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Antrag 57/II/2017 Ruf die Hebamme an! Wie denn? Wir ham keene mehr!

14.10.2017

Warum brauchen wir Hebammen und Entbindungspfleger?

Entschließt sich eine Person dazu, ein Kind zu bekommen, ist es selbstverständlich, dass sie die Betreuung durch medizinisch geschultes Fachpersonal benötigt. Hebammen und Entbindungspfleger betreuen Menschen vor, während und nach einer Geburt, oft sogar eigenverantwortlich. Im Idealfall lernen sich die Hebamme/ der Entbindungspfleger und die schwangere Person schon während der Schwangerschaft kennen. Eine Betreuung durch eine Hebamme ermöglicht es den Personen, die Geburt selbstbestimmt zu planen, den Geburtsort frei zu wählen und Ängste und Sorgen anzusprechen, bevor sie zu einem Problem werden. Eine intensive 1:1 Betreuung während der Geburt, vor allem für Erstgebärende, ist enorm wichtig, damit die Geburt reibungslos verläuft und damit bei Komplikationen schnell eingegriffen werden kann. Hebammen und Entbindungspfleger vermitteln Sicherheit, beraten Gebärende kompetent und betreuen sie auf fachlich höchstem Niveau. Für uns ist es daher ein Schreckens-Szenario, dass diese Berufsgruppe derzeit vom Aussterben bedroht ist, es gibt immer weniger Hebammen und Entbindungspfleger.  Wie können wir die Versorgung gewährleisten, wenn niemand da ist?

 

Aktuelle Situation

Immer wieder lesen wir in den letzten Wochen, Monaten oder sogar Jahren Schlagzeilen in der Zeitung wie „Hebammen-Situation wird noch schwieriger“. Wir lesen Horrorgeschichten von Frauen*, die keine Hebamme finden, obwohl sie sich sofort gekümmert hätten, sobald der Schwangerschaftstest trocken war. Und diese Horrorgeschichten sind keine Einzelfälle. Es stimmt: Gerade für Frauen* im ländlichen Raum, aber auch für Frauen in großen Städten wie Berlin, ist es heutzutage geradezu unmöglich eine Hebamme zu finden. Aber woran liegt das? Diese Situation hat viele Gründe. Es beginnt mit der Ausbildung, in welcher angehende Hebammen/Entbindungspfleger schlecht bezahlt werden. Oder überhaupt keinen Ausbildungsplatz bekommen. Der Beruf der Hebamme ist bis heute sehr beliebt, es mangelt nicht an Bewerber*innen. Auf eine Stelle bewerben sich im Schnitt 7 Bewerber*innen. Ist eine Hebamme/ein Entbindungspfleger dann ausgebildet, steht sie/er* vor der Wahl: ein unterbezahlter Job im Krankenhaus, mit vielen Überstunden oder doch lieber freiberuflich mit mehr Zeit für sich, aber einem enorm hohen Armutsrisiko? Beide Optionen scheinen uns nicht sehr attraktiv. Und den Absolvent*innen auch nicht. Auch deswegen gehen viele nach Skandinavien, wo nicht nur der Ruf von Hebammen besser sind, sondern auch Arbeitsbedingungen, Bezahlung und die Regelung rund um die Haftpflichtversicherung. Die Haftpflicht ist auch eines der großen Themen, welches in den oben genannten Zeitungsartikeln oft als Auslöser des Problems geschildert wird. Und es stimmt: Die Haftpflichtbeiträge für freiberufliche Hebammen sind in den letzten Jahren enorm gestiegen. Zahlte eine Hebamme/ein Entbindungspfleger im Jahre 2002 noch 1.500 Euro pro Jahr, so sind es 2014 schon 5.000 gewesen. Das ist nicht leistbar, wenn mensch pro Geburt nur 300-700 Euro bekommt.

