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Antrag 42/II/2017 Politische Bildung für alle! – Für einen Politikunterricht ab Klasse 7

14.10.2017

In der derzeitigen Schüler*innengeneration wird Politik im Rahmen des Faches Sozialkunde zusammen mit Geschichte in zwei Unterrichtsstunden pro Woche unterrichtet, wovon ein Drittel auf Politik entfallen soll. Aufgrund unterschiedlicher Faktoren, wie zum Beispiel der zu behandelnden Stoffmenge oder anderer Schwerpunktsetzung des nur in einem Fach ausgebildeten pädagogischen Personals, kommt der Politikteil für viele Schüler*innen zu kurz.

 

Als Resultat findet ein breiter fundamentgebender Politikunterricht nur in der Oberstufe für interessierte Schüler*innen statt. Politik entwickelt sich in einem seit 26 Jahren sozialdemokratisch geführten Bildungssystem zu einem Fach der akademischen Elite. Laut Studien der Friedrich-Ebert-Stiftung ist die Schule der wichtigste Ort der Begegnung mit Politik für Jugendliche und Politikunterricht in der Schule kann die politische Partizipation erhöhen.

 

Folgen des geringen Kontaktes in der Schule mit Politik sind, dass Schüler*innen die Bildung einer eigenständigen politischen Meinung erschwert wird und ihnen Partizipationsmöglichkeiten verborgen bleiben.

 

Gerade in einem Zeitalter, wo „fake news“ allgegenwärtig sind, ist ein neutraler Ort, an dem Schüler*innen lernen, selber kritisch politische Prozesse zu hinterfragen und aktuelle Entwicklungen zu verstehen und zu diskutieren, von enormer Wichtigkeit.

 

Dass eine politische Grundbildung die Grundlage für eine funktionierende Demokratie ist, wird bei jedem Wahlkampf deutlich, wo selbst der Unterschied zwischen Erst- und Zweitstimme vielen Wahlberechtigten unklar bleibt. Der Ort, um diesem Demokratiedefizit entgegenzutreten und die Partizipation aller Bürger*innen zu fördern, ist in der Schule, wo jede*r erreicht wird.

 

Seit 2010 fordern Schüler*inneninitiativen wie Politik als Schulfach, verschiedene Schulgremien, wie LEA und LSA oder Verbände wie „mehr als lernen“, die Stärkung der politischen Bildung in der Schule. Die Senatsverwaltung hatte trotz starkem Umsetzungswillen wenig Spielraum, diesen zu verwirklichen. Derzeit gibt es aktive Verhandlungsrunden mit gleicher Zielsetzung. Wichtig ist den Antragssteller*innen, dass selbst bei Fächerzusammenlegung die politische Bildung auf mindestens eine Stunde pro Woche erhöht wird. Hiermit käme man der Bitte der Lehrer*innenverbände der Gesellschaftswissenschaften entgegen und verhindert eine „Kannibalisierung“ von wichtigen Unterrichtsfächern wie Ethik. Bezüglich der anfallenden Personalkosten, die sich im kleinen zweistelligen Millionenbereich befinden werden, ist festzuhalten, dass der Gewinn für die demokratische Gesellschaft um ein Vielfaches höher ist. Denn auch im Land Brandenburg, mit dem ein gemeinsamer Rahmenlehrplan besteht, weiß man um die Wichtigkeit der politischen Bildung für die zukünftigen Wählenden.

 

Die SPD-Mitglieder des Senates und die sozialdemokratischen Mitglieder des Abgeordnetenhauses werden aufgefordert, ihre Bemühungen dahingehend zu verstärken, dass an allen Berliner Schulen ab dem Schuljahr 2018/2019 verpflichtend ab Klasse 7 und vor allem durchgängig bis zum Beenden der Schullaufbahn (eingeschlossen Berufsschulen) der Politikunterricht als eigenständiges Fach im Umfang von mindestens einer Schulstunde wöchentlich unterrichtet wird.

Antrag 43/II/2017 Arbeiter*innenbewegung, Arbeitskampf und betriebliche Mitbestimmung als verpflichtende Module im Unterricht verankern

14.10.2017

Die Schule hat neben der Vermittlung von Wissen und Können unter anderem die zentrale Aufgabe, Schüler*innen darin zu fördern, sich für sich und andere einzusetzen und ein aktives soziales Handeln zu entwickeln. Darüber hinaus soll Schule im Sinne der Berufsorientierung die Schüler*innen dazu befähigen, eine für sie sinnstiftende Beschäftigung zu finden und ein gutes, selbstbestimmtes Leben führen zu können.

 

Schüler*innen sollten darin gefördert werden, sich ihrer zukünftigen Arbeitssituation im Kontext eines kapitalistischen Systems mit ungleicher Verteilung an Produktionsmitteln sowie dem Widerspruch zwischen Arbeit und Kapital bewusst werden zu können. Gleichzeitig sind Schüler*innen dazu zu befähigen, für ihre Rechte, für gute Arbeit, eine gerechte Verteilung und Beteiligung zu streiten und sich organisieren zu können.

 

Momentan ist jedoch festzustellen, dass das Bildungssystem Schüler*innen in dieser Hinsicht kaum fördert. Die Berufsorientierung reduziert sich auf berufspraktische Erprobungen durch Berufspraktika und die Schwerpunktsetzung auf die Berufswahl in den Jahrgangsstufen 8 – 10.  Schüler*innen wird die Verwertungslogik des Kapitalismus durch den immer wieder erhobenen Anspruch der Verbesserung des eigenen „Humankapitals“ als Maxime eingetrichtert, statt Alternativen aufzuzeigen. Themen wie die Arbeiter*innenbewegung, Formen betrieblicher Mitbestimmung, gewerkschaftliche Arbeit und Strukturen gehören nicht zu den Pflichtthemen. Letztlich bedeutet dies in der Realität in den allermeisten Fällen, dass Schüler*innen in ihrer gesamten Schullaufbahn überhaupt nicht mit diesen Themen in Berührung kommen.

