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Antrag 43/II/2018 "Come on strike! Mehr Sicherheit für streikende Azubis"

11.10.2018

Der Streik ist das wichtigste Kampfmittel der Gewerkschaften und Beschäftigten, um ihren Forderungen gegenüber den Arbeitgeber*innen Nachdruck zu verleihen. Gleichzeitig ist ein Streik auch immer eine Ausnahmesituation, die höchste Eskalationsstufe in einer Tarifauseinandersetzung. Das Streikrecht ist an viele Bedingungen geknüpft, um rechtmäßig zu sein. So darf nicht während der Laufzeit eines Tarifvertrages gestreikt werden, ein Streik muss verhältnismäßig sein und es muss ein von einer Gewerkschaft autorisierter und betreuter Streik sein.

 

So ist es nicht verwunderlich, dass die Arbeitgeber*innenseite Streiks mit allen möglichen Mitteln verhindern will. Denn sie bedeuten Gewinneinbußen. Drohungen, Schikane und fehlender Zugang der Gewerkschaften zu Beschäftigten in einem Unternehmen gehört zur Tagesordnung. Eine Gruppe ist dem oft hilflos ausgeliefert: Auszubildende.

Jede*r Arbeitnehmer*in hat das Recht zu streiken, das im Artikel 9 des Grundgesetzes verankert ist. Und das gilt auch für Auszubildende, die ganz ausdrücklich in den Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) aufgenommen sind. Wörtlich heißt es in §5: „Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes sind Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten.“

 

Dies hat das Bundesarbeitsgericht bereits erstmalig in einem Urteil von 1984 festgestellt (1 AZR 342/83 vom 12.09.84 AP Nr. 81 zu Art. 9 GG). Das Streikrecht von Azubis ist aufgrund ihrer besonderen Situation auch an besondere Bedingungen geknüpft, die über die Streikregeln für ausgelernte Arbeitnehmer*innen hinausgehen. So darf das Ausbildungsziel nicht gefährdet werden, zum Beispiel bei Streiks in der Zeit der Abschlussprüfungen. Ob dieser Fall besteht, wird bei jedem Streik, bei dem die Auszubildenden in den Streik miteinbezogen werden sollen, geprüft.

 

Die DGB-Gewerkschaften berichten jedoch oft von Behauptungen der Arbeitgeber*innen, Azubis hätten kein Streikrecht. Dies verstößt jedoch gegen das Grundgesetz (Art. 9 Abs.3 Grundgesetz). Ob Auszubildende sich am Streik beteiligen dürfen, prüft im Einzelfall die zuständige Gewerkschaft und nicht die Arbeitgeber*innenseite! Arbeitsrechtliche Androhungen der Arbeitgeber*innen, wie zum Beispiel Abmahnungen, Eintragungen in Personalakten und die fristlose Kündigung des Ausbildungsverhältnisses sind ausdrücklich verboten.

 

Auch Berufsschulen versuchen laut den DGB-Gewerkschaften, Auszubildenen einzureden, die Berufsschulpflicht würde über dem Streikrecht stehen. Doch auch das ist falsch: Die Streikteilnahme gilt als entschuldigte Fehlzeit und gefährdet das Ausbildungsziel nicht.

 

Daher fordern wir:

  • Festschreibung des besonderen Schutzes für streikende Auszubildende im Betriebsverfassungsgesetz
  • Ermöglichung der konsequenten Durchsetzung des Streikrechts durch Festschreibung des besonderen Schutzes für streikende Auszubildende vor, während und nach dem Streik im Betriebsverfassungsgesetzes
  • Im Betriebsverfassungsgesetzt festgeschriebene Sanktionen für Arbeitgeber*innen und Berufsschulen, die Auszubildenden das Streikrecht verbieten, bzw. die Rechtslage der Auszubildenden falsch darstellen

 

Informationspflicht der Ausbildungsstelle bis zum Abschluss des Ausbildungsvertrages gegenüber dem*der Auszubildenden über sein*ihr Streikrecht in verständlicher Weise. Innerhalb von Ausbildungsvertägen ist festzuhalten, dass der*die Auszubildende über sein*ihr Streikrecht vollständig und verständlich informiert worden ist.

Antrag 94/II/2018 Abschaffung der Probezeit nach der Ausbildung!

11.10.2018

Wir fordern die Ergänzung des § 622 BGB um eine Regelung, die sicherstellt, dass eine erneute Probezeit nach der Übernahme aus der Ausbildung in ein festes Arbeitsverhältnis im ausbildenden Betrieb nicht zulässig ist.

