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Antrag 191/I/2022 Motorbootfreie Sonntage

17.05.2022

Die sozialdemokratischen Mitglieder des Abgeordnetenhauses und des Senats von Berlin werden aufgefordert, zu prüfen, ob und in welchem Umfang es unter Berücksichtigung der Zuständigkeiten von Bundesbehörden und Ministerien möglich ist, wieder motorbootfreie Sonntage bzw. allgemeine Sperrzeiten für motorgetriebene Wasserfahrzeuge, ggf. nur beschränkt auf die Berliner Gewässer, einzuführen.

 

Fähren, Personen- und Frachtschifffahrt sind davon natürlich auszunehmen.

Antrag 145/I/2022 Freiheiten anerkennen und das Neutralitätsgesetz abschaffen!

17.05.2022

Das Neutralitätsgesetz hat zum Ziel die persönliche Weltanschauung und Religion aus staatlichen Institutionen, wie beispielsweise der Schule, herauszuhalten. Alle, die diese Institutionen nutzen, sollen sich dort und von den Vertreter*innen des Staates gleichermaßen angenommen fühlen, ganz egal, welcher Weltanschauung oder Religion sie angehören. Das Neutralitätsgesetz untersagt aus diesem Grund Staatsvertreter*innen wie Lehrer*innen oder Richter*innen das Zurschaustellen religiöser und weltanschaulicher Symbole. Gleichzeitig ist ein Staat, der Kirchensteuern erhebt und in einer mehrheitlich christlich-weißen Gesellschaft agiert, selbst nicht neutral. Deshalb ist es unverhältnismäßig, dass dieser Staat von seinen Mitarbeiter*innen Neutralität einfordert.

 

Wir finden es richtig, dass die Institutionen selbst keine religiösen oder weltanschaulichen Symbole zeigen und keine christlichen Kreuze in Klassenzimmern hängen. Problematisch bleibt jedoch, dass das Neutralitätsgesetz keine Differenzierung der verschiedenen Lebenssituationen vornimmt, in denen Menschen der Religionsausübung anderer ausgesetzt werden. Die staatliche Neutralitätspflicht gilt nicht vorrangig vor jedem anderen Recht. Es hat eine Abwägung zu erfolgen, die die Religionsfreiheiten der Vertreter*innen des Staates und die Zumutbarkeit berücksichtigt, mit der Religionsausübung anderer auseinandergesetzt werden: Bürger*innen, Schüler*innen und Besucher*innen öffentlicher Gebäude ist mehr zuzumuten! Diese wichtige Abwägung fehlt im Neutralitätsgesetz.

 

Das Grundrecht der Religionsausübung ist zudem individuell zu betrachten. Religiöse oder weltanschauliche Symbole sind sehr unterschiedlich. Ein Unterschied ist, wie offen die Symbole getragen und ob sie von den Mitgliedern der Religionsgemeinschaft immer oder nur zu Anlässen getragen werden. Religiöse Gebote, die nur dann eingehalten werden können, wenn sie die Religiosität nach außen sichtbar machen, werden durch Neutralitätsgesetze unmöglich gemacht. Das Tragen eines Kreuzes als Halskette bleibt möglich. Frauen, die Kopftuch tragen, tragen dieses aber immer, können es nicht ablegen und auch nicht verdeckt tragen. Das Neutralitätsgesetz, das geschaffen wurde, um Gleichheit an staatlichen Institutionen herzustellen, betrifft Menschen verschiedener Religionen also ganz im Gegenteil sehr unterschiedlich – je nach den Eigenschaften des religiösen Gebotes, dem sie sich verpflichtet fühlen.

 

Antimuslimischer Rassismus und Sexismus sind ein riesiges Problem in Deutschland. Muslimische Frauen sind von beidem betroffen. Diese Diskriminierungen summieren sich nicht einfach, sondern manifestieren sich als Vielfachdiskriminierung (Intersektionalität). Eine Diskriminierungsform ist die Zuschreibung, dass muslimische Frauen unterdrückt würden – durch männliche Familienmitglieder, das patriarchalische Wertesystem oder ihre Religion. Das führt dann in der weißen, nicht-muslimischen Mehrheitsgesellschaft teilweise zum Impuls, diese Frauen „zu retten“ oder „vom Kopftuch zu befreien“. Ein solcher Impuls ist übergriffig, abwertend und diskriminierend. Als Jusos erkennen wir an, dass unterschiedliche Dinge für unterschiedliche Frauen empowernd und emanzipatorisch sind. Für manche Frauen ist das Nacktheit oder freizügige Kleidung, für andere ist es das Kopftuch und das Bedecken von Körper und Haar.

