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Antrag 212/II/2019 Gemeinnützigkeit stärken

23.09.2019

Das globalisierungskritische Netzwerk Attac kämpfte in einem längeren Rechtsstreit mit dem zuständigen Finanzamt für die Anerkennung seiner Gemeinnützigkeit. Die einzelnen Instanzen urteilten dabei sehr unterschiedlich über die Frage, ob das politische Engagement von Attac angemessen für einen gemeinnützigen Verein sei. Zwar kann dies auch bei gemeinnützigen Vereinen „im Einzelfall zwangsläufig mit einer gewissen politischen Zielsetzung verbunden“ sein. Doch wird politische Tätigkeit grundsätzlich als Vertretung besonderer Interessen begriffen und damit von Gemeinnützigkeit unterschieden. Das hessische Finanzgericht ordnete das politische Engagement von Attac unter Bildungszwecke ein und erkannte entsprechend eine Gemeinnützigkeit an. Der Bundesfinanzhof als nächste Instanz betrachtete das politische Engagement als zu groß, hob das Urteil des Finanzgerichts auf und wies den Fall zurück. Attac hat damit den Status der Gemeinnützigkeit verloren und massive – existenzbedrohende – finanzielle Verluste erlitten. Auch die Auseinandersetzung um die Gemeinnützigkeit der Deutschen Umwelthilfe zeigt, wie relevant die Frage der Gemeinnützigkeit für die Zivilgesellschaft ist.

 

Die Trennung zwischen gemeinnützigen und politischen Vereinen ist grundsätzlich sinnvoll – insbesondere muss verhindert werden, dass rechtsradikale Kräfte wie der PEGIDA Förderverein oder der Identitäre Bewegung Deutschland e.V. in den Genuss der Gemeinnützigkeit kommen.

 

Die Entscheidungspraxis der Finanzämter ist jedoch sehr unterschiedlich und bietet zu wenig Rechtssicherheit für Vereine. Wird ihnen die Gemeinnützigkeit überraschend entzogen, haben sie erfahrungsgemäß einen schlagartigen Einbruch von Spenden zu verzeichnen, weil diese für die zahlenden Personen nicht mehr steuerlich absetzbar sind. Noch dramatischer sind die Folgen einer rückwirkenden Aberkennung durch die damit fälligen Nachzahlungen. Hier ist eine Vereinheitlichung der Rechtsanwendung dringend nötig, um gemeinnütziges Engagement nicht durch steuerrechtliche Verwaltungslast zu erdrücken.

 

Die in der Abgabenordnung aufgeführten Tätigkeiten sind seit langem nicht mehr auf der Höhe der Zeit: Der kulturelle und technische Fortschritt ermöglicht heute viele Formen faktischer Gemeinnützigkeit, deren juristische Anerkennung bisher ausblieb und dringend nachgeholt werden muss.

 

Daher fordern wir:

  1. Der Begriff der Gemeinnützigkeit nach der Abgabenordnung (AO) wird reformiert. Die in § 52 der Abgabenordnung als gemeinnützig definierten Themenfelder werden den veränderten gesellschaftlichen Vorstellungen angepasst und so formuliert, dass sie z.B. explizit auch folgende Tätigkeiten umfassen:
  • Förderung der Hilfe für sexuelle und geschlechtliche Minderheiten
  • neue Bildungsbereiche wie Programmierung und Medienkompetenz
  • neue Sportbereiche wie Paintball und eSports
  • bisher ungenannte, aber faktisch entsprechende Bereiche, wie z. B. Pflege und Verwaltung von Friedhöfen
  1. Das Bundesfinanzministerium wird eine höhere Rechtssicherheit bei der Anerkennungspraxis der Gemeinnützigkeit besorgen. Die Prüfungspraxis bei den Finanzämtern wird stärker reguliert, um Anerkennungsentscheidungen für antragstellende Vereine transparenter zu gestalten. Der zulässige Umfang von politischem Engagement im Zustand der Gemeinnützigkeit wird genauer bestimmt. Bei Spenden über 10.000 € müssen die Namen der Geldgeber*innen veröffentlich werden.
  2. In der Diskussion über die Klagen der Deutsche Umwelthilfe bekennt sich die SPD dazu, die Gemeinnützigkeit von Vereinen nicht aus dem alleinigen Grund zu entziehen, weil sie sich im Rechtsstreit mit Gebietskörperschaften befinden.