 

Um dem skizzierten Bildungsauftrag der Schule umfassend gerecht zu werden, sind die folgenden Themen unverzichtbar:

  • die historische Entwicklung von Arbeit im Kapitalismus,
  • die historische Entwicklung und gesellschaftliche Bedeutung der Arbeiter*innenbewegung,
  • Arbeitnehmer*innenrechte (auch Berufsbildungsgesetz und Jugendarbeitsschutzgesetz),
  • die Formen des Arbeitskampfes,
  • Aufbau, Aufgabe und Arbeit der Gewerkschaften,
  • Grundlagen der Tarifpolitik,
  • Formen der betrieblichen Mitbestimmung (insbesondere durch Betriebsräte).

 

Wir wollen diese Themen als verpflichtende Themen im Unterricht stärken. Das Ziel muss es sein, dass unabhängig von der Schulform (ISS oder Gymnasium) und des erreichten Schulabschlusses (BBR, MSA oder Abitur) sämtliche Schüler*innen grundlegende und/oder vertiefende Kenntnisse in den genannten Themen erwerben.

 

Wichtig ist zudem, dass die genannten Themen in eine Vielfalt von Weltanschauungen wertfrei einzubetten sind.

 

Wir fordern daher die sozialdemokratischen Mitglieder des Abgeordnetenhauses und des Berliner Senats dazu auf, sich dafür einzusetzen,

 

  • in den Rahmenlehrplänen der Fächer Geschichte und Sozialkunde für die Sekundarstufe I,
  • in den Rahmenlehrplänen der Fächer Geschichte und Politik für die Sekundarstufe II sowie
  • im Rahmenlehrplan des perspektivisch eingeführten Faches Politik für die Sekundarstufe I
  • im Rahmenlehrplan aller Berufsschulen

die Module „Arbeiter*innenbewegung“, „Arbeitskampf“ und „betriebliche Mitbestimmung“ als Pflichtmodule zu verankern.

 

Die genannten Themen sind dabei sinnvoll in die Pflichtmodule einzubetten. Bei der Integration dieser Pflichtmodule ist darauf zu achten, dass sich alle Schüler*innen innerhalb der Sekundarstufe I unabhängig von der Fächerwahl, Schulform und ihres erreichten Schulabschlusses mit den Grundlagen dieser Module auseinandergesetzt haben. In der Sekundarstufe II erfolgt die Vertiefung dieser Module.

Antrag 44/II/2017 Privatschulfinanzierung

14.10.2017

Alle Schulen für alle Kinder! Gute Bildung darf keine Frage des Geldbeutels sein

Schulen in freier Trägerschaft erfüllen in Berlin eine wichtige Funktion, weil sie unser Schulangebot bereichern. Das kann aber nur gelingen, wenn sie sozial offen und keine Bildungsinseln für Besserverdienende sind. Freie Schulen müssen für alle Kinder unabhängig von den Einkommensverhältnissen der Eltern zugänglich sein, so steht es in Artikel 7 Grundgesetz. Dafür werden sie mit 60 bis 70 Prozent der Vollkosten vom Senat gefördert. Im Gegenzug müssen sie ihrer sozialen Verantwortung gerecht werden.

 

Die SPD fordert dafür klare und faire Regelungen und Kontrollen:

  • Für die einkommensabhängige Staffelung der Elternbeiträge muss es verbindliche Vorschriften geben, die Rechtsgültigkeit haben und von den Eltern eingefordert werden können.
  • Einkommensschwächere Familien müssen von den Schulgeldern weitgehend oder vollständig befreit sein. 100 Euro pro Monat und Kind auf der niedrigsten Stufe sind für viele Familien in Berlin nicht finanzierbar. Lernmittelbefreite Familien müssen ihre Kinder bis zu einer bestimmten Quote kostenlos an die private Schule schicken können.
  • Die Förderung der freien Schulen muss mit dem Vollkostenmodell auf eine neue Grundlage gestellt werden. Wir stehen zur Regelung im Koalitionsvertrag, nach der Schulen, die viele Kinder aus einkommensschwächeren Familien aufnehmen und Inklusion umsetzen, höhere Zuschüsse erhalten, Schulen mit einer hohen Sonderung aber weniger. Bei Schulen mit einer hohen Sonderung und hohen Schulgebühren sollte die staatliche Unterstützung weit gehend zurückgefahren werden.
  • Private Schulen sollen durch staatliche Zuschüsse und Pflichtgebühren nicht mehr Geld zur Verfügung haben als staatliche Schulen. Eine Konkurrenz der besten Konzepte zwischen öffentlichen und privaten Schulen ist nur gerecht bei gleichen Ausgangsbedingungen.
  • Wenn Erzieher/innen, Lehrer/innen und weiteres Personal an Privatschulen die staatlichen Personalkostenzuschüsse nach Tarifordnung erhalten, müssen diese Tarife vollumfänglich an die Angestellten von Privatschulen weitergegeben werden.
  • Es braucht verlässliche Daten, Transparenz und Kontrolle, um sicherzustellen, dass die Regeln eingehalten werden. Deshalb betreibt die Bildungsverwaltung ein kontinuierliches Monitoring bei der Privatschulfinanzierung.

 

 

Antrag 45/II/2017 Kinder haben ein Recht auf einen vollen Magen: kostenfreies Mittagessen jetzt!

14.10.2017

Mindestens 600.000 Kinder leben in Deutschland in absoluter Armut

 

Das Thema Familie prägt stets die Wahlkämpfe aller Parteien. Kein Wunder, denn nicht weniger als acht Millionen Familien mit minderjährigen Kindern leben in Deutschland. Mit dem Elterngeld Plus, dem Kita-Ausbau, der Erhöhung des Kindergeldes, dem Steuerfreibetrag, dem Wohngeld und dem Unterhaltsvorschuss und weiteren geplanten Gesetzesvorhaben setzt sich die SPD kontinuierliche für eine Stärkung der Familien ein. Doch das Geld kommt gar nicht bei allen Familien an!