 

Befürworter*innen des Kopftuchverbots in staatlichen Stellen (was das Neutralitätsgebot in der Praxis ist), argumentieren jedoch oft mit der unterstellten Unterdrückung: Muslimische Mädchen sollten nicht auch noch durch ihre Lehrerinnen den Eindruck bekommen, dass es Standard oder ihre Pflicht sei, selbst auch Kopftuch zu tragen. Allerdings ist der Effekt des Kopftuchverbots genauso schädlich wie diese Vermutung. Das faktische Kopftuchverbot verbannt viele muslimische Women of Color (WoCs) aus Positionen in unserem Staat, in denen sie Einfluss nehmen können, die als zentraler Teil der Gesellschaft anerkannt sind und in denen sie eine Vorbildfunktion haben. Damit blockieren staatliche Stellen die eigenen Diversitätsoffensiven und nehmen vornehmlich BIPoC-Communities (Black, Indigenous and People of Color) die weiblichen Vorbilder, die sie dringend brauchen. Wenn Verwaltung eine Gesellschaft abbilden soll, kann sie es sich nicht leisten, bestimmte Gruppen durch ein Neutralitätsgesetz von vornherein auszuschließen. Insbesondere sind über das Neutralitätsgesetz hinaus hinreichende Instrumentarien vorhanden, um Konflikte an Schulen zu schlichten und eine tatsächliche Störung des sogenannten Schulfriedens als rechtlich anerkanntes Verfassungsgut zu vermeiden.

 

Mit der heutigen Praxis verbannen wir viele Frauen, die Kopftuch tragen, aus einflussreichen Positionen während wir ihre Arbeitskraft in Positionen, die weniger einflussreich und anerkannt sind, gerne annehmen. Diese Politik wollen wir nicht. Sie schließt eine Gruppe Frauen* aus staatlichen Funktionen aus und verwehrt ihnen Teilhabe und berufliche Karrieren. Als wäre das nicht schon Grund genug, verfestigt sie aber auch rassistische und diskriminierende Strukturen: Wer kopftuchtragende Frauen nicht in staatlichen Positionen sieht, traut sie ihnen auch eher nicht zu und stigmatisiert sie als nicht integrierte Randgruppe. Das ist besonders dramatisch, wenn das junge kopftuchtragende Frauen selbst betrifft, aber auch alle anderen werden so an rassistische Strukturen gewöhnt und tragen dadurch zu deren Erhalt bei. Im absolut notwendigen Kampf gegen religiöse Indoktrinierung und illiberale Erziehung Mittel zu wählen, die insbesondere hoch gebildete Musliminnen davon abhalten in den Staatsdienst einzutreten, halten wir für den falschen Weg. Grade diese Frauen, könnten Vorbilder für junge Mädchen sein und ihnen vorleben, dass eine Frau selbstbestimmt leben und aus eigener Überzeugung heraus einen Hijab oder eine andere Form von Kopftuch tragen kann.

 

Generell befürworten wir das Streben nach einem religiös und weltanschaulich neutralen Staat. Aber wir schlagen einen anderen Weg vor. Dort wo Menschen aller religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen gleichberechtigt miteinander einen Staat repräsentieren, bevorzugt dieser Staat keine einzelne Gruppe. Ein solcher Staat ist neutral. Das Konzept einer solchen inklusiven Neutralität vermeidet jedoch die spezifisch diskriminierenden Effekte des Neutralitätsgesetzes, die das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 27.08.2020 festgestellt hat. Wir halten Neutralität durch Vielfalt daher für das bessere Konzept.

 

Wir fordern daher die Abschaffung des Neutralitätsgesetzes.

 

 

 

 

 

 

Antrag 146/I/2022 Beschränkung der sogenannten fortdauernden Amtsausstattung für nachwirkende Aufgaben

17.05.2022

Die SPD-Bundestagsfraktion wird aufgefordert, für eine erhebliche Beschränkung der Titel im jährlichen Bundeshaushaltsplan einzutreten, aus denen bisher ehemaligen Bundespräsidenten, Bundeskanzlern und Bundestagspräsidenten eine sogenannte fortdauernde Amtsausstattung für nachwirkende Aufgaben gewährt wird.