 

Antrag 200/II/2019 „Demokratie leben“ stärken

23.09.2019

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) fördert seit mehreren Jahren die Demokratiearbeit in ganz Deutschland unter dem Label „Demokratie Leben“. Das Programm ist eine effektive Maßnahme gegen Rechts, Hass im Netz und Angriffe auf die Demokratie – zumindest ist dies die Zielsetzung. Allerdings wird das Programm in seiner gegenwärtigen Form den aktuellen Bedrohungen der Demokratie nicht gerecht. Dies ist auf budgetäre und strukturelle Probleme zurückzuführen.

 

Obwohl sich der Bedarf für Demokratieförderung in den vergangenen Jahre erheblich verstärkt hat, wird das Budget diesen Herausforderungen nicht gerecht. Für den kommenden Förderzeitraum stehen 107,5 Millionen Euro zur Verfügung, 8 Millionen Euro weniger als im vorherigen Jahr. Dies reicht nicht einmal annähernd, um den Kampf gegen Rechts auf stabile Füße zu stellen.

 

Zusätzlich werden im Vergleich zu vergangenen Förderzeiträumen nur noch 100 Modellprojekte gefördert, 300 weniger als in der Vergangenheit. Auch die bundeszentralen Träger*innen müssen mit weniger Geld arbeiten. Dies führt dazu, dass unter den Träger*innen ein erheblicher Konkurrenzdruck entsteht und etablierte Strukturen nicht erhalten werden können. Betroffen sind hierbei beispielsweise der Bundesverband Mobile Beratung, die Bundesarbeitsgemeinschaft „Ausstieg zum Einstieg“ und der einzige geförderte Jugendverband für Radikalisierungsprävention im Naturschutz „FARN“. Wichtige Akteur*innen, die gerade im ländlichen Raum wichtige Arbeit gegen Rechts betrieben, stehen vor dem Aus.

 

Zudem erschweren überkomplexe Strukturen die Arbeit der Trägerorganisationen. Nach den Förderrichtlinien des Bundesprogramm „Demokratie Leben 2020” wurden die Gelder für die Kommunen und Länder, die unter dem Namen „Partnerschaften für Demokratie“ und „Landes-Demokratiezentren“ gefördert werden stark aufgestockt. Das geschieht allerdings auf Kosten der zivilgesellschaftliche Träger*innen. Die direkte Förderung von Kommunen und Ländern ist aber ineffektiv, da einzelne Kommunen bereits angekündigt haben, die Förderung nicht mehr in Anspruch zu nehmen, da das Programm nicht ihren politischen Vorstellungen entspricht. Es muss mehr auf die Zivilgesellschaft gesetzt werden.

 

Dazu gesellen sich erhebliche strukturelle Probleme. Im Koalitionsvertrag kündigt die Bundesregierung die „Stärkung der Demokratie und Extremismusprävention” (Zeile 5591) an, um langfristige finanzielle Förderung sicherzustellen. Die Förderung ist bisher jedoch noch immer zeitlich begrenzt. Dies hat zur Folge, dass langfristige Maßnahmen nicht angesetzt und verankert werden können. Die Förderung von Modellprojekten ist geeignet, neue Konzepte zu erproben. Jedoch müssen Ansätze, die sich bewähren, verstetigt werden. Nur so können Nachhaltigkeit und Planungssicherheit sichergestellt werden. Insbesondere der NSU hat gezeigt, dass Rechtsradikalismus ein dauerhaftes Problem ist, das einer dauerhaften Prävention bedarf. Eine zeitliche Begrenzung der finanziellen Förderung gefährdet den Kampf gegen Rechts. Deswegen ist eine bundesgesetzliche Regelung für die langfristige Förderung unabdingbar.