 

Denn trotz all dieser Maßnahmen leben in Deutschland immer noch mindestens 600.000 Kinder (4,7 Prozent der unter 18-Jährigen) in absoluter Armut und bekommen nicht regelmäßig genug zu essen. Weitere 2,7 Millionen Kinder gelten als relativ arm. Laut dem neuen Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung leben diese Kinder in Haushalten mit weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens und das oft über mehrere Jahre. Somit ist fast jedes fünfte Kind von Armut unmittelbar betroffen oder davon bedroht. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass die Dunkelziffern, gerade bei Geflüchteten oder bei Familien, die auf Hartz-IV angewiesen sind, noch weitaus höher liegen.

 

Diese erschreckenden Zahlen belegen erneut, dass das Hartz-IV System kein Leben in Würde zulässt. Dass Menschen und Familien, die staatliche Leistungen beziehen, in akute Armut gedrängt und gehalten werden, ist ein Skandal. Ein System, in dem sich Menschen nicht mal ein Mittagessen für ihre Kinder leisten können, gehört abgeschafft. Eine Grundsatzreform der sozialen Sicherungssysteme, die mit der entwürdigenden Hartz-IV-Sanktionspraxis radikal bricht, sowie mindestens Bezüge in der vom Paritätischen Wohlfahrtsverband geforderten Höhe gewährt, ist zwingend erforderlich. Forderungen nach kleineren Verbesserungen und das Drehen an Stellschrauben innerhalb dieses Systems können höchstens kurzfristige Akuthilfe schaffen, können die systemimmanenten  Ursachen der Armut jedoch nicht beseitigen.

 

Viele Maßnahmen erreichen Kinder aus Familien im Hartz-IV-System nicht, da ihr Haushaltseinkommen gedeckelt ist. Somit sind diese Kinder trotz der ganzen Erhöhungen weiterhin oftmals außen vor bei Dingen, die für ihre Klassenkamerad*innen völlig normal sind. Dazu zählen die Teilnahme in Sportvereinen, Musizieren, Kino, Nachhilfe, aber auch eine gesunde und ausgewogene Ernährung. Dabei zeigen Studien schon lange, dass alle diese Dinge nicht nur wichtig sind, da sie helfen im Kindesalter soziale Kompetenzen zu erlernen sondern weil sie auch wesentlich dazu beitragen Kinder in unsere Gesellschaft zu integrieren.

 

Gesunde Ernährung, ein Luxusgut? Leider JA!

Mit 600.000 von Armut und 2,7 Millionen von relativer Armut betroffenen Kindern, ist für 3,3 Millionen  der in Deutschland lebenden Kinder gesunde Ernährung nachwievor ein Luxusgut. Ein Zustand, der für uns untragbar ist!

 

Gerade für Kinder ist aufgrund ihres Wachstums gesunde, abwechslungsreiche Ernährung besonders wichtig. Auch die Krankenkassen beklagen, dass bereits 20 Prozent der Kinder in Deutschland übergewichtig sind. Dabei ist schon länger bekannt, dass Übergewicht und Adipositas oft zu bleibenden körperlichen, wie auch psychischen Schäden führt. Dass dies gerade für Kinder am Existenzminimum eine große Gefahr darstellt, zeigt der neue Armuts- und Reichtumsbericht. Kinder, die in Armut leben, leiden aufgrund von ungesunder Ernährung und weniger sportlicher Betätigung viel häufiger an Übergewicht oder Adipositas und sind dadurch vermehrt psychischen Stress- und Gewaltsituationen ausgesetzt.

 

Bildungspaket soll Abhilfe schaffen – Gute Idee, aber in der Umsetzung gescheitert!

Obwohl diese Probleme schon lange hinreichend bekannt sind und soziale Gerechtigkeit ein Dauerbrenner in Wahlkämpfen – gerade der SPD – ist, fallen die Anstrengungen der Politik häufig halbherzig aus und finden nur unter großem Widerwillen eine Mehrheit. Viele eigentlich selbstverständliche Rechte mussten erst vor Gericht erkämpft werden. So wurde erst 2011 auf Druck des Bundesverfassungsgerichts das “Bildungspaket” eingeführt, wodurch Familien im Hartz-IV System Zuschüsse für Mittagessen, Sportverein, Musikschule, Klassenfahrten oder Nachhilfe erhalten. Bei Gewährung der Bildungs- und Teilhabe-Leistungen würden die Familien für alle diese Punkte höchstens 250 Euro mehr im Jahr bekommen. Was laut einer Untersuchung (“Evaluation der bundesweiten Inanspruchnahme und Umsetzung der Leistungen für Bildung und Teilhabe”; Stand Juli 2015), die von der Bundesregierung selbst in Auftrag gegeben wurde, aber bei weitem nicht ausreicht, um die Kosten für Sportverein, Nachhilfe und Mittagessen abzudecken. Zudem werden die Leistungen kaum genutzt, da die Beantragung so kompliziert ist, dass viele davor zurückschrecken. Ein weiteres Problem ist, dass viele Leistungsberechtigte über ihre Ansprüche, über die genauen Anspruchsvoraussetzungen oder über die Antragsverfahren nicht ausreichend informiert sind. Allein 182 Millionen Euro von den 570 Millionen Euro Fördergeldern, die im Bildungspaket für die genannten Leistungen zur Verfügung gestellt worden sind, wurden für Verwaltungskosten verwendet.

 

Genau wie die Zusammensetzung des Hartz-IV-Satzes ist auch die Zusammensetzung der genannten Jahrespauschale von 250 Euro ausgesprochen problematisch. So werden soziale und kulturelle Aktivitäten gerade einmal pauschal mit 10 Euro gefördert. Die Förderung für Nachhilfe liegt gänzlich im Ermessen der Leistungsstelle und kann nur beantragt werden, wenn das Kind gefährdet ist in der Schule sitzen zu bleiben. Häufig müssen Eltern eine Prognose für den Erfolg der Förderung einreichen und diese zusätzlich durch Bescheinigungen der Schule absichern. Den umfangreichsten Punkt in den 250 Euro macht der persönliche Schulbedarf in Höhe von 100 Euro aus. Hier runter fällt auch die Förderung für Mittagessen, die jedoch einen Eigenanteil von 1 Euro pro Schul- oder Betreuungs-Tag voraussetzt.

