen in Braille-Schrift, zu wenige und oft zugeparkte Behinderten-Parkplätze und vieles mehr sind Herausforderungen mit denen Menschen mit Behinderungen und mobilitätseingeschränkte Personen und Menschen mit Behinderungen täglich zu kämpfen haben.

 

Um eine gerechte Mobilitätswende mit vielfältigen Bedürfnissen mitdenken zu können, brauchen wir in der Mobilitätsplanung einen Paradigmenwechsel. Die Straßen und der öffentliche Verkehr, die nach den männlichen Bedürfnissen gestaltet wurden, müssen hinterfragt und u.a. nach feministischen Gesichtspunkten gestaltet werden. 

 

Wir fordern daher die sozialdemokratischen Mitglieder des Abgeordnetenhauses und des Senats auf

  • Bei der Planung von Verkehrsinfrastruktur, der Gestaltung des öffentlichen Raums, der Konzeptionierung von ÖPNV-Angeboten und allen anderen Belangen im Kontext von Mobilität sind die Bedürfnisse aller Menschen zu berücksichtigen, insbesondere auch diejenigen von FINTA*, Menschen mit Behinderungen, queeren Menschen und BIPOC, weshalb wir eine detailliertere und geschlechtsspezifische Verkehrs- und Mobilitätsdatenerfassung fordern. 
  • Der öffentliche Raum und insbesondere der ÖPNV müssen umfassend barrierefrei gestaltet sein. Dieser muss allen Bürger*innen zugänglich sein. Zugang und Umstieg haben sowohl für das Betreten als auch die Orientierung barrierefrei zu sein. Darüber hinaus fordern wir umgehend die Wiederauflage der staatlichen Förderung für Taxi-Unternehmen, um bei deren Flottenmodernisierung vermehrt Inklusions-Fahrzeuge anzuschaffen. Die Barrierefreiheit von S- und U-Bahnstationen ist bis 2025, diejenige aller Verkehrsmittel ist bis 2030 zu erreichen. 
  • Berlin muss neben formaler auch situativ nutzbare Barrierefreiheit bieten, das bedeutet, dass Barrierefreiheit keine großen Umwege generieren darf, sondern einfach nutzbar sein muss und den Nutzungsanfragen dienen soll. Für Menschen, die aufgrund fehlender Barrierefreiheit im ÖPNV auf einen eigenen PKW angewiesen sind, sollen vorhandene Parkflächen als personenungebundene Sonderparkplätze besonders vor Ärzt*innenhäusern, Gemeinschaftseinrichtungen und Verwaltungen sowie im direkten Zugangsbereich des Einzelhandels umgewidmet werden.
  • Digitale Angebote im ÖPNV sollen möglichst niedrigschwellig gestaltet sein. Der Transformationsprozess muss von vorneherein integrativ die Belange aller Menschen mitdenken. So kann Teilhabe aller und folglich auch Akzeptanz und Attraktivität gelingen. 

 

2. Im Zentrum der Mobilitätswende: ÖPNV auf ein neues Level bringen 

 

Attraktiver ÖPNV für alle Berliner*innen 

 

Berlin ist mit einer Fläche von 892 Quadratkilometern etwa viermal so groß wie Amsterdam und zehnmal so groß wie Kopenhagen. Viele der in Berlin zurückgelegten Wege sind lang und für einen erheblichen Teil der Verkehrsteilnehmer*innen nicht zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückzulegen. Das Fundament unserer Mobilitätswende ist daher der öffentliche Personennahverkehr. Für alle Menschen, die in Berlin wohnen und arbeiten muss es ein attraktives ÖPNV-Angebot geben, was ihnen ermöglicht, den privaten PKW vollständig stehen zu lassen. Dies zu erreichen ist eine immense politische Herausforderung, die differenzierte Konzepte und massive Investitionen erfordert. Um eine optimale Anbindung für Alle zu erreichen, gibt es keine pauschalen Lösungen: Wir wollen, dass die Priorität bei der Angebotsverbesserung auf den Gebieten liegt, die derzeit noch nicht ausreichend an den ÖPNV angebunden sind. Voraussetzung dafür ist aber auch, dass die Kapazität des schienengebundenen Nahverkehrs in der Innenstadt ausgebaut wird. Wir wollen, dass das ÖPNV-Angebot möglichst kurzfristig verbessert wird, gleichzeitig dürfen dadurch langfristige Lösungen nicht in Vergessenheit geraten oder sogar blockiert werden.

 

Wir fordern daher die sozialdemokratischen Mitglieder des Abgeordnetenhauses und des Senats auf

  • Für alle Menschen, die in Berlin wohnen und arbeiten muss ein attraktives ÖPNV-Angebot geschaffen werden. Voraussetzung dafür ist ein flächendeckender Anschluss der gesamten Stadt sowie des Umlands an den schienengebundenen öffentlichen Personennahverkehr, also S-, U- und Regionalbahn sowie Tram. 
  • Vor der Erschließung neuer Wohnquartiere muss stadtplanerisch und konsequent der ÖPNV mitbedacht werden.
  • Die bereits vorhandene Infrastruktur ist an vielen Stellen sanierungsbedürftig. Daher muss ein besonderes Augenmerk auf der Sanierung des Bestands liegen. Dies ist Basis aller weiteren Ausbaustufen. 
  • Die Metropolregion Berlin-Brandenburg benötigt ein massives Ausbauprogramm für den schienengebundenen Personennahverkehr. Qualität, Taktung, Kapazität und Streckenangebot müssen schnellstmöglich flächendeckend und bedarfsgerecht deutlich verbessert werden. 
  • Beim Ausbau des ÖPNV müssen kurz- und langfristige Lösungen kombiniert werden. Die verschiedenen

 

Verkehrsmittel des ÖPNV sollen nicht gegeneinander ausgespielt, sondern je nach der Situation vor Ort kombiniert werden. 

