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Antrag 171/I/2020 Kein Vergessen der deutschen Kolonialverbrechen!

30.09.2020

1904, das ist das Jahr an dem der erste Völkermord des 20. Jahrhunderts geschah.

 

40.000 bis 60.000 Herero und 10.000 Nama, Damara und San wurden in den Jahren bis 1908 ermordet. Tausende verletzt, ausgebeutet und traumatisiert. Begonnen wurde all das vom Deutschen Kaiserreich. Bis heute fehlt ein Wort der Entschuldigung, ein Wort des Bedauerns, eine Anerkennung der Schuld.

 

Dabei bleibt festzuhalten: Kriegsverbrechen verjähren nicht und Trauer, Verlust wie auch Schuld vergehen nicht.

Es zeigt zudem: Die deutsche Kolonialzeit ist weder abschließend geschichtlich aufgearbeitet worden, noch im öffentlichen Diskurs genügend präsent. Dass Deutschland sich weigert, sich die eigene Verantwortung am Genozid mit allen Konsequenzen einzugestehen, ist ein ernstes Problem.

 

Was geschah kann nicht verschwiegen werden!

Doch was genau ereignete sich vor 116 Jahren?

Im Januar begann der Aufstand der Herero gegen die deutschen Besatzer*innen. Der Auslöser waren erneute Repressalien gegen die Herero, Besetzung von Gebieten und zunehmend rassistische Gewaltpraktiken der Kolonialverwaltung, wie u.a. die Prügelstrafe. Zudem beanspruchten deutsche Siedler immer größere Teile des Landes für sich und der Reichstag wies in der sog. „Grund- und Bodenfrage“ den Herero, Nama, Damara und San ein Territorium zu. Weitere schwere Vergehen waren Vergewaltigung und Mord, derer sich Siedler gegenüber Herero, Nama, Damara und San schuldig machten.

 

Hierdurch verschlechterte sich die Situation der Hereros, Damara und San stetig, so dass sich die Stämme 1904 zu einem Aufstand entschlossen. Wobei laut Verschonungsbefehl des Großhäuptlings ausdrücklich Kinder und Frauen verschont werden sollten, woran sich auch bis auf wenigen Ausnahmen gehalten wurde.

 

Wenige Monate später wurden in mehreren Gefechten die Hereros militärisch besiegt.

 

Am 02.10.1904 erließ Lothar von Trotha dann den Vernichtungsbefehl. Alle Herero sollten in die Wüste getrieben werden, der Zugang zu Wasserquellen verhindert werden und alle, die sich den deutschen Linien näherten, ohne Vorwarnung erschossen werden. In den folgenden Monaten wurden so zehntausende Hereros erschossen oder verhungerten/verdursteten.

 

Auch bei Frauen und Kindern wurde keinerlei Ausnahme gemacht.

 

Dabei ist ausdrücklich zu erwähnen, dass Lothar von Trotha, der in Deutsch-Südwestafrika die Genozide befahl, damals unter Kaiser Wilhelm II gehandelt hat. Wilhelm II war nicht nur politisch verantwortlich, er hat zudem von Trotha auch als nicht brutal genug empfunden.

 

Ein Tag nach dem Vernichtungsbefehl wechselten dann die Stämme der Nama die Seiten. Zuvor hatten sie noch im Auftrag der Deutschen gekämpft, nun verbündeten sie sich mit den Hereros. In den folgenden vier Jahren folgten daraufhin verschiedene kriegerische Auseinandersetzungen mit zahlreichen Menschenrechtsverletzungen von deutscher Seite.

 

Während dieser Zeit wurden auch erste Konzentrationslager im heutigen Namibia errichtet. Durch stetige Überbelegung, schlechtes Trinkwasser und einseitige mangelhafte Ernährung breiteten sich verschiedene Krankheiten aus, die schnell tausende Todesopfer forderte. Die gesunden Gefangenen wurden zur Zwangsarbeit eingesetzt. Unter anderem sollten die Gefangenen in der Wüste nach Toten suchen, die Schädel aufsammeln, auskochen und das Fleisch entfernen. Die Schädel wurden dann nach Deutschland verschickt, um dort an Krankenhäuser für die Begründung der Rassentheorien genutzt zu werden.