 

Bei der Anstellung eines Auszubildenden oder einer Auszubildenden, durchläuft ein Azubi bereits die vertraglich festgelegte Probezeit. Darüber hinaus hat sich ein Azubi über die Dauer seiner oder ihrer Ausbildung insofern bewiesen, als dass er bzw. sie für eine Übernahme in Frage gekommen ist, eine anschließende Probezeit, ist daher aus offensichtlichen Gründen unnötig.

Antrag 133/II/2018 Für zusätzliche Unisexumkleidekabinen & Unisexduschen bei den Berliner Bäder-Betrieben – Badespaß kennt kein Geschlecht!

11.10.2018

Die Berliner Bäder-Betriebe sind der größte Bäderbetreiber Europas. Jährlich besuchen ungefähr 7 Millionen Menschen die Bäder der BBB. Umso mehr wird es Zeit für die BBB sich für alle Menschen zugänglicher zu machen. Was hierzu noch fehlt? Unisexumkleidekabinen und Duschen.

 

In den meisten Berliner Bädern gibt es Frauen- und Herrenumkleiden, sowie Duschen. Das Umziehen vor dem Schwimmen ist sehr intim und alle Menschen sollten sich dabei wohlfühlen. Nicht in allen Bädern sind abschließbare Umkleidekabinen für Einzelne vorhanden, was notwendigerweise dazu führt, dass sich alle zusammen umziehen. Doch gerade das stellt für viele Menschen eine Hürde da: Nicht nur für Menschen, die sich keinem Geschlecht zuordnen wollen, oder Trans*menschen, die unschlüssig sind, ob sie sich in der Umkleidekabine ihres „biologischen Geschlechts“ umziehen wollen oder des Geschlechtes, dessen sie sich zuordnen, ist das ein Problem. Dieser Missstand betrifft auch Menschen mit einer Behinderung und einer Begleitperson, die anderen Geschlechtes ist und Elternteile, die mit ihren Kindern Schwimmen gehen wollen und Kindern verschiedenen Geschlechts haben.

 

Die Schaffung von Unisexumkleidekabinen und Unisexduschen muss nicht zwingend einen Umbau von den Bädern bedeuten. In vielen Bädern sind die Umkleidekabinen nie voll ausgelastet, so dass immer mehrere Umkleidegänge geschlossen sind. Es wäre ein Leichtes, diese zu öffnen und als Unisexkabinen zu deklarieren. Die verursachten Kosten hierbei belaufen sich auf das anzubringende Schild. In einigen Bädern gibt es ebenso jeweils Frauen- und Mädchenduschen, genauso wie Jungen- und Herrenduschen. Meistens ist mindestens einer dieser Duschräume ungenutzt. Wie bei den Kabinen wäre hier eine Umsetzung schon durch eine neue Beschilderung gewährleistet. In Bädern, die jeweils nur einen Duschraum für Frauen und Männer haben, muss über eine alternative Lösung nachgedacht werden.

 

Bei jedweder Umbaumaßnahme und Umwidmung müssen jedoch weiterhin Schutzräume – insbesondere für Frauen* – gewährleistet werden.

 

Wir Jusos Berlin halten fest: Badespaß darf nicht vom Geschlecht abhängen, sondern muss für Alle möglich sein.

 

Daher fordern wir den Senat auf sich einzusetzen für:

  • Die Schaffung von zusätzlichen Unisexumkleidekabinen in allen Bädern der Berliner Bäder Betriebe
  • Die Schaffung von Unisexsduschen in allen Bädern der Berliner Bäderbetriebe ggf. durch Anbau weiterer Duschen.
  • in den Unisexduschen/Umkleidekabinen dürfen ausschließlich Einzelkabinen vorhanden sein

 

Beim Neubau oder bei Sanierungen von Bädern der Berliner Bäder Betriebe sollen sowohl Unisexumkleiden als auch Unisexduschen in die Planung miteinbezogen werden.

Antrag 198/II/2018 Das Teilhabechancengesetz – den sozialen Arbeitsmarkt nachhaltig gestalten!

11.10.2018

Seit über zehn Jahren arbeitet unser Sozialstaat nunmehr nach dem politischen Mantra „Fördern und Fordern“. Das Handeln der Bundesagentur für Arbeit an sich basiert weiter auf dem Prinzip der „Produkteinsatzlogik“, wodurch jeder Mitteleinsatz durch einen betriebswirtschaftlichen Nettogewinn gerechtfertigt sein muss. Das Wohl der Menschen, die in dem geschaffenen sog. Hartz-System stecken, wird damit einem wirtschaftlichen Kalkül untergeordnet. Damit ist dieses System in seiner Gesamtheit abzulehnen und muss von Grund auf reformiert werden.