  • Kurz- und mittelfristig kann insbesondere der flächendeckende Ausbau des Tramnetzes zur Verbesserung des ÖPNV-Angebots beitragen. Tangentialverbindungen, also Tramlinien, die keine direkte Verbindung mit dem Stadtzentrum schaffen, aber eine Zuführungsfunktion zum S-Bahn-Ring einnehmen können außerhalb des S-Bahn-Rings sollen priorisiert realisiert werden. Mittelfristig fordern wir, alle bisherigen Metrobuslinien durch Tramlinien zu ersetzen. Grundsätzlich sollte der Fahrweg der Tram dabei so ausgestaltet werden, dass dieser vom motorisierten Individualverkehr baulich getrennt ist. 
  • Neben dem Ausbau der Tram ist auch ein massiver Ausbau bei S-, U- und Regionalbahn erforderlich. Angesichts der teilweise sehr langen Fahrwege setzt ein attraktives ÖPNV-Angebot insbesondere am Stadtrand und im Umland schnelle Querschnittsverbindungen voraus. 
  • Die bestehenden U-Bahn-Strecken sollen, wo es verkehrlich sinnvoll ist, an den Stadtrand verlängert werden, um dortige Wohnquartiere anzubinden. Durch sinnvolle Lückenschlüsse sollen neue Umsteigeverbindungen geschaffen werden. 
  • Bei der S-Bahn sollen bestehende Strecken in den wachsenden “Speckgürtel” verlängert und bisher eingleisige Strecken ausgebaut werden. Zudem müssen auf den Stammstrecken in der Innenstadt die Kapazitäten für eine deutliche Takterhöhung geschaffen werden. 
  • Durch eine Ausbauoffensive im Regionalbahnverkehr sollen mehr schnelle Verbindungen aus dem Tarifbereich C in die Berliner Innenstadt geschaffen werden. Das Programm i2030 kann dabei nur der Anfang sein. 
  • Als kurzfristige Übergangslösung sollen in den Tarifgebieten B und C auch Busverbindungen verstärkt werden. Dies kann durch Verdichtung des Takts, aber auch durch die Schaffung neuer Linien geschehen. 
  • Um dünner besiedelte Gegenden, in denen (noch) keine allzu hohe Nachfrage am ÖPNV existiert, trotzdem angemessen anzubinden, sollen verstärkt On-Demand-Sammeltaxis angeboten werden, welche ebenfalls im Verkehrsbund einbezogen sind 
  • Zudem sollen alle straßengebundenen Fahrzeuge des ÖPNV schnellstmöglich elektrifiziert werden. Alle neu beschafften Fahrzeuge müssen barrierefrei sein. Es ist zu prüfen, wie Taxi-Unternehmen und private Busbetreiber dabei infrastrukturell oder finanziell unterstützt werden können. 
  • Sammeltaxis sind dabei barrierefrei zu gestalten. Darüber hinaus muss die Mobilität von Menschen mit Behinderungen sowie Menschen mit Einschränkungen sichergestellt werden. Hierzu eignen sich beispielsweise Inklusionstaxis. Für deren Fortbetrieb fordern wir sowohl die Landes- als auch die Bundesebene auf. 
  • Um die Ausbauziele so schnell wie möglich zu erreichen, müssen die Planungskapazitäten nachhaltig ausgebaut und effektiver eingesetzt werden. Dazu gehört auch eine strukturell verbesserte Koordination mit Brandenburg. 
  • Um den Ausbau zu beschleunigen fordern wir ein “Bündnis Schienenbau”, an dem alle relevanten Akteure sowie die Zivilgesellschaft beteiligt ist. Das Bündnis soll u.a. Vorschläge zur Vereinfachung und Straffung der Planungs- und Genehmigungsverfahren machen. 
  • Voraussetzung für einen dichteren Takt und neue Strecken ist neben der Planung und Realisierung der erforderlichen Infrastruktur auch eine vorausschauende Beschaffungs- und Personalpolitik. Die erforderlichen Fahrzeuge müssen frühzeitig beschafft werden, Werkstatt- und Depotkapazitäten müssen mitwachsen. Zudem ist es erforderlich, die Arbeitsbedingungen in der ÖPNV-Branche nachhaltig zu verbessern. Dazu gehört neben guter Bezahlung und einem angenehmen Arbeitsumfeld auch langfristige Arbeitsplatzsicherheit. Auch deshalb lehnen wir die Zerschlagung der Berliner S-Bahn weiterhin ab. 
  • Für FINTA* Personen sollen in den Nachtstunden gesonderte ÖPNV-Angebote gemacht werden, dazu kann auch der Einsatz von vergünstigten Nachttaxen gehören. 
  • Die Aufenthaltsqualität und Sicherheit im ÖPNV soll zügig verbessert werden, unter der besonderen Berücksichtigung der Bedürfnisse von FINTA*, queeren Menschen und BIPOC. Dazu gehört flächendeckend ausreichende Beleuchtung und digitale Anzeigetafeln an den ÖPNV-Haltestellen und verstärkte Präsenz von Sicherheitspersonal in den Nachtstunden. 
  • Der bedarfsgerechte Ausbau der Fahrdienste für Menschen mit Behinderungen sowie die verbindliche Einführung barrierefreier Taxen.
  • Der barrierefreie Ausbau aller Bereiche des ÖPNV umfasst alle Ebenen. Dies heißt beispielsweise, dass Fahrstühle, farbig abgesetzte Eingangstüren und Treppenstufen, Leitsysteme für blinde Personen, akustische und optische Informationen in leichter Sprache, Informationen auch in Brailleschrift schnellstmöglich bereitgestellt werden müssen. 
  • Wir befürworten die Ausweitung von flexiblen nachfrageorientierten und – wo geeignet – autonomen Konzepten im ÖPNV.  Sharing-Angebote dürfen nicht als Konkurrenz zum ÖPNV im S-Bahnring fungieren. Vielmehr muss Sharing als Zubringer zum ÖPNV gedacht werden. Voraussetzung für den Betrieb von Sharing-Angeboten muss sein, dass diese auch außerhalb des S-Bahnrings angeboten werden und in nachhaltiges Gesamtkonzept des öffentlichen Nahverkehrs eingebunden sind. 
  • Die Verknüpfung von Mobilitäts-Angeboten an den Knotenpunkten mit Umstiegsoptionen muss weiter verbessert werden, etwa durch P+R im Tarifgebiet B, Fahrradparkhäuser und Bündelung von SharingDiensten. 

 

ÖPNV sozial gerecht finanzieren 

 

Eine ambitionierte Angebotsverbesserung erfordert den Einsatz massiver finanzieller Ressourcen. Gleichzeitig ist Mobilität eine Grundvoraussetzung für die Teilhabe amgesellschaftlichen Leben. Mobilität zu ermöglichen ist daher Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge, deren Finanzierung sozial gerecht ausgestaltet sein muss. Eine pauschale Verteilung der Kosten – entweder auf die Nutzer*innen über die Ticketpreise oder auf alle Berliner*innen über eine einheitliche Mobilitätsabgabe – lehnen wir weiter als ungerecht ab, da diese Systeme die finanzielle Leistungsfähigkeit des Einzelnen nicht berücksichtigen. 

 

Gleichzeitig ist uns klar, dass unter den herrschenden politischen Verhältnissen, unter welchen mit der Schuldenbremse eine künstliche Verknappung öffentlicher Ressourcen stattfindet, das Ziel eines fahrscheinlosen ÖPNV mit dem Erfordernis steigender Investitionen für Angebotsverbesserungen konkurrieren. 

 

Zur Kompensation der wegfallenden Ticketerlöse fordern wir daher eine Nahverkehrsabgabe nach französischem Vorbild. Die Taxe Versement de Transport (VT) können Kommunen ab 20.000 Einwohnern zweckgebunden zur ÖPNV-Finanzierung erheben. Die französische Nahverkehrsabgabe ist von Arbeitgeber*innen mit mehr als zehn Mitarbeiter*innen und vom Einzelhandel als Nutznießer des ÖPNV-Angebots zu entrichten. Die Nahverkehrsabgabe wird inzwischen in den meisten zur Erhebung berechtigten Kommunen eingenommen. Im Jahr 2010 wurden 44,2 % der Ausgaben für den französischen ÖPNV über die Nahverkehrsabgabe finanziert, die neben den Fahrgeldeinnahmen damit das wichtigste Finanzierungsinstrument ist. 

