Archive

Antrag 285/I/2025 Internationale Klimagerechtigkeit

24.04.2025

Wir fordern die deutsche Bundesregierung und insbesondere die SPD dazu auf, bei den zukünftigen UN-Klimakonferenzen (COP) auf eine ambitionierte und sozial gerechte internationale Klimapolitik hinzuwirken.

 

Folgende Maßnahmen sind hierbei essentiell:

I. Gerechtigkeit in der Finanzierungdes Klimaschutzes, der Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel und der Klimafolgeschäden sicherstellen:

  • Eine Anerkennung der ,wahren’ Kosten, die der Klimawandel verursacht, ist nötig. Neueste Schätzungen verdeutlichen die möglichen dramatischen Schäden, von fast 20 Prozent Einkommensverlust weltweit bis 2050 und damit Bedarfe auch über dem auf der COP29 vereinbarten Klimafinanzierungsziel von 300 Milliarden USD. Die Länder, die am wenigsten für den Klimawandel verantwortlich sind, werden voraussichtlich Einkommensverluste erleiden, die 60 Prozent höher sind als in den Ländern mit höherem Einkommen.
  • Es braucht dafür ein neues globales Ziel für die Klimafinanzierung (New Collective Quantified Goal, NCQG), welches Entwicklungsländer angemessen beim Umgang mit der Klimakrise unterstützt. Der Betrag sollte bis 2030 auf mind. eine Billion USD jährlich erhöht werden, um die tatsächlichen Bedarfe zur Bekämpfung der Klimakrise auch nur annähernd decken zu können. Zum einen sollten hierfür Unterziele für Emissionsminderung, Anpassung an den Klimawandel und Klimafolgeschäden gesetzt werden, damit neben CO2-Reduktion auch der Schutz vulnerabler Gruppen vor den Folgen des Klimawandels sichergestellt wird. Außerdem bedarf es eines gerechten Verteilungsmechanismus der Kosten und einer konkreten Bezifferung des Beitrags aller Länder mit den höchsten CO2-Ausstößen. Hierzu zählt auch eine Verbreiterung der Geberbasis gemessen an den aktuellen Pro-Kopf-Emissionen, um weitere Finanzierungsmittel freizusetzen.
  • Um ausreichend Klimafinanzierung bereitstellen zu können, muss die deutsche Regierung sicherstellen, dass die deutsche Zusage von 6 Milliarden Euro Klimafinanzierung bis 2025 eingehalten wird. Ab 2025 müssen Mittel im Haushalt eingeplant werden, die sich an einem fairen Anteil des neuen globalen Klimafinanzierungsziels von mindestens 8 bis 10 Milliarden Euro pro Jahr orientieren. Für einen zielgenauen Mitteleinsatz sollen hierbei humanitäre und rechtsstaatliche Kriterien berücksichtigt werden und die Zivilgesellschaft vor Ort eingebunden werden.
  • Die Ausgestaltung des Loss and Damage Funds durch klare Zeitleisten und Kriterien für Einzahlung und Verwendung des Geldes ist essentiell. Deutschland sollte den Fonds nachhaltig finanzieren und sich als Mitglied des Boards dafür einsetzen, dass die Gelder direkt bei den schutzbedürftigsten Gesellschaftsgruppen ankommen, wofür eine enge Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft vor Ort nötig ist.
  • Neben Krediten sollten verstärkt Zuschüsse und alternative Finanzierungsarten Anwendung finden (z.B. debt for climate swaps), um die Verschuldung von Ländern im sog. Globalen Süden nicht weiter anzufeuern. In diesem Kontext sollte die Frage der Klimafinanzierung mit der Reform der internationalen Finanzarchitektur zusammen gedacht werden, um Staaten mehr Anreize und bessere Unterstützung für Investitionen in globale öffentliche Güter wie den Klimaschutz zu bieten und und u.a. ein Staateninsolvenzverfahren aufgesetzt werden.
  • Wir unterstützen eine weltweite Mindeststeuer für Milliardäre, wie von Brasilien in der G20 vorgeschlagen. Die faire Besteuerung großer Vermögen könnte nötiges Geld für den Klimaschutz bereitstellen und würde dafür sorgen, dass die sehr reichen Bevölkerungsgruppen, die in besonderem Maße für die Klimakrise verantwortlich sind, auch zu deren Bekämpfung angemessene Beiträge leisten. Und nicht zuletzt ist es wichtig, dass klimaschädliche Subventionen weltweit abgebaut werden, u.a. im Flugverkehr.