 

Im März 1908 fand das letzte Gefecht in der Wüste statt, welches von deutscher Seite gewonnen wurde. Am Ende starben 50.000 bis 70.000 Hereros, Nama, Damara und San.

 

Das Verhalten der Bundesregierungen? Eine Schande!

Seit 2002 erheben die Hereros, Nama, Damara und San juristische Forderungen gegen Deutschland. Zwar hatte Heidemarie Wieczorek-Zeul im Rahmen einer Gedenkfeier für die Massaker um Entschuldigung gebeten, die Bundesregierung erklärte anschließend jedoch, dass sie dort als Privatperson gesprochen habe und keine Forderungen daraus resultieren könnten. Bis 2018 wurden ca. 100 der ca. 3000 Schädel nach Namibia zurückgeführt. Ein großer Teil ist nach wie vor in den Archiven deutscher Universitäten. Erst 2016 erkannte die deutsche Bundesregierung erstmals die Massaker von 1904-1908 als Genozid an, schränkte jedoch ein, dass die UN-Völkermordkonvention nicht rückwirkend anwendbar sei und sich somit keinerlei Entschädigungen daraus ergäben. Zudem wurde eine Einbeziehung der Opferverbände ausgeschlossen.

 

Eine offizielle Entschuldigung ist bis heute nicht ausgesprochen worden.

 

Internationale Folgen

Die Forderungen von Entschädigungszahlungen Deutschlands an die Hereros, Nama, Damara und San haben auch International eine wichtige Bedeutung. Frankreich, Großbritannien und andere ehemaligen Kolonialmächte beobachten die juristischen Vorgänge ganz genau, da eine Zahlung Deutschlands von finanziellen Entschädigungen wahrscheinlich auch sie betreffen würde, da Opfergruppen aus ihren ehemaligen Kolonien auf dieser Basis ebenfalls Entschädigungen fordern könnten. Zudem würden die Entschädigungszahlungen Deutschlands dazu beitragen, dass die Debatte um koloniale Schuld international öffentlich geführt wird und den Druck auf andere ehemalige Kolonialmächte erhöhen, Entschädigungen zu zahlen und sich mit dem begangenen Unrecht auseinanderzusetzen.

 

Schuld bleibt Schuld!

Rein juristisch kann man zwar argumentieren, dass sich die UN-Völkermordkonvention nicht rückwirkend angewenden lässt. Das kann man machen, doch man handelt dann moralisch verwerflich und verletzt die Hinterbliebenen der Opfer immer wieder aufs Neue. Es ist zudem einer sozialdemokratischen Partei unwürdig und scheinheilig. Denn wo bleibt die Solidarität, die Gerechtigkeit für die Hinterbliebenen der Opfer?

Es erscheint fast schon grotesk, dass die folgenden Forderungen im Jahre 2020 aufgestellt werden müssen und noch nicht bereits freiwillig und aus moralischer Verpflichtung erfüllt worden sind, von einem der reichsten Länder der Welt, welches sich auf das Erbe aus dem Kaiserreich stützt und zu den dort begangenen Verbrechen eine historische Verantwortung trägt. Wir fordern eine gesamtgesellschaftliche Aufarbeitung des deutschen Kolonialismus.

 

Außerdem fordern wir alle SPD-Mitglieder im Bundestag, Bundesrat und in der Bundesregierung, sowie den Bundesparteitag der SPD dazu auf, die Nachfahren der Genozidopfer förmlich um Entschuldigung zu bitten.

 

Wir fordern selbige auf, sich für die Identifizierung und Rückgabe aller nach Deutschland verschleppten Gebeine und Wertgegenstände von Menschen aus Namibia und anderen ehemaligen Kolonien einzusetzen. Dies soll schnellstmöglich durchgesetzt werden, so dass bis spätestens 2024, also zum 120. Gedenkjahr, alle Gebeine in Namibia beigesetzt werden können und die Hinterbliebenen trauern können. 

