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Antrag 01/III/2016 Erste sozialdemokratische Schwerpunkte für eine mögliche rot-rot-grüne Koalition

22.11.2016

Der Wahlkampf ist nun vorbei, die Wählerinnen und Wähler haben entschieden. Jetzt gilt es, unser Wahlprogramm und die Hinweise aus dem Wahlkampf in konkretes Handeln umzusetzen. Grundlage für Koalitionsverhandlungen muss unser Wahlprogramm in Gänze sein. Dafür stärken wir unserer Verhandlungskommission den Rücken. Wir sind aber der Überzeugung, dass sich die sozialdemokratische Handschrift insbesondere beifolgenden Schwerpunkten zeigen muss. Daher werden die sozialdemokratischen Mitglieder der Koalitions-Verhandlungs-Kommission, die Abgeordneten der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, die Delegierten des Landesparteitags und alle SPD Mitglieder Berlins aufgerufen, nur einem Koalitionsvertrag zuzustimmen, in dem folgende Schwerpunkte absolut prioritär und zeitlich als am dringendsten vereinbart sind.

 

1. Bildung
Das von der SPD beschlossene Schulsanierungsprogramm muss ohne finanzielle Abstriche zügig und zeitnah umgesetzt werden. Dazu benötigt es eine eindeutige und strukturierte Kompetenzverteilung, welche ein zügiges Planen und vor allem Bauen ermöglicht. Zusätzlich muss entsprechend benötigtes Personal in den zuständigen Ämtern eingestellt werden, um eine schnelle Realisierung der Schulsanierung zu ermöglichen. Die Problematik des mangelnden Personals zeigte sich deutlich bei der Nutzung der SIWA-Mittel. Diese konnten zum Teil noch nicht eingesetzt werden, da häufig das Personal fehlte, um notwendige Anträge oder Gutachten rechtzeitig zu erarbeiten.

 

Die künftige Koalition muss umgehend eine gewinnbringende Initiative starten, um ausgebildete Lehrkräfte für die staatlichen Berliner Schulen zu gewinnen. Dabei muss zum einen darauf geachtet werden, dass nicht nur Lehrerinnen und Lehrer für die Oberstufe, sondern insbesondere Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer benötigt werden. Dabei muss zum anderen darauf geachtet werden, dass eine Besetzung offener Stellen für Lehrkräfte in den äußeren Bezirken stattfindet. Außerdem müssen die Problematiken, welche sich rund um das Quereinstiegs-Modell ergeben haben, zurückgefahren werden und die Quereinstiege vor allem in den NAWI-Fächern nicht zum Normalfall werden. Die Schulen, die Kolleginnen und Kollegen, aber vor allem die Schülerinnen und Schüler benötigen Fachpädagogen und Fachpädagoginnen. Die Rahmenbedingungen des Lehrerberufs an sich müssen verbessert werden.
Selbiges gilt für die Gewinnung von Erzieherinnen und Erziehern und die Verbesserung der Rahmenbedingungen für diesen Berufszweig. Eine weitere Verbesserung in der Bezahlung und in den Arbeitsbedingungen muss unbedingt erreicht werden. Dementsprechend darf bei der Umsetzung der Beitragsfreiheit nicht die Verbesserung der Qualität in den Kitas außer Acht gelassen werden. Auch muss unbedingt bei der Schaffung von Kitaplätzen die Besetzung durch Fachpersonal bedacht werden.

 

2. Bezahlbarer Wohnraum für Einkommen schwache Menschen
Die Sicherung bezahlbaren Wohnraums für Einkommen schwache Menschen durch Neubau sowie unter Ausschöpfung aller rechtlichen und politischen Möglichkeiten, ist für die SPD eines der zentralen Anliegen. Neben dem Vorantreiben des Baus und Bereitstellens von preisgünstigem Wohnraum muss der Wohnungsbau mit der Entwicklung des angrenzenden sozialen Raums zusammen gedacht werden. Die zukünftige Koalition muss unter Einbeziehung der Bezirke ein in sich schlüssiges Stadtentwicklungskonzept auf kleinteiliger Ebene entwickeln, welches das Errichten von Schulen und Kitaplätzen und die Sicherstellung der Nahversorgung ebenso enthält, wie das Bereitstellen von in dieser Stadt immer noch notwendigen Parkraum und den Ausbau von ebenfalls in dieser Stadt notwendigen sicheren Radwegen.

