Mit dem Beginn der Covid-19 Pandemie im Frühjahr 2020 erlebten wir nicht nur eine der größten gesundheitspolitischen Herausforderungen unserer Zeit, die tausende Menschenleben kostete, für viele Personen schwere finanzielle Folgen hatte oder soziale Probleme verschärfte, sondern auch eine Dauerberichterstattung über die Pandemie. Eine andere globale Herausforderung, die dringendes Handeln in fast allen Lebensbereichen erfordert, geriet dabei fast schon in Vergessenheit. Die Folgen des Klimawandels und die damit einhergehenden Herausforderungen sind jedoch präsenter und dringender denn je. Die Temperaturen steigen weiter an, die Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre jagt einen jährlichen Höchstwert nach dem anderen und die Auswirkungen für die Menschen, die vom Klimawandel am meisten betroffen sind, werden immer drastischer. Steigende Meeresspiegel, Müllberge, Ressourcenkonflikte oder Wetterextreme dürften für niemanden mehr etwas neues sein.
Wir Jusos sehen uns in der Verantwortung gegenüber der Umwelt als auch den Menschen, die aufgrund eines globalen kapitalistischen Wirtschaftssystems die Auswirkungen durch den Klimawandel zu spüren bekommen, tätig zu werden und so fortlaufend unsere Positionen zur Bekämpfung des Klimawandels auszuweiten und zu vertiefen. Eine Anpassung der Art, wie wir wirtschaften und mit begrenzten Ressourcen umgehen, muss daher hinterfragt und geändert werden. Eine Bepreisung des CO2 sowie der CO2– Äquivalenten, die wir tagtäglich produzieren, ist daher eine der zentralen Möglichkeiten, diesen Ausstoß zu senken. Ebenso sehen wir als Jusos die Pflicht, dass die Kosten einer solchen Umstellung nicht auf niedrige Einkommen abgelagert werden. Der Kampf gegen den Klimawandel ist im Kern ein sozialistischer Kampf, da wir die Folgen des menschengemachten Klimawandels nur durch eine gerechte Umverteilung und die Überwindung des Kapitalismus erreichen.
Verbesserter Emissionshandel
Mit dem aktuell angewendeten Emissionshandel lassen sich in besonders stark emittierenden Sektoren CO2-Reduktionen erreichen. Die bisherigen Reduktionsziele der des EU-Emissionshandel (ETS) betrachten wir jedoch als zu wenig ambitioniert. Auch der Europäische Rechnungshof hat die Europäische Kommission bereits im September 2020 dazu aufgefordert, im Kampf für mehr Klimaschutz bei der Vergabe kostenloser Verschmutzungsrechte nachzuschärfen. Der europäische Emissionshandel umfasst derzeit nur 40% der gesamten europäischen Treibhausgasemissionen, da viele Industrien und Unternehmen keine Emissionszertifikate emittiert werden. Oft werden auch Gewinne durch das Handeln von kostenlosen Zertifikaten in klimaschädliche Projekte, wie die Sanierung bestehender Braun- oder Steinkohlekraftwerke verwendet. Durch kostenlose Zertifikate lassen sich eine zu niedrige Nachfrage an Zertifikaten nicht vermeiden. Dies hat zur Folge, dass mit einem Zertifikatüberschuss und zu niedrigen CO2-Preis, eine Reduzierung der Emission nur schwerer möglich ist. Wir fordern daher eine drastischere Reduzierung aller auf den Markt verfügbaren Zertifikate, um die CO2 Produktion herunterzufahren und die durch den Verkauf erbrachte Erlöse für soziale und nachhaltige Projekte zu nutzen. Ein gut funktionierender EU-Emissionshandel reicht jedoch nicht aus, um unsere klimapolitischen Ziele zu erreichen, da er nur knapp die Hälfte der in der EU verursachten Treibhausgasemissionen ausmacht. Wir fordern daher unsere Positionen zu einer CO2-Steuer für die übrigen Sektoren ambitionierter und sozial-verträglicher zu gestalten, um unsere klimapolitischen Verpflichtungen einhalten zu können
Dynamisches Steuerkonzept
Der Temperaturanstieg im Vergleich zur vorindustriellen Zeit betrug schon im Jahr 2016 ungefähr 1,1° C. Wenn wir nicht sofort handeln, sind die Chancen, die globale Erderwärmung bis 2100 selbst auf 2°C begrenzen, erschreckend gering. Die CO2-Steuer ist eine der wirkungsvollsten Instrumente, um die Einhaltung des 1,5° C Zieles des Pariser Klimaabkommens noch zu ermöglichen. Dazu muss die Steuer allerdings effektiv und hoch genug angesetzt werden, um einen spürbaren Unterschied auszumachen. Wir fordern daher ab sofort die Besteuerung von Kohlenstoffdioxid-Emissionen mit 80€ pro emittierter Tonne C02, welche bis zum Jahr 2025 kontinuierlich auf 180€ pro Tonne und bis zum Jahr 2030 stetig auf 205€ pro Tonne CO2 ansteigen soll. Dieser Bepreisungsfahrplan deckt sich zu Teilen mit den Forderungen des Umweltbundesamtes und mehreren Umweltorganisationen. Der im Vergleich mit anderen Konzeptpapieren hohe Einstiegspreis stellt den besten Kompromiss zwischen einer effektiven umweltpolitischen Forderung und der Vermeidung einer Kostenverteilung auf den Schultern von Leuten mit niedrigem sozio-ökonomischen Status dar.