 

Es braucht mehr Mitsprache für die Organisationen, die tatsächlich die Projekte durchführen. Für die nachhaltige Verbesserung der Demokratiearbeit ist es vonnöten, dass die Förderrichtlinien für die kommenden Förderzeiträume vom BMFSFJ in enger Absprache mit der Zivilgesellschaft überarbeitet werden. Dies wurde auch für den Förderzeitraum 2020 angekündigt, jedoch nie umgesetzt. Eine Evaluation des Programms darf nicht nur auf die zivilgesellschaftlichen Träger*innen schauen, auch Förderrichtlinien und Strukturen müssen angesteuert werden. Erst dann kann und muss Demokratieförderung in einem Demokratieförderungsgesetz verstetigt werden, um die Arbeit nachhaltiger umzusetzen.

 

Das Familienministerium kooperiert zudem mit dem Verfassungsschutz, um Demokratieprojekte zu durchleuchten. Dabei wurden die Kriterien und erhobenen Daten für die Überprüfung unter Verschluss gehalten. Dies untergräbt das Vertrauen in die Zusammenarbeit zwischen Projekten und BMFSFJ.

Wir fordern von den Mitgliedern der SPD-Bundestagsfraktion und der Bundes-Familienministerin:

 

  • Eine Stärkung der Trägerorganisationen: Direkte Förderung durch den Bund statt durch mehrere Verwaltungsebenen.
  • Eine langfristige Förderung bewährter Projekte: Dies beinhaltet, Modellprojekten eine langfristige Perspektiven bieten und Demokratiezentren weiterhin Förderung ermöglichen
  • Die Erarbeitung neuer Richtlinien für die Demokratieförderung in Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft. Auch die Evaluation wird in Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft konzipiert.
  • Die Umsetzung des Gesetzes zur Demokratieförderung, wie im Koalitionsvertrag festgehalten.

 

Die Überprüfung von zivilgesellschaftlichen Projektträger*innen im Zusammenhang einer Förderung im Rahmen des Bundesprogrammes darf vom Bundesministerium nicht mehr an den Verfassungsschutz ausgelagert werden. Prüfungen haben nach transparenten Kriterien durchgeführt werden. Die betroffenen Projektträger*innen sind im Nachhinein über ihre Überprüfung zu informieren.

 

Das Budget für das Programm „Demokratie leben!“ wird verdoppelt.

 

Weitere Adressat*innen: SPD-Bundestagsfraktion

 

Antrag 182/II/2019 Psychotherapeutische Vorsorgeuntersuchung

23.09.2019

Jede*r gesetzlich Krankenversicherte hat das Recht in regelmäßigen Abständen kostenlose Vorsorgeuntersuchungen wahrzunehmen. Hierbei geht es hauptsächlich um Krankheiten, die bei früher Erkennung gut behandelt werden können. Entsprechend zahlen die gesetzlichen Krankenkassen beispielsweise für halbjährliche Besuche bei der*m Zahnärzt*in zur Vorsorge oder jährliche Krebs-Untersuchungen bei der*n Gynäkolog*in.

 

Ein Bereich, der aber völlig ausgeklammert wird, ist die psychische Gesundheit. Dabei können auch hier eine frühe Erkennung und ein früher Beginn der Behandlung ausschlaggebend sein für deren Erfolg. Die aktuellen Umstände begünstigen aber genau das Gegenteil: Zu wenig psychotherapeutische Angebote und gesellschaftliches Stigma mit dem Vorurteil, psychische Erkrankungen wären keine „echten“ Krankheiten führen dazu, dass viele Menschen sich zu spät oder gar keine Hilfe suchen. Die Ungleichbehandlung bei Vorsorgeuntersuchungen stützt dieses Bild. Ob ich Karies bekomme, scheint wichtig zu sein. Ob ich gerade eine Depression entwickle, wohl eher nicht.

 

In die gleiche Kerbe schlägt, dass es so schwierig ist, einen Termin bei Psychotherapeut*innen zu bekommen.  Wer wochenlang auf einen Termin warten oder für diesen in den nächsten Landkreis fahren muss, bekommt vermittelt, dass das eigene Leiden wohl doch nicht so schlimm und behandlungswürdig sein kann. Psychische Erkrankungen müssen aber endlich als das wahrgenommen werden, was sie sind: Behandlungswürdige Erkrankungen. Es kann nicht sein, dass bei psychischen Problemen nach wie vor eine Mentalität des „Stell dich mal nicht so an“ vorherrscht und Menschen mit psychischen Erkrankungen wahlweise als schwach oder verrückt abgestempelt werden.