 

3. Lebenswerte Stadt, funktionierende Verwaltung
Auch wenn in den letzten Monaten in den Berliner Verwaltungen neues Personal eingestellt wurde, so bestehen die Probleme, die diese Stadt mit seiner Verwaltung hat, weiterhin fort. Das ist insbesondere in den Bereichen der Bürgerdienste zu erkennen.

 

Die neue Koalition muss sich diesem unverändert hohen Veränderungsdruck, resultierend aus Unterbesetzung und Überlastung sowie Unklarheiten der Kompetenzen, Zuständigkeiten und Entscheidungsbefugnisse, stellen und ein umfassendes Personal- und Zuständigkeits-Konzept entwickeln und schnell für spürbare Verbesserungen, besonders bei den Bürgerdiensten, der Verwaltung sorgen. Nur eine spürbare Verbesserung der Verwaltung kann bei den Berlinerinnen und Berlinern den Eindruck einer handelnden Politik erzeugen!
Durch eine schnellstmögliche Rückkehr der Bezahlung der Angestellten und Beamtinnen und Beamten des Landes Berlin auf das Niveau anderer Bundesländer bzw. im Fall der Jobcenter auf das Tarifgefüge der Bundesagentur für Arbeit und eine aktive Leistungsmotivierung und Personalentwicklung und fachliche Weiterqualifizierung inkl. der aktiven Förderung von Bewerbungsmöglichkeiten von Beschäftigten niedrigerer Tarif- bzw. Besoldungsgruppen auf höherwertige Stellen soll die Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienst gestärkt werden.
Zwingend muss der neue Koalitionsvertrag einen konkreten Zeitplan für umfassende Barrierefreiheit im ÖPNV, darunter die zügige Schaffung von barrierefreien Zugängen zu allen Bahnhöfen des U-Bahn- und S-Bahn-Netzes enthalten.

 

Barrierefreiheit bedeutet die Berücksichtigung von allen Arten von sinnlichen und motorischen Einschränkungen, zum Beispiel auch Seh- und Hörvermögen.
Dies sind die Schwerpunkte, bei denen es ein Koalitionsvertrag nicht nur bei Absichtserklärungen oder kurzsichtigen, passiven und senatsbezogenen Entscheidungen belassen darf. Wir verstehen die neue Koalition auch als Chance, in einem progressiven Bündnis klar aufzeigen, wohin sich diese Stadt entwickeln soll. Das Ziel des Koalitionsvertrages müssen politisch-gesellschaftliche Grundsatzentscheidungen für eine gute Zukunft unserer Stadt sein.

 

Wir sind angesichts dieser inhaltlichen Prioritäten überzeugt, dass nur eine rot-rot-grüne Koalition den Erwartungen gerecht werden und weiteres bzw. neues Vertrauen bei den Berlinerinnen und Berlinern gewinnen kann.

Antrag 61/I/2016 Keine Beteiligung der Bundeswehr am Krieg gegen den IS (sogenannter Islamischer Staat) in Syrien und/oder dem Irak und Mali

1.04.2016

Die Mitglieder der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag werden aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass die aktive Beteiligung von Bundeswehrsoldaten an Kriegseinsätzen gegen den IS (sog. Islamischer Staat) oder dessen Splittergruppen in Syrien, dem Irak und Mali verhindert wird.

Antrag 77/II/2015 Automatische Auskunft bei Datenspeicherung einführen

16.10.2015

Die SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus wird dazu aufgefordert, sich für eine Änderung des §42 des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG) einzusetzen und somit eine automatische Auskunft über Speicherung personenbezogener Daten in den polizeilichen Dateien einzuführen. Diese Auskunft soll die Bezeichnung des Speicherorts, den Anlass der Speicherung sowie die gespeicherten Daten umfassen. Ebenfalls ist dem Auskunftsschreiben eine Rechtsbehelfsbelehrung beizufügen.  Über alle Veränderungen und Löschungen müssen die Betroffenen automatisch informiert werden.