 

Wir fordern daher die sozialdemokratischen Mitglieder des Abgeordnetenhauses und des Senats auf

  • Um Anreize für den Umstieg auf den ÖPNV zu schaffen, soll der fahrscheinlose ÖPNV eingeführt werden. Die entfallenden Ticketerlöse sollen durch Steuermittel ersetzt werden, da auf diese Weise eine sozial gerechte Verteilung der Kosten möglich ist. 
  • Zugleich müssen die öffentlichen Investitionen in den ÖPNV massiv steigern. Dabei ist neben den Ländern Berlin und Brandenburg auch der Bund gefragt. 
  • Als neue Einnahmesäule fordern wir die Einführung einer Nahverkehrsabgabe nach französischem Vorbild, die von Arbeitgeber*innen in Berlin und Brandenburg zu entrichten ist. 

 

Smarter ÖPNV 

 

Die Digitalisierung des ÖPNVs hat für uns höchste Priorität, um die Effizienz und damit auch die Attraktivität des ÖPNVs zu steigern. Digitalisierung macht Verkehrsinformationen in Echtzeit verfügbart und ermöglicht es Mobilitätsanbietern den Verkehr je nach Bedarf flexibel zu steuern. Der Auf- und Ausbau dieser als Verkehrsmanagementsysteme bezeichneten Steuerungsinstrumente ist ein elementarer Baustein für die Mobilität von morgen. Gleichzeitig können die Echtzeitinformationen den Benutzer*innen für mehr Komfort zur Verfügung gestellt werden. Berlin nimmt hier bereits heute eine Vorreiter*innenrolle ein: In Bussen und Bahnen werden Umsteigeinformationen auf großen Anzeigetafeln dargestellt und Apps wie Jelbi bündeln Echtzeitinformationen für mehrere Verkehrsträger. Diese starke Position wollen wir weiter ausbauen, um den ÖPNV für alle Berliner*innen attraktiver zu machen. 

 

Wir fordern daher die sozialdemokratischen Mitglieder des Abgeordnetenhauses und des Senats auf

 

  • Bis 2030 soll es vollständige und vernetzte digitale Leit-, Informations- und Bezahlsysteme in Berlin geben. Auch Mobilfunk- und Internetversorgung im unterirdischen S- und U-Bahn-Netz sind störungsfrei bis 2030 auszuweiten. 
  • Alle digitalen Systeme sind barrierefrei zu gestalten. Trotz aller Digitalisierung müssen umfassende analoge Zugangs- und Informationsmöglichkeiten erhalten bleiben. Niemand darf ausgegrenzt werden. 
  • Für alle Digitalisierungsmaßnahmen müssen höchste Datenschutzstandards und Privacy-byDesign eingehalten werden und sie müssen sich an Nachhaltigkeitskriterien orientieren. Außerdem setzen wir uns für die anonymisierte Verfügbarmachung der geschlechtsspezifischen Mobilitätsdaten für Öffentlichkeit und Wissenschaft ein. 
  • Die bereits heute technologisch mögliche Automatisierung des Schienenverkehrs (Straßenbahn, S+UBahn) muss zeitnah auf ersten Strecken und perspektivisch flächendeckend umgesetzt werden. Für S- und Regionalbahnen im Eigentum des Bundes sind entsprechende Kooperationen zwischen dem Senat und der DB AG zu vereinbaren. 
  • Berufsfelder im ÖPNV, deren Tätigkeiten durch eine sich wandelnde Arbeitswelt ersetzt werden könnten, müssen frühzeitig identifiziert werden. Es sind vorausschauend geeignete Umschulungs- und Weiterbildungskonzepte im Rahmen der Personalentwicklung vorzusehen. 

 

3. Flächenwende: Für eine gerechte Verteilung und sichere Gestaltung des öffentlichen Raums 

 

Das Konzept der autogerechten Stadt hat zu massiv ungerechter Verteilung des öffentlichen Raums in unserer Stadt geführt: Während dem motorisierten Individualverkehr gerade einmal 30 Prozent der in Berlin zurückgelegten Wege zugerechnet werden können, sind diesem knapp 60 Prozent der Verkehrsflächen gewidmet. Auf vielen Straßen unserer Stadt wird dem ruhenden Individualverkehr mehr Platz eingeräumt, als dem Fuß- und Radverkehr zusammen. Jahrzehnte der autofixierten Mobilitätspolitik haben sich auch in den Köpfen festgesetzt. In der medial wahrnehmbaren öffentlichen Debatte wird es häufig als völlig selbstverständlich angesehen, das individuelle Bedürfnis nach Parkplätzen im öffentlichen Raum höherrangiger zu bewerten als die Sicherheit von Fußgänger*innen und Radfahrer*innen. Viele Menschen haben sich daran gewöhnt, dass sie für ein 18 Quadratmeter großes WG-Zimmer 600 Euro bezahlen, aber ihren nur wenige Stunden am Tag genutzten PKW quasi kostenfrei auf einer ebenso großen Fläche im öffentlichen Raum abstellen können. Neben der Verteilung ist auch die Gestaltung des öffentlichen Raums bisher in erster Linie daran orientiert, dem motorisierten Individualverkehr ein möglichst schnelles Zurücklegen von Wegen zu ermöglichen. Wege für den Fuß- und Radverkehr sind an vielen Stellen nicht so gestaltet, dass sie ihren Nutzer*innen die erforderliche Sicherheit bieten, sondern so, dass sie den motorisierten Individualverkehr möglichst wenig stören. 

 

Für uns ist klar: Die Mobilität im Umweltverbund, also ÖPNV, Fuß- und Radverkehr, muss künftig klaren Vorrang vor dem motorisierten Individualverkehr haben. Dies muss sich auch im öffentlichen Raum niederschlagen, wir wollen die Flächenwende: Der Straßenraum muss primär so gestaltet sein, dass der ÖPNV zügig vorankommt und die Sicherheit von Fuß- und Radverkehr sowie die Barrierefreiheit gewährleistet ist. Nur nachrangig ist dem motorisierten Individualverkehr Platz einzuräumen. 

 

Der öffentliche Raum ist jedoch nicht nur Verkehrsraum. In Zeiten der wachsenden und sich verdichtenden Stadt konkurrieren auch andere Nutzungsarten um den öffentlichen Raum. Die Straße ist Treffpunkt, Kommunikationsund Spielort. Für uns steht fest, dass Nutzungen, die dem Gemeinwohl im Kiez dienen, Vorrang haben, sowohl gegenüber dem Interesse Einzelner an einem kostengünstigen Parkplatz, als auch gegenüber kommerziellen Interessen. 

 

Flächengerechtigkeit ist auch eng verknüpft mit Konzepten von wohnortnahem Arbeiten und fußläufige Versorgungsmöglichkeiten (Stadt der kurzen Wege oder „15- Minuten-Stadt”). Bei der Flächenwende ist Aspekten der Umweltgerechtigkeit und der Belastung mit Lärm und anderen Emissionen Rechnung zu tragen. Häufig leben in besonders und vielfach belasteten Räumen Menschen mit geringem Einkommen. Die Flächenwende führt daher auch zu mehr sozialer Gerechtigkeit. Voraussetzung dafür ist, dass sie nicht auf bereits jetzt privilegierte Quartiere begrenzt bleibt. Zudem müssen gleichzeitig Maßnahmen ergriffen werden, um zu verhindern, dass die mit der Flächenwende verbundene Aufwertung von Kiezen nicht zu Verdrängung der bisherigen Bewohner*innen führt.