 

Auf dem Weg zur Reformierung unseres Sozialstaates werden jedoch auch Instrumente vorgestellt, die sich zwar immer noch in der skizzierten „Hartz-Logik“ bewegen, jedoch mehr als zuvor das Wohl der Betroffenen in den Vordergrund rücken. In diesem Sinne ist der sozialdemokratische Vorstoß zur Bekämpfung und präventiven Vorbeugung von Langzeitarbeitslosigkeit durch das neue Teilhabechancengesetz zu begrüßen.

 

Insgesamt entfaltet sich das neue Förderinstrumentarium in Form einer Übernahme des Arbeitsentgelts für Menschen über 25 Jahre, welche entweder seit 7 bzw. 2 Jahren im SGB II – Bezug sind. Intendierte Zielsetzung ist die nachhaltige Integration von Menschen aus der Langzeitarbeitslosigkeit in den 1. Arbeitsmarkt. Zugleich könnten sich durch das staatliche Handeln negative sozioökonomische Risiken realisieren, wodurch der intendierte positive Effekt des Gesetzes gemindert werden könnte.

 

Folgende Maßnahmen sind hierdurch erforderlich:

  • Der Einsatz dieses Förderinstrumentes muss auf dem Prinzip der Freiwilligkeit beruhen. Menschen, mit Förderanspruch, sollen entscheidende Mitsprache haben, ob das Instrument Anwendung findet bzw. mit welcher Arbeitsstelle ein gefördertes Arbeitsverhältnis eingegangen wird. Zugleich darf es keinerlei Sanktionierung geben, wenn die Maßnahme einseitig oder beidseitig vorzeitig beendet wird. Niemand darf gezwungen sein, sich der Verwertungslogik, in der marktwirtschaftliche Arbeitsverhältnisse in der Regel organisiert werden, zu unterwerfen. Aus unserer sozialistischen Tradition heraus hat Arbeit einen hohen Stellenwert für soziale Teilhabe und gesellschaftliches Mitwirken. Menschen sollte deswegen die Möglichkeit gegeben werden, durch Arbeit ein Gefühl der Selbstverwirklichung zu erhalten. Allerdings müssen wir anerkennen, dass nicht alle diese Form der vergüteten täglichen Betätigung nachgehen wollen oder können. Alle die dazu nicht in der Lage sind, sollten auch nicht dazu gezwungen werden.
  • Um eine Verdrängung bestehender Arbeitsplätze zu verhindern, sollen die Beiräte der Jobcenter mitentscheiden, welche Beschäftigungen gefördert werden und welche nicht. Die Prinzipien der Zusätzlichkeit und der Wettbewerbsneutralität haben sich in der Praxis als zu große Hürden entpuppt und dazu geführt, dass viele der geförderten Tätigkeiten nicht den gesellschaftlichen Nutzen erbracht haben, der für eine wirkliche soziale Teilhabe notwendig wäre. Entsprechende Maßnahmen sollen durch einen konzertierten Prozess unter Beteiligung von Gewerkschaften, Arbeitgeber*innenverbänden, Sozialverbänden und öffentliche Vertreter*innen festgelegt werden. Um eine Verdrängung bestehender Arbeitsplätze zu verhindern, sollen die Beiräte der Jobcenter mitentscheiden, welche Beschäftigungen gefördert werden und welche nicht.
  • Die Verknüpfung von Fördermaßnahmen an das Erreichen eines Lebensalters muss überwunden werden. Solidarität kennt kein Mindestalter und muss auch für Langzeitarbeitslose unter 25 Jahre gelten. Zudem gilt es zu prüfen, ob dieses Förderungsinstrumentarium bereits Menschen zugänglich gemacht werden sollte, die seit über 5 Jahren ALG II beziehen.
  • Die Förderung darf tarifliche Regelungen nicht unterlaufen bzw. dazu führen die Tariflandschaft mittel- bis langfristig zu schwächen. Daher müssen bei der Auswahl der Förderung, tarifliche Beschäftigungsverhältnisse stets nicht-tariflichen Beschäftigungen vorgezogen werden.
  • Die Definition Zielgruppe (SGB II-Leistungsbezug für mindestens 7 der letzten 8 Jahre) erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass potentielle Teilnehmende Schwierigkeiten haben, weitgehend „regulären“ Beschäftigungsverhältnissen nachgehen können – gerade vor dem Hintergrund, dass unter der Zielgruppe nahezu die Hälfte in den letzten 8 Jahren überhaupt nicht erwerbstätig war. Es ist deshalb umso wichtiger, die Teilnehmenden intensiv zu begleiten, um sie auf eine Eingliederung ins Erwerbsleben vorzubereiten. Dafür ist es wichtig, dass die geförderten Beschäftigten nicht nur bei freien Trägern „geparkt“ werden, um aus der Statistik rauszufallen, sondern, dass sie Tätigkeiten nachgehen, die möglichst nah am ungeförderten Erwerbsleben ist. Deswegen müssen Stellen auch in der Privatwirtschaft und bei öffentlichen Einrichtungen geschaffen werden. Wenn die Arbeitsmarktintegration sich als nicht realisierbar erweist, muss der Fokus auf sozialer Teilhabe der geförderten Beschäftigten liegen.
  • Kommunen muss die Möglichkeit gegeben werden, das Programm auf die lokalen Bedürfnisse anzupassen. Langzeitarbeitslosigkeit in Nürnberg ist anders beschaffen als in Gelsenkirchen. Dafür bedarf es einer Öffnungsklausel, die Kommunen erlaubt die Zielgruppe lokal anzupassen