Antrag 71/II/2015 Fasst Euch ein Herz - Organspendepraxis verbessern

16.10.2015

Die Etablierung der Organtransplantation in den 1950er Jahren ist zweifellos ein Meilenstein in der Medizingeschichte und rettete bis heute ungezählten Menschen das Leben. Eine Reihe von Skandalen in der Zuweisung von Organen um das Jahr 2012 führte aber zu einem alarmierenden Einbruch der Spendenzahlen, der bis heute nicht überwunden ist. Um verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen und insgesamt einen höheren Erfolg bei Organtransplantationen zu erreichen, sollen daher folgenden Maßnahmen beschlossen werden:

 

1) Widerspruchslösung einführen

 

Forderung: Das Transplantationsgesetz soll dahingehend überarbeitet werden, dass alle in Deutschland verstor­benen Personen grundsätzlich als Organspender*innen gel­ten und diesen Status erst durch einen schriftlichen Widerspruch verlieren. Alle Staatsbürger*innen mit Wohnort in Deutschland müssen in regelmäßigen Abständen über die relevanten medizinischen und organisatorischen Aspekte der Organspende informiert sowie deutlich erkennbar auf die Mög­lichkeit zum Widerspruch hingewiesen werden.

 

Zu prüfen ist auch die Einführung einer separaten Information und Widerspruchsmöglichkeit für Personen, die sich nur kurzzeitig im Bundesgebiet. Vor jeder Organentnahme muss überprüft werden, ob zu Lebzeiten ein Widerspruch eingelegt wurde. Jede*r muss einen Widerspruch unkompliziert und kostenfrei erklären können. Die Widerspruchslösung wird gültig mit Eintritt in die Volljährigkeit. Bei potentiellen minderjährigen Organspender*innen sollen die nächsten Angehörigen dem mutmaßlichen Willen des oder der Minderjährigen entsprechend über eine Organspende entscheiden. Bei Personen, die wegen geistiger Behinderung, langfristiger Bewusstlosigkeit o. ä. zu keinem Zeitpunkt als Erwachsene Widerspruch einlegen konnten, entscheiden die Angehörigen über eine Organspende.

 

Analyse: Im Jahr 2013 standen in Deutschland 876 tatsächlichen Organspenden über 10.000 bedürftige Patienten*innen gegenüber. Dieses Missverhältnis ist hauptsächlich durch eine geringe Mobilisie­rung der Bevölkerung zu erklären: Obwohl 68 % der Menschen zu einer Organspende bereit sind, besitzen nur 28 % einen Spendenausweis und gaben damit eine eindeutige Entscheidung ab. Von 1.370 potentiellen Organspenden 2013 wurden 402 durch die Ablehnung der Angehörigen verhin­dert. Um diesen umfassenden Mangel zu beheben und für klare Entscheidungen zu sorgen, wird gemäß des Votums des 113. Ärztetag aus dem Jahr 2010 eine Widerspruchslösung nach Vorbild Österreichs, Belgiens und anderen Ländern eingeführt.

 

2) Werbung für Organspende intensivieren

 

Forderung: Angesichts der rückläufigen Spendebereitschaft müssen auf allen Ebenen die Aufklärung über und Werbung für eine größere Aufmerksamkeit in der breiten Bevölkerung umgesetzt werden. Dazu soll eine Verstärkung der physischen Präsenz durch Informationsstände und Vorträge an Schulen erwogen werden.

 

3) Qualitätsmanagement im medizinischen Bereich stärken

Forderung: Das Bundesgesundheitsministerium wird in Zusammenarbeit mit Fachverbänden der Pflege und Medizin bereits in medizinischen Ausbildungen ein stärkeres Bewusstsein für problematische Arbeitsabläufe sowie die Bereitschaft zu deren Kritik und Verbesserung schaffen. Ansatzpunkte kann eine vertiefende Einführung oder Weiterentwicklung von Fehlermeldesystemen sein.

 

4) Überstundenregelungen für Krankenhauspersonal durchsetzen

Forderung: Das Bundesgesundheitsministerium wird in Zusammenarbeit mit Gewerkschaften eine effektive Er­fassung und Begrenzung von Überstunden für ärztliches und pflegerisches Personal durchsetzen. Dazu sollen die Einführung von elektronischen Arbeitszeiterfassungssystemen vorgeschrieben und die Gewerbeaufsichtsämter zu einer stärkeren Kontrolle motiviert werden. Ebenfalls muss die Krankenhausfinanzierung entsprechend geändert werden, um die durch die Reduzierung der Überstunden nötigen zusätzlichen Arbeitskräfte einstellen zu können.

