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Antrag 49/II/2021 Rechtsstaatlichkeit in Europa konsequent verteidigen!

9.11.2021

Schon mal von den Kopenhagener-Kriterien gehört? 1993 hat der Europäische Rat in Kopenhagen Kriterien formuliert, die ein Land erfüllen muss, um Mitglied der Europäischen Union (EU) zu werden. Darunter fällt auch dieses Kriterium: “Institutionelle Stabilität als Garantie für demokratische und rechtsstaatliche Ordnung, Wahrung der Menschenrechte sowie Achtung und Schutz von Minderheiten”. Zusätzlich sind sie auch als Grundwerte der Union in Artikel 2 des EU-Vertrags aufgelistet. Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung von Menschenrechten sollten also selbstverständlich sein in der EU. Leider ist das nicht der Fall und wir sehen seit Jahren, wie in einigen EU-Ländern der Rechtsstaat systematisch angegriffen wird. Angriffe auf die Medienfreiheit in Ungarn, Einflussnahme auf die Justiz und LGBTIQ-freie Zonen in Polen, Pushbacks von Geflüchteten an den EU-Außengrenzen in Griechenland oder Angriffe auf Journalist*innen auf Malta und in der Slowakei – das sind nur einige Beispiele dafür, wie schlecht es in der EU um den Rechtsstaat steht.

 

Die Rechtsstaatlichkeit, verankert in Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union, ist ein Grundprinzip der Union und maßgebend für den Schutz der EU Grundwerte. Besonders der Schutz von Grundrechten und Demokratie ist hier zentral. Für die Funktionsweise der Europäischen Union ist die Rechtsstaatlichkeit also ein entscheidender Faktor. Rechtsstaatlichkeit beruht auf einem wirksamen Rechtsschutz, der nur von einer unabhängigen, hochwertigen und effizienten Justiz gewährleistet werden kann. Denn die EU ist mehr als nur ein gemeinsamer Binnen- und Arbeitsmarkt. Sowohl die Beitrittskriterien als auch die EU-Verträge, die für alle Mitgliedsstaaten gelten, machen klar, dass die EU eine Wertegemeinschaft ist. Die gemeinsamen Grundwerte ermöglichen es erst, dass die Zusammenarbeit in allen politischen und wirtschaftlichen Bereichen funktioniert.

 

Und was tut die EU gegen eine Aushöhlung dieses Prinzips? Laut dem EU-Recht gab es bisher zwei Möglichkeiten, um gegen Angriffe auf den Rechtsstaat vorzugehen. Zum einen, steht der EU das sogenannte Artikel 7-Verfahren zur Verfügung. Es umfasst zwei Mechanismen: Präventionsmaßnahmen im Falle einer eindeutigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der EU-Werte, und Sanktionen, wenn eine solche Verletzung bereits stattgefunden hat. Die möglichen Sanktionen gegen den betroffenen Mitgliedstaat sind in den EU-Verträgen nicht klar definiert, aber eine mögliche Sanktion besteht darin, dass der betroffene Staat seine Stimmrechte im Europäischen Rat verliert. Es gibt allerdings einen Haken: um die Verletzung der Rechtsstaatlichkeit oder anderer EU-Grundwerte festzustellen, braucht es eine einstimmige Entscheidung der Staats- und Regierungschefs im Europäischen Rat.

 

Seit vielen Jahren gibt es nicht nur einen Regierungschef in der EU, der es mit der Demokratie und dem Rechtsstaat nicht so eng sieht. Somit ist dieses Instrument nutzlos geworden, da sich nationalkonservative Regierungen gegenseitig decken und eine Sanktionierung unmöglich machen. Zum anderen, kann die Europäische Kommission im sogenannten Vertragsverletzungsverfahren den Europäischen Gerichtshof beauftragen, zu überprüfen, ob einzelne Mitgliedsstaaten das EU-Recht nicht umsetzen. Der Gerichtshof kann die Länder dann zu Geldstrafen verurteilen. So geschehen ist das im Fall von Polen, wo mit einem umstrittenen Justizgesetz die Unabhängigkeit von Richter*innen eingeschränkt wurde. Am 8. September hat die Kommission nun beim Gerichtshof beantragt, Strafen gegen Polen zu verhängen. Das hat alles sehr lange gedauert und es ist erschreckend, wie wenig Einfluss das Europäische Parlament, die einzige direkt demokratisch legitimierte Institution in der EU, auf den Schutz der Rechtsstaatlichkeit hat. Die S&D-Fraktion, also die Sozialist*innen und Sozialdemokrat*innen im Europaparlament, haben deshalb bereits im Januar 2020 gefordert, dass im zukünftigen Haushalt der EU die Auszahlung von Geldern an die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien geknüpft sein soll.