 

Das Bildungspaket ist damit gescheitert! Die Maßnahmen schaffen es leider nicht mal im Ansatz die Probleme der Familien abzufangen. Daher müssen viele Aufgaben, die eigentlich Aufgaben des Staates wären, von ehrenamtlichen Organisationen übernommen werden. Obwohl diese Organisationen gute Arbeit leisten, ist dieser Zustand unerträglich. Gerade die Ernährung von Kindern ist ein gesamtgesellschaftliches Projekt und sollte keine Wohltätigkeitsleistung sein.

 

Den Hunger der Kinder zu stillen ist Aufgabe des Staates nicht der Tafeln und Familienschutzwerke

Bisher werden jedoch viele der Hunger leidenden oder schlecht ernährten Kindern von den Tafeln, dem Familienschutzwerk und/oder anderen Projekten versorgt. So gibt es zum Beispiel die “Kinderküche” in Moabit. Kinder von Hartz-IV Empfänger*innen bekommen hier ein kostenloses Mittagessen, teilweise auch schon Frühstück, aber vor allem werden sie betreut und versorgt. Die Eltern müssen vorab mit ihrem Hartz-IV Bescheid zu einem Beratungsgespräch vorbeikommen. Dies hat einerseits viele Vorteile, da die Kinder individueller und besser betreut werden können. Lebt das Kind beispielsweise in einer Familie in der eine Suchterkrankung vorliegt, wird auch hier Hilfe durch die ehrenamtlichen Pädagogen*innen geleistet. Darüber hinaus bieten die “Kinderküche” den Kinder auch ein Sozial- und Sicherheitsnetz. Andererseits bildet dieses Vorgespräch auch eine hohe Hürde und schließt viele Kinder, deren Eltern nicht dazu bereit sind, von der Maßnahme aus. Des Weiteren helfen Lehrer*innen und Studierende den Kindern bei den Hausaufgaben. Ein wichtiger Fokus der “Kinderküche” und des “Familienschutzwerkes” liegt dabei auch darin, den Kindern ein Bewusstsein für gesunde Ernährung zu vermitteln. So haben einige Kinder in der Kinderküche das erste Mal in ihrem Leben Erdbeeren gegessen.

 

Wer soziale Gerechtigkeit ernst meint, muss beim kostenlosen Schulmittagessen anfangen

Wir fordern, dass es nicht länger die Aufgabe der Tafeln, Familienschutzwerke und anderer Projekte sein kann, eine gesunde Ernährung der in Deutschland lebenden Kinder sicherzustellen. Wir sehen den Staat und jedes Bundesland in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass Kindern der Zugang zu und ein Bewusstsein für gesunde Ernährung ermöglicht wird. Nach der jetzigen Regelung ist eine Genehmigung der Gelder davon abhängig, welche sozialpolitische Neigung der Verantwortliche in den Jobcentern der Kommunen hat. Dies ist kein haltbarer Zustand. Es müssen verlässliche Kriterien erarbeitet werden, auf die sich betroffene Familien verlassen können. Es darf zukünftig keinen Unterschied machen, in welchem Jobcenter eine betroffene Person betreut wird. Grundrechte dürfen nicht von den Sachbearbeiter*innen abhängen!

 

Daher fordern wir eine Auflösung der Bildungs- und Teilhabeleistungen, sowie eine Abschaffung des Systems, dass durch Einzelanträge besticht. Wir fordern eine Umverteilung des Geldes und sehen den Staat in der Pflicht Einrichtungen mit Sozialpädagog*innen ins Leben zu rufen, die eine Versorgung der Kinder mit gesunder Ernährung, sportlichen Angeboten, kulturellen Aktivitäten und Nachhilfe, sowie eine sozialpädagogische Betreuung ermöglichen. Wichtig ist uns, dass die Einrichtungen nicht nur für alle Kinder aus Hartz-IV Familien zugänglich sind. Allen Kindern, denen bisher der Zugang zu Bildungs- und Teilhabe Aktivitäten aufgrund der finanziellen Situation ihrer Eltern verschlossen war, sollen zukünftig ein Anrecht auf eine Betreuung nach der Schule mit Fokus auf Ernährung, Musizieren, Sport, Ausflüge und Nachhilfe haben. Denn Integration und Teilhabe aller Menschen in Deutschland, sowie ein Leben außerhalb des Existenzminimums sind Grundpfeiler unserer Demokratie!

 

Unsere Forderungen:

  • Wir fordern, dass allen Kindern ein kostenfreies Mittagessen in Schulen und Kitas zur Verfügung gestellt wird. Dieses muss Qualitätsstandards entsprechen, die entsprechend auszuarbeiten sind. Es ist zu überlegen die Mensen in einer Übergangsphase zunächst mittels eines solidarischen Beitrags der Eltern, der sich nach dem Haushaltseinkommen richtet zu finanzieren, bis eine Finanzierung ausschließlich über Steuermittel möglich ist.
  • Wir fordern eine Grundsatzreform des sozialen Sicherungssystems, die das Hartz IV – Paradigma endgültig beseitigt. Der ALG-II Regelsatz muss mindestens auf das vom Paritätischen Wohlfahrtsverband geförderte Maß angehoben wird.
  • Wir fordern, dass Kinderarmut nicht länger beschönigt oder totgeschwiegen wird. Hierzu müssen in regelmäßigen Abständen Statistiken vorgelegt werden, die insbesondere auch Kinderarmut in Familien, die nicht von Hartz-IV betroffen sind, erfassen. Hierzu muss die Definition von Kinderarmut präziser ausgearbeitet werden. Eine reine Abhängigkeit vom monetären Haushaltseinkommen ist hierfür nicht zielführend. Dazu müssen auch Partizipations- und Teilhabenchancen berücksichtigt werden.
  • Wir fordern daher, dass die Bildungs- und Teilhabeleistungen nicht mehr länger ontop beantragt und damit der Willkür sozialpolitischer Neigungen ausgesetzt sind. Zukünftig, soll den Kindern das Geld in Form von Mittagessen, Nachhilfe oder Musik und Sportkursen direkt zu Gute kommen. Dies kann beispielsweise durch eine höhere Bezuschussung der Mensen und Sportvereine geschehen. Ein Gutscheinsystem für Hartz-VI-Empfänger*innen lehnen wir ab.
  • Zusätzlich fordern wir in die Einführung einer Kindergrundsicherung, deren Höhe auf Basis empirischer Untersuchungen erfolgt, um somit einer willkürlichen, politisch motivierten Festlegung entgegenzuwirken. Aktuell sollte diese mindestens monatlich 564 Euro betragen. Aber ab einem bestimmten Haushaltseinkommen, muss eine stufenweise Reduktion des Betrages stattfinden.
  • Bis dieser Punkt erreicht ist, muss der Staat die bestehenden sozialpädagogischen Projekte und Einrichtungen stärker unterstützen und langfristige Finanzierungskonzepte vorlegen, damit die Träger*innen eine höhere Planungssicherheit genießen. Sowie die betroffenen Eltern besser über ihre Ansprüche beraten und mehr Informationsmaterial beispielsweise in den Jobcentern zur Verfügung stellen.