Analyse: Im MB-Monitor 2013 gaben von den dort befragten Ärzt*innen etwa 75 % an, mehr als 48 Stunden pro Woche zu arbeiten; 3 % davon sogar 80 Stunden oder mehr. 71 % der Beschäftigten verspürten Krankheitserscheinungen wie Schlafstörungen oder Übermüdung als Folge von Überstunden.Im Pflege-Thermometer 2009 gaben von den dort befragten Pflegekräften 40 % der Befragten an, zwischen 46 und 70 Überstunden geleistet zu haben. „Hochgerechnet auf alle Gesundheits- und Krankenpflegenden in Krankenhäusern in Deutschland wurden damit in den letzten sechs Monaten vor der Befragung Überstunden für rund 15.000 zusätzliche Vollzeitkräfte in Deutschland geleistet.“ Die Folgen solcher Belastungen für die menschliche Leistungsfähigkeit können bei der Arbeit im Krankenhaus zu schwerwiegenden Fehlern führen: Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung MDK stellte in seiner Behandlungsfehler-Begutachtung für das Jahr 2014 insgesamt 155 Todesfälle und 1.294 Fälle von verschieden ausgeprägten Dauerschäden durch medizinische Behandlungsfehler fest. Der MDK-Leiter Patientensicherheit Max Skorning stellt unter den vielfältigen Ursachen für Behandlungsfehler auch Übermüdung fest. In Umfragen unter Ärzt*innen aus Japan 2005 und Neuseeland 2007 räumten 42 % bzw. 26 % ein, Fehler aus Schlafmangel begangen zu haben. Auch um erfolgreiche Organtransplantationen zu gewährleisten, muss die Ausbeutung durch Überstundenarbeit beseitigt werden. Ansatzpunkt bildet dabei die mangelhafte Verwaltung: Bei 53 % der im MB-Monitor 2013 Befragten werden Überstunden nicht einmal ausreichend dokumentiert, womit die Grundlage für eine berechtigte Abgeltung fehlt.

 

Zur Lösung trägt zunächst die Einsetzung von elektronischen Arbeitszeiterfassungssystemen bei, die im Vergleich zu handschriftlichen Alternativen meist weniger leicht manipulierbar sind. Selbst wenn nachweislich mehr Arbeit als erlaubt geleistet wird, sehen sich viele Beschäftigte nicht in der Lage, ihr Anrecht gegenüber den Vorgesetzten einzufordern, weil dies nur mit einer verringerten Betriebsfähigkeit der Klinik und damit auf Kosten der Patienten*innen einher gehen würde. Daraus ergeben sich zwei Anforderungen: Zum Einen müssen stärkere Kontrollen der Arbeitszeitvereinbarungen durch die zuständige Gewerbeaufsicht durchgeführt werden, wie sie der Marburger Bund seit Langem fordert. Zum Anderen wird eine angemessene Neuregelung der Krankenhausfinanzierung nötig, weil das deutsche System diagnosebezogener Fallgruppen („German Diagnosis Related Groups“, G-DRG), die Investitionskostenzuschüsse der Länder und andere Finanzierungsquellen der Krankenhäuser gegenwärtig unzureichend sind – es ist zu befürchten, dass bei einer angemessenen Begrenzung von Überstunden die derzeitige Personalstärke in den meisten Krankenhäusern nicht ausreichen würde, um einen ordnungsgemäßen Betrieb zu leisten.

Antrag 61/II/2015 Jungen Geflüchteten helfen – statt Menschenbeschau!

16.10.2015

Wir fordern die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft, die zuständigen Stadträt*innen in den Bezirken und die Mitglieder des Abgeordnetenhauses auf, dafür zu sorgen, dass keine demütigenden, die Menschenwürde verletzenden Altersfeststellungen bei jungen (unbegleiteten) Geflüchteten mehr stattfinden. Es sind insbesondere die Ganzkörperbeschauung – einschließlich des Genitalbereiches – und medizinisch nicht notwendigen Röntgenaufnahmen sofort einzustellen. Stattdessen muss die Altersangabe der*des Geflüchteten maßbeglich sein.