 

Am 18. Juli 2018 wurde vom Bundeskabinett der Entwurf für das Teilhabechancengesetz verabschiedet. Im Detail wird durch die Übernahme des Arbeitsentgelts gegen anhaltende Arbeitslosigkeit vorgegangen und präventiv einer Verstetigung von Arbeitslosigkeit vorgebeugt.

Insgesamt bestehen zwei Fördergruppen. Zum einen gilt die Förderung Menschen, die über 25 Jahre alt und die seit über 7 Jahren im ALG II – Bezug sind. Für diese wird das Arbeitsentgelt in Höhe des Mindestlohnes übernommen. Förderfähig sind hierbei nur sozialversicherungspflichtige Anstellungen bei privaten sowie öffentlichen Arbeitgebern. Die Gesamtförderung ist auf 5 Jahre ausgelegt, wobei in den ersten beiden Jahren der Förderung 100 % des Arbeitsentgelts übernommen und in den Jahren 3 bis 5 die Förderung sukzessiv um jeweils 10 % auf schließlich 70 % gemindert wird.

Zum anderen soll sich der präventive Charakter des Gesetzes durch die Förderfähigkeit von Menschen, die seit 2 Jahren im ALG-II Bezugskreis sind, entfalten. Die Förderung ist für diesen Kreis auf 2 Jahre ausgelegt, bei dem im ersten Jahr 75 % und im zweiten Jahr 50 % des Arbeitsentgelts übernommen wird. Zugleich besteht eine Nachbeschäftigungspflicht der Arbeitgeber*innen von 6 Monaten nach Beendigung der Förderung.

 

Die Vorteile dieses Gesetzes liegen auf der Hand:

  • Menschen sind wieder Teil des normalen Arbeitslebens
  • Sie erfahren Anerkennung für ihre Leistungen
  • Sie erhalten für die Dauer der Förderung mehr individuelle Planungssicherheit
  • Sie können im Arbeitsumfeld neue Fähigkeiten erwerben bzw. ihre bestehenden Fähigkeiten weiterentwickeln
  • Es besteht eine erhöhte Chance auf eine nachhaltige Integration in den 1. Arbeitsmarkt

 

Zugleich werden durch das neue Gesetz aber auch Risiken offenbar, die einer Nachjustierung des gesetzlichen Rahmens bedürfen:

  • staatliche Lohnsubventionen auf Niveau des Mindestlohns können zu einer Ausweitung der Beschäftigten im Niedriglohnsektor führen
  • eine uneingeschränkte Subventionierung auf Mindestlohnniveau könnte zu einem Konkurrenzdruck zwischen regulär Beschäftigten und geförderten Beschäftigten führen
  • Menschen werden möglicherweise unterhalb ihrer Qualifikation entlohnt
  • „Mitnahmeeffekte“ könnten erzeugt werden, ohne wirkliche zusätzliche Beschäftigung zu schaffen
  • Insgesamt könnten tarifliche Regelungen unter Druck geraten
  • eine sinkende Arbeitslosenquote führt möglicherweise zu einer statistischen Legitimation bestehender Arbeitsförderungsinstrumentarien und Verteilungsverhältnisse, wobei tatsächlich eine steigenden Anzahl atypischer Beschäftigung vorliegt

 