 

Wir fordern von der Bundesregierung, Bundesrat und Bundestag, sich zu einem bedingungslosen und offenen Dialog über Versöhnungsmaßnahmen mit den Nachfahren der Genozidopfer und mit der namibischen Regierung bereit zu erklären.

 

Wir fordern von der Bundesregierung, Bundesrat und Bundestag, dass sie sich für den Aufbau eines Ausgleichsfonds für die Hinterbliebenen der Opfer einsetzen, um darüber Entschädigungszahlungen an die Hinterbliebenen auszahlen zu können. 

 

Wir fordern die Bundesregierung auf, nach Anerkennung der eigenen Schuld und einer förmlichen Entschuldigung, andere ehemalige Kolonialmächte aktiv zu einem ähnlichen Versöhnungs- und Ausgleichsprozess aufzufordern und sie gegebenenfalls dabei zu begleiten. Bedingungslose internationale Solidarität mit allen Opfern von Kolonialverbrechen sollte unverhandelbar sein.

 

Wir fordern den Bundesparteivorstand und den Bundesparteitag der SPD auf, bis zum 120. Gedenktag eine umfassende Aufarbeitung der Kolonialpolitik der SPD durchzuführen. Fakt ist, dass bis 1906 viele einflussreiche Vertreter*innen der SPD sich für eine „sozialistische Kolonialpolitik“ aussprachen und auch nicht gegen die Bewilligung der Kriegskredite für den Krieg gegen die Hereros stimmten. Der Abschlussbericht soll dann als Grundlage dienen, um einen Dialogprozess mit den Opferverbänden zu beginnen und konkrete Veranstaltungen, Versöhnungs- und Aufklärungsangebote zu erarbeiten.

 

Antrag 12/I/2020 Keine Verwirkung von Lohnansprüchen!

30.09.2020

Wir fordern die SPD-Bundestagsfraktion dazu auf, eine Gesetzesvorlage in den Bundestag einzubringen, die die Verwirkung von Lohnansprüchen gesetzlich ausschließt. Dafür soll § 611a Abs. 2 BGB um den folgenden Satz ergänzt werden:

 

„Die Verwirkung der Vergütung ist ausgeschlossen.“

 

Die Mehrheit der Arbeitnehmer*innen in Deutschland leistet regelmäßig Überstunden. Viele von ihnen lassen sich diese Überstunden jedoch nicht ordnungsgemäß vergüten, weil sie eine Kündigung fürchten. Erst nach Ablauf des Arbeitsverhältnisses ist die Position der Arbeitnehmer*innen stark genug, ihr Recht auf Überstundenvergütung durchzusetzen. Selbst wenn die Arbeitnehmer*innen dann den Schritt vor Gericht wagen, kann dieses Recht in der Praxis regelmäßig nicht durchgesetzt werden. Verantwortlich dafür ist der Rechtsgrundsatz der Verwirkung. Dieser besagt, dass die Arbeitnehmer*innen ihr Recht auf Überstundenvergütung verwirken, wenn sie ihr Recht über einen längeren Zeitraum nicht geltend gemacht haben und die Arbeitgeber*innenseite sich darauf eingerichtet hat, dass die Arbeitnehmer*innenseite ihr Recht auch in Zukunft nicht durchsetzen würde.

 

Die gängige Rechtspraxis verkennt die strukturelle Unterlegenheit der Arbeitnehmer*innen. Sie geht an der Realität des Arbeitslebens vorbei. Im Regelfall geht der Mensch seiner Arbeit mit einer klaren Vergütungserwartung nach. Daher kann es der Arbeitgeber*innenseite nicht zugebilligt werden, dass sie sich subjektiv darauf einstellen darf, die Arbeitnehmer*innen ab einem gewissen Zeitpunkt für ihre Überstunden nicht mehr bezahlen zu müssen.

 

Durch die Gesetzesänderung kann der Anspruch auf Überstundenvergütung nicht mehr verwirkt werden. Er unterliegt jedoch weiterhin der Verjährung und kann damit immer nur für die letzten drei Jahre durchgesetzt werden. Auch die objektive Schranke zur ehrenamtlichen Arbeit wird durch die Gesetzesänderung nicht verschoben.