 

Antrag 46/II/2017 Kinderarmut bekämpfen - Fahrplan gegen Kinderarmut

14.10.2017

In Berlin leben rund 173.000 Kinder und Jugendliche in Familien, die auf Grundsicherungsleistungen angewiesen sind (32,2 Prozent). Die Zahl der von Armut betroffenen Kinder ist erschreckend hoch. Für Heranwachsende ist es besonders verhängnisvoll, in Armut zu leben. Dort, wo Armut Alltag ist, sind Kinder öfter krank, haben sie schlechtere Bildungsabschlüsse und greifen sie häufiger zu Drogen. Das Problem der Kinderarmut besteht aber nicht nur im Mangel an finanziellen Möglichkeiten, sondern auch um soziale familiäre Verhältnisse, die sich vererben. Dies äußert sich vor allem dadurch, dass sich arme Familien immer weiter von der Gesellschaft zurückziehen, immer weniger in der Lage sind Angebote wahrzunehmen.

 

Die dadurch entstehende Ausgrenzung führt zu einer Lebenssituation, die die Kinder noch stärker einschränkt als materielle Armut allein. Es führt zu einer Armut an Möglichkeiten.  Über die materiellen Gründe für Armut hinaus, fühlen Kinder sich selbst arm, wenn sie niemand unterstützt, ihnen niemand Wege aufzeigt, sie keine Freunde haben oder diese nach Hause einladen können. Reich hingegen fühlen sie sich, wenn sie „mitmachen“ können, in der Schule erfolgreich sind, sie Freundschaften pflegen können, sie Bestärkung finden, Menschen sich für sie interessieren und sie Träume für ihren Alltag und ihr Leben haben. Es sind sehr unterschiedliche, nicht immer scharf zu trennende Dimensionen, die Armut von Kindern manifestieren können. Diese resultieren meistens aus der materiellen Armut und ziehen Folgen nach sich, die sich besonders durch eine mangelnde gesellschaftliche Teilhabe ausdrücken. Dennoch können Eltern wenig Geld haben ihren Kindern jedoch ein Vorbild an Bildungs- und Sozialkompetenz sein, sie unterstützen und ihnen verlässliche Strukturen sowie Geborgenheit bieten. Soziale Vernachlässigung und die daraus entstehende soziale Armut kann, aber muss keine Folge materieller Armut sein und muss genauso durch ein Hilfesystem aufgefangen werden wie der Mangel an finanziellen Mitteln.

 

Landeskommission gegen Kinderarmut ist ein erster Schritt

Die vom Senat eingesetzte, ressortübergreifend arbeitende Landeskommission zur Prävention von Kinder- und Familienarmut ist ein erster Schritt, um eine gesamtstädtische Strategie zu entwickeln und deren Umsetzung zu begleiten. Für eine wirksame Prävention ist es wesentlich, alle Aspekte von materieller, sozialer und Bildungsarmut im Zusammenhang zu sehen. Insgesamt ergeben sich vier politische Handlungsfelder in denen Maßnahmen durchzusetzen sind, die dazu dienen, gleiche Entwicklungs- und Teilhabechancen von Kindern und Jugendlichen zu sichern: Gesundheit, Bildung, soziale Infrastruktur und die Verbesserung der finanziellen Situation zu stärken und auszubauen.

 

1. Gesundheit

 

Soziale Ungleichheit führt zu gesundheitlicher Ungleichheit. Das ist kein Automatismus, aber der Zusammenhang zwischen Armut und schlechterem Gesundheitszustand wird vielfach festgestellt. Ein schlechterer Gesundheitszustand und eine unterdurchschnittliche Lebenserwartung werden bereits durch Verhaltensmuster im Kindesalter sowie die sozialen und materiellen Rahmenbedingungen beeinflusst, in denen Kinder aufwachsen. Ein gesundheitsförderndes Lebensumfeld, ein unterstützendes Netz sozialer Beziehungen, gesundheitsfördernde Verhaltensweisen und frei zu sein von finanziellen Sorgen sind förderliche gesundheitliche Einflussfaktoren. Diese gilt es zu stärken. Negative Risikofaktoren wie eine geringere Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen oder die Nichtmitgliedschaft in Sportvereinen gilt es zurückzudrängen. Jedes Kind muss unabhängig vom Einkommen der Eltern einen bedarfsgerechten Zugang zur medizinischen Versorgung haben. Berlinweit sollen schriftliche Erinnerungen, die an die Eltern versandt werden, an die Teilnahme an den Vorsorgeuntersuchungen erinnern. Hier nimmt die Teilnahme besonders im zunehmenden Alter der Kinder ab. Der Verzicht auf dieses kostenlose Angebot kann im Einzelfall dazu führen, dass dringend gebotene Behandlungen oder Präventionsmaßnahmen unterbleiben. Gerade Kinder und Jugendliche aus einkommensschwachen Familien nutzen deutlich weniger das Angebot der Vorsorgeuntersuchungen. Neben familienaufsuchenden Angeboten, müssen Eltern durch stadtteilbezogene, gut erreichbare, kostengünstige oder kostenfreie Angebote, z.B. in Familienzentren, für Gesundheitsförderung gewonnen werden. So muss der öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) gestärkt werden, der insbesondere mit den Ersthausbesuchen sowie weiteren Maßnahmen, die Familien in der Zeit der Schwangerschaft und nach der Geburt erreichen, zu einer frühzeitigen Unterstützung auch in kritischen Phasen maßgeblich und niedrigschwellig beiträgt. Konkret ist der ÖGD für die gesundheitsfördernde Zusammenarbeit mit den Familien und den Familien- und den Stadtteilzentren personell zu stärken. Wegen der immer schlechter werdenden Zahngesundheit vieler Kinder ist im Vorfeld der Erstuntersuchung an den Schulen zudem das zahnmedizinische Angebot des öffentlichen Gesundheitsdienstes auszubauen, damit die zahnärztlichen Dienste der Gesundheitsämter möglichst viele Kinder im Vorschul- und Schulalter erreichen.