 

Dieser Rechtsstaatsmechanismus ist am 1. Januar 2021 in Kraft getreten. Und wieso wurden noch keine Sanktionen verhängt? Das liegt daran, dass die Kommission für die Umsetzung des Mechanismus verantwortlich ist: als “Hüterin der EU-Verträge” ist es ihre Aufgabe, Verletzungen der Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedsstaaten festzustellen, deren Regierungen zu verwarnen und anschließend die Kürzung von EU-Geldern zu veranlassen. Das passiert allerdings, 10 Monate nach Inkrafttreten des Mechanismus, immer noch nicht, weil die Kommission warten will, bis der EuGH den Mechanismus für rechtmäßig erklärt. Und das, obwohl dieser Mechanismus von den gesetzgebenden Institutionen der EU beschlossen wurde.

 

Kurz gesagt: es passiert immernoch nichts. Das Europäische Parlament hat deshalb im Juli mehrheitlich beschlossen, dass eine Klage wegen Untätigkeit gegen die Kommission in die Wege geleitet wird. Und JETZT? Immer noch ist Warten angesagt, bis die Kommission endlich handelt. Wir brauchen jetzt keine Rechtsstaatsmonitorings oder alarmierte Reden mehr. Viele Menschen in der EU oder an den Außengrenzen der EU, sind dringend darauf angewiesen, dass der Rechtsstaat sie vor Willkür und Angriffen schützt.

 

Die Kommission ist die Hüterin der Verträge und muss daher konsequent Handeln und diese durchsetzen. Inkonsequentes Auftreten führt zu Missbrauch von Grauzonen und Schaffung von Präzedenzfällen, die zu Nachahmungen animieren können – siehe das Auftreten Ungarns und Polens. Jegliche Verstöße gegen Rechtsstaatlichkeit innerhalb der Europäischen Union müssen zielgerichtet geahndet werden, um eine Untergrabung dessen zu vermeiden. Es ist nicht hinnehmbar, dass Regierungen bestimmter Länder immer wieder die Grenzen des Machbaren austesten, keinerlei Sanktionen fürchten müssen und die EU als reine geldgebende Institution sehen, anstatt einer Wertegemeinschaft.  Die Kommission setzt mit ihrer Hinhaltetaktik nicht nur das Leben unzähliger Menschen aufs Spiel, sie delegitimiert sich mit ihrer aktuellen Haltung auch als “Hüterin der Verträge”. Die Bezeichnung  als Wertegemeinschaft darf keine Worthülse bleiben, es muss aktiv daran gearbeitet werden diese wichtige Errungenschaft zu schützen.

 