Wenig politische Themen haben so viel Dynamik wie die Klimadebatte. Um den aktuellen Stand der Forschung, neue nationale und internationale Entwicklungen und auch den sich stetig verändernden Konsens in Fachkreisen zu berücksichtigen, muss eine effektive CO2-Steuer flexibel und anpassbar sein. Wir fordern deshalb ein unabhängiges Expert*innengremium, welches, ähnlich wie die Mindestlohnkommission, die aktuelle Lage regelmäßig evaluiert und gegebenenfalls Anpassungen der Bepreisungen der Steuer an die Bundesregierung weitergeben kann. Diesem Expert*innengremium sollen ausschließlich Wissenschaftler*innen (explizit keine Wirtschaftsvertreter*innen) angehören. Die Berechnung und Anpassung der Steuer muss rein im Interesse des Klimaschutzes stehen. Die Berechnung muss mathematisch nachvollziehbar und wissenschaftlich begründet sein. Zusätzlich würde dieses Gremium frühzeitig einen mittel- oder langfristigen Plan für die Zeit nach 2030 entwickeln und die folgende Bepreisung der Steuer der klimapolitischen Situation sowie die positiven Feedback- Loops der Erderwärmung entsprechend berücksichtigen.
CO2-Kennzeichnung
Zusätzlich fordern wir eine konkret in Kilo angegebene Kennzeichnungspflicht des CO2– Fußabdrucks oder der CO2– Äquivalenz bei allen anderen Treibhausgasen auf allen in Deutschland vertriebenen Produkten, besonders aber bei Lebensmitteln und Alltagsprodukten. Diese Kennzeichnung kann auch noch durch ein farbiges Ampelsystem ergänzt werden. Damit werden nicht nur die Verbraucher*innen transparent in die Bemühungen einer CO2-Reduzierung involviert und die Kaufentscheidungen der Konsument*innen positiv zugunsten des Klimas beeinflusst, sondern wir erhoffen uns damit auch einen weiteren Ansporn für Hersteller*innen zu CO2-armen Produktionsmethoden. In Schweden wurde ein CO2-Kennzeichnungssystem mit konkreter Kilo-Angabe 2009 eingeführt, mit der Folge, dass sich klimafreundliche Produkte um 20 Prozent besser als vorher verkaufen.
Soziale und finanzielle Ausgleichsmaßnahmen
Dieses Konzept der CO2-Besteuerung mit einem Eingangssteuersatz von 80€ pro Tonne würde, bei einem durchschnittlichen CO2-Ausstoß von 8,89 Tonnen pro Jahr und Einwohner*in Deutschlands und ohne die sukzessive Verhaltensanpassung zu berücksichtigen, bis 2025 jährlich ein zusätzliches Steueraufkommen von 59,1 Milliarden Euro ergeben. Die zusätzlichen Geldbeträge sollen allerdings nicht im Gesamthaushalt verbucht werden, sondern direkt und mehrgleisig der Umverteilung und dem Klimaschutz dienen, indem sie durch die konkreten Maßnahmen, die wir beschreiben, in den Sozial- und Umweltsektor fließen. Obwohl es vor allem Menschen mit höherem Einkommen sind, die CO2-intensivere Güter und Dienstleistungen in Anspruch nehmen, müssen Menschen mit geringerem Einkommen den größeren Prozentsatz ihres Einkommens steuerlich zusätzlich aufwenden. Um also diese Menschen zu entlasten und zunächst bestimmten besonders betroffenen Gruppen den Übergang zu erleichtern, schlagen wir eine Reihe von sozialen Ausgleichsmaßnahmen vor, die für eine höhere Bepreisung von CO2 und CO2-Äquivalenten zwingend erforderlich sind. Als primären Ausgleichsmechanismus fordern wir eine sogenannte Klimadividende in Kombination mit Senkungen von Steuern, die untere Einkommensschichten überproportional belasten, wie beispielsweise eine deutliche und dauerhafte Senkung der Mehrwertsteuer. Die Klimadividende soll automatisch einmal im Jahr direkt an alle Bürger*innen ausgezahlt- und nach dem Einkommen gestaffelt werden. Je niedriger das Einkommen, desto höher die Klimadividende. So wird der Umverteilungsmechanismus