 

Die mitunter tödlichen Folgen des Stigmas zeigen sich besonders im Gender-Vergleich: Jungen* und Männer* sind von diesem aufgrund von schädlichen Vorstellungen von Männlichkeit nochmal ganz anders betroffen als Frauen* und Mädchen*. Jungen* und Männer* suchen sich seltener oder später Hilfe (sowohl professionelle als auch im Freundes- und Familienkreis), sind deutlich häufiger von Suchterkrankungen und Obdachlosigkeit betroffen und begehen häufiger Gewaltverbrechen und Suizid. Dasselbe gilt für Jugendliche aus der LGBTTIQ*A+ Community.

 

Bei Mädchen* und Frauen* wiederrum sind beispielsweise Diäten durch die Vermittlung unrealistischer Körperbilder teilweise so normalisiert, dass Essstörungen gar nicht als solche wahrgenommen werden.

Wir fordern daher:

Der halbjährliche Besuch einer*s Psychotherapeut*in oder Psycholog*in zum Vorsorgegespräch soll für alle Menschen in den Katalog der von den gesetzlichen Krankenkassen getragenen Vorsorgeuntersuchungen aufgenommen werden. Um eine elternunabhängige Wahrnehmung des Vorsorgeangebots bei Kindern zu erreichen, soll vor allem in Schulen für dieses Angebot geworben und bei Bedarf von diesen organisiert werden.

Darüber hinaus braucht es eine bundesweite Kampagne, die die Bekanntheit dieses Angebots erhöht, für die Wahrnehmung des Angebots wirbt und das mit psychischen Erkrankungen verbundene Stigma bekämpft. Neben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) sind hier auch Akteur*innen wie Kitas und Schulen und die Ärzt*innen und Therapeut*innen gefragt. Ähnlich zur Zahngesundheitskampagne, wie es sie seit den 1970ern Jahren gibt, soll das Thema psychische Gesundheit früh, altersgerecht und durchgehend thematisiert werden.

Des Weiteren soll die BzgA bei der Bewerbung aller Vorsorgeangebote stärker auf den Genderaspekt achten, um vor allem bei Männern* für deren Wahrnehmung zu werben.

Die Zahl der psychotherapeutischen Angebote muss erhöht werden. Dies gilt sowohl für niedrigschwellige Angebote, wie Psychosoziale Kontakt- und Beratungsstellen in der Nachbarschaft, als auch für die Psychotherapeut*innen, die Vorsorgeuntersuchungen und Therapien durchführen können. Dies wollen wir erreichen, indem die Anzahl der Studien- und Ausbildungsplätze ausgeweitet wird, die Ausbildungsbedingungen vor allem durch Übernahme der Kosten verbessert werden und die Anzahl der vergebenen Kassensitze erhöht wird.

 

Antrag 137/II/2019 Bildung für alle Menschen zu jeder Lebenszeit

23.09.2019

Die SPD bekennt sich im Rahmen der aktuellen und mittelfristigen Politik zur besonderen Bedeutung der Weiterbildung für alle Menschen, also nicht nur für Junge in Schulen und Hochschulen, sondern für alle weiteren Bildungsformen, auch für berufstätige und ältere Bürger, unabhängig von deren Lebensstandard, Gesundheitszustand und Sprachvermögen. Bildung soll Menschen in die Lage versetzen, selbständig zu denken und das Handeln danach ausrichten zu können. Leitlinien dafür sind die Grundrechte unserer Verfassung. Diese Feststellung ist eine herausragende Bemühung unserer Politik, die in jeder Verlautbarung der Parteiarbeit als Kernanliegen von Gerechtigkeit und Solidarität erklärt und gefordert werden muss,

 

Motto: Bildung für alle Menschen zu jeder Lebenszeit

Die SPD setzt sich bundesweit im Interesse demokratischer Entwicklungen verstärkt für eine „umfassende Bildung für die Gesamtbevölkerung“ ein. Die speziellen Aspekte der Berufs- und Weiterbildung im Rahmen von lebenslangem Lernen werden in besonderen Entwürfen der Partei weiterhin aktiv vorangetrieben.