 

Wir begrüßen das Engagement von Bürger*inneninitiativen, die sich für mehr Flächengerechtigkeit in ihrem Kiez einsetzen. Sie sind an vielen Stellen Treiber*in der Mobilitätswende und drängen zögerlich reagierende Verwaltungen zum Handeln. Uns ist jedoch bewusst, dass diese Initiativen insbesondere in den Innenstadtquartieren aktiv sind und oft von privilegierten Milieus geprägt sind. Dies mindert nicht derenWert. Angesichts knapper finanzieller und personeller Ressourcen der öffentlichen Hand darf die Mobilitätswende aber nicht davon abhängen, ob sich vor Ort eine Initiative bildet oder nicht. 

 

Wir fordern daher die sozialdemokratischen Mitglieder des Abgeordnetenhauses und des Senats auf:

 

  • Die Mobilität im Umweltverbund und öffentliche Nutzungen müssen bei der Verteilung und Gestaltung des öffentlichen Raums klaren Vorrang vor dem motorisierten Individualverkehr haben. Der Straßenraum muss primär so gestaltet sein, dass der ÖPNV zügig vorankommt und die Sicherheit von Fuß- und Radverkehr sowie die Barrierefreiheit gewährleistet ist. Nur nachrangig ist dem motorisierten Individualverkehr Platz einzuräumen. Um dies zu realisieren, ist der teilweise Rück- und Umbau von Straßen und Plätzen und eine sachgerechte Neuverteilung der Flächen erforderlich.
  • Erforderlich ist an vielen Stellen eine Entflechtung der Verkehrsströme. Menschen sind im öffentlichen Raum Gefahren ausgesetzt und agieren mitunter fehlerhaft. Daher muss die Umgebung so aufgebaut sein, dass Fehler vermieden werden. Am besten gelingt das, wenn Mobilitätswege baulich getrennt geführt werden. 
  • Überall dort, wo die Entflechtung von Verkehrsströmen nicht erfolgen kann, sind bauliche Maßnahmen zur Verbesserung der Übersichtlichkeit der Barrierefreiheit und Verkehrssicherheit vorzunehmen. An Kreuzungen sollen geradeaus fahrende Verkehre von Abbiegeverkehren grundsätzlich zeitlich getrennt werden. Wo das nicht gelingt, gilt: Je getrennter und je näher der Winkel, mit dem sich Auto einerseits und Fuß- und Fahrradverkehr andererseits begegnen, einem rechten Winkel entspricht, desto besser. Umbaumaßnahmen dürfen dabei nicht zulasten des Fußverkehrs gehen. Zur Erhöhung der Verkehrssicherheit sollen für Fußverkehr sogenannte Vorstreckungen realisiert werden. 
  • Wir fordern in berlinweites flächendeckendes Fahrradstraßennetz in allen Kiezen. Auf Fahrradstraßen soll nur Auto-Anliegerverkehr, klimaverträglicher Lieferverkehr und Services wie Feuerwehr, Polizei, Wertstoffabfuhr, etc. stattfinden. An kürzeren oder engeren Fahrradstraßenabschnitten soll der Durchgangsverkehr ausschließlich für Fahrräder ausgewiesen werden, um die Sicherheit der Fahrradfahrenden zu gewähren. 
  • Fahrradwege auf übergeordneten Straßen müssen so breit gestaltet werden, dass Einsatzkräfte wie die Feuerwehr, Polizei usw. bei Einsätzen diese benutzen können
  • Die im Berliner Mobilitätsgesetz vorgesehen Radverkehrsanlagen auf oder an allen Hauptverkehrsstraßen mit erschutterungsarmem, gut befahrbarem Belag in sicherem Abstand zu parkenden Kraftfahrzeugen und ausreichender Breite sollen möglichst zeitnah realisiert werden. • In der gesamten Stadt sind Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung zu ergreifen, etwa eine Sperrung von Kiezen für den Durchgangsverkehr (z.B. Kiezblocks, Diagonalsperren). Die rechtlichen Befugnisse der Bezirksämter sind dazu konsequent zu nutzen. Die Verkehrsberuhigung darf sich nicht nur auf Kieze beschränken, in denen zuvor eine Bürger*inneninitiative entsprechende Forderungen an die Behörden getragen hat. Vielmehr sind gerade auch dort Maßnahmen zu treffen, wo vermehrt Menschen mit niedrigem Einkommen und hoher Verkehrsbelastung leben. 
  • Wir fordern mehr Busspuren und Spuren des Umweltverbundes, auch durch Ausweisung von “PopUp-Busspuren”. 
  • Ampelschaltungen sind grundsätzlich an Zufußgehenden auszurichten und dem Umweltverbund an Ampeln Vorrang einzuräumen. Bei Straßen, bei denen eine Vorrangschaltung kurzfristig nicht möglich ist, ist die Sicherheit der Fußgänger*innen sowie insbesondere von Menschen mit Behinderungen und Einschränkungen und Kindern sicherzustellen. Dies bedeutet beispielsweise, dass Verkehrsinseln entsprechend groß zu gestalten sind, sodass dort viele Menschen sicher warten können.
  • Wir fordern für den Fußverkehr eine verbesserte Orientierung mittels flächendeckender optischer, akustischer und digitaler Leitsysteme. 
  • Tempo 30 soll zur Regelgeschwindigkeit in Berlin werden. Dafür setzen wir uns auf Bundesebene ein. Im Ausnahmefall soll davon abgewichen werden können. Dies wäre eine Umkehrung der bisherigen Praxis. Dabei ist nach den Straßenarten und deren Aufgaben zu differenzieren. Zudem sollen Ausnahmen für den straßengebundenen ÖPNV möglich sein, damit sich die Reisezeit nicht erhöht. 
  • Nutzungen, die dem Gemeinwohl im Kiez dienen, müssen Vorrang haben, sowohl gegenüber dem Interesse Einzelner an einem kostengünstigen Parkplatz, als auch gegenüber kommerziellen Interessen.
  • Die Parkraumbewirtschaftung soll ausgeweitet werden. Die für den Anwohner*innenparkausweis fällige Gebühr soll in moderaten Schritten nach und nach steigen. Dabei soll für besonders umweltschädliche und große Fahrzeuge eine höhere Gebühr berechnet werden. Für Menschen mit körperlichen Einschränkungen soll es Ausnahmen geben. Dies gilt ebenso für Familien, die über ein geringes Einkommen verfügen. 
  • Die Anzahl der Parkplätze im Straßenland soll ab sofort schrittweise reduziert werden. Die freigewordenen Flächen sollen für den Umweltverbund oder andere öffentliche Nutzungen umgewidmet werden. 
  • Als erster Schritt sollen in jeder Parkzeile der vorderste PKW-Parkplatz wegfallen und stattdessen eine Stellfläche für Fahrräder oder ein öffentlicher Verweilraum geschaffen werden. So wird auch eine bessere Einsehbarkeit in den Kreuzungsbereich geschaffen. Als sichere Abstellorte für Fahrräder sind auch Fahrradparkhäuser auszubauen. Die Bereitstellung und Nutzung dieser muss kostenlos sein.
  • Für den Wirtschaftsverkehr sollen konsequent gesonderte Ladezonen eingerichtet werden. Zur Reduktion von Lieferverkehren sollen Konzepte zur Bündelung von Warenströmen (Terminals/CityLogistik/Mini-Hubs) gestärkt und Anreize für Umstiege auf klimaverträgliche Verteilsysteme (z.B. Lastenrad) gesetzt werden. Regionaler Netzwerke und Cluster mit kürzeren Lieferketten sollen gefördert werden. Hier ist auch der Güterverkehr mitzudenken. Mittel- und langfristig muss der Wirtschaftsverkehr vom Lastverkehr weg zum Schienennetzverkehr (U-Bahn und Straßenbahn) transportiert werden.
  • Parkhäuser müssen effektiver genutzt werden. In Neubauquartieren sind Kiezgaragen und Mobilitätsstationen zu prüfen, damit nicht mehr jede Immobilie von Straßenverkehr ansteuerbar sein muss. 
  • Wir fordern, dass die Festlegung der technischen Parameter für den deutschen Straßenverkehr und damit das Verkehrsverhalten in Deutschland nicht mehr einseitig auf Richtlinien der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e. V. beruht. Dieser Verein versammelt zwar Expertise, ist aber sehr männlich geprägt, starken monetären Einflüssen der Straßenwirtschaft unterworfen und lässt viele gesellschaftlichen Nutzer*innengruppen nur in Ausnahmefällen teilhaben. 