 

Haftpflichtproblematik

Alle Tätigkeiten, die Hebammen und Entbindungspfleger durchführen, müssen versichert sein.  Durch die Nachhaftung, die sogar noch 30 Jahre nach der stattgefundenen Geburt greift, benötigen sie außerdem einen Versicherungsschutz, der dies mit abdeckt. Durch die lange Verjährungsfrist kann es passieren, dass die Hebamme bzw. der Entbindungspfleger erst im Rentenalter davon betroffen ist. Dadurch entsteht eine unkalkulierbare Kostensituation.

 

Für die Versicherungen sind die Kosten, um geburtshilflichen Schäden zu regulieren, in den letzten Jahren drastisch angestiegen, entstandene Kosten werden auf Hebammen und Entbindungspfleger übertragen.

 

Besonders hoch sind die Prämien bei den freiberuflich tätigen Hebammen und Entbindungspflegern. Davon betroffen sind unter anderem Beleghebammen, die nicht an einem Krankenhaus angestellt sind, dort jedoch arbeiten und ihre Leistungen mit der Krankenkasse direkt abrechnen. Laut dem Deutschen Hebammenverband werden gut 20 Prozent aller Geburten in Krankenhäusern von Beleghebammen betreut.

 

Es gibt bislang keine verlässlichen Zahlen über geburtshilfliche Schadensfälle. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) stellte im November 2015 jedoch fest, dass die Zahl der Geburtsschadensfälle stagniert, die Ausgaben für schwere Schäden aber drastisch gestiegen sind.

 

Wenn immer weniger freiberufliche Hebammen und Entbindungspfleger vorhanden sind, verlieren Gebärende das Recht auf freie Wahl des Geburtsortes. Schon jetzt gibt es große Engpässe in den Großstädten und in dünner besiedelten Gebieten Deswegen fordern wir einen Haftpflichtfonds nach skandinavischem Modell. Dort zahlen Hebammen und Entbindungspfleger nur einen Bruchteil der deutschen Versicherungsbeiträge, die Kosten für Fehler, die unter der Geburt passieren, werden aus einem steuerfinanzierten Fonds ausgezahlt. Der Deutsche Hebammenverband fordert deshalb einen Haftpflichtfonds, der für Schäden aufkommt, die über einer bestimmten Deckungssumme liegen. Damit könnte die Preisspirale bei den Prämien gestoppt werden. Diese Forderung unterstützen wir. Die Expert*innen in diesem Fall sind Fachverbände, die bei der Entwicklung ausführlich zu befragen sind. Die deutsche Politik hat zwar 2015 den sog. Sicherstellungszuschlag eingeführt, der diesem Problem Abhilfe schaffen soll, der deutsche Hebammenverband jedoch bezeichnete diese Regelung als zu kurzgreifend. Künftig soll für alle in der Geburtshilfe tätigen freiberuflichen Hebammen nur noch der Sicherstellungszuschlag gelten. Dieser gleicht jedoch nicht die vollständige Prämie von derzeit 6.274,32 Euro aus, sondern erstattet maximal 4.340,03 Euro. Für die in der Geburtshilfe tätigen Hebammen bedeutet die neue Form des Ausgleichs eine Verschlechterung.

 

Denn neben dem unvollständigen Ausgleich fallen die bisherigen Vergütungen für Haftpflichtkosten weg. Zudem muss eine Hebamme in dem Quartal, für das sie den Sicherstellungszuschlag beantragt, auch mindestens eine geburtshilfliche Leistung mit der Krankenkasse abrechnen können. Berechtigt sind nur Hebammen, die mindestens vier Geburten im Jahr betreut haben. Die Form der neu eingeführten Ausschlusskriterien macht es aber Hebammen in der Hausgeburtshilfe zukünftig unmöglich, Geburten verbindlich zu planen.