Antrag 153/I/2020 Die Amtszeit Maaßen aufklären

30.09.2020

Die Bundestagsfraktion wird aufgefordert, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, der aufklären soll, ob und wie Hans-Georg Maaßen als Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz rechten Organisationen Vorschub geleistet hat. Des Weiteren soll der Untersuchungsausschuss klären, in wiefern seine Handlungen die grundsätzliche Arbeit des Verfassungsschutzes während seiner Amtszeit beeinflusst haben und welche dieser Strukturen heute noch bestehen. Ziel ist es, aus diesen Untersuchungen konkrete politische Forderungen zur Zukunft des Bundesamtes für Verfassungsschutz resultieren zu lassen.

 

Von August 2012 bis November 2018 war Hans-Georg Maaßen Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Damit war er 6 Jahre lang Leiter einer Behörde, deren Auftrag es einerseits ist, die Wehrhaftigkeit unserer Demokratie zu erhalten und Sicherheitsrisiken aufzudecken, indem sie Informationen über verfassungsfeindliche Gruppierungen sammelt, die andererseits aber über Kompetenzen verfügt, mit denen sie massiv in die Grundrechte von Bürger*innen eingreifen kann. Sein Verhalten vor, während und nach seiner Amtszeit lässt darauf schließen, dass Hans-Georg Maaßen weder die gebotene politische Neutralität noch die Grundrechtssensibilität besitzt, die dieses gleichermaßen mächtige wie gefährliche Amt erfordert. Seine gesamte Karriere zeigt, dass er ein ausgeprägtes rechtes Weltbild hat und nicht davor zurückschreckt, seine Entscheidungen als Beamter zulasten von Bürger*innen und der liberalen Demokratie aufgrund dieses Weltbildes zu fällen. Hans-Georg Maaßen verhält sich in der Öffentlichkeit, insbesondere seitdem er sein Amt nicht mehr innehat, auf eine Weise, die es sehr wahrscheinlich macht, dass auch seine Amtsführung durch seine politischen (rechten) Ansichten beeinflusst wurde. In Anbetracht der Versäumnisse des Bundesamtes für Verfassungsschutz in Bezug auf rechtsterroristische Straftaten, in deren Folge etliche Mitbürger*innen zu Schaden gekommen sind, ist die Aufarbeitung der Amtszeit von Hans-Georg Maaßen sehr nötig.

 

Seiner Promotionsschrift “Die Rechtsstellung des Asylbewerbers im Völkerrecht” wird in einer Rezension der ehemaligen Verfassungsrichterin Lübbe-Wolff vorgeworfen, einseitig bei der Quellenbewertung vorzugehen und sich alle erdenklichen Szenarien zu überlegen, in denen Zuwanderung eine Bedrohung darstellen könnte. 2002 vertrat er in einem Gutachten für das Bundesinnenministerium die Auffassung, Murat Kurnaz, der über 4 Jahre in Guantánamo festgehalten wurde, sei nicht nach Deutschland zurückzuholen. Sein Aufenthaltsrecht sei verfallen, da er sich für mehr als sechs Monate nicht in Deutschland aufgehalten hatte.

 

Dieser Rechtsauffassung wurde später vom Verfassungsgericht Bremen widersprochen. Dieses Gutachten ist ein erstes Indiz dafür, dass Maaßens rechte Gesinnung sein Verhalten als Beamter beeinflusst haben könnte.

 