 

Dabei ist von folgenden Grundsätzen auszugehen:

 

Mit dem Ausscheiden aus einem Amt gehen die damit verbundenen Aufgaben vollständig auf den Amtsnachfolger über. Sie entfallen für den bisherigen Amtsinhaber und können nicht nachwirken. Ein früherer Amtsinhaber ist frei, aber nicht verpflichtet, neue Aufgaben zu übernehmen. Werden sie ihm durch Dritte angetragen, mögen diese für erforderliche Sach- und Personalkosten aufkommen. Die Freistellung ehemaliger Amtsinhaber von solchen Kosten ist kein geeignetes Mittel, um Zwecke Dritter zu fördern, selbst wenn sie im Einzelfall förderungswürdig sein könnten.

 

Leistungen an ehemalige Amtsinhaber, soweit es sich nicht um die gesetzlich geregelte Versorgung handelt, sind auf zwangsläufig entstehende Kosten zu beschränken. Selbstverständlich sind Schutzmaßnahmen nach Maßgabe sicherheitsbehördlicher Beurteilung. Sonstige zwangsläufig entstehende Ausgaben sind überhaupt nur für eine kurze Übergangszeit denkbar, die bei Bundespräsidenten und -kanzlern schon mit der Dauer einer normalen Wahlperiode großzügig bemessen wäre und als lebenslängliche Leistung überhaupt nicht zu rechtfertigen ist. Für Bundestagspräsidenten dürften sie schon dem Grunde nach kaum vorstellbar sein.

 

Ein etwaiges Vertrauen vorhandener ehemaliger Amtsinhaber auf weitere Gewährung ist nicht geschützt, weil die Leistungen nicht auf besonderer gesetzlicher Grundlage beruhen und das jährliche Haushaltsgesetz lediglich zu Ausgaben ermächtigt, aber keine Ansprüche begründet (§ 3 der Bundeshaushaltsordnung).“

Antrag 147/I/2022 Änderung des Gesetzes über die Ruhebezüge des Bundespräsidenten

17.05.2022

Die SPD-Bundestagsfraktion und die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung (federführend die Bundesministerin des Innern) werden aufgefordert, einen Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes über die Ruhebezüge des Bundespräsidenten zu initiieren.

 

Dabei sind folgende Grundsätze zu beachten:

 

Unangemessen ist der bestehende Versorgungsanspruch (sog. Ehrensold) in voller Höhe der Aktivbezüge, der schon mit dem Amtsantritt erworben wird. Ein solcher Versorgungsanspruch ist nach Erwerbszeitpunkt und Höchstversorgungssatz allen staatlichen Versorgungssystemen fremd, wie schon im Gesetzentwurf der SPD-Bundestagsfraktion vom 20. November 2012 (Bundestagsdrucksache 17/11593) ausgeführt wurde. Jeder Versorgungsanspruch stellt neben den Aktivbezügen eine geldwerte Gegenleistung für die Amtswahrnehmung dar und darf deshalb nur mit ihrer Dauer allmählich ansteigen.

 

Es dürfte sich empfehlen, die Versorgung des Bundespräsidenten entsprechend den Regelungen des Bundesministergesetzes auszugestalten, nach dem Bundeskanzler und -minister erst nach einer Amtszeit von mehr als 22 Jahren den Höchstversorgungssatz von 71,75 Prozent erreichen können. Eine Amtszeit von höchstens zehn Jahren, die einem Bruchteil einer durchschnittlichen Lebensarbeitszeit entspricht, rechtfertigt nur eine Teilversorgung. Dazu muss der Anspruchserwerb sachgerecht beschränkt werden, weil Anrechnungsregeln naturgemäß nicht greifen, wenn keine Versorgungsansprüche, wohl aber dafür verwendbares Vermögen erworben wurde oder hätte erworben werden können.

 

Eine Gesetzesänderung ist auch deshalb erforderlich, weil die Aktivbezüge des Bundespräsidenten bis heute nicht gesetzlich geregelt sind, obwohl das Gesetz über die Ruhebezüge daran anknüpft. Insoweit dürfte auch die vom Bundesverfassungsgericht entwickelte sogenannte Wesentlichkeitstheorie ein formelles Gesetz erfordern.

 

Weitergehende Ansprüche, die nach dem bisher geltenden Recht erworben wurden, sollen für die Zukunft nur gewahrt bleiben, soweit Vertrauensschutz zwingend geboten ist.

Antrag 144/I/2022 Platzverweis für Menschen ohne Obdach – Verdrängung aus dem öffentlichen Raum verhindern

17.05.2022

Sowohl Landes- als auch Bundespolizei haben die Befugnis Platzverweise auszustellen. Die entsprechenden Gesetze werden auch in der besonderen Situation von Menschen ohne Obdach angewendet. Hier kann alleine die Anwesenheit dieser Menschen als Störung deklariert werden. Menschen ohne Obdach sollen nicht im öffentlichen Raum sichtbar sein. Dabei gehören Obdach- und Wohnungslosigkeit zu dieser Gesellschaft und sind Ergebnis unsozialer Politik und Strukturen. Das unsichtbar machen dieses Faktes ändert daran nichts.