 

2. Bildung

Der schulische Bildungserfolg wird gerade auch vom sozialen Hintergrund beeinflusst. So zeigen sich schulische Benachteiligung und schlechtere Bildungsabschlüsse in finanziell benachteiligten Familien sehr viel häufiger. Wir begrüßen deshalb die Schaffung eines bedarfsunabhängigen Rechtsanspruchs auf einen Kitaplatz ab dem ersten Jahr für sieben Stunden. Hier handelt es sich um eine Grundvoraussetzung für einen späteren Bildungserfolg und das Erreichen von Gesundheitszielen, wie gesunde Ernährung, Bewegung und Sprachförderung, die Teil des Berliner Bildungsprogramms sind.

Die Qualität in Kitas ist maßgeblich von der Anzahl und der Ausbildung des Fachpersonals abhängig. Bei der Betreuung der 2- bis 3-Jährigen liegt Berlin mit einer Relation von 1:6 im ostdeutschen Durchschnitt.. Ein Ausbau der Strukturen ist daher dringend geboten. Bei den 3 bis 6-Jährigen liegt die Relation bei 1:9 und ist damit im deutschen Durchschnitt. Wir fordern mehr Zeit für Vor- und Nachbereitung, für grundlegende pädagogisch-konzeptionelle Aufgaben und bei der Betreuungsquote der unter Dreijährigen. Auch deshalb unterstützen wir die Bemühungen auf Bundesebene zur Einführung eines Bundeskitagesetzes, welches für Gesamtdeutschland einheitliche Qualitätsstandards festschreiben und ausfinanzieren würde. Die gewerkschaftliche Forderung nach Aufwertung in den Berufen der Sozial- und Erziehungsdienste unterstützen wir, denn auch dies dient der Qualitätssteigerung in der Früherziehung.

 

Schule

Schule ist nicht nur Lernort, sondern auch der Ort an dem Kinder in späterem Alter sozialpädagogisch geprägt werden. Dieses Profil von Schule muss gestärkt werden, um bedarfsgerecht auf familiäre Problemlagen reagieren und Entwicklungsdefizite von Kindern überwinden zu können. Grundvoraussetzung dafür ist die Ausweitung des schulischen Angebots. Zu unseren Zielen gehört es, jedem Kind von der Schulanfangsphase bis zum 6. Jahrgang Zugang zu einem schulischen Angebot in der Zeit von 8:00 bis 16:00 Uhr zu ermöglichen und zwar ohne Bedarfsprüfung, kostenfrei und mit einem subventionierten Mittagessen. Hilfen für Eltern sind auch Hilfen für Kinder. Deswegen müssen Lehrerinnen und Lehrer die Möglichkeit für eine verstärkte Elternarbeit haben. Regelmäßige Gespräche über die Entwicklung der Kinder und daraus resultierend das Ergreifen von sofortigen Unterstützungsmaßnahmen für den Bildungs- und Erziehungsprozess helfen mehr als das Erteilen von Kopfnoten. Wir fordern aus diesem Grund die Ausstattung der Schulen auch mit sozialpädagogischem Personal verlässlich zu sichern, so dass jede Schule eine/n Schulsozialarbeiter/in bekommt. Lehrerinnen und Lehrer brauchen außerdem Zeitkontingente, um besondere Aufgaben übernehmen zu können.

Kindertageseinrichtungen und Schulen bilden ein dichtes Netz öffentlicher Einrichtungen, die  täglich von den Kindern genutzt werden. Für sie sind sie nicht nur Lernort, sondern auch ein prägender Bestandteil ihrer Lebenswelt. Kitas und Schulen sind zudem die geeigneten Orte, um Kinder und ihre Eltern umfassend zu unterstützen. Sie kooperieren mit freien Trägern der Kinder-, Jugend- und Familienarbeit, den Einrichtungen der Kultur-, Sport- und Gesundheitsförderung sowie der Jugendberufsagentur. Sie werden dadurch zu wichtigen Zentren der Bildungs-, Freizeit und Gesundheitsförderung im Sozialraum. Wir wollen die Sozialraumorientierung durch die Öffnung der Kitas und Schulen nach außen stärken, sowohl durch die Beteiligung der Schulen und Kitas in den vorhandenen Netzwerken, als auch durch die durch die Schaffung von Angeboten für  Eltern. Beratungsangebote in den Einrichtungen und Gesprächsangeboten an Orten des Austausches wie Elterncafés, können das Interesse und den Willen der Eltern und Kinder die vorhandenen Ressourcen auch wahrzunehmen, auffangen.