     

    4. Smart Mobility und E Mobilität: Technologien für eine gemeinwohl- und zukunftsorientierte Mobilitätswende 

     

    Zur Umsetzung eines Mobilitätskonzeptes, welches Nachhaltigkeit mit Gemeinwohl verbindet, dürfen wir uns nicht vor neuen Technologien verschließen. Vielmehr müssen wir diese nutzen und sicherstellen, dass alle Berliner*innen in gleichem Maße davon profitieren. Dabei ist es wichtig sich nicht nur auf eine Technologie konzentrieren. Es müssen den unterschiedlichen Mobilitätsbedarfen entsprechende Angebote zur Verfügung stellen, damit ein flächendeckendes Angebot geschaffen werden kann. Sharing-Angebote Sharing-Angebote tragen dazu bei, dass Menschen einfacher auf ein eigenes Auto verzichten können und sinnvollere, rationalere Mobilitätsentscheidungen treffen sowie schlussendlich ein umwelt-, stadt- und verkehrsverträglicheres Mobilitätsverhalten ausüben. Sie verbessern das Angebot an Mobilität für alle Menschen erheblich und stärken den Umweltverbund. 

     

    Aus diesem Grund sollten Sharing-Angebote einen Teil der Daseinsvorsorge darstellen, ebenso wie der ÖPNV und diesen sinnvoll ergänzen. Daher muss Sharing zukünftig enger mit dem ÖPNV verzahnt und als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge insbesondere in den Außengebieten gefördert und unterstützt werden. Plattformen wie die JelbiApp der BVG stellen dafür ein positives Beispiel dar und sollen weiterverbreitet sowie unter Einbezug aller Anbieter weiterentwickelt werden. Fahrzeuge, die möglichst auch von mobilitätseingeschränkten Personen (Rollstuhlfahrer*innen) genutzt werden können, sind in ausreichender Anzahl vorzuhalten. Sharing-Mobilität erfährt im Vergleich zum privaten Pkw aktuell eine unverhältnismäßige Diskriminierung und Benachteiligung, z.B. hinsichtlich Abstellflächen und Bepreisung. Diese muss zugunsten einer stärkeren Förderung und Bevorrechtigung von Sharing-Angeboten beendet werden. Stattdessen muss die Nutzung des privaten Pkw unter allen Umständen zugunsten der Alternativen eingeschränkt werden. 

     

    Im Vergleich mit anderen Formen von Sharing-Mobilität wird Carsharing in der Regel nicht intermodal (also in Kombination mit anderen Verkehrsmitteln) als Zubringer für den ÖPNV genutzt, sondern im Rahmen von StartZiel-Verkehren meist ohne Umstieg für ausgewählte Wege und Anlässe. Dennoch führt auch Carsharing zu multimodalem Mobilitätsverhalten (also der Wahl zwischen verschiedenen Verkehrsmitteln je nach Anlass). Dadurch trägt es kurzfristig dazu bei einem Zweitwagen oder generell Autofahrten mit dem privaten Pkw zu ersetzen. Langfristig führt es zur Abschaffung des eigenen Autos. Für nicht-Pkw-Besitzende erhöht es die Mobilitätsoptionen und belohnt somit multimodales, anlassbezogenes Verkehrsverhalten. 

     

    Wir fordern daher die sozialdemokratischen Mitglieder des Abgeordnetenhauses und des Senats auf

    • Allgemein muss sich die Smart-City-Strategie der Stadt Berlin mit dem Einsatz digitaler Technologien zur Förderung der Sicherheit von FINTA*-Personen und BIPoCs sowie von Menschen mit Behinderungen im öffentlichen Raum befassen. Hierfür ist im ersten Schritt eine Datenerfassung über die Mobilität dieser Gruppen notwendig. Dabei muss absolut sichergestellt sein, dass der Zugriff auf diese Bewegungsdaten durch Dritte nicht möglich ist. Die Daten dürfen nur anonymisiert und zusammengefasst betrachtet werden, sodass ein Rückschluss auf Einzelpersonen ausgeschlossen ist.
    • Eine konsistente Landesstrategie im Hinblick auf Sharing-Mobility. Die Angebotemüssen gemeinsam gedacht werden und auf dieselben verkehrspolitischen Ziele einzahlen. In Bezug auf die Reglementierung bei der Nutzung des öffentlichen Raums sollte aber eine getrennte Betrachtung von Fahrradsharing, Scootersharing und Carsharing erfolgen. 
    • Fahrradsharing sollte per se nicht zusätzlich zusätzlich von Landesseite bepreist werden. Das Angebot in Landeskooperation (aktuell Nextbike) sollte über mehr und qualitativ hochwertigere Stationen, insbesondere an ÖPNV-Umsteigepunkten, verfügen. Daneben sollten die eigenwirtschaftlichen Anbieter im stationsungebundenen Sharing in eine gemeinsame App, z.B. Jelbi, integriert sein und Gesamtzahl sowie Geschäftsgebiet durch eine Ausschreibung gesteuert werden können. 
    • Scootersharing (E-Moped und E-Tretroller) sollte dagegen zusätzlich eine nicht-betriebsschädigende Sondernutzungsgebühr für die Nutzung des öffentlichen Raums (ÖR) entrichten, aus der unter anderem die Einrichtung von Abstellflächen im ÖR finanziert werden. Ähnlich wie beim Fahrradsharing ergibt die Steuerung des Angebots über einen Ausschreibungsprozess Sinn, der das Einzahlen auf ausgewählte und messbare verkehrspolitische Landesziele unterstützt. 
    • Die Berliner Verwaltung soll zusammen mit den Bezirken jährlich eine feste Quote von PkwParkplätzen für Sharing-Abstellflächen umwandeln. Solange kein dichtes, flächendeckendes Angebot an öffentlichen Abstellflächen existiert, muss das flexible, aber korrekte Abstellen weiterhin möglich sein. Perspektivisch sollen Sharing-Abstellflächen ein engmaschiges Netz bilden und in Wohngebieten für alle Menschen in Laufweite erreichbar sein. 
    • Carsharing darf gegenüber dem privaten Pkw-Besitz nicht benachteiligt, sondern muss priorisiert werden und dazu dienen, Menschen mit Auto den Umstieg auf Sharing und den Umweltverbund zu vereinfachen. 
    • Da Carsharing die bereits vorhandene und von der öffentlichen Hand bewirtschafteten Straßen- und Abstellflächen nutzt, entstehen keine signifikanten zusätzlichen Kosten, die eine Sondernutzungsgebühr für die Nutzung des öffentlichen Raums rechtfertigen. Die maximalen Parkgebühren für Carsharing sollten sich an denen eines Bewohnerparkausweises orientieren. 
    • Gesonderte, bevorzugte Stellplätze für Carsharing sind in jedem Straßenzug zu schaffen, der weiterhin auch Parkplätze für private Pkws bereitstellt. 
    • Das Land Berlin soll die Carsharing-Anbieter dabei unterstützen schnellstmöglich auf eine komplett elektrische Flotte umzustellen. Exklusiv zugängliche Ladeinfrastruktur ist in Kooperation mit den Anbietern zu schaffen und gemeinsam zu finanzieren. 
    • Mehr Anstrengungen des Senats im Bereich von “Mobilität als Service”: Die Standorte von Sharingund andere Mobilitätsanbietern sollen im Sinne der multimodalen Mobilität berlinweit verteilt werden. Ferner sollen deren Angebote umfassend in einer App integriert werden. Die App soll die SharingKultur beflügeln und die effiziente Vernetzung der Verkehrsmittel fördern. Es braucht einheitliche Datenschnittstellen, welche anbieterübergreifene Routenplaner und Buchungsapps für alle Formen der geteilten Mobilität (ÖPNV, Rufbus, Taxi und Sharingdienste) ermöglichen. 