  • Konsequenzen müssen sich deshalb zum einen nicht nur in Worten und Abmahnungen zeigen, sondern auch in Taten widerspiegeln: dabei müssen Regierungen, die Vertragsverletzungen wissentlich eingehen, schlussendlich die Auswirkungen ihres Handelns spüren und mit Sanktionen belegt werden. Wichtig ist, dass Sanktionen sich nicht auf Gesellschaftliche Projekte und deren Förderung auswirken, wie beispielsweise das Erasmus Programm oder viele weitere Orte, an denen die europäische Gemeinschaft zusammenwächst und gerade auch junge Menschen die EU leben. Dies wäre gesellschaftsschädigend und nicht zielführend.
  • Die Änderung der EU-Verträge wäre ein bedeutender Schritt, denn die letzte Vertragsänderung ist bereits 14 Jahre her. Die Sackgasse, in der sich die EU im Bereich der Rechtsstaatlichkeit befindet, macht aber deutlich, wie dringend wir diesen Schritt, mit neuen Sanktionsmechanismen brauchen. Dies kann auch in Form einer Beschneidung des Kohäsionsfonds (wichtiger EU-Fonds zum Ausgleich der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheit) oder Agrarfonds stattfinden, also Mitteln, mit denen sich benannte Regierungen viel Gunst auf Kosten der Europäischen Gemeinschaft erwirtschaften.
  • Eine Änderung der EU-Verträge muss enthalten, dass dem Europäischen Parlament, als einziger direkt demokratisch legitimierter Institution, die notwendigen Rechte und Befugnisse – wie u. a. das Initiativrecht eingeräumt werden, um im Vorgehen gegen Rechtsstaatsverstöße eigenständig Voraussetzungen formulieren zu können, die vorsehen wann die Kommission einschreiten muss. Neben der Kommission soll auch das Parlament beschließen können, dass gegen einzelne Mitgliedsstaaten Maßnahmen zum Schutz des Haushalts der Union nach dem Rechtsstaatsmechanismus ergriffen werden können. Die Vertreter*innen der EU-Bürger*innen sollten auch als Hüter*innen der EU-Verträge handeln können!
  • Das Einstimmigkeitsprinzip soll bei der Feststellung schwerwiegender und anhaltender Verletzung der Grundwerte der Union (Art.7-Verfahren) keine Anwendung mehr finden und durch das Prinzip der doppelten Mehrheit oder durch ähnliche Konzepte, die eine Sperrminorität autoritäter Demokratien verhindern, ausgetauscht werden.
  • Außerdem sollen zivilgesellschaftliche Organisationen ein Verbandsklagerecht erhalten, um die Kommission oder das Parlament auf Untätigkeit zu verklagen, falls der Rechtsstaatsmechanismus nicht konsequent angewendet wird.
  • Die Bundesregierung soll, wenn sie von Missständen betreffend die Rechtsstaatlichkeit in einzelnen Mitgliedstaaten erfährt, die gegen das Unionsrecht verstoßen könnten, selbstständig ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten, wenn absehbar ist, dass die Kommission ein solches nicht anstrebt.
  • Deutschland und die EU sollen vermehrt mit Geldmitteln zivilgesellschaftliche Organisationen unterstützen, die sich gegen rechtsautoritäre Regime innerhalb der Union stellen.
  • Bis zur Änderung der EU-Verträge fordern wir von den sozialistischen und sozialdemokratischen Mitgliedern in den europäischen Institutionen, insbesondere von den Staats- und Regierungschefs im Europäischen Rat, sich stärker für die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit einzusetzen und in den Institutionen den politischen Druck zu erhöhen. Darüber hinaus setzen wir uns dafür ein, dass alle Mitgliedsparteien der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE/PES) sich für die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit in ihren Mitgliedsstaaten und der gesamten EU einsetzen. Denn auch in unserer Parteienfamilie gibt es an einigen Stellen noch entsprechenden Nachholbedarf.

 

Deutschland ist ein bedeutender Akteur innerhalb der EU und muss auch als ein solcher konsequent mit ihren Partner*innen handeln. Die nächste Bundesregierung muss auf ein zielgerichtetes Handeln der Kommission einwirken und Teil der Lösung sein!

Antrag 50/II/2021 Rechtsstaatlichkeit in Europa konsequent verteidigen!

9.11.2021

Die Kommission ist die Hüterin der Verträge und muss daher konsequent Handeln und diese durchsetzen. Inkonsequentes Auftreten führt zu Missbrauch von Grauzonen und Schaffung von Präzedenzfällen, die zu Nachahmungen animieren können – siehe das Auftreten Ungarns und Polens. Jegliche Verstöße gegen Rechtsstaatlichkeit innerhalb der Europäischen Union müssen zielgerichtet geahndet werden, um eine Untergrabung dessen zu vermeiden. Es ist nicht hinnehmbar, dass Regierungen bestimmter Länder immer wieder die Grenzen des Machbaren austesten, keinerlei Sanktionen fürchten müssen und die EU als reine geldgebende Institution sehen, anstatt einer Wertegemeinschaft. Die Kommission setzt mit ihrer Hinhaltetaktik nicht nur das Leben unzähliger Menschen aufs Spiel, sie delegitimiert sich mit ihrer aktuellen Haltung auch als “Hüterin der Verträge”. Die Bezeichnung als Wertegemeinschaft darf keine Worthülse bleiben, es muss aktiv daran gearbeitet werden diese wichtige Errungenschaft zu schützen.