Folgende Maßnahmen sind hierdurch erforderlich, um skizzierte Risiken zu verhindern und dargestellte positive Wirkungen des Teilhabechancengesetzes nachhaltig zu realisieren (Detail s. Beschluss):

  • Einhaltung Kriterium der Freiwilligkeit beruhen.
  • Einhaltung Kriterium der Zusätzlichkeit bzw. der Wettbewerbsneutralität
  • Harmonie mit der Tariflandschaft

 

Antrag 192/II/2018 Bundesobdach- und Wohnungslosenstatistik

11.10.2018

Grobe Schätzungen, unvollständige Datensätze und weit voneinander abweichende Zahlen sind bisher die einzigen Quellen, auf Grundlage derer Obdach- und Wohnungslosigkeit in den verschiedenen Städten oder im gesamten Bundesgebiet bewertet und der Bedarf an Hilfsnetzwerken und monetärer Unterstützung derer kalkuliert wird. In Deutschland werden bislang keine offiziellen Statistiken über Obdachlosigkeit geführt, bislang gibt es nur wenige ehrenamtliche Initiativen zur statistischen Erfassung in wenigen Städten.

 

Meist wird dem Wunsch nach einer Bundesstatistik, der von den vielen ehrenamtlichen Hilfseinrichtungen und den Dachverbänden der Obdachlosenhilfe geäußert wird, mit dem Argument begegnet, dass Obdach- und Wohnungslose, die nicht im Hilfesystem seien, auch nicht statistisch zu zählen seien. Doch gibt es auch die Möglichkeit, eine solche Statistik auch ohne den alleinigen Rückgriff auf bürokratische Meldedaten zu erstellen.

 

Um eine breitflächige Sensibilität in der Bevölkerung zu fördern und analog bestehende Problemlagen anzugehen bzw. die entsprechend notwendige Hilfe bereitstellen zu können, muss man das Ausmaß jenes Problems kennen. Solange es keine konkreten Zahlen gibt, fehlt jede Argumentationsgrundlage für die Bemessung des realen Bedarfs an Hilfe und demnach kann eine zielgerichtete, systematische Hilfe nicht gewährleistet werden. Insbesondre der Bedarf obdach- und wohnungsloser Frauen* wird häufig vernachlässigt und ist deshalb explizit durch eine nach Geschlecht differenzierte Statistik zu erfassen.

 

Forderung:

  • Das Statistische Bundesamt und die Ämter für Statistik der Bundesländer sollen damit beauftragt werden eine bundesweite Obdach- und Wohnungslosenstatistik zu erarbeiten, die nach Bundesländern, Kommunen, und Bezirken gegliedert sein soll. Eine entsprechende Rechtslage zur Ermöglichung einer solchen Statistik soll geschaffen werden.
  • Diese Statistik soll flächendeckend in ganz Deutschland durchgeführt werden, eine möglichst reale Zahl von Obdachlosen und Wohnungslosen widerspiegeln und Ballungsgebiete aufdecken. Dabei soll soweit wie möglich hinsichtlich Gemeinden bzw. Bezirken differenziert werden, um Bereiche klar eingrenzen zu können. Erfasst werden sollen alle relevanten Merkmale, nicht aber die Namen. Die statistische Erfassung soll anonymisiert sein. Ausschlaggebend für die statistische Erfassung ist das Merkmal der Obdach- oder Wohnungslosigkeit.
  • Um das Bewusstsein für das Leben von wohnungs- und obdachlosen Menschen in der Gesellschaft zu schärfen, soll die Statistik öffentlichkeitswirksam z.B. im Bundespresseamt vorgestellt und breit in den zuständigen Gremien in den Bundes- und Landesministerien sowie den Parlamenten diskutiert werden.

 

Des Weiteren fordern wir die Einrichtung einer Kommission zur Evaluierung des bestehenden Hilfsnetzes unter Berücksichtigung des Bedarfs aller Geschlechter, der sich aus der Bundesobdach- und Wohnungslosenstatistik ergibt.

 

Dies soll zu einer Verbesserung der Hilfsangebote führen:

  • Sensibilisierung hinsichtlich der Problematik in Deutschland
  • Individuellere Hilfsangebote, wie Wohnungsvermittlungen
  • Clearingstellen in den Ballungsgebieten für mehr Hilfe und Notfallschlafplätze
  • Mehr Angebote für die psychische Gesundheit von Obdach- und Wohnungslosen in Ballungsgebieten
  • Ausdehnung des Netzwerkes von den schon vorhandenen Hilfsangeboten
  • Gezielte Ansprache der Obdach- und Wohnungslosen