     

    E Mobilität & Ladeinfrastruktur 

     

    Wir machen in diesem Antrag deutlich, dass es eine tiefgreifende Verkehrswende zugunsten des Umweltverbundes braucht. Zur Realität gehört aber auch, dass der motorisierte Individualverkehr (MIV) mittelfristig (noch) nicht verschwinden wird. Der verbleibende Autoverkehr muss aber so schnell wie möglich an die Bedürfnisse einer modernen Stadt angepasst werden. Um ein solches Mobilitätsangebot zu schaffen, welches flächendeckend die Mobilitätsbedürfnisse der Berliner*innen abdeckt und gleichzeitig klimafreundlich ist, müssen wir uns auf die batterieelektrische Elektromobilität fokussieren. Es ist nachgewiesen, dass diese den höchstenWirkungsgrad und damit einhergehend den geringsten Energiebedarf im Vergleich mit anderen Technologien hat. Erneuerbar gewonnener Strom kann direkt genutzt werden, wobei der ohnehin notwendige Netzausbau für erneuerbare Energien Hand in Hand gehen kann mit dem Aufbau intelligent steuerbarer Ladeinfrastruktur. Die Batterie- und Akkuentwicklung befindet sich zudem noch im Anfangsstadium und bereits heute ist abzusehen, dass zukünftig durch die Forschung deutlich umweltfreundlichere Batterien verfügbar sein werden, die leistungsfähiger sind und nur einen Bruchteil an Ressourcen benötigen. Unternehmen müssen darüber hinaus verpflichtet werden sozial- und umweltstandards auch in der Rohstoffgewinnung einzuhalten und dabei streng kontrolliert werden. Die Möglichkeit Batterien vollständig zu recyclen oder als SecondLife-Stromspeicher zu nutzen muss ebenfalls Berücksichtigung finden. Daneben ist batterieelektrische Mobilität in vielen Fällen auch die langfristig preisgünstigste Lösung, die bereits heute im nötigen Umfang umgesetzt werden kann. Das ist wichtig, um die Ziele hinsichtlich einer Dekarbonisierung bis 2030 zu erreichen, da insbesondere die Beschaffung und Erneuerung von Fahrzeugflotten in Unternehmen eine entsprechend lange Planungsund Vorlaufzeit hat. 

     

    Wir fordern daher: 

    • Die Verwendung von Brennstoffzellenfahrzeugen nur dort, wo keine geeignete Lösung mit batterieelektrischen Fahrzeugen möglich ist, da grüner Wasserstoff dringender in anderen Wirtschaftsbereichen, wie z.B. der Industrie, gebraucht wird. 
    • Berlin im Bereich Forschung und Entwicklung von Batterietechnologien und E-Mobilität etablieren und neue Forschungskapazitäten ausbauen. 
    • Erarbeitung eines Masterplans Ladeinfrastruktur, der den privaten und öffentlichen Ladeinfrastrukturaufbau koordiniert und vereint. Dabei sollen künftig zu schaffende autofreie Zonen, insbesondere in der Innenstadt berücksichtigt werden und dort bereits präventiv vom Aufbau abgesehen werden. 
    • Ladeinfrastruktur im öffentlichen Raum zudem nur dort bereitzustellen, wo gewährleistet ist, dass die Flächen in den nächsten Jahren nicht für den Ausbau von ÖPNV, Radverkehr und Grünanlagen vorgesehen sind. 
    • Tankstellen sollen perspektivisch zu Schnellladehubs umfunktioniert werden. Ausnahme machen wir dabei am Stadtrand. Bis zum Ausbau der Sharingdienste, werden diese Ladesäulen kurz- und mittelfristig auch Privathaushalten zur Verfügung gestellt.
    • Aufbauverpflichtung für Ladeinfrastruktur bei Unternehmen mit großen Parkplätzen, die ihre Parkplätze perspektivisch auch beibehalten werden, z.B. Supermärkte, Baumärkte und Möbelgeschäfte • Ergänzender Aufbau von netzdienlich zu managender Ladeinfrastruktur (AC) an Orten mit hohen Standzeiten, z.B. Park-and-Ride, Flughafen und Bahnhof 
    • Stromnetze da wo notwendig ertüchtigen, insbesondere Ausbau des Mittelspannungsnetzes und Einsatz von Lade- und Energiemanagement. Koordinierung im Rahmen des Masterplans, um den Ausbau sinnvoll und planmäßig zu steuern.

     

    Antrag 52.1/II/2022 Schulbau und Sanierung bleibt unsere Priorität! (Ersetzungsantrag zu Anträgen 52-55/II/2022)

    8.11.2022

    Die sozialdemokratischen Mitglieder des Senats und die SPD-Fraktion werden aufgefordert, sich weiterhin mit voller Kraft hinter die Schulbauoffensive zu stellen.

     

    Bereits in den Verhandlungen zum Berliner Landeshaushalt wurde seitens Senatsverwaltung für Finanzen der Versuch unternommen dringend nötige Investitionen in den Schulbau hinauszuschieben. Dies konnte gerade noch rechtzeitig  durch einen breiten öffentlichen Widerstand und den Druck der SPD-Fraktion verhindert werden. Doch auch jetzt plant die Senatsverwaltung für Finanzen durch die Hintertür erneut Investitionsmaßnahmen zu verschieben. Dadurch wird das Volumen der Schulbauoffensive faktisch gekürzt und diese entgegen aller Bedarfe hinausgezögert. Dies verstärkt nicht nur den enormen Schulplatzmangel in Berlin, sondern widerspricht auch sämtlichen Verlautbarungen des Senats nicht an Investitionen zu sparen.