 

Gemeinschaftsschule

Schülerinnen und Schüler mit unterschiedlichen Begabungen und Ausgangslagen können voneinander profitieren. Um den Bildungserfolg von der sozialen Herkunft weiter zu entkoppeln sind die Rahmenbedingungen für ein längeres gemeinsames Lernen zu schaffen. Deswegen fordern wir die inklusive Gemeinschaftsschule als Schulform für jeden Bezirk. Der derzeitige Ist-Stand von berlinweit 20 Schulen ist auszubauen. Eine gemeinsame Schule für alle Kinder ist nicht nur wichtig, weil es die Bildungsgerechtigkeit im Land erhöht. Auch ist ein solches gemeinsames Lernumfeld für den Aufbau und zur Pflege von milieuübergreifenden sozialen Kontakten hilfreich. Insbesondere für Kinder aus ärmeren und armen Familien können Beziehungen, die über das eigene Milieu hinausgehen, zur Kompensation von Armutsfolgen beitragen.

 

3. Infrastruktur für Familien verbessern

 

Stadtentwicklungskonzepte

Familien- und kinderpolitische Stadtentwicklungskonzepte, die eine kindgerechte soziale Infrastruktur in den Mittelpunkt rücken und damit präventiv für die Bewältigung von Kinderarmut wirken, werden konsequent vorangetrieben.

 

Wir fordern die Nutzung von sozialer und kultureller Infrastruktur durch Kinder klar von der Nutzung durch die Eltern zu trennen. Konkret heißt dies, den Zugang zu außerschulischen Lernorten wie Bibliotheken, Museen, Theatern und Musikschulen für Kinder kostenfrei zu gestalten. Private und gemeinnützige Kultur- und Freizeitangebote sind auf Eintrittsgelder angewiesen, da sie in der Regel keine oder eine geringe öffentliche Förderung erhalten. Um die Barriere, die Eintrittspreise für Familien mit Kindern darstellen zu verringern, ist über eine freiwillige Vereinbarung (berlinpass, Familienpass) mit den beteiligten Angeboten eine zusätzliche Ermäßigung anzustreben, wo dies noch nicht der Fall ist. Investitionen in eine förderliche Infrastruktur für alle Kinder und deren Familien haben bei allen Vorhaben Vorrang vor einem Ausbau direkter Hilfen für Einzelne. Die zielgerichtete Erhöhung der interkulturellen Kompetenz in allen Berliner Einrichtungen und Behörden, geeignete Kampagnen zur Entwicklung von Kinder- und Familienfreundlichkeit in allen Lebensbereichen sowie konkrete Beteiligungsmöglichkeiten von Kindern und Familien bei allen sie berührenden Fragen der kommunalen Entwicklung sind zu schaffende Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Bekämpfung der Kinderarmut und ihrer Folgen.

 

Die Nutzung von sozialer und kultureller Infrastruktur durch Kinder muss klar von einer Nutzung durch die Eltern getrennt werden. Konkret heißt dies, den Zugang zu außerschulischen Lernorten, wie Bibliotheken, Museen, Theatern und Musikschulen für Kinder kostenfrei zu gestalten. Private und gemeinnützige Kultur- und Freizeitangebote sind auf Eintrittsgelder angewiesen, da sie in der Regel keine oder eine geringe öffentliche Förderung erhalten. Um die Barriere, die Eintrittspreise für Familien mit Kindern darstellen zu verringern, ist über eine freiwillige Vereinbarung (berlinpass, Familienpass) mit den beteiligten Angeboten eine zusätzliche Ermäßigung anzustreben, wo dies noch nicht der Fall ist.

 

Hilfen zur Erziehung

Alle Kinder sind mit einem differenzierten Unterstützungssystem nicht nur vor Missbrauch und Vernachlässigung zu schützen. Risikofamilien werden mit präventiven Angeboten gefördert und mit ihrer Erziehungsverantwortung nicht allein gelassen. Die Hilfen für die Kinder werden integrativ und nicht stigmatisierend angelegt. Dabei gilt es, alle werdenden Eltern bereits vor oder nach der Geburt in allen Fragen ihrer Lebensumstellung und des Hineinwachsens in die Elternrolle mit Rat und Tat zu begleiten. Hierzu bedarf es einer besseren Vernetzung der Gesundheits-, Sozial und Jugenddienste und des Ausbaus aufsuchender Angebote. Bereits erfolgreich erprobte Angebote, wie z.B. die „Aufsuchende Elternhilfe“ oder Welcome-Projekte sollen verstetigt werden. Für die Sicherung des beruflichen Einstiegs oder auch Wiedereinstiegs junger Eltern werden spezielle Förderprogramme entwickelt. Auf die spezifischen Bedürfnisse von Auszubildenden, Studierenden und insbesondere Alleinerziehenden ausgerichtete Betreuungsangebote werden entwickelt bzw. ausgeweitet. Dauer und Höhe von Ausbildungsbeihilfen und Stipendien müssen geeignet sein, die Belastungen auf Grund der Erziehungsverantwortung junger Eltern auszugleichen. Betriebe, die sich besonders für die Beschäftigung junger Eltern einsetzen, werden in geeigneter Weise unterstützt und gefördert.

 

Für die Beratung und Unterstützung bei der Beantragung aller kindbezogenen Sozialleistungen wird zukünftig in jedem Bezirk eine Anlaufstelle für Kinder und deren Eltern aufgebaut (vergleichbar einem „Kinder-Bürgeramt“), bei der Rat suchende Familien zu allen Fragen der kindbezogenen Unterstützungsleistungen fundiert und „aus einer Hand“ beraten werden. Informations- und Beratungsnetze im Internet werden ausgebaut, die Zugangsmöglichkeiten zu unterstützenden Angeboten werden vereinfacht.