 

Gute Ausbildung auch für Hebammen

Wie oben geschildert sind die Ausbildungsbedingungen für Hebammen/Entbindungspfleger immer noch zu schlecht. Deswegen fordern wir auch hier eine Mindestausbildungsvergütung, die es ermöglicht, von der Ausbildungsvergütung zu leben. Auch fordern wir die Schaffung von mehr Ausbildungsplätzen für Hebammen. Hierzu ist es möglich das Instrument einer Ausbildungsplatzumlage zu nutzen, aber auch die staatlichen Hochschulen zu fördern, welche aktuell Hebammenkunde als Bachelor anbieten. Die Akademisierung dieses Berufes ist notwendig, um die europäische Vergleichbarkeit der Abschlüsse gewährleisten zu können. Deutschland ist momentan das einzige europäische Land, in dem kein Bachelor für die Ausübung der Geburtshilfe benötigt wird. Damit würde der EU-Richtline 2013/55/EU Folge geleistet werden, die vorsieht, die Abschlüsse anzugleichen.

 

Gute Ausbildung reicht uns nicht, gebt uns gute Arbeit!

Im Kranken- und Geburtshäusern haben sich die Arbeitsbedingungen von Hebammen und Entbindungspflegern deutlich verschlechtert. Die empfohlene 1:1 Betreuung ist nicht mehr umsetzbar, oft betreut eine Hebamme/ ein Entbindungspfleger mehrere Gebärende, sodass die Reaktionszeit bei Notfällen auch manchmal durch die personelle Besetzung verlängert wird. Auch leiden Hebammen und Entbindungspfleger wie viele andere Gesundheits- und Sozialberufe unter der geringen Bezahlung, oft müssen zusätzliche Versicherungsbeiträge vom eigenen Gehalt bezahlt werden.

 

Wir fordern die Umsetzung von 1:1 Betreuung bei jeder Geburt und eine angemessene Bezahlung, die der Wichtigkeit dieses Berufsstandes angemessen ist.  Hierzu müssen nicht nur die Arbeitsbedingungen verbessert, sondern auch mehr gut bezahlte Arbeitsplätze geschaffen werden. Konkret wollen wir eine deutliche Erhöhung von Pauschalen für Geburten selbst sowie ausreichende Erstattung von Material, angemessene Zuschläge für Dienstleistungen wie 24h-Rufbereitschaft und einen besseren Stundenlohn für alle Vor- und Nachsorgeleistungen. Hebammen und Entbindungspfleger müssen entlastet werden!

 

In diesem Jahr hat beispielsweise der Berliner Senat einen runden Tisch einberufen, um der Situation rund um die Hebammen herr/frau zu werden. Doch diese Debatte muss bundesweit geführt werden und muss konkrete Verbesserungen für Hebammen und Entbindungspfleger zur Folge haben. Wir müssen bei diesem Thema endlich handeln.

 

Deshalb fordern wir:

  • einen Haftpflichtfonds, wie vom Deutschen Hebammenverband gefordert
  • mehr Ausbildungsplätze und bessere Bedingungen für Hebammen/Entbindungspfleger
  • mehr gutbezahlte Arbeitsplätze und bessere Arbeitsbedingungen für Hebammen/Entbindungspflegerinnen in den Krankenhäusern
  • eine Mindestausbildungsvergütung
  • dass die Vergütung der Hebammen soll tariflich gesichert wird

 

dass es keinen Abbau der Arbeitsplätze durch sinkende Geburtsraten geben soll

Antrag 58/II/2017 Schluss mit der Privilegierung der PKV: Solidarsystem stärken! Gesetzliche Krankenversicherung für Berliner Beamte öffnen!

14.10.2017

Beamte im Land Berlin sollen nicht länger finanziell benachteiligt werden, wenn sie sich für die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) entscheiden. Nach Vorbild des Hamburger Senats sollen auch Berliner Beamte die Hälfte ihrer Beiträge zur Gesetzlichen Krankenversicherung in Zukunft erstattet bekommen. Der Berliner Senat wird aufgefordert einen entsprechenden Gesetzesvorschlag zu erarbeiten.