 

Daher wird hier dazu ergänzend insbesondere vorgeschlagen, dass sich alle Parteiinstanzen, vor allem im jeweiligen Bundesland (in Kommunen und Bezirken, auch in regionalen oder lokalen Instanzen) zusätzlich um öffentliche Aktivitäten zu breiter Volksbildung in der Bevölkerung bemühen. Dies sollte auch öffentlich und privat gemeinschaftlich finanzierte Angebote zur Allgemein- und Demokratiebildung umfassen und persönliche, ggf. aufsuchende Lernberatung sowie entsprechend konkreter Unterstützungsangebote vor Ort enthalten. Insbesondere gilt das auch für SeniorInnen und ärmere Menschen aller Altersgruppen, für Kranke, für Menschen mit eingeschränkten Möglichkeiten der Teilnahme – etwa auch für Migranten. Das soll in notwendigen Fällen ggf. mit regelmäßigem Transport zu zentralen Einrichtungen (Shuttle) oder ggf. im Wege des Durchführens von Kursen in den eigenen vier Wänden, einzeln in den Familien oder gemeinsam in lokalen Betroffenengruppen unterstützt werden.

 

Die Finanzmittel dafür sind künftig dauerhaft in allen Regionen des Landes im zeitlich nächst erreichbaren Haushaltsplan vorzusehen für Zusatzpersonal, Transport-, Raumkosten sowie für erforderliches spezielles Bildungs- und Lernmaterial. Eine einfache Digitalisierung dieses Prozesses scheidet oft aus, weil die Fähigkeit oder die Bereitschaft zur Handhabung seitens der Betroffenen oft nicht gegeben und/oder die technische Infrastruktur nicht vorhanden ist.  In diesem Bereich ist ohnehin dauerhaft menschliche Zusammenarbeit vor Ort gefordert.

 

Antrag 185/II/2019 Nichts für Ungut! – Sonderstellung der Homöopathie beenden

23.09.2019

Die Homöopathie entstand vor rund 200 Jahren als Reaktion des deutschen Arztes Samuel Hahnemann auf damals verbreitete höchst invasive medizinische Behandlungsmethoden wie den Aderlass, denen er eine verträglichere Alternative entgegensetzen wollte. Seiner These nach ließen sich Symptome mit Mitteln behandeln, die ebenfalls ähnliche Symptome hervorrufen (Simile-Prinzip). Des Weiteren ging er davon aus, dass Wirkstoffe erst durch mehrfache Verdünnung ihre Wirkung entfalten könnten (Potenzierung). Dies sei allerdings nur dann der Fall – so Hahnemanns Beobachtung – wenn die Lösung bei der Herstellung nach jedem Verdünnungsprozess 10 Mal auf einen weichen Untergrund geschlagen werde.

 

Was damals einen Versuch wert war, kann mit heutigem Wissenstand nur noch eine Frage des Glaubens sein. Mit zunehmender Verdünnung sinkt die Wahrscheinlichkeit auch nur ein einziges Molekül des Ausgangsstoffes im Homöopathikum wiederzufinden. Eine pharmakologische Wirkung homöopathischer Präparate konnte daher auch in zahlreichen wissenschaftlichen Studien nicht nachgewiesen werden. Auch die behauptete Speicherung der „Information“ im Lösungsmittel, die durch das Aufschlagen übertragen wird, bleibt bis heute reine Behauptung.

 

Wissenschaftsjournalist*innen und -aktivistinnen, die öffentlich auf diese Umstände hinweisen, werden derzeit mit Unterlassungsklagen des Homöopathie-Herstellers Hevert überhäuft. Dieser sieht sein Geschäftsmodell bedroht und versucht durch aggressives juristisches Vorgehen Kritiker*innen mundtot zu machen. Da weder der Herstellungsprozess noch die Substanzen kostenintensiv sind, ist die Gewinnspanne für die Produktionsfirmen hier besonders groß. Der Umsatz mit homöopathischen Mitteln in Deutschland betrug im Jahr 2018 670 Millionen Euro.