     

    Für uns ist klar: auch in Krisenzeiten werden wir keine Kürzung oder Verschiebung der Schulbauoffensive vornehmen und und mit allen Kräften gegen entsprechende Vorhaben wenden. Hierbei ist der aktuelle Beschluss der SPD-Fraktion, eine zweite Wohnungsbaugesellschaft für den Schulbau zu verpflichten, ausdrücklich zu begrüßen. Nicht nur die Planungskapazitäten der Berlinovo sondern auch die dabei entstehenden, zusätzlichen finanziellen Spielräume eröffnen uns die Möglichkeit schneller mehr Plätze zu schaffen oder zu erhalten – ein Ziel das die absolute Priorität dieser Legislatur bleiben muss. Bei der Umsetzung ist Dringlichkeit geboten, eine Verzögerung durch Wahlkampf würde nur auf Kosten der dringend benötigten Schulplätze gehen. Daher sind schon im Verlauf des Jahres 2022 erste Weichen zu stellen und die Abfrage der Bezirke zu starten. 

     

    Bei der vertraglichen Ausgestaltung sind folgende Aspekte zwingend zu berücksichtigen:

    • Der Berlinovo-Vertrag soll analog zur HOWOGE nicht nur Neubau, sondern vor allem Großsanierung abdecken, denn nur die schnelle Übernahme von Großsanierungen wird dafür sorgen, dass der Erhalt der bestehenden Schulplätze in den Mittelpunkt rückt. 
    • Des Weiteren soll mit der Berlinovo erstmalig die Möglichkeit eröffnet werden,  dass statt Neubau temporäre Bauten errichtet werden, bspw. “fliegende Klassenzimmer”. Bisher wird diese Möglichkeit vor allem vom Land selbst für Erweiterungsbauten in Anspruch genommen. Aktuell steht die Zeit, die ein Neubau benötigt, in Konflikt mit der Geschwindigkeit, mit der neue Plätze benötigt werden. Nicht zu unterschätzen sind auch die finanziellen Aspekte, die für dasselbe Geld mehr Plätze ermöglichen. Daher soll bei jedem neu zu beginnenden Projekt auch die Abwägung vorgenommen werden, ob die benötigten Schulplätze die Zeit haben, auf den Bau einer neuen Compartmentschule zu warten, oder ob nicht ein temporärer Bau schneller zum vergleichbaren Ziel führt.
    • Die Verträge beider Gesellschaften sollen den Tausch von Projekten ermöglichen und Übernahme von Ausweichstandorten ermöglichen.
    • Die Bezirke sollen für den Fall, dass ihre Maßnahmen nicht von SenStadt, sondern von einer Baugesellschaft übernommen werden, keine finanziellen Nachteile erleiden. Ihnen müssen alle Belastungen aus dem Modell, die bei einer Bauausführung in Eigenregie oder durch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen nicht entstehen würden (Finanzierung durch gezielte Zuweisungen des Senats), ausgeglichen werden. Wir fordern daher, dass der Senat in Konkretisierung des Sideletters zum Rahmenvertrag mit der HOWOGE erklärt, dass den Bezirken die an die HOWOGE zu leistenden Mietzahlungen per Basiskorrektur und ohne Absenkung des Bezirksplafonds vollständig ausgeglichen werden.

     

    Auch wenn die Einbindung einer zweiten Wohnungsbaugesellschaft eine starke Entlastung für die Bezirke sein wird und damit die zentrale Maßnahmen für die zusätzliche Beschleunigung der Schulbauoffensive, bleibt die Investitionsplanung das zentrale Instrument für die Steuerung der unzähligen Sanierungsbedarfe dieser Stadt, die auch in Zukunft in der bezirklichen Zuständigkeit bleiben werden. Die SPD begrüßt, dass der Berliner Senat zugesagt hat, dass – über die in der Investitionsplanung enthaltenen Schulbau- und Schulsanierungsmaßnahmen hinaus – die Realisierung von Maßnahmen vorgezogen werden kann. 

     

    Um der zukünftigen Ausgestaltung der Investitionsplanung erfolgreicher auszugestalten sind folgende Aspekte zu berücksichtigen:

    • Wir fordern mehr Transparenz bei der Erstellung von I-Programm und überbezirklicher Dringlichkeitsliste. Hier müssen die Bezirke mehr Mitspracherecht erhalten. Dazu sollen die Ausführungsvorschriften zur Landeshaushaltsordnung so angepasst werden, dass die fachliche zuständige Senatsverwaltung die angewendeten Priorisierungskriterien den Bezirken mitteilt, hierbei die von diesen gemeldeten Informationen über den baulichen Zustand (z.B. drohender Verlust an Schulplätzen) berücksichtigt, sowie den Bezirken vor Weiterleitung an die Senatsverwaltung für Finanzen die Möglichkeit zur Stellungnahme gibt.
    • Die Aufnahme einer Baumaßnahme in die Investitionsplanung ist laut der Ausführungsvorschriften zur LHO Voraussetzung dafür, dass mit Planungen begonnen werden kann. Gäbe es mehr Freiheit zum Planen, könnten bei Verzögerungen stattdessen andere Maßnahmen vorangetrieben werden. Daher fordern wir die Streichung dieser Regelung in den Ausführungsvorschriften zur LHO, um den Bezirken die Freiheit einzuräumen, mehrere Maßnahmen in der Planung voranzubringen und damit bei Verzögerungen einzelner Maßnahmen schnell Alternativen aufnehmen zu können.
    • Die dringend notwendigen Schulsanierungsmaßnahmen in besonders betroffenen Bezirken sind mit entsprechender Verbindlichkeit abzusichern, um die baubedingte Schließung von Schulen abzuwenden und den Wegfall dringend benötigter Schulplätze nicht zu riskieren. Der Senat wird aufgefordert, diese Maßnahmen in die Investitionsplanung aufzunehmen bzw. bei entsprechender Dringlichkeit außerplanmäßige Mittel im Sinne einer Haushaltsüberschreitung gem. Art. 88 VvB zu genehmigen und nicht, wie bisher, einen Tausch mit Maßnahmen, die in der I-Planung sind, als zwingende Voraussetzung für die Aufnahme der dringlichen Maßnahmen vorzusehen.
    • Um das Finanzierungsbudget für Baumaßnahmen in den nächsten Jahren zu erhöhen, sollen Haushaltsüberschüsse z.B. aus der vorläufigen Haushaltsführung in 2022 in ein Sondervermögen eingebracht werden.

     

    Für ein effektives Arbeiten im Bereich Schulbau ist eine konstruktive Zusammenarbeit der beteiligten Behörden von großer Bedeutung. Die sozialdemokratischen Bezirksamtsmitglieder und Bezirksverordneten sollen sich daher für die Etablierung von Abstimmungsformaten auf bezirklicher Ebene nach dem Vorbild der Taskforce Schulbau Mitte einsetzen. Diese sollen auch die Rückkopplung zur Taskforce Schulbau auf Landesebene ermöglichen.

     

    Antrag 107/II/2022 Willkommenskultur stärken, personelle Vielfalt vorleben, Einbürgerungen steigern - die SPD will das neue Landeseinbürgerungszentrum als Leuchtturmprojekt an den Start bringen

    19.10.2022

    Die sozialdemokratischen Senatsmitglieder und die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus werden aufgefordert dafür Sorge zu tragen, dass bei dem im Aufbau befindlichen Landeseinbürgerungszentrum, Vielfalt auf allen Ebenen des Amtes bis in die Spitze personell vorgelebt und eine wertschätzende Willkommenskultur gegenüber den Einbürgerungsantragssteller:innen etabliert wird.