 

  • Konsequenzen müssen sich deshalb zum einen nicht nur in Worten und Abmahnungen zeigen, sondern auch in Taten widerspiegeln: dabei müssen Regierungen, die Vertragsverletzungen wissentlich eingehen, schlussendlich die Auswirkungen ihres Handelns spüren und mit Sanktionen belegt werden. Wichtig ist, dass Sanktionen sich nicht auf Gesellschaftliche Projekte und deren Förderung auswirken, wie beispielsweise das Erasmus Programm oder viele weitere Orte, an denen die europäische Gemeinschaft zusammenwächst und gerade auch junge Menschen die EU leben. Dies wäre Gesellschaftsschädigend und nicht zielführend.
  • Die Änderung der EU-Verträge wäre ein bedeutender Schritt, denn die letzte Vertragsänderung ist bereits 14 Jahre her. Die Sackgasse, in der sich die EU im Bereich der Rechtsstaatlichkeit befindet, macht aber deutlich, wie dringend wir diesen Schritt, mit neuen Sanktionsmechanismen brauchen.

 

Dies kann auch in Form einer Beschneidung des Kohäsionsfonds (wichtiger EU-Fonds zum Ausgleich der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheit) oder Agrarfonds stattfinden, also Mitteln, mit denen sich benannte Regierungen viel Gunst auf Kosten der Europäischen Gemeinschaft erwirtschaften.

 

  • Dringend erforderlich ist eine Änderung der EU-Verträge. Eine solche Änderung muss enthalten, dass dem Europäischen Parlament, als einziger direkt demokratisch legitimierter Institution, die notwendigen Rechte und Befugnisse – wie u. a. das Initiativrecht – eingeräumt werden, um im Vorgehen gegen Rechtsstaatsverstöße eigenständig Voraussetzungen formulieren zu können, die vorsehen wann die Kommission einschreiten muss. Die Vertreter*innen der EUBürger* innen sollten auch als Hüter*innen der EU-Verträge handeln können!
  • Eine solche Änderung muss auch enthalten, dass das Einstimmigkeitsprinzip keine Anwendung mehr findet und durch das Prinzip der doppelten Mehrheit oder durch ähnliche Konzepte ausgetauscht wird.
  • Bis zur Änderung der EU-Verträge fordern wir von den sozialistischen und sozialdemokratischen Mitgliedern in den europäischen Institutionen, insbesondere von den Staats- und Regierungschefs im Europäischen Rat, sich stärker für die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit einzusetzen und in den Institutionen den politischen Druck zu erhöhen. Darüber hinaus setzen wir uns dafür ein, dass alle Mitgliedsparteien der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE/PES) sich für die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit in ihren Mitgliedsstaaten und der gesamten EU einsetzen. Denn auch in unserer Parteienfamilie gibt es an einigen Stellen noch entsprechenden Nachholbedarf.

 

Deutschland ist ein bedeutender Akteur innerhalb der EU und muss auch als ein solcher konsequent mit ihren Partner*innen handeln. Die nächste Bundesregierung muss auf ein zielgerichtetes Handeln der Kommission einwirken und Teil der Lösung sein!

Antrag 54/II/2021 Für einen progressiven transatlantischen Neuanfang!

9.11.2021

Die Wiederbelebung und Vertiefung der transatlantischen Beziehungen ist nach der Wahl Joe Bidens zum 46. US-Präsidenten überparteilicher Konsens. Wir fordern die weitergehende, strategische Entwicklung und Umsetzung einer distinkt sozialdemokratischen transatlantischen Agenda, basierend auf progressiven außen-und innenpolitischen Ideen, den Konzepten der „Europäischen Strategischen Autonomie“ und der „Foreign Policy for the Middle Class“ sowie dem Wissen, dass nur eine enge transatlantische Allianz die multilaterale, wertebasierte Ordnung gegen die zunehmende Erodierung durch autokratische Regime bewahren und stärken kann.

 

Auf Landesebene fordern wir:

  1. Die Entwicklung und Umsetzung eines transatlantischen Austauschprogrammes zwischen Politiker*innen und Mitarbeiter*innen der öffentlichen Verwaltung mit urbanen Zentren jenseits der US-Küstengebiete mit verschiedenen thematischen Schwerpunkten (u.a. Klima, Handel, Technologie). Als Beispiel kann das Programm „New Urban Progress“ des Progressiven Zentrums dienen.