Antrag 59/II/2017 Rechtssicherheit auch ohne Trauschein - Gleichstellung von alternativen Lebensgemeinschaften

14.10.2017

Die Begriffe „Ehe und Familie“ stehen schon lange nicht mehr nur für Mutter, Vater, Kind

Seit Jahren kämpft die SPD für die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare und damit der Ehe für alle. Doch was von den konservativen Parteien noch als zu gewagter Schritt gesehen wird, ist in der heutigen Zeit nicht mehr weit genug gedacht. Seit Jahrzehnten erleben wir die Öffnung der Gesellschaft, immer mehr Menschen brechen aus den Lebensmodellen der vergangenen Generationen aus und leben in Lebensgemeinschaften verschiedenster Art zusammen. Dabei geht es nicht nur um die stetig sinkende Zahl der Eheschließungen oder die steigende Zahl der Singlehaushalte in Deutschland, sondern um Lebensmodelle, wie Co-Parenting, polyamore Haushalte etc. Schon lange sind monogame Partner*innenschaften nicht mehr die einzige Form des Zusammenlebens – zum Glück. Als feministischer Verband, stehen wir für Toleranz und Respekt gegenüber jeglichen Lebensmodellen, auch solchen die nicht nur eine romantische Zweierbeziehung als Basis haben. Anders sieht es im Wahlprogramm der SPD aus, dort sollen Familien und Alleinerziehende stärker gefördert werden. Diese Forderung unterstützen wir als Jusos selbstverständlich. Doch wie sieht es mit den Menschen aus, die alternative Lebensmodelle wählen?

 

Immer noch sind verheiratete Menschen in Deutschland im Falle des Ablebens, Krankheits- oder andere schweren Fällen besser abgesichert und werden steuerlich mehr entlastet als trauscheinlose Menschen. Zwar gab es in den vergangenen Jahren bereits einige Verbesserungen, aber diese reichen bei weitem nicht aus, um allen Lebensgemeinschaften gleiche oder zumindest ähnliche Rechte zu gewähren. So erhält bei einem schlimmen Unfall der*die Partner*in, ohne Nachweis, keinerlei Informationen über den Gesundheitszustand seines*r Partners*in. Selbst das Aufsetzen eines Partnerschaftsvertrages, in dem geregelt werden kann, wie mit Erbe, Versicherungen, gemeinsamen Kindern und dem Eigenheim umgegangen wird, hilft in der Notaufnahme eines Krankenhauses wenig.

 

Wir fordern daher die gleichen Rechtssicherheiten, Sorgerechts und Erbansprüche für alle Lebensgemeinschaften. Zudem fordern wir, dass steuerliche Entlastungen nur Lebensgemeinschaften mit Kindern gewährt werden.

 

Nach dem Vorbild des “pacte civil de solidarité” Rechtssicherheit für alle Lebensgemeinschaften schaffen

In Frankreich gibt es seit 1999 den “pacte civil de solidarité” (PACS), der eine zivilrechtliche Partnerschaft mit Gütergemeinschaft, gemeinsamer steuerlicher Veranlagung und steuerlich günstigeren Erbbestimmungen ermöglicht. Der PACS ist dabei nicht abhängig vom Geschlecht der Partner*innen. Im Zuge des zivilen Solidaritätspaktes verpflichten sich die Partner*innen zu gegenseitiger Hilfe, wobei den Partner*innen bei der Regelung dieser Hilfspflichten Freiheiten für die individuelle Ausgestaltung in Detailfragen offen stehen. Die individuelle Ausgestaltung sehen viele der Paare als größten Vorteil, schließlich haben sie sich bewusst gegen eine Ehe – freiwillig oder unfreiwillig aufgrund von fehlenden Rechten – entschieden. Im PACS bestimmen die Partner selbst – allenfalls mit Hilfe eines*r Notars*in –, wie detailliert sie ihr Leben regeln und vertraglich festhalten wollen. So obliegt es ihnen, ob sie zum Beispiel im Falle einer Trennung eine Güterteilung festlegen wollen oder nicht oder wie sie einander gegenseitige und materielle Hilfe leisten wollen. Gewählt werden kann in diesem Fall zwischen einem fixen Anteil des Vermögens einem frei bestimmbaren Betrag. Zudem sind Partner*innen, die in Frankreich einen PACs abschließt in Erb- und Steuerfragen den Verheirateten gleichgestellt. Beim PAC geht es jedoch nicht nur um materielle Sicherheit, sondern auch um die Anerkennung und Toleranz verschiedenster Lebensgemeinschaften.