 

Ein Platzverweis gegen Menschen ohne Obdach ist keine Maßnahme zur Bewahrung der öffentlichen Ordnung. Es ist die Vertreibung von Menschen auch von Orten an denen sie sich eingerichtet haben, weil sie sonst kein Zuhause haben. Kältebusse und ähnliche Angebote der Sozialhilfen verlassen sich darauf, Menschen ohne Obdach an gewissen öffentlichen Plätzen anzutreffen. Diese lokale Gebundenheit ist Voraussetzung um ein Vertrauensverhältnis zwischen Menschen ohne Obdach und Sozialarbeiter*innen aufzubauen, und Menschen adäquat, gerade im Winter, versorgen zu können. Erst wenn die Betroffenen Helfer*innen und staatlichen Strukturen vertrauen können, sind sie gewillt weitergehende Hilfeleistungen (wie eine psychosoziale Betreuung) in Anspruch zu nehmen. Wenn nun Menschen ohne Obdach ihrer bekannten Plätze vertrieben werden, geschieht das vermeintlich zum Schutz der Allgemeinheit und der öffentlichen Ordnung. Dafür werden die Menschen ohne Obdach aber ihrem primären Bezugsort verwiesen. Ein fester Ort bietet mehr Sicherheit für Obdach- und Wohnungslose marginalisierter Gruppen z.B. durch Gruppenstrukturen. Durch den Platzverweis kann es zum Aufbrechen dieser kommen und dadurch zu noch größerer Gefährdung. Gerade bei Menschen mit psychischen Erkrankungen kann ein Platzverweis und die damit einhergehende negative Erfahrungen mit der Polizei Vertrauen zerstören und Desorientierung hervorrufen. Das kann ein enormer Rückschlag in der Reintegration dieser Menschen sein.

 

Deshalb sollte ein Platzverweis nie ohne Beachtung der besonderen Hilfsbedürftigkeit von Menschen ohne Obdach verhängt werden und nie nur auf Grund ihrer Obdachlosigkeit. Ihnen muss sofort beispielweise ein alternativer Aufenthaltsort angeboten werden. Dies sollte ein Platz in einem kommunalen Hilfsprogramm (Housing First oder Notunterkunft) sein. Wir müssen die Menschen von der Straße holen und zumindest in gut ausgestattete, sichere Notunterkünfte – idealerweise aber in eigene Wohnungen – bringen. Was nicht hilft ist, sie von einem Platz zum nächsten zu scheuchen.

 

Das Unterlassen von Platzverweisen gegen Menschen ohne Obdach muss eingebettet werden in eine nachhaltige Strategie gegen Obdach- und Wohnungslosigkeit. Die Jusos haben sich bereits auf dem Bundeskongress 2021 umfänglich zu einem solidarischen Umgang mit Menschen ohne Obdach bekannt. Obdachlosigkeit ist für uns ein systemisches Problem und nicht das Versagen Einzelner. Deshalb fordern wir die Stärkung und die weitreichende Finanzierung des Projekts Housing First und eine Entspannung des Wohnungsmarktes. Wohnungslosigkeit muss präventiv und akut mit psychosozialer und individueller Unterstützung Betroffener begegnet werden.

 

Das ist eine Strategie gegen Obdachlosigkeit, simple Platzverweise sind es nicht. Deshalb fordern wir die Normierung einer entsprechenden Erweiterung der entsprechenden Gesetze (Bund: §30  BPolG, Land: §29 ASOG) dahingehend, dass Platzverweise gegen Menschen ohne Obdach aus Gründen ihrer Obdachlosigkeit nur noch ausgesprochen werden dürfen, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen, erheblichen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit der Obdachlosen oder einer anderen Person oder für Sachen von bedeutendem Wert unerlässlich ist. Jeden Menschen ohne Obdach, gegen den ein Platzverweis ausgesprochen wird, soll unverzüglich ein alternativer Aufenthaltsort in Form eines Platzes in einem Hilfsprogramm gegen Wohnungslosigkeit angeboten werden.

 

Wir fordern deshalb eine entsprechende Erweiterung des § 30 des Polizeigesetzes, um einen Passus zum Verfahren mit Platzverweisen gegen Menschen ohne Obdach.