Seine mangelnde Sensibilität für Grundrechte wurde 2015 besonders deutlich, als er dafür sorgte, dass ein Ermittlungsverfahren wegen Landesverrats gegen zwei Blogger von netzpolitik.org durch den damaligen Generalbundesanwalt eingeleitet wurde. Er bestreitet zwar, das Verfahren gezielt gegen Journalisten angestrengt zu haben, diese Aussage ist aber nicht glaubwürdig, da es eindeutige Hinweise gibt, die das Gegenteil belege. Auch seine anhaltende, mit Verschwörungstheorien untermauerte Kritik an Edward Snowden sind ein Beleg für seine Unfähigkeit, den Stellenwert von Grundrechten in einer liberalen Demokratie zu erkennen.  In etwa zur selben Zeit führte Maaßen Gespräche mit führenden AfD-Politiker*innen. Inhalt dieser Gespräche war höchstwahrscheinlich die Frage, wie die AfD eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz verhindern könnte. Der genaue Inhalt der Gespräche ist nicht aufgeklärt, es gibt aber starke Indizien, wie geleakte Chatprotokolle von AfD-Funktionär*innen, die auf eine Sympathie Maaßens für die AfD hinweisen. Ein weiteres Indiz für Maaßens mangelhaftes Demokratieverständnis ist, dass er nachweislich den Bundestag belogen hat, als mit einer kleinen Anfrage abgefragt wurde, ob das Bundesamt für Verfassungsschutz V-Leute im Umfeld des Attentäters Anis Amri hatte.

 

Gemeinhin bekannt und letztlich der Grund für seine Versetzung in den einstweiligen Ruhestand ist Maaßens Versuch aus dem Jahr 2018 Angriffe auf ausländisch-aussehende Menschen in Chemnitz als gezielte Desinformationskampagne zu diskreditieren, wobei er auf rechte Narrative bediente.

 

Nach dem Ende seiner Amtszeit ist Maaßen immer wieder mit rechtspopulistischen Äußerungen aufgefallen. So diskreditiert er Medien und bezeichnet solche die ihm genehm sind als “West-fernsehen”. Auf Twitter teilte er auch Beiträge der rechtspopulistischen Plattform “Journalisten- Watch”.

 

In einer Markus Lanz-Sendung vom 18.12.2019 sagte Maaßen, Menschen die Asylunterkünfte angreifen seien keine “Rechtsextremisten” sondern stammen aus der bürgerlichen Mitte. Aufgrund der Geschichte des Verfassungsschutzes und der Verstrickung in die NSU-Morde ist hier besondere Vorsicht geboten. Die Abschaffung des Verfassungsschutzes ist bereits seit 2013 erklärtes Ziel der Jusos Berlin. Der Skandal um Maaßen knüpft hieran an. Das gefährliche Extremismus-Dogma zeigt hier seine Nähe zu rechten Einstellungen und Parteien. Im März 2019 rief er über Twitter indirekt dazu auf, im Thüringischen Landtag den AfD-Kandidaten Höcke zum Ministerpräsidenten zu wählen um den „SED-Kandidaten Ramelow“ zu verhindern.

 

All diese Umstände ergeben zusammengenommen das Bild, dass Hans-Georg Maaßen durchaus Sympathie für rechtsradikales Gedankengut hegt und nicht auszuschließen ist, dass er seine Macht als Präsident des BfV genutzt hat, um rechten Strukturen Vorschub zu leisten. Jedenfalls scheint er nicht erfolgreich darin gewesen zu sein, gegen diese vorzugehen. Daraus folgt, dass es im öffentlichen Interesse liegt, aufzuklären, wie sich Maaßens Weltbild auf die Arbeit der Sicherheitsbehörde ausgewirkt hat und ob er durch sein Verhalten die Gefahr rechter Straftaten erhöht hat. Doch die Aufklärung der Präsidentschaft Maaßen darf sich nicht nur an der Personalie Maaßen orientieren. Es müssen auch mögliche hinterlassene Strukturen innerhalb des Verfassungsschutzes überprüft und wenn nötig, beseitigt werden. Insgesamt haben diese und viele weitere Vorfälle uns Jusos bereits in der Vergangenheit zur Überzeugung gebracht, die Abschaffung des Bundesamts für Verfassungsschutz zu fordern. Die bisherige Aufklärungsarbeit hat uns nicht davon überzeugt, von dieser Forderung abzuweichen. Außerdem sind ehemalige Mitarbeiter*innen Maaßens, die möglicherweise noch beim Verfassungsschutz tätig sind eingehend zu prüfen.

Antrag 141/I/2020 Konsequent für Pro Choice – Für einen Schutz des Begriffs der Schwangerschaftskonfliktberatung!

30.09.2020

Es ist keine neue Forderung: Die Abschaffung der Zwangsberatung für Schwangere, die einen Schwangerschaftsabbruch durchführen lassen möchten, wir fordern ebenso weiterhin die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen insgesamt. Noch ist diese Forderung nicht Realität, aber wir halten weiterhin daran fest. Bis dahin wollen wir jedoch, dass die angebotenen Beratungen seriös durchgeführt werden und die schwangeren Menschen, wie vorgeschrieben, im Anschluss an die Beratung einen Beratungsschein erhalten, welchen sie für die Durchführung eines Abbruches laut Gesetz vorweisen müssen (StGB §219 Absatz 2Satz 2).

 

Um den Zugang zu ergebnisoffener Beratung sicherzustellen, und dezidiert antifeministische Scheinangebote zu verhindern, fordern wir einen Begriffsschutz des Begriffs der im Gesetz festgelegten und regulierten „Schwangerschaftskonfliktberatung“! So soll ermöglicht werden, dass Schwangere* niederschwellig unterscheiden können, ob Einrichtungen einen Beratungsschein ausstellen oder nicht. Der Begriff der „Schwangerschaftskonfliktberatung“ soll nur von solchen Beratungsstellen benutzt werden dürfen, welche gesetzlich anerkannt, an das Schwangerschaftskonfliktgesetz gebunden sind, dementsprechend ergebnisoffen beraten und die Genehmigung haben, Beratungsscheine auszustellen.

 

Am 1. Juli 2019 hat am Kurfürstendamm 69 die Berliner „Beratungsstelle“ des Vereins „Pro Femina“ eröffnet. „Pro Femina“ bietet laut eigener Aussage Beratungen „für Frauen im Schwangerschaftskonflikt“  an.

 

Die Verwechslung mit der staatlich anerkannten Beratungsstelle „pro familia“ ist hier allein durch die Namensgebung durchaus gewollt. „Pro Femina“ stellt dabei jedoch weder einen Beratungsschein aus, noch beraten sie ergebnisoffen oder seriös. Dies ist nicht nur in Berlin, sondern in diversen Bundesländern der Fall. Laut einiger Erlebnisberichte von Personen, die in einer durch „Pro Femina“ geleiteten Beratungsstelle waren, setzen diese die Schwangeren* sogar auch nach der Beratung weiter unter Druck, keinen Abbruch vornehmen zu lassen, indem sie diese u.a. mit Anrufen regelrecht terrorisieren. Bei all dem versucht „Pro Femina“ sich als normale Beratungsstelle darzustellen, denen die Sorgen von schwangeren Menschen am Herzen liegen. Dies ist jedoch nicht der Fall – die Embryonen, das „potentielle neue Leben“, stehen in der Beratung im Vordergrund, nicht aber das Leben der schwangeren Person. Ein Schwangerschaftsabbruch wird hierbei nicht als legitime Entscheidung dargestellt. Schwangere werden bewusst getäuscht und in ihrem Recht auf eine selbstbestimmte Entscheidung eingeschränkt – entscheiden sie sich für einen Abbruch der Schwangerschaft, müssen sie in eine andere Beratungsstelle, die einen Beratungsschein ausstellt.  Teilweise ist dafür dann aber keine Zeit mehr: „Pro Femina“ zögert die Beratung meist so lange hinaus, bis die ersten 12 Wochen der Schwangerschaft überschritten sind und eine Abtreibung nach dem Gesetz nicht mehr möglich ist (StGB §218a Absatz 1 Punkt 3). Ratsuchenden wird finanzielle Unterstützung angeboten, wenn sie sich dafür entscheiden, die Schwangerschaft fortzuführen. Die engen Verbindungen von „Pro Femina“ zur sog. Lebensschutzbewegung sind u.a. an der Person Kristijan Aufiero zu sehen, führendes Mitglied von „Pro Femina“ und ebenfalls Vorsitzender des „Birke e.V.“, welcher der Lebensschutzbewegung zuzuordnen ist.

 

Eine Schließung der sogenannten Beratungsstellen von „Pro Femina“ bzw. eine Untersagung von Beratungen von „Personen im Schwangerschaftskonflikt“ war nicht möglich, da der Terminus der „Schwangerschaftskonfliktberatung“ keine Exklusivität besitzt und somit nicht nur von solchen Stellen benutzt werden darf, die an das Schwangerschaftskonfliktgesetz gebunden sind, sondern von allen.