 

Doch auch mit dem PACS ist nicht alles möglich. Nachwievor können die Partner*innen gemeinsam keine Kinder adoptieren, wobei in Frankreich mittlerweile eine Kinderadoption durch eine Einzelperson erlaubt ist. Zudem kann der Vertrag nur zwischen zwei Partner*innen und nicht mehreren, was alle polyamoren Beziehungen ausschließt geschlossen werden. Des Weiteren muss eine eidesstattliche Erklärung über einen gemeinsamen Wohnsitz vorliegen, was in einigen Lebensgemeinschaften nicht der Fall ist. Zudem wird der PACS außerhalb Frankreichs nicht in der gleichen Form anerkannt.

 

Nichtsdestotrotz entscheiden sich in Frankreich mittlerweile über 40% der Paare für den PACS, um ihre Partner*innenschaft rechtlich abzusichern. Denn auch vom bürokratischen Aufwand her ist der PACS so angelegt, dass er auf Partner*innen keinesfalls abschreckend wirkt. Mit einem einzigen Formular, das ausgefüllt und unterschrieben, beim Amtsgericht abgegeben werden muss, hält sich der Aufwand und damit die Hürde in überschaubaren Maße. So rasch und so einfach wie der Vertrag geschlossen werden kann, so leicht lässt er sich auch wieder auflösen. Es reicht eine kurze Mitteilung ans Gericht.

 

Mit dem unbürokratischen Verfahren und freier Wählbarkeit der Details wird der PAC den Bedürfnissen nach einer freien Gesellschaft ohne zivil- und familienrechtliche Zwänge gerecht.

 

Wir fordern jedoch noch einen Schritt weiter zu gehen und auch den festen gemeinsame Wohnsitz, die Beschränkung auf zwei Personen, den Ausschluss vom Adoptionsrecht und die vorgeschriebene Festlegung des Geschlechts aus dem PAC rauszunehmen und in dieser Form für Deutschland einzuführen. Darüber hinaus sind im Ausland geschlossene PACs oder vergleichbare Vereinbarungen in Deutschland anzuerkennen.

 

Wir fordern die freie Wahl der Lebensgemeinschaft, ohne Benachteiligungen oder Einschränkungen der Rechte und damit eine tolerante, solidarische und freie Form der Lebensgestaltung!

Antrag 60/II/2017 „Dirty Diaries“ auch in Deutschland!

14.10.2017

Mainstream-Pornos zeigen in der Regel sexistische und rassistische Stereotype, in denen Konsens kein Thema ist und die bestimmten, „optimalen“ Körpertyp zum Standard erheben. In diesen Filmen wirkt Sex eher wie eine Performance oder Leistungssport: Alles funktioniert scheinbar auf Anhieb, es gibt keine Kommunikation zwischen den Darsteller*innen, kein Ausprobieren, Scheitern und Neu-Ausprobieren. Diese Darstellungsformen in Mainstream-Pornos können Konsument*innen in ihrer Sexualität und im Menschenbild nachhaltig beeinflussen. Auch Jugendliche starten damit viel zu oft mit völlig unrealistischen Vorstellungen in ihr Sexualleben und haben nicht die Möglichkeit ein selbstbewusstes Verhältnis zu sich, ihrem Körper, ihrer Sexualität und Gesundheit zu entwickeln. Dabei geht es um eine Ergänzung der außerschulischen Bildungsarbeit.