 

Auf Bundesebene fordern wir:

  1. Einen gezielten Kontaktaufbau zwischen Fraktion und Parteivorstand mit dem progressiven Flügel der Demokratischen Partei sowie verwandten Organisationen (z.B. „Justice Democrats“, „Center for International Policy)“ und eine daraus resultierende Agenda für eine gemeinsame progressive Allianz, die alle außenpolitische Bereiche umfasst.
  2. Die Etablierung einer transatlantischen Task-Force zur Stellungnahme und Positionierung gegenüber der von Biden angekündigten „Foreign Policy for the Middle Class“. Diese sollte eine Neujustierung der deutschen und europäischen Außenpolitik auf nationale und internationale wirtschaftliche Verteilungseffekte, ein transparentes Aufbrechen des innen-und außenpolitischen Silodenkens in Parlamenten und Verwaltung sowie einen intensivierten und informationsbasierten außen-und sicherheitspolitischen Bürger*innendialog zu ihrem Kern machen.
  3. Die Gründung eines parlamentarischen bzw. parteilichen Austauschkreises zu Best Practices und Policy-Umsetzung einer innenpolitischen progressiven Agenda, insb. mit Augenmerk auf nachhaltigen Infrastrukturausbau, die Schaffung und angemessene Vergütung von systemrelevanten Stellen im Pflegebereich, Aufarbeitung und Wiedergutmachung von Rassismus und postkolonialem Erbe sowie sozio-ökonomische Mobilität und Bildungsgerechtigkeit.
  4. Das Ziel eines nuklearwaffenfreien Europas bleibt bestehen. Die nukleare Teilhabe dient jedoch der Sicherheit und dem Zusammenhalt innerhalb der NATO. Einen unilateralen Ausstieg Deutschlands aus der nuklearen Teilhabe darf es daher nicht geben. Deutsche Außen- und Sicherheitspolitik muss immer im Multilateralismus begründet sein – einen deutschen Alleingang ohne Abstimmung mit unseren europäischen Partnern lehnen wir daher ab. Gleichzeitig muss die Bedingung gelten, dass hierdurch kein Einfluss auf die europäische Rüstungsbeschaffungspolitik genommen wird, bspw. durch die nicht-Zertifizierung von Eurofightern oder dem Future Combat Air System.
  5. Eine proaktive Politik des konstruktiven Engagements der Bundesregierung mit dem Atomwaffenverbotsvertrag durch Teilnahme an den Vertragsstaatskonferenzen als Beobachter und Mitfinanzierer; den Einsatz ggü. den Staaten der Stockholminitiative, sich ebenfalls als Beobachter zu beteiligen; und die explizite Befürwortung ggü. den USA, eine “No first use” Policy einzuführen.
  6. Eine Re-Evaluierung des NATO- 2%-Ziels mit dem Ziel eines neuen Abkommens, welches den qualitativen Ausbau militärischer Fähigkeiten festlegt, zu welchem sich einzelne Mitgliedstaaten zu bestimmten Zeitpunkten verhalten sollen. Dieses Abkommen muss gebunden an die Bedingung sein, dass jede Erhöhung der Verteidigungsausgaben mit einer klar ausdefinierten Beschaffungsstrategie einhergeht und dem ausschließlichen Zweck dient, aktuelle Ausrüstungs- Ausbildungs- und Abwehrdefizite der Bundeswehr sowie der EU- und NATO-Partner zu kompensieren. Übergeordnetes Ziel muss stets die auf Kosten- und Kapazitäteneffizienz und -ergänzung ausgelegte Integration der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (insbes. im Rahmen von PESCO) sein. Deshalb soll zudem eine jährliche Evaluierung stattfinden, welche auf die Integration von Ausrüstung und Abwehrsystemen entsprechend dem Ziel einer integrierten europäischen Sicherheitspolitik abzielt und festlegt, ob die Rüstungsausgaben gesenkt werden können.
  7. Die Einsetzung einer transatlantischen Evaluierungsgruppe des Afghanistan-Einsatzes, um Defizite in der Kooperation und Koordinierung konsequent aufzuarbeiten.

