Auftrag zur Opposition annehmen – echten Neuanfang wagen – für klare linke Politik eintreten!
Das Wahlergebnis spricht eine klare Sprache: Die Große Koalition wurde abgewählt. Auch wir wollen nicht in einer Großen Koalition weitermachen. Nach vier Jahren teilweise fauler Kompromisse ist es jetzt Zeit für die SPD, wieder zu ihren Grundwerten zurückzukehren und die Menschen für ihren Entwurf von einer freien, gerechten und solidarischen Gesellschaft zu gewinnen.
Die Große Koalition hat zu einem Erstarken des rechten Randes geführt. Rassistischen Hetzer*innen im Bundestag dürfen wir nicht die Oppositionsführung überlassen. Sie haben den politischen Diskurs bereits viel zu sehr bestimmt. Deswegen liegt jetzt die Verantwortung der SPD darin, echte, linke Alternativen zu einer voraussichtlich konservativen und wirtschaftsliberalen Regierungspolitik aufzuzeigen und im Hinblick auf die nächste Wahl Mehrheiten für eine progressive, linke Politik zu organisieren.
Wir begrüßen deshalb die Absage des Bundesvorstandes an eine neue Große Koalition. Diese Absage muss auch im Falle drohender Neuwahlen gelten, sollte keine „Jamaika“-Koalition zustande kommen, oder für den Fall, dass die Union die Kanzlerin auswechselt, um der SPD den Einstieg in die Große Koalition zu erleichtern. Auch nach einem möglichen Scheitern einer Koalition aus Union, Grünen und FDP im Laufe der Legislaturperiode muss gelten: Die SPD nimmt in dieser Legislaturperiode keine Verhandlungen zur Bildung einer neuen Großen Koalition auf und führt die Opposition im neuen Bundestag an.
Folgende Überlegungen stehen dabei im Mittelpunkt:
- Eine große Koalition muss bei der Bildung einer Regierung eine Ausnahme darstellen. Die dritte Große Koalition in zwölf Jahren würde diese Ausnahme zu einer Regel werden lassen. Dies würde die Opposition weiter degradieren und marginalisieren – mit entsprechenden Auswirkungen auf das Parteiensystem, die Verortung der Parteien und die politische Kultur.
- Aus dem Wahlergebnis vom 24.09. leiten wir ab, dass eine Mehrheit der Wähler*innen eine weitere Regierungsbeteiligung der SPD nicht wünscht.
- Träte die SPD in dieser Legislaturperiode in die Regierung ein, würde die AfD stärkste Oppositionspartei. Die Opposition würde von einer rechtsradikalen Partei angeführt. Das kann und darf die SPD nicht zulassen.
- Die Reaktionen auf die Nominierung von Martin Schulz haben gezeigt, dass viele Menschen hungrig sind auf eine neue Politik: emanzipatorisch, europäisch, weltoffen. Dieses Potenzial müssen wir nutzen. Und das können wir nur in der Abgrenzung von einer Regierung, die europäische Errungenschaften in Frage stellt, nicht als Teil einer solchen.
- In diesem Jahr sind viele Menschen unserer Partei beigetreten – zuletzt fast tausend in der Wahlnacht. Diesen Schritt haben sie auch getan, weil sie eine weitere Kanzlerschaft der Union unter unserer Regierungsbeteiligung ablehnen. Sie bereichern unsere Partei mit frischen Ideen und beleben die Art und Weise, wie wir in der SPD diskutieren. Diesen Menschen wollen wir eine politische Heimat sein.
- Wir haben in den letzten Jahren im Bund und in vielen Ländern regiert, wir haben sozialdemokratische Inhalte durchgesetzt, wir haben Debatten geprägt. Dennoch sind unsere Gestaltungsoptionen eingeschränkt wie selten, sind unsere Wahlergebnisse nicht die, die wir für uns beanspruchen. Opposition ist in dieser Situation nicht „Mist“, sondern die einzig rationale Entscheidung.
Die Geschichte hat immer gezeigt, dass die SPD an der Spitze der gesellschaftlichen Entwicklung stehen muss: gleiche Rechte für Männer und Frauen, die menschlichere Gestaltung der Arbeitswelt, die Überwindung von Grenzen und die Verbesserung der Lebenswirklichkeit aller Menschen. All das haben wir erreicht, daran müssen wir anknüpfen! Wir haben eine Verantwortung, die wir nur dann übernehmen können, wenn wir uns nicht weiterhin durch eine Beteiligung an der großen Koalition marginalisieren lassen.
Die voraussichtlich letzte Amtszeit der Kanzlerin wird nicht die Zeit sein, die dafür notwendigen Debatten aus der Regierung heraus zu führen – wir werden und wollen die gesellschaftliche Veränderung vorantreiben, die die Konservativen nicht unterstützen. Wir wollen die Opposition! Alleine mit dem Gang in die Opposition wird die SPD jedoch verlorene Glaubwürdigkeit nicht wieder zurückholen können. Dies kann nur mit einem echten Neuanfang funktionieren – sowohl in inhaltlicher als auch in personeller Hinsicht.
Wir wollen für unseren Gesellschaftsentwurf Mehrheiten finden und nicht unsere Programmatik nach mutmaßlichen Mehrheiten und dem größtmöglichen Konsens mit der Union ausrichten. Unsere linken, progressiven Ideen werden wir nur mit Gesichtern glaubwürdig vertreten können, die nicht untrennbar mit der Agenda-Politik und/oder der Großen Koalition und ihren Kompromissen verbunden sind. Dies muss sich bei den anstehenden Wahlen in der Fraktion und der Partei widerspiegeln.
Vom Parteivorstand muss deshalb über den Ausschluss einer Großen Koalition hinaus ein klares Signal ausgehen, dass Konsequenzen aus dem schlechtesten Bundestagswahlergebnis der SPD in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland gezogen werden und die Verantwortung für diese Niederlage übernommen wird. Der SPD muss es bei den Parteivorstandswahlen im Dezember gelingen, das Signal eines echten Neuanfangs zu senden.
Der neue Vorstand muss der unverzichtbaren personellen und inhaltlichen Neuaufstellung der SPD gerecht werden und darf in seiner Gesamtheit nicht als untrennbar verbunden mit den Agenda- und GroKo-Zeiten empfunden werden. Die Neuwahl des Vorstands sowie der Prozess der Neuaufstellung der SPD müssen mit breitestmöglicher Mitgliederbeteiligung stattfinden. Dazu gehört auch die Urwahl des Parteivorsitzes, beispielweise ähnlich Labour in Großbritannien.