 

Eine demütigende Praxis in Berlin und Hamburg

In Berlin – wie auch in Hamburg – finden Untersuchungen statt, die den Genitalbereich der Geflüchteten einschließt. Außerdem werden in beiden Städten Röntgenaufnahmen – z.B. der Handwurzelknochen und dem Schlüsselbein-Brustbein-Gelenk – angefertigt. Die Charité nimmt diese Prozeduren im Auftrag der Jugendämter vor. Die Jugendämter nehmen offensichtlich die hohen Kosten für die Untersuchungen in Kauf, um den Geflüchteten die Leistungen der Jugendhilfe verweigern zu können. Ihren eigenen Angaben wurde in diesen Fällen nicht geglaubt. In den letzten Jahren berichteten Medien wiederholt davon, wie so Ämter versuchten, für junge Geflüchteten von der Jugendhilfe fernzuhalten.

 

Medizinisch hochfragwürdige Untersuchungen

Diese Altersfeststellungen sind medizinisch mindestens fragwürdig, wenn nicht ganz und gar unhaltbar. Die Kritik von anerkannten Mediziner*innen wurde bisher in Berlin leider bisher gänzlich ignoriert. Schon wenn nur ein Zweifel an den Untersuchungen bestünde, dürften sie nicht über Schicksale entscheiden.

 

Eine scheinbare „Freiwilligkeit“

Die hin und wieder suggerierte „Freiwilligkeit“ ist ein Trugschluss. Sich den Untersuchungen zu verweigern, bedeutet schlicht nicht die Unterstützung als anerkannter Minderjähriger zu erhalten. Entsprechende Papiere, mit denen sie ihr Alter beweisen könnten, führen die Jugendlichen nach einer beschwerlichen, lebensgefährlichen Flucht häufig nicht mit sich – wenn sie diese Nachweise im Herkunftsland überhaupt bekommen konnten.

 

Fehlende Rücksicht gegenüber Jugendlichen

Viele von ihnen sind traumatisiert. Sie haben nicht selten Gewalt erfahren – darunter möglicherweise auch sexualisierte Gewalt. Es kann deshalb nicht verantwortet werden, sie derartigen Situationen auszusetzen. Zudem sind die betroffenen jungen Geflüchteten noch in einer Sexualentwicklung, sodass sie die Untersuchungen als besonders demütigend wahrnehmen könnten.

 

Ungerechtfertigte Röntgenaufnahmen

Unter Mediziner*innen ist es anerkannte Lehrmeinung, dass medizinisch unbegründete Röntgenstrahlungen zu vermeiden sind. Eine Altersfeststellung stellt nach unserer Auffassung keinen hinreichenden Grund da, Jugendliche dieser Gesundheitsgefährdung gezielt auszusetzen.

 

Zügige Hilfe ist möglich

Vielmehr müssen die Jugendhilfe-Angebote für Geflüchtete genutzt und ausgeweitet werden. Weil ohnehin individuelle Entwicklungsstände der Ansatz für alle diese Maßnahmen sein sollten, besteht gar keine Notwendigkeit das exakte Alter auf den Monat oder Jahr genau – was wie gesagt gar nicht möglich wäre – zu bestimmen.

 

Andere Bundesländer sehen keine Notwendigkeit solcher Altersfeststellungen

Alle anderen Bundesländer – außer Hamburg – verzichten gänzlich auf nicht medizinisch gesicherten Altersfeststellungen und stellen in der Regel jungen Geflüchtete nicht unter Generalverdacht, falsche Altersangaben zu machen. Die Vorgaben sind in den meisten Bundesländern, den Aussagen der Geflüchteten zu glauben. In massiven Zweifelsfällen werden Gespräche mit Sozialpädagog*innen oder anderen Expert*innen herangezogen. Fehlerhafte Beurteilungen können dabei zwar auftreten, aber die Demütigung fällt weg. Schlussendlich hilft nur, dass die Behörden die Geflüchteten nicht als Problem ansehen, sondern die Chancen einer sofortigen, individuellen Unterstützung sehen.