    Das richtige politische Ziel einer deutlichen Steigerung der Einbürgerungen kann nur gelingen, wenn eine positive Identifikation der eingewanderten Bevölkerung mit dem Landeseinbürgerungszentrum und seinen vielfältigen Beschäftigten sowie der gelebten Willkommenskultur entsteht und ein starker Servicegedanke den Geist des Amtes prägt, der Einbürgerungswilligen Wertschätzung und Unterstützung auf dem Weg zur deutschen Staatsbürgerschaft entgegenbringt und bestehende Hürden im Antragsverfahren entsprechend der rechtlichen Vorgaben im Sinne der Antragstellenden überwinden hilft.

     

    Daher fordern wir:
    Um die personelle und kulturelle Aufstellung im Sinne einer inklusiven und diversitätsorientierten Behörde zu meistern, ist das Gesetz zur Förderung der Partizipation in der Migrationsgesellschaft (PartMigG) anzuwenden und die fachliche Expertise der vom Land Berlin extra dafür geschaffenen und finanzierten Fachstelle Diversitätsorientierte Organisations- und Kompetenzentwicklung im Land Berlin (Fachstelle DOKE) zu beteiligen, die den Prozess begleitet.

    Antrag 163/II/2022 Mehr Polizei bedeutet nicht mehr Sicherheit – Keine Polizeiwache am Kotti!

    10.10.2022

    Das Kottbusser Tor ist Begegnungsort für viele Menschen der Berliner Stadtgesellschaft. Immer wieder ist das Kottbusser Tor ein polarisierendes Diskussionsthema. Sei in der mietenpolitischen Debatte über das Neue Kreuzberger Zentrum (NKZ), den Umgang mit Drogenkonsument*innen und Obdach- und Wohnungslosigkeit oder das Vorgehen der Berliner Polizei an einem durch sie selbst definierten „kriminalitätsbelasteten Ort“. Dass nun gerade am Kotti die Polizeipräsenz verstärkt werden soll, hat System: Als kriminalitätsbelastete Orte werden meistens solche Orte definiert, an denen viele Black, Indigenous, and People of Color (BIPoCs) leben und arbeiten. Dass hier bisher verdachtsunabhängige Polizeimaßnahmen erlaubt sind, führt dazu, dass überproportional viele BIPoCs von diesen Maßnahmen betroffen sind. Auch durch diesen Teufelskreis werden Narrative von kriminellen „Ausländern“ seit Jahrzehnten in der öffentlichen Debatte befeuert. In diese Diskussion kommt nun der Vorstoß der Senatsverwaltung für Inneres, im ersten Stock des Neuen Kreuzberger Zentrum eine Polizeiwache zu errichten. Als Vorbild dient die Polizeiwache am Alexanderplatz, die aktuell wegen Rassismusvorwürfen und Beschuldigung der Körperverletzung im Amt in der Kritik steht. Wir Jusos sehen uns daher in unserer Position bestärkt, dass mehr Polizeipräsenz nicht zu mehr Sicherheit führt. Eine höhere Polizeipräsenz verstärkt vorherrschende Machtstrukturen und führt zu stärkerer Ausgrenzung marginalisierter Gruppen. Gleichzeitig fühlen sich BIPoC durch vermehrte Polizeipräsenz oft alles andere als sicher, da für diese Communitys die Gefahr steigt, Racial Profiling ausgesetzt zu sein und Polizeigewalt zu erleben. Wenn überhaupt, steigt das subjektive Sicherheitsgefühl durch die Anwesenheit der Polizei somit nur für weiße Menschen. Wir Jusos stehen für einen inklusiven Sicherheitsbegriff, der die soziale Sicherheit in den Blick nimmt und sich auch an den Bedürfnissen marginalisierter Gruppen wie FINTA, BIPoC und Menschen mit Behinderungen orientiert. Während die Polizeiwache am Kottbusser Tor insgesamt von einigen Anwohner*innen und örtlichen Gastronom*innen gefordert wird und sich auch im Bezirk und im Land die Fraktionen der Grünen, Linken und SPD für eine Wache am Kottbusser Tor ausgesprochen haben, ist der nun festgelegte Standort mehr als problematisch. Die Polizeiwache soll im ersten Stock des NKZ durch eine Glasfassade Überblick über das gesamte Kottbusser Tor haben. Dabei ist die Wache weder barrierefrei zugänglich noch räumlich ausreichend dimensioniert für eine dauerhafte Besetzung. Dennoch wurde der Mietvertrag ohne eine vorherige gesamtgesellschaftliche oder innerparteiliche Debatte ein paar Tage vor dem Landesparteitag der SPD Berlin unterschrieben. Dieses Vorgehen trägt nicht zur allgemeinen Akzeptanz der Maßnahme bei.

     

    Abgesehen von den grundsätzlichen Argumenten gegen die Wache haben sich sowohl einige der Anwohner*innen und Gastronomiebetreiber*innen, als auch die SPD-Fraktion der BVV Friedrichshain-Kreuzberg deutlich gegen den gewählten Standort positioniert. Aus Kreisen der Senatsverwaltung für Inneres heißt es, es wären mehrere mögliche Standorte geprüft worden und der nun gewählte Platz sei die bestmögliche Lösung. Eine transparente Liste der geprüften Standorte und der zugrundeliegenden Auswahlkriterien existiert jedoch nicht. Die Polizeiwache ist Teil eines Gesamtkonzepts für das Kottbusser Tor, das neben der Polizeipräsenz eine stärkere Unterstützung der sozialen Projekte vor Ort und ein Konzept für mehr Sauberkeit vorsieht. Diese sind in der Verantwortung der Senatsverwaltung für Soziales und dem Straßen- und Grünflächenamt. Nach der Vorstellung des Plans für die Polizeiwache halten sich die anderen Ressorts leider sehr zurück mit der Umsetzung ihrer Verantwortlichkeiten. Ursprünglich waren Finanzmittel von 250.000 Euro für den Neubau der Wache vorgesehen, inzwischen belaufen sich die Kosten auf 3,75 Millionen. Dieses Geld wäre aus unserer Sicht mit Investitionen in soziale Projekte, eine bessere Ausstattung der Drogenkonsumräume und mehr Sauberkeit der Straßen- und Grünflächen sinnvoller angelegt.

     

    Wir fordern daher von der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus sowie den sozialdemokratischen Mitgliedern des Berliner Senats:

    • Den Stopp der Planungen und Baumaßnahmen der Polizeiwache am Kottbusser Tor
    • Eine stärkere Finanzierung und Bereitstellung von mehr Drogenkonsumräumen
    • Ausbau der Zusammenarbeit mit Streetworker*innen und Suchtberater*innen
    • Offenlegung der Liste der geprüften Standorte für die geplante Polizeiwache am Kottbusser Tor
    • Umsetzung des im Koalitionsvertrag verankerten Racial-Profiling-Verbotes
    • Einwirken auf die Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz zur Umsetzung ihres Sauberkeits- und Grünflächenkonzepts, sowie auf das Straßen- und Grünflächenamt für das Kottbusser Tor
    • Einwirken auf die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales zur Umsetzung des Sozialkonzepts für das Kottbusser Tor