 

II. Den Just Transition Ansatz konsequent anwenden, u.a. bei der Bestimmung der national festgesetzten Beiträge (NDCs) und des Globalen Anpassungsziels (GGA), sowie beim Just Transition Work Programme (JTWP).

  • Derzeit beinhalten nur weniger als 40% aller NDCs explizit Just Transition Prinzipien, was bedeutet, dass in einem Großteil der Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels soziale Gerechtigkeit und die Einbindung von Gewerkschaften und der Zivilgesellschaft in die Transformation nicht ausreichend berücksichtigt werden. Durch die Integration von Just Transition Elementen in NDCs und des GGAs kann allerdings nicht nur ein sozial gerechter Strukturwandel hin zu mehr Klimaschutz unter Einbindung marginalisierter Gruppen sichergestellt werden. Just Transition Ansätze bedeuten auch reduzierte systemische Risiken der Transformation und sind so attraktiver für öffentliche und private für Investor*innen. Und nicht zuletzt tragen soziale gerechte Klimaschutzmaßnahmen, die von einer breiten Bevölkerungsgruppe getragen werden, auch zu einer größeren Akzeptanz bei.
  • In den Verhandlungen zum JTWP müssen die ILO-Leitlinien für Just Transition sowie die Arbeitnehmer*innenrechte fest verankert werden. Das JTWP sollte konkrete und verbindliche Empfehlungen für die Umsetzung machen und sich weniger auf prozedurale Elemente konzentrieren.

 

III. Konkrete Maßnahmen zur Reduktion der Gender-bedingten Ungerechtigkeiten, die durch den Klimawandel entstehen, definieren:

  • Es braucht dringend einen neuen und umfassenden Gender Action Plan, der die Querverbindungen zu Just Transition und Menschenrechten herstellt. Bereits erreichte Fortschritte bei Gendergerechtigkeit im Rahmen des Lima Work Programmes müssen verteidigt werden sowie Ziele, Indikatoren zur Messung des Fortschritts bzgl. Gendergerechtigkeit im Hinblick auf den Klimawandel und Verantwortlichkeiten klarer definiert werden.

 

IV. Zivilgesellschaftliche Räumeund Umweltaktivist*innen schützen

  • 196 Umwelt- und Klimaaktivist*innen wurden 2023 weltweit ermordet. Sichere und freie Räume für eine aktive Zivilgesellschaft sind unabdingbar für offene Gesellschaften und Fortschritte für wirksamen und inklusiven Klimaschutz und müssen daher unbedingt geschützt werden. Daher sollte von der SPD darauf hingewirkt werden, dass die jeweilige COP Präsidentschaft Menschenrechte achtet und Zivilgesellschaft schützt, z.B. durch die öffentliche Thematisierung diesbezüglicher Verstöße durch die Bundesregierung.

 

Antrag 207/II/2022 Jenseits von Wasserstoffträumen – Endverbraucher*innen aller Länder, elektrifiziert euch!

10.10.2022

Eine erfolgreiche soziale Klimaschutzstrategie bedarf nicht nur des beschleunigten Ausbaus der erneuerbaren und Abbau der fossilen Energie, sondern auch eines strategischen und wissenschaftlich fundierten Einsatzes neuer Technologien in den richtigen Wirtschaftsbranchen. Dazu gehört eine realistische Wasserstoffstrategie frei von technologischen Fantasien und unangebrachtem Optimismus.

 

Wasserstoff stellt ein massives Problem für die Dekarbonisierung dar, welches bisher im öffentlichen Diskurs kaum thematisiert wird oder falls doch, dann in Verbindung mit fantastischen Erzählungen und unrealistischen Zukunftsvisionen der mächtigen Gaslobby zum Erhalt ihrer Industrie.

 

99 % des aktuellen Bedarfs von Wasserstoff entsteht durch die Industrieprozesse, in welchen er unter anderem als Chemierohstoff und in der Herstellung von Düngemitteln angewendet wird. Aktuell deckt die sogenannte „graue“ Quelle durch Methan-Dampfreformierung von Erdgas den weltweiten Wasserstoffbedarf fast ausschließlich ab. Dieser Prozess ist äußerst energieintensiv, sodass die Verbrennung grauen Wasserstoffs vielfach klimaschädlicher ist als die einfache Verbrennung von Erdöl, Erdgas und Kohle. Grauer Wasserstoff macht in seiner industriellen Endnutzung aktuell ungefähr 3 % der weltweiten Treibhausgasemissionen aus, einen ähnlichen Anteil wie der Flugverkehr.