 

Schweden hat mit den „Dirty Diaries“ dieses Problem in Angriff genommen. Die „Dirty Diaries“ sind eine feministische Pornosammlung, die 2009 vom staatlichen Schwedischen Filminstitut finanziert wurden und fernab vom standardisierten Mainstream-Porno Menschen und Sexualität in all ihrer Vielfalt zeigt.

 

Dieser feministische Porno beinhaltet mindestens die folgenden Aspekte:

  • Regisseur*innen und Produzent*innen, die die Vielfalt der Gesellschaft abbilden
  • Gute und gerechte Arbeitsbedingungen und Bezahlung
  • Die Darstellung von Vielfalt an Körperformen, Geschlechtern, ethnischer Herkunft, Sexualität und Sexualpraktiken
  • Die realistische Darstellung von Lust aller Beteiligter
  • Verhütung (wenn nicht, dann nur im (dokumentierten) Konsens)
  • Die explizite Darstellung von Konsens und Kommunikation

 

Es gibt also nicht den einen feministischen Pornofilm. Feministischer Porno ist die Gesamtheit aller den Definitionen folgenden Filmen.

 

Selbstverständlich kann die Einführung und die Verfügbarkeit von feministischen Pornos nicht eine grundsätzliche Reformierung des Sexualkundeunterrichts ersetzen, sondern lediglich ergänzen. Unterstützend fordern wir aber, dass im Sexualkundeunterricht an Schulen auf die Verfügbarkeit feministischer Pornos verwiesen wird.

 

Da vor allem im Internet kostenlose Pornographie konsumiert wird, muss auch feministischer Porno gebührenfrei, dauerhaft und niedrigschwellig verfügbar sein. Daher fordern wir eine Filmförderung nach schwedischem Vorbild.

 

Eine solche Filmförderung ist über verschiedene Kanäle möglich:

 

  • Als Sexualbildung über die Landes- und Bundeszentrale(n) für politische Bildung und die Landes- und Bundeszentrale(n) für gesundheitliche Aufklärung
  • Als Filmförderung. Dieses Instrument ist denkbar im Rahmen einer Ausschreibung mit vorgegebenen Mindestkriterien, einer freien Bewerbung um Fördermittel oder einer Preisverleihung. Hierbei muss auf die Liste der Kriterien, deren Nachprüfbarkeit und/oder auf die Zusammensetzung der Kommission geachtet werden.
  • Durch den Aufkauf und das kostenlose Verfügbarmachen in der Online-Mediathek der öffentlich-rechtlichen Sender. Wir fordern, dass die Altersfreigabe für Pornografie hierfür überprüft und ggf. heruntergesetzt wird.

 

Wir fordern, dass die angeführten Kanäle geprüft werden und die Förderung über die geeigneten Kanäle und in wirkungsvoller Höhe begonnen wird.

 

Wir fordern die Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion und der SPD-Fraktionen in den Landesparlamenten auf, entsprechend tätig zu werden.

Antrag 61/II/2017 Zwangspoolung abschaffen – Selbstbestimmung garantieren!

14.10.2017

Das Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen, kurz Bundesteilhabegesetz, das am 23. Dezember 2016 im Bundestag beschlossen wurde und am 25. Juli 2017 in Kraft getreten ist, verspricht Menschen mit Behinderung eine vermeintlich selbstbestimmte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft.

 

Laut UN-Behindertenrechtskonvention ist eine Verbesserung der sozialen Teilhabe behinderter Menschen in Deutschland längst überfällig.

 

Das Bundesteilhabegesetz (BTHG) ist in der jetzigen, beschlossenen Form aber unzulänglich beziehungsweise fehlerhaft. Das Bundesteilhabegesetz sieht als Eingliederungshilfen Maßnahmen vor, die dem Artikel 19 der UN-Behindertenkonvention widersprechen. Gegen das dort formulierte Menschenrecht auf „selbstbestimmtes Leben und Einbeziehung in die Gemeinschaft“ sprechen das sogenannte „Poolen von Leistungen“ und die damit verbundene Bevormundung durch Behörden.