 

Auf EU-Ebene fordern wir:

  1. Die zügige Operationalisierung des transatlantischen Trade and Technology Council um Einheit in den Anstrengungen zur Bewältigung der Sicherheits-, Wirtschafts- und Regulierungsherausforderungen im digitalen und technologischen Bereich zu fördern sowie globale Standards zu setzen, die Privatsphäre, Menschenrechte, Wettbewerb und Transparenz schützen.
  2. Den engen Schulterschluss von Deutschland im Rahmen der Team Europe Initiative mit den USA und das Vorantreiben wichtiger Zukunftsinvestitionen auf multilateraler Ebene zur Erholung nach der Covid-19 Pandemie u.a. im Bereich der nachhaltigen Infrastrukturentwicklung sowie Digitalisierung. Wichtige Initiativen müssen gestreamlined werden. Hierbei muss ein Fokus auch auf der internationalen Zusammenarbeit und entwicklungspolitischen Unterstützung anderer Länder liegen, um einen solidarischen globalen Aufschwung zu ermöglichen.
  3. Einen gemeinsamen Ansatz für die digitale Steuerpolitik in Form der Wiederaufnahme der OECD-Verhandlungen. Regulierungs-, Wettbewerbs-, Inhalts- und Datenschutzprobleme müssen in enger Abstimmung adressiert werden, um globale Normen zu formen und eine nachhaltige Alternative zu autoritären Kontrollversuchen digitaler Zivilsphären zu bieten.
  4. Die Einsetzung einer NATO-EU Taskforce um die Koordinierung zu maximieren, Fähigkeiten zu bündeln und die Umsetzung einer gemeinsamen politischen Agenda sowie eines Strategiekonzepts zur Bekräftigung und Stärkung von Demokratie und Rechtsstaat als Kernkonzept aller NATO-Mitgliedstaaten voranzutreiben.
  5. Die weitere Stärkung der europäischen Verteidigungsarchitektur (GSVP) und PESCO mit dem langfristigen Ziel der Schaffung einer Europäischen Armee, ein Instrument, das nicht als Alternative zur NATO gedacht sein soll, sondern als europäischer Pfeiler des transatlantischen Bündnisses, der die strategische Gestaltungsmacht Europas in der Allianz und der Allianz selbst erhöhen würde.

 

Antrag 59/II/2021 Ein Schritt in Richtung globale soziale Gerechtigkeit - Angleichung der Bezahlung von Ortskräften und Entsandten in der internationalen Zusammenarbeit!

9.11.2021

Das Vergütungssystem an deutschen Institutionen, die im Ausland operieren (z.B. Botschaften, politische Stiftungen, die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ), zementiert die Ungleichheiten zwischen dem Global Süden und Norden, denn: Ortskräfte werden deutlich schlechter bezahlt als die deutschen entsandten Angestellten dieser Institutionen.

 

Konkret folgt das Vergütungssystem diesen Leitlinien:

 

Die Vergütung von deutschen Angestellten im Ausland wird je nach Beschäftigungsort durch das Bundesbesoldungsgesetz oder den TVöD Bund geregelt bzw. daran angelehnt. Zu diesem dort festgeschriebenen Geld kommen noch Auslandsdienstbezüge hinzu, die unter anderem einen Mietzuschuss beinhalten. Die Höhe dieser Bezüge unterscheidet sich je nach Einsatzland.

 

Im Gegensatz dazu erhalten Ortskräfte an deutschen Auslandsvertretungen ihr Gehalt gemäß der Ortsüblichkeit. Die Ortsüblichkeit wird durch den Vergleich mit anderen ortsansässigen Arbeitsbedingungen festgelegt. Auch bei anderen deutschen Akteur*innen im Ausland (z.B. Stiftungen oder der GIZ), gilt ein Besserstellungsverbot, das dem Prinzip der Ortsüblichkeit ähnlich ist.

 

Im Detail bedeutet das, dass beispielsweise die*der deutsche entsandte Büroleiter*in der Friedrich-Ebert-Stiftung in Tunesien 4113,41 Euro brutto verdient und zusätzlich laut der Auslandszuschlagsverordnung 2348,68 Euro Auslandszuschlag bekommt.