 

Bei der Herstellung von „blauem“ Wasserstoff aus fossilen Quellen mit Kohlenstoffsequestrierung entstehen durch den Austritt von Methan im Gastransit sowie unzureichende Sequestrierungstechnologie erhebliche Effizienzlücken. Die Verbrennung blauen Wasserstoffs kann also immer noch bis zu 20 % treibhausgasintensiver sein als die Verbrennung von Erdgas. Die Erfassung und Verringerung von den genauen Emissionen dieser Wasserstoffquelle sind äußerst komplex und könnten Jahre dauern.

 

Die einzig erneuerbare Quelle von Wasserstoff ist die Elektrolyse von Wasser anhand erneuerbaren Stroms, wobei die relevanten Technologien noch im Frühstadium sind und der Strombedarf für eine Dekarbonisierung des heutigen Wasserstoffbedarfs fast der dreifachen Menge an Wind- und Solarstrom bedürfte, die die Welt 2019 produziert hat.

 

Viele Regierungen setzen auf Wasserstoff als Zukunftstechnologie, ohne zwischen den unterschiedlichen technologischen und geographischen Quellen zu differenzieren und/oder die prioritären Wirtschaftsbranchen für dessen Endverbrauch zu definieren, wo günstigere, effizientere und sozial vertretbare Lösungen bereits bestehen.

 

Die Ampelregierung verlässt sich in ihrer Klimaschutzstrategie ebenfalls auf grünen Wasserstoff und setzt sich eine Elektrolysekapazität von rund 10 Gigawatt im Jahr 2030 zum Ziel. Im Koalitionsvertrag 2021 steht, dass grüner Wasserstoff vorrangig in den Wirtschaftssektoren genutzt werden sollte, in denen es nicht möglich ist, Verfahren und Prozesse durch eine direkte Elektrifizierung auf Treibhausgasneutralität umzustellen. Parallel sieht der Koalitionsvertrag jedoch die Errichtung moderner Gaskraftwerke mit Kapazität zur Umstellung auf klimaneutrale Gase, d.h. die Verbrennung grünen Wasserstoffs zur Stromerzeugung, vor.

 

Auch bei den modernsten Elektrolyseanlagen entsteht eine Effizienzlücke von ungefähr 20 % und bei der Verbrennung der Derivate geht weitere Energie verloren, sodass die Wiedergewinnung grünen Stroms aus grünem Wasserstoff mit entsprechenden Kosten verbunden ist. Die Verbrennung von grünem Wasserstoff außerhalb seiner bestehenden industriellen Einsätze und beschränkter sonstiger zukünftiger Nutzungen wie etwa im Luft- und Schiffsverkehr ist also aufgrund der daraus entstehenden Kosten weder klimapolitisch noch sozial vertretbar.

 

Wir fordern daher:

 

  • die weitreichende, schnelle und direkte Elektrifizierung als Grundsatz unserer Klimaschutz- und Energiepolitik. Das Versprechen vom grünen Wasserstoff soll nicht von mächtigen Lobbys dafür missbraucht werden, die Elektrifizierung von Wärme und Verkehr durch bereits bestehende Technologien zu verzögern und damit die Gewinne der Fossilindustrie noch bis 2050 zu maximieren.
  • wertvollen grünen Wasserstoff sollte man ausschließlich in schwer dekarbonisierbaren Sektoren zu nutzen, wo Wasserstoff gesellschaftlich und ökologisch nützlich sowie technologisch unverzichtbar ist.
  • die Verbrennung von grünem Wasserstoff zur Stromerzeugung nur in den Fällen zu erlauben, wo die Herstellung dessen Speicherkapazität zum Ausgleich saisonaler Schwankungen in der erneuerbaren Energie anbietet.
  • die Einspeisung von grünem Wasserstoff ins allgemeine Gasleitungsnetz abzulehnen. Stattdessen sollten in geeigneten Fällen die Hausheizung entkarbonisiert und Haushalte von Kosten entlastet werden, indem die Abwärme von der wasserstoffbetriebenen Produktion in Fern- und Nahwärmenetzwerke genutzt wird. Hierfür fordern wir die Investition in leistungsstarke Wärmespeicher, um eine stabile Energielieferung zu sichern.