 

Hilfen zur Erziehung sind ein Rechtsanspruch des Kinder- und Jugendhilfegesetzes für Familien, die Unterstützung bei der Betreuung und Erziehung der Kinder benötigen. Im äußersten Fall bedeutet dies die Inobhutnahme zur Wahrung des Kindeswohles. Aber auch unterhalb dieses schwerwiegenden Eingriffs in die Autonomie der Familie werden mit dem Instrumentarium der Hilfen zur Erziehung ambulante Hilfestellungen durchgeführt. In Berlin steigen seit Jahren die Fallzahlen an. Der Anteil der Alleinerziehenden und Transferleistungsbezieherinnen und -bezieher ist höher als ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung. Wir fordern die Gewährung von Hilfen zur Erziehung vorrangig von fachlichen Überlegungen abhängig zu machen. Allen Maßnahmen der durch die Jugendämter gewährten Hilfen zur Erziehung ist gemein, dass sie erst dann bewilligt werden können, wenn zur Wahrung der Entwicklungsperspektiven des Kindes dies vonnöten ist. Im Sinne einer nachhaltigen Prävention fordern wir ein Instrumentarium im Vorfeld, welches Familien bei der Erziehung unterstützt, ohne dass es zu einer Gefährdungslage für die Kinder kommt und damit nicht zuletzt Hilfen zur Erziehung auch zu vermeiden hilft. Dazu ist ein Ausbau der Familienförderung mit Angeboten notwendig, die alle Familien einschließlich solcher in schwierigen Lebenslagen erreichen. Für Familien mit größerem Unterstützungsbedarf ist das flächendeckende Angebot kompensatorischer Erziehungsmaßnahmen im Rahmen der Familienhilfen nach § 16 des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (SGB VIII) notwendig, die über das erste Lebensjahr des Kindes und einer zentralen Erziehungsberatungsstelle hinausreichen.

 

Familienzentren

Familienzentren sind ein gutes Angebot, um generationsübergreifend vor Ort Familien zu unterstützen. Wir fordern die Familienzentren in Berlin nachhaltig und langfristig finanziell abzusichern und einen Ausbau der Familienzentren durch den Senat zu verfolgen. Bei allen Angeboten der Familienförderung sind die Situation und Bedarfe alleinerziehender Eltern zu beachten.

 

4. Einkommenssituation von Familien

Im Hinblick auf die Bekämpfung von Kinderarmut ist die Beleuchtung der Einkommenssituation von Familien insofern relevant, weil diese unmittelbar mit der Frage gesellschaftlicher Teilhabe zusammenhängt. Auch mit den oben aufgeführten Maßnahmen bleibt eine finanzielle Lücke, die zu schließen ist, denn Teilhabe ist immer auch Teilhabe an privaten Angeboten, die bezahlt werden müssen. Trotz guter Arbeitsmarktlage, können nicht alle gleichermaßen vom Beschäftigungswachstum profitieren. Es ist wichtig, dass Arbeitslose zielgerichtet unterstützt werden, um auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Hierzu benötigt es passgenaue Angebote und am Arbeitsmarkt ausgerichtete Qualifizierungen. Im Idealfall kann der Lebensunterhalt von Kindern durch ein ausreichendes Erwerbseinkommen der Eltern gedeckt werden. Davon ist jedoch derzeit, trotz sinkender Arbeitslosenzahlen nicht, auszugehen. Die Arbeitslosigkeit in Berlin sinkt zwar, verfestigt hat sich jedoch die Zahl der Langzeiterwerbslosen. Dieser Sockel an Arbeitslosigkeit lässt sich auch verstärkt durch öffentlich geförderte Beschäftigung abbauen. Wir    fordern zudem eine starke Eingrenzung der Leiharbeit. Sie soll nur eingesetzt werden können, um kurzfristige Auftragsspitzen abzufangen und muss genauso bezahlt werden, wie die unbefristet Beschäftigte.

 

Ausbildung und Arbeitsmarktzugang von Alleinerziehenden und jungen Eltern

Die Situation von Eltern, insbesondere die von alleinerziehenden und jungen Eltern beim Zugang zu Ausbildung und Beruf ist besonders zu beachten, da Kinder, die bei einem Elternteil aufwachsen, besonders oft von Armut betroffen sind. Rund 90 Prozent der Alleinerziehenden sind Frauen. Eine gesamtstädtische Strategie gegen Kinder- und Familienarmut muss die Lebensumstände von alleinerziehenden Frauen verbessern. Wir fordern eine Verbesserung der Angebote für Ausbildung und einen erleichterten Zugang zum Arbeitsmarkt, zum Beispiel durch eine Ausweitung des Jobcoachings für Alleinerziehende. Die Bemühungen für Alleinerziehende sollen außerdem in einem bezirklichen Netzwerk für Alleinerziehende nachhaltig gebündelt werden.

 

Arbeitslosengeld II und Kindergeld

Unabhängig davon ist es jedoch auch notwendig, die besonderen finanziellen Bedürfnisse von Kindern zu berücksichtigen und dies in einer entsprechenden Zuwendung bei bedürftigen Familien auszudrücken. Wir fordern deshalb kurzfristig, dass der gesetzliche Anspruch auf Kindergeld nicht auf Transferleistungen angerechnet wird.

 

Kindergrundsicherung

Langfristig muss die unterschiedliche finanzielle Förderung von Kindern grundsätzlich beendet werden. Unserer Gesellschaft sollte jedes Kind gleich viel wert sein. Wir fordern deshalb eine Kindergrundsicherung in Höhe von 573 EUR monatlich, die jedem Kind gleiche Chancen gewährt, eine bessere soziale Infrastruktur vorsieht und höhere materielle Leistungen für Kinder umfasst. Im Gegenzug kann das komplizierte und ungerechte System des Familienlastenausgleichs abgelöst werden. Durch eine Kindergrundsicherung in Höhe von 573 EUR wird der grundlegende Bedarf, den Kinder für ihre Entwicklung benötigen und den das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, aus öffentlichen Mitteln gedeckt. Die Höhe der Kindergrundsicherung orientiert sich dabei am aktuellen soziokulturellen Existenzminimum und soll stetig an die Inflationsrate angepasst werden.

 

Darüber hinaus fordern wir: Kinderrechte müssen im Grundgesetz in einem neuen Artikel 2a verankert werden, damit sie eine Vorrangstellung gegenüber einfachem Bundesrecht erhalten. Deutschland hat vor 25 Jahren die UN-Kinderrechtskonvention ratifiziert, dennoch ist die Umsetzung in Deutschland mangelhaft.