 

Leistungen zur Eingliederung werden nicht mehr individuell, sondern für mehrere Betroffene gemeinsam bewilligt, wenn die gemeinsame Leistung laut §116 des BTHG „für die Leistungsberechtigten zumutbar ist und mit Leistungserbringern entsprechende Vereinbarungen bestehen.“ Hier droht eine Abhängigkeit von den Behörden und den Leistungsträger*innen, die zur „Zwangspoolung“ führen kann. Individuelle Transporte zu Freizeitaktivitäten werden nicht mehr möglich, Assistenzen müssen geteilt werden oder ein Leben in einer Wohngemeinschaft wird zwangsweise vorgeschrieben. Wollen beispielsweise mehrere Menschen aus einer Region unabhängig voneinander in eine größere Stadt gebracht werden, so werden diese nun gebündelt an einem Termin transportiert, um Kosten zu sparen. Auf die individuellen Termine und Bedürfnisse der Einzelnen* wird dabei keine Rücksicht genommen.  Die „Zwangspoolung“ widerspricht daher dem Recht auf Selbstbestimmung.

 

Grundsätzlich sind die Hilfsleistungen nur vermeintlich den individuellen Ansprüchen der Betroffenen angepasst. Im Bundesteilhabegesetz formuliert §104 II allerdings explizit, dass den Wünschen der Leistungsberechtigten nur dann zu entsprechend sind, wenn sie als angemessen bewertet werden. Die Angemessenheit richtet sich aber nur nach den Kosten. Werden die Kosten für eine gewünschte Leistung als „unverhältnismäßig“ angesehen, müssen sich die Betroffenen mit „vergleichbaren Leistungen“ zufrieden geben. Was eine solche vergleichbare Leistung ist, beschließen die Leistungserbringer*innen. Leistungserbringer*innen sind Einrichtungen oder Dienstleister*innen, die von den verschiedenen Leistungsträger*innenschaften (Krankenkasse, Sozialamt, etc.) mit gewissen Eingliederungshilfen beauftragt wurden. Hierin äußert sich ein zugrundeliegender Sparzwang, der den individuellen Ansprüchen der Betroffenen übergeordnet ist.

 

Das Bundesteilhabegesetz soll deswegen korrigiert und zu einem Gesetz der wirklichen Teilhabe und der tatsächlichen Selbstbestimmung gemacht werden. Nur ohne zwanghafte Auflagen, die die Betroffenen letztlich pauschalisieren und individuelle Bedürfnisse missachten, und ohne Bevormundung durch Ämter und Leistungsträger*innenschaften kann das Gesetz die Selbstbestimmung garantieren.

 

Deswegen fordern wir:

  • Die Eingliederungshilfen sollen individuell genehmigt werden, um eine tatsächliche (soziale) Teilhabe eines jeden Individuums nach den individuellen Ansprüchen und Vorlieben zu ermöglichen. Das bedeutet gleichzeitig ein Verzicht auf „Zwangspoolung“
  • Die Bedürfnisse und Wünsche der Betroffenen sollen an erster Stelle stehen und sie sollen nicht aufgrund von Kosten zurückgestellt werden dürfen. Der Sparzwang darf die Lebensqualität der Betroffenen keinesfalls einschränken und muss deswegen aufhören. Eine transparente Beurteilung der Leistungen anhand von Kriterien, die gemeinsam mit den Betroffenen erstellt werden, halten wir für maßgeblich, um das Recht auf Selbstbestimmung und eine gleichwertige Lebensqualität wirklich erreichen zu können.
  • Die nach dem (korrigierten) Bundesteilhabegesetz festgelegten Rechte auf Leistungen müssen transparent und übersichtlich gemacht werden. Allen Betroffenen muss eindeutig klar werden können, wem welche Leistungen zustehen und wie sie sie beziehen können. Damit kann der Willkür oder Fehlern der Ämter vorgebeugt werden.