 

Auch wenn die Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen für Homöopathika nur einen kleinen Bruchteil der Gesamtausgaben für Medikamente ausmachen, stehen sie dennoch nicht im Verhältnis zu ihrem Nutzen. Die Berliner Charité konnte anhand von Abrechnungsdaten der Techniker Krankenkasse aufzeigen, dass für Patient*innen, die sich in homöopathischer Behandlung befanden, Mehrkosten von im Schnitt 2000 Euro aufgewendet wurden. Eine unterlassene wirkungsvolle, medizinischen Behandlung, kann dabei nicht nur kostspielig werden, sondern stellt in erster Linie ein erhebliches Gesundheitsrisiko für die Erkrankten dar.

 

Immer wieder berichten Patient*innen, dass ihnen die Homöopathie geholfen habe und sie sich nach der Einnahme besser fühlten. Homöopathie kann zwar helfen, wirken tut sie aber dennoch nicht. Die subjektiv wahrgenommenen Verbesserungen sind vielmehr auf den Placebo-Effekt zurückzuführen, der unbestritten auch hier auftritt – so wie bei jedem anderen Mittel auch.

 

Das Negieren von Naturgesetzen und Erklärungsversuche, die sich mystischer „stofflicher“ Eigenschaften bedienen, schüren Misstrauen gegenüber einer evidenz-basierten Medizin und schaden im Zweifelsfall nicht nur der*dem Einzelnen, sondern auch der Allgemeinheit, indem ein Klima der Wissenschaftsfeindlichkeit geschaffen wird. Nicht umsonst zeigen Homöopathie- Nutzer*innen eine große Schnittmenge mit Impfgegner*innen auf.

Homöopathika sind dem Arzneimittelgesetz unterstellt und unterliegen somit der Apothekenpflicht.
Im Gegensatz zu Medikamenten müssen sie allerdings nicht zugelassen, sondern lediglich registriert werden, wobei ein Nachweis der Wirksamkeit und Unschädlichkeit ausbleibt.

 

Durch die Kostenerstattung der gesetzlichen Krankenkassen und die Apothekenpflicht für Homöopathie wird suggeriert es handle sich um ein medizinisches Präparat mit Heilungspotenzial. Dies ist irreführend und eine Täuschung von Verbraucher*innen an der die Gesetzgebung mitwirkt. Darüber hinaus entsteht den Mitgliedern gesetzlicher Krankenkassen als beitragszahlende Solidargemeinschaft durch Homoöopathie ein nicht zu rechtfertigender finanzieller Schaden. Dieser wiegt umso schwerer, als dass er dazu beitragen kann, dass medizinische Therapien und Verfahren, deren Wirksamkeit erwiesen wurde, nicht in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen werden.

 

In Großbritannien wurde die Homöopathie 2017 aus dem Leistungskatalog des National Health Service gestrichen. Auch Frankreich hat im Juni 2019 beschlossen, Homöopathie aus dem öffentlichen Gesundheitssystem herauszunehmen. Zudem ist auf homöopathischen Mitteln deutlich zu kennzeichnen, dass eine Wirkung wissenschaftlich nicht nachgewiesen ist. Als Vorbild kann die Verpflichtung auf Kennzeichnung der nicht erwiesenen Wirksamkeit in den USA dienen.

 

Wir fordern die Mitglieder des Bundestages und der Bundesregierung auf, bei den Verwaltungsräten der Krankenkassen darauf hinzuwirken, die Kostenerstattung von homöopathischen Behandlungen sowie von sog. homöopathischen Arzneimitteln durch die gesetzlichen Krankenkassen abzuschaffen. Die gesetzliche Sonderstellung der Homöopathie ist nicht hinnehmbar! Wir fordern, Homöopathika nicht länger als Arzneimittel zu führen und somit auch die Apothekenpflicht für homöopathische Präparate aufzuheben.