der CO2-Steuer am deutlichsten sichtbar und greifbar. Dies hätte das Ziel, die Kosten für Individuen abzufedern und auch die öffentliche Unterstützung einer CO2-Bepreisung zu generieren. Eine dieser obsolet werdenden Abgaben ist die EEG-Umlage, welche Haushalte mit geringeren Einkommen überproportional belastet. Als Härtefallregelung unterstreichen wir weiterhin unsere Forderung nach einem erhöhten Mindestlohn auf mindestens 13,50 Euro pro Stunde, um so eine finanzielle Entlastung für niedrige Einkommen, die besonders von einer CO2-Steuer betroffen wären, zu gewährleisten. Fahrten von Pendler*innen zu und von ihrer Arbeitsstätte sollen vorerst von der Steuer ausgeschlossen sein. Die Lasten der Bekämpfung der Klimakrise dürfen nicht zu großen Teilen von Arbeitnehmer*innen getragen werden. Außerdem sollen Menschen in ländlichen Gebieten nicht aufgrund großer Entfernungen und schlechter ÖPNV-Anbindung benachteiligt werden. Arbeitgeber*innen, welche sich jedoch für klimafreundliche Fahrtgemeinschaftsangebote einsetzen sollen staatlich gefördert werden, um den Umstieg des Pendelns von Individualverkehr auf kollektive Beförderungsmethoden einzuleiten. Anstelle der Umlagen auf den Strompreis wollen wir Energieinvestitionen steuerlich finanzieren, um Verteilungsgerechtigkeit zu ermöglichen. Zusätzlich zu einer direkten und indirekten Steuerumverteilung sollen Teile der zusätzlichen Gelder auch in Sozialprojekte für betroffenen Bevölkerungsgruppen, lokale und internationale Nachhaltigkeitsprojekte und den Ausbau eines kostenlosen ÖPNV in ganz Deutschland investiert werden. Um Unternehmen zu einer CO2-armen Produktionsweise anzureizen, sollen vor allem kleine regionale Unternehmen, die besonders CO2-arm produzieren, subventioniert werden. Mit dieser Investitionsoffensive sollen diese transformationsbereiten Unternehmen gerade in den Anfangsjahren gefördert werden, damit sie sich finanziell bewähren können. Mit dieser Investitionsoffensive sollen diese transformationsbereiten Unternehmen gerade in den Anfangsjahren gefördert werden, damit sie sich finanziell bewähren können.
Ausgleiche sollen jedoch nicht nach dem Gießkannenprinzip verteilt werden, sondern nur da angewendet werden, wo Bemühungen gezeigt werden und eine Unterstützung notwendig ist. Um ein “Carbon Leakage”, sprich das Auslagern von Emissionen von CO2 und CO2-Äquivalenten in Drittstaaten, zu verhindern, sollen die Vorschriften für die Industrie verpflichtend werden sowie möglichst zeitnah im internationalen Kontext angewendet werden und eine gemeinschaftliche Antwort bieten. Die Ausweitung des EU- Emissionshandel auf mehr beteiligte Länder (aktuell 31 Länder), muss daher Priorität haben.
Um die Umgehung der CO2-Bepreisung, indem Güter von Drittstaaten importiert werden, in denen keine äquivalente CO2-Bepreisung herrscht, zu vermeiden, sollen Zölle bei Importen analog zu der von uns beschriebenen CO2-Steuer erhoben werden. Dies soll so lange geschehen, bis internationale Vereinbarungen greifen, die eine gemeinschaftliche CO2-Bepreisung vorsehen.
Der Klimawandel ist ein internationales Problem, welches internationale Anstrengungen erfordert. Eine Koordination, die mindestens auf europäischer Ebene angesiedelt ist, setzen wir als Ziel. Wir erkennen jedoch, dass dies innerhalb weniger Jahre schwierig umzusetzen ist. Wir fordern daher die sozialdemokratischen Kommissionsmitglieder, MEPs und die nationalen Regierungen auf, sich für die Einführung einer ähnlichen Steuer in den EU-Mitgliedstaaten einzusetzen, damit diese mittelfristig auf europäischer Ebene weiter international koordiniert wird.