 

Eine solche Missachtung des Rechts auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper und die bewusste Täuschung von Schwangeren* lehnen wir entschieden ab!

 

Wir kämpfen für das Recht von Menschen, selbst zu entscheiden, ob sie eine Schwangerschaft fortführen möchten oder nicht!

 

Wir fordern die ergebnisoffene und freiwillige Beratung von Schwangeren* in Krisensituationen und den freien Zugang zu Informationen über Schwangerschaftsabbrüche!

 

Antrag 119/I/2020 “Juckt’s im Schritt? Lass dich testen.“ Und zwar für lau!

30.09.2020

„Juckt’s im Schritt? Lass dich auf sexuell übertragbare Krankheiten testen.“ Diesen und andere Sprüche hat die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) in U-Bahnhöfen und Co. plakatiert. Solche Kampagnen sind wichtig und haben einen sichtbaren Effekt. Das gilt für die Kampagnen für HIV-Prävention wie für die Kampagnen gegen übermäßigen Alkoholkonsum.

Sexuell übertragbare Krankheiten („sexually transmitted infections“ – STIs) sind stigmatisiert, oft ist das Wissen nur gering und es wird nicht genügend über sie gesprochen. Und eben oft auch nicht früh oder oft genug zur Ärztin gegangen. Das gefährdet nicht nur die Betroffenen selbst, sondern eben auch alle anderen, die sich potenziell anstecken können. Entsprechend hat die gesamte Gesellschaft ein Interesse daran, dass sich alle möglicherweise Betroffene testen lassen, auch präventiv und regelmäßig.

Wer nun aber der Kampagne Folge leistet und sich testen lässt, macht das in der Regel auf eigene Kosten. HIV-Tests gibt es bei manchen Gesundheitsämtern oder bei der AIDS-Hilfe gebührenfrei, STI-Tests können kostengünstig bis kostenfrei bei wenigen Gesundheitsämtern gemacht werden, aber Termine sind dort teilweise schwer zu bekommen. Die Kosten für den Chlamydientest übernehmen einmal im Jahr die Krankenkassen, aber nur die im Vergleich unsichere Variante des Urintests und nur für Frauen bis 25. Der Grund für diese Altersgrenze ist die Annahme, dass die meisten Menschen ab 25 bis an ihr Lebensende in monogamen Beziehungen leben würden. Entsprechend könnten sich also gar nicht neu anstecken. Wer aber nicht so lebt, sondern wechselnde Geschlechtspartner*innen hat und auch nach 25 von regelmäßigen Tests profitieren würde, wird hier nicht mitgedacht. Es darf nicht sein, dass sich die Gesundheitsversorgung nur an ein paar bestimmten Lebensentwürfen orientiert und die Versorgung schlechter wird für diejenigen, die einen anderen Lebensentwurf haben.

Die Krankenkassen müssen sich endlich der Lebensrealität der Menschen anpassen. Es kann nicht sein, dass Menschen, die ein verantwortungsvolles Sexleben führen wollen, dafür selbst bezahlen müssen. Tests, die alle schützen, müssen einfach und kostenfrei zur Verfügung stehen, damit sie von möglichst vielen Menschen angenommen werden.

 

Deswegen fordern wir:

  1. dass Tests auf sexuell übertragbare Krankheiten von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden. Dazu gehören HIV, Gonokokken, Hepatitis B und C, Herpes, Chlamydien, Syphilis und HPV.
  2. dass STI-Tests Teil der regulären gynäkologischen Vorsorgeuntersuchung werden bzw. einmal im Jahr bei einem Besuch bei der*dem Hausärzt*in oder Dermatolog*in angeboten werden.
  3. weiterhin flächendeckende Kampagnen in der Öffentlichkeit und in der Schule. Sie sind elementar, um ein Bewusstsein für die Wichtigkeit von Kondomen und Lecktüchern und den entsprechenden STI-Tests zu schaffen.