 

Das Gehalt der Ortskraft, das sich nach Ortsüblichkeit bemisst, ist somit je nach Position zwischen den folgenden Gehaltsgruppen einzuordnen: Ein*e Buchhalter*in in Tunesien verdient im Schnitt 326,63 Euro, ein*e Architekt*in 388,93 Euro und ein*e Zahnärzt*in 951 Euro.

 

Zusammengefasst entsteht die ungleiche Vergütung durch die Bezahlung der Entsandten nach deutschen Gehaltsstandards und zusätzlichen Auslands- und Mietzuschüssen, während Ortskräfte nach den Prinzipien der Ortsüblichkeit bezahlt werden. Am Beispiel Tunesiens beträgt dieser Unterschied mindestens 5.500 Euro! Die eigentlich gleichwertige Arbeit von Ortskräften im Vergleich zu Entsandten, wird durch das Ungleichgewicht der Vergütung entwertet. Es ist ungerecht, dass die Ortskräfte für denselben Arbeitsaufwand und Qualifikation nur einen Bruchteil vergütet bekommen. Dieses Lohngefälle ist unverhältnismäßig.

 

Auch steht den Entsandten angesichts der Tatsache, dass die Lebenshaltungskosten in vielen Ländern des globalen Südens die Lebenshaltungskosten meist um einiges niedriger sind als in Deutschland, in vielen Fällen überdurchschnittlich viel Geld zur Verfügung. Diese im Dienstland (als auch für deutsche Standards) überdurchschnittliche Vergütung ermöglicht den Entsandten einen außerordentlich gehobenen Lebensstil im Vergleich zu der restlichen Bevölkerung.

 

Bei der Auflösung dieses Ungleichgewichts, sind zwei Punkte zu beachten: Für die ortsübliche Bezahlung spricht das Argument, dass eine zu große Einflussnahme auf das lokale Wirtschaftssystem verhindert werden soll. Für Entsandte wird das Argument geltend gemacht, dass ihnen eine Rückkehr nach Deutschland mit einem angemessenen Lebensstandard garantiert sein muss.

 

Dennoch ist dieses exorbitante Ungleichgewicht so nicht tragbar. Wir verstehen uns als internationalistisch und müssen so für die Auflösung kolonialer Strukturen eintreten.  Am wichtigsten ist aber: Die ungleiche Bezahlung ist nicht vereinbar mit dem zentralen Grundwert der Jusos und der SPD: Soziale Gerechtigkeit. Soziale Gerechtigkeit endet nicht an der deutschen Grenze, wir müssen für sie weltweit einstehen.

Deswegen fordern wir:

  • Eine Neubewertung der Gehälter von Entsandten und Ortskräften
  • Eine Angleichung der Vergütung von Entsandten und Ortskräften
  • Eine Neubewertung des Auslandszuschlags der Entsandten unter Einbeziehung der Differenz der Lebenshaltungskosten im Land der Entsendung und in Deutschland insbesondere des Mietkostenzuschusses

Lasst uns endlich diesen entscheidenden Schritt in Richtung globale Gerechtigkeit gehen.

Antrag 69/II/2021 Medizinische Fußpflege für alle, die sie brauchen

9.11.2021

Die Sozialdemokrat*innen im Deutschen Bundestag werden aufgefordert, sich für eine Aufnahme medizinischer Fußpflege in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherungen einzusetzen, sodass bei allen Menschen, die diese benötigen, ein ärztliches Rezept für die Kostenübernahme ausreicht und diese auch bei einem stationären Klinikaufenthalt erfolgen kann.

 

Bisher kann medizinische Fußpflege nur dann durch ein Rezept ärztlich verordnet und von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen werden, wenn die medizinische Fußpflege aufgrund krankhafter Veränderungen am Fuß infolge von Diabetes mellitus (Diabetisches Fußsyndrom), Neuropathien (Nervenerkrankungen) oder eines Querschnittsyndroms erforderlich wird.

 

Bei vielen anderen Ursachen dafür, die Fußpflege nicht (mehr) allein durchführen zu können, werden Menschen jedoch alleingelassen. Sie müssen die Kosten dann selbst tragen oder vernachlässigen die Fußpflege ganz – mit schwerwiegenden Auswirkungen. Auch bei langfristig stationären, bewegungseingeschränkten Patient*innen im Krankenhaus wird Fußpflege zu einem Problem. Ein solidarischer Sozialstaat muss